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Aale verbringen ihr ganzes Leben im Fluss.
Der Aal hat die Zoologen lange genarrt. Jahrhunderte
brauchten sie, um herauszufinden, wo Aale ihre Kinder kriegen.
In den Flüssen jedenfalls nicht, denn dort fanden sich weder
ganz junge Aale noch erwachsene mit entwickelten
Geschlechtsorganen. Der Lösung des Rätsels etwas näher kam
man, als es gelang, ein schon länger bekanntes, im Mittelmeer
aufgegriffenes Fischchen, dessen Körperumriss einem
Weidenblatt ähnelte, längere Zeit im Aquarium zu halten. Und
siehe da, es wandelte sich zum Aal. Trotzdem sollte es noch
Jahrzehnte dauern, bis die Kinderstube des Europäischen Aals
entdeckt war. Sie liegt in der Sargassosee vor der Küste
Amerikas. Mit dem Golfstrom driften die winzigen Larven 6000
Kilometer, bis sie Europa erreichen. Drei Jahre brauchen sie
dazu. Vor dem Aufstieg in die Flüsse wird die Weidenblatt-
Larve innerhalb eines Tages zum noch durchsichtigen Mini-Aal
von sechs Zentimeter Größe. Etwa zehn Jahre bleiben die Aale
im Süßwasser. Dann schlägt der Geschlechtstrieb zu. Die
Nahrungsaufnahme wird eingestellt, der Darm verkümmert. Die
letzte Reise beginnt, eine Reise ohne Wiederkehr. Nach
anderthalb Jahren sind die Aale wieder dort, wo sie geboren
wurden, in der Sargassosee. Der Laichakt selbst bleibt bis heute
ihr Geheimnis. Keiner hat ihn je beobachtet.
Große Adler verschleppen kleine Kinder.
Rein technisch gesehen wäre es denkbar. Ein Steinadler wiegt
durchschnittlich 3700 Gramm (wenn es ein Männchen ist) bis
5000 Gramm (wenn es ein Weibchen ist) und ist durchaus in der
Lage, Beute zu schleppen, die seinem Eigengewicht entspricht.
Das ist auch notwendig, denn das Lieblingsessen vieler Adler in
den Alpen ist das Murmeltier. Fünf bis sechs Kilogramm kann
so ein Murmel wiegen. Dann wird es allerdings nicht sehr weit
transportiert, es sei denn, starke Aufwinde greifen dem
Greifvogel hilfreich unter die Schwingen. Zudem liegt der
Adlerhorst meist unterhalb seines Jagdgebiets, so dass er seine
Beute nur noch abwärts zu tragen braucht. Wie gesagt: Einen
Säugling von fünf, sechs Pfund zu tragen wäre für den Adler ein
Kinderspiel. Trotzdem scheint Kinderraub durch Adler in
keinem einzigen Fall wirklich belegt zu sein, zahlreichen
entsprechenden Legenden zum Trotz. Die entstanden wohl eher
durch den in vielen Menschen tief verwurzelten Hass auf alles,
was spitze Krallen oder krumme Schnäbel hat.
Alle Affen können sich mit dem Schwanz festhalten.
Erst mal gilt festzustellen: Nicht alle Affen haben einen
Schwanz und folglich können sich auch nicht alle mit einem
solchen festhalten. Die Menschenaffen, zu denen auch wir
zählen, sind das beste Beispiel. Ansonsten gehört aber zu einem
ordentlichen Affen auch ein richtiger Schwanz. Nur eine
Minderheit kann ihn jedoch wirklich als "fünfte Hand"
einsetzen. Für die meisten ist der Schwanz das, was er für
andere Kletterer auch ist: eine Balancierstange. Unter den Affen
der Alten Welt - also denen aus Afrika, Asien und Europa - gibt
es keinen einzigen, der sich am Schwanz baumelnd festhalten
kann. Um einen solchen zu sehen, muss man in die Wälder
Südamerikas reisen. Dort benutzen Kapuzineraffen, Brüllaffen
und Klammeraffen den Schwanz bei ihren Drahtseilakten im
Geäst als Sicherheitsanker. Bei den beiden Letzteren weist die
Schwanzspitze unterseits sogar eine haarlose Tastfläche auf. Das
macht aus einem reinen Greifschwanz einen mit Gefühl.
Klammeraffen haben dort sogar Hautleisten, die bei jedem Tier
anders aussehen - ein Kriminalist könnte deshalb jeden
einzelnen Klammeraffen statt am Fingerabdruck am
Schwanzspitzenabdruck sicher identifizieren.
Algen gibt es nur im Wasser.
Zwar lebt die weit überwiegende Mehrzahl der Algen im
Wasser, manche fühlen sich aber auch an Land wohl. Dort gilt
natürlich: Je nässer, desto besser - weshalb es auch sicher
niemanden wundert, dass die tropischen Regenwälder an
landlebenden Algen ungleich reicher sind als unsere Breiten.
Trotzdem sind auch jedem aufmerksamen Beobachter
heimischer Lebensräume solche Algen vertraut. Grünalgen der
Gattung Pleurococcus bilden oft auffällige grüne Überzüge auf
Baumstämmen. Sie fühlen sich selbst dort noch wohl, wo
verschmutzte Luft Flechten und Moose zum Absterben gebracht
hat. Auch im Boden sind Algen überaus zahlreich; zusammen
mit Bakterien und Pilzen gehören sie dort zu den häufigsten
Lebewesen. Neben Grünalgen dominieren hier die Kieselalgen.
Nicht mehr zu den Algen gezählt werden seit einiger Zeit die
Blaualgen. Zwar betreiben sie Fotosynthese, stehen aber als
kernlose Organismen den Bakterien doch näher als den
Pflanzen. Sie wurden deshalb umgetauft und laufen nun unter
dem Namen Cyanobakterien. Als "Extremisten des Lebens"
werden sie bezeichnet, weil sie noch dort existieren können, wo
andere längst kapitulieren. Die "Tintenstriche" an nassen Felsen
zum Beispiel sind Überzüge von solchen "Blaualgen".
Cyanobakterien sind auch die grünlichen Gallerthäufchen, die
man gelegentlich am Wegesrand findet und die der Volksmund
so anschaulich als "Engelsschnauze" bezeichnet. Auch der
grünliche Schimmer im Fell, dem Faultiere einen guten Teil
ihrer hervorragenden Tarnung verdanken, stammt von solchen
"Algen".
Bei der Algenblüte blühen die Algen.
Wie war's mal mit einem Strauß Algenblüten statt der immer
gleichen Rosen? Wer auf der Suche nach einem originellen
Blumengruß auf diese Idee verfällt, wird leider enttäuscht.
Algen gehören nun mal nicht zu den Blütenpflanzen. Ihre
Fortpflanzungsorgane sind wesentlich weniger attraktiv verpackt
als die der Tulpen, Rosen oder Nelken. Schließlich müssen sie ja
auch keine Bestäuber auf sich aufmerksam machen wie die
bunten, duftenden und mit Nährstoffen lockenden Blumen.
Algenblüte hat dagegen nicht unbedingt etwas mit Fortpflanzung
zu tun, wohl aber mit Vermehrung. Diese ist nämlich
bei zahlreichen Algenarten, anders als bei uns Menschen, nicht
mit Sex gekoppelt. Der einfachste Fall der Vermehrung, die
Teilung in zwei Nachkommen, funktioniert ganz ohne Partner.
Eine "Algenblüte" ist schlicht und ergreifend die Massenvermehrung
von Plankton-Algen, die im Frühjahr klares Wasser
innerhalb weniger Tage in eine grüne Brühe verwandeln kann
und für getrübte Badefreuden in heimischen Teichen und Seen
sorgt.
Algenblüten gibt es aber nicht nur in nährstoffreichem
Süßwasser, sondern auch im Meer. Berühmt und berüchtigt sind
vor allem die "red tides", die ihre rote Farbe einzelligen
Panzeralgen verdanken. Deren giftige Inhaltsstoffe können sich
in den Nahrungsketten so anreichern, dass sich auch Menschen
nach Muschel- oder Fischkonsum vergiften. So forderten Algenblüten
sogar schon Todesopfer.
Ameisen können niemals fliegen.
So denkt man beim Anblick dieser kleinen emsigen
Bodenarbeiter. Doch dann geschieht es an einem schwülwarmen
Sommernachmittag: Aus allen Ausgängen des großen Ameisenhaufens
quellen geflügelte Insekten, krabbeln emsig hin und her,
starten und verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Es sind
Ameisenköniginnen auf dem Jungfernflug. Und Männchen, die
danach trachten, aus dem Jungfernflug so bald wie möglich eine
Hochzeitsreise zu machen. Die Paarung findet manchmal noch
in der Luft statt. Nach der Landung ist Schluss mit den
Höhenflügen. Die Flügel fallen an einer Sollbruchstelle ab und
die Ameise sieht endlich so aus, wie sie uns vertraut ist: ein
kleiner, sechsbeiniger, flügelloser Krabbler mit dünner
Wespentaille. Die Königin sucht sich nun ein gutes Plätzchen
zur Gründung eines neuen Staates. Dank Samenspeicherung
kann sie fortan auf ihren Gatten oder anderen Männerbesuch
verzichten.
Ein Ameisenstaat besteht aus Arbeitern und
Arbeiterinnen.
Machen wir uns auf eine kleine Reise durch ein Nest der
Roten Waldameise. Gut eine halbe Million Einwohner sind hier
ständig am Werkeln, reparieren den Ameisenhaufen und bauen
ihn aus, öffnen oder schließen die Pforten, um die Temperatur
zu regulieren, kümmern sich um die Aufzucht der Jungen und
ziehen in Kolonnen hinaus in die Umgebung zur Nahrungssuche
oder zum Läuse melken. Viele Aufgaben, die Parallelen zur
Menschenwelt erkennen lassen, und unwillkürlich unterstellt
mancher eine ähnliche Arbeitsteilung: Kinder und Küche ist
Frauensache, während Männer bauen und sich zum Kampf
rüsten, wenn's gefährlich wird. Ganz falsch! Das Sagen (und die
Arbeit) in diesem Staat haben allein die Frauen, und auch die
Regierung ist weiblich: die Ameisenkönigin. Bei manchen Arten
sind auch mehrere Königinnen im Nest; hier hat dann jede ihren
eigenen Bereich, vergleichbar einem föderalistischen System,
einer Ameisen-Bundesrepublik also. Die Königin hat das
Eierlegemonopol. Die Arbeiterinnen, bedeutend kleiner als ihre
Chefin und mit nur schwach entwickelten Keimdrüsen, machen
alle Arbeit und können sich nur fortpflanzen, wenn die Königin
ausfällt. Wo aber bleiben die Männer? Sie spielen nur eine Rolle
als Samenspender. Bald nach dem Schlüpfen starten sie
gemeinsam mit den jungen Königinnen zum Hochzeitsflug.
Damit haben sie ihre Schuldigkeit getan. Bei den Rossameisen,
mit Arbeiterinnen von fast eineinhalb Zentimetern Länge die
größten einheimischen Ameisen, dürfen die Männer etwas
länger bleiben. Nützlich machen sie sich aber trotzdem nicht.
Eine Ameisenjungfer ist eine jungfräuliche Ameise.
Ein Ameisenstaat besteht gewöhnlich fast ausschließlich aus
Jungfrauen, den arbeitenden Weibchen nämlich. Das Fortpflanzungsmonopol
hat die Königin, die während des
Hochzeitsflugs so viel Sperma tankt, dass es fürs ganze Leben
reicht. Männer sind also fortan überflüssig. Die jungfräulichen
Ameisen werden aber nicht Ameisenjungfern genannt, sondern,
weniger poetisch, Arbeiterinnen. Ameisenjungfern gibt es
allerdings wirklich. Sie sind nur keine Ameisen, sondern große
Netzflügler. Auf den ersten Blick gleichen sie ein bisschen einer
Libelle, haben jedoch längere Fühler und legen ihre Flügel im
Sitzen dachförmig über den Körper. Völlig anders sehen sie als
Larve aus, und sie heißen sogar anders: Ameisenlöwe. Den
Löwen trifft man an warmen, regengeschützten Orten im Sand,
fast vollständig eingegraben am Grund eines kleinen Trichters
von einigen Zentimetern Durchmesser und Tiefe. Hier liegt er
auf der Lauer. Kommt ein argloses Insekt (eine Ameise zum
Beispiel) des Weges, bewirft der Löwe es so lange mit Sand, bis
es in den Trichter rutscht. An dessen steilen Wänden gibt es kein
Halten mehr. Schließlich packen zwei riesige Saugzangen zu
und vergiften das sich immer schwächer wehrende Opfer, um es
anschließend auszusaugen. Wer den Ameisenlöwen ausgräbt,
hat einen unscheinbar graubraunen, zentimetergroßen, borstigen
Körper in der Hand, der mit hektischen Bewegungen versucht,
sich wieder einzugraben. Wohl fühlt er sich erst wieder, wenn
außer den gefährlichen Zangen am Trichtergrund nichts von ihm
zu sehen ist. Also: Die Ameisenjungfer ist keine Ameise, isst
aber in ihrer Jugendzeit welche.
Ammoniten sind versteinerte Schnecken.
Nicht alles, was eine gewundene Schale hat, ist eine
Schnecke. Die Ammoniten zum Beispiel sind keine. Ihren
Namen verdanken sie dem gewundenen Gehörn des schafsköpfigen
ägyptischen Gottes Ammon. Viele Ammoniten sind
nämlich nicht nur gewunden, sondern gerippt wie ein
Schafsgehörn. Ganz kla r wird im Längsschnitt, dass die
ausgestorbenen Tiere, deren versteinerte Spiralschalen in großer
Zahl und Vielfalt in Ablagerungsgesteinen der ganzen Erde
gefunden werden können, mit den Schnecken nicht näher
verwandt sind. Die geschliffene Oberfläche eines solchen
Schnitts offenbart, dass das Gehäuse, anders als bei jeder
Schnecke, innen gekammert ist. Dabei wohnte das Tier in der
vorderen, sich zur Mündung öffnenden größten Kammer. Die
kleineren hinteren Kammern waren Kinderzimmer, die während
des Wachstums benutzt und später durch Querwände abgeteilt
wurden. Schneidet man das Gehäuse genau in der Mitte durch,
trifft man zusätzlich einen Kanal, der diese Kammern
miteinander verbindet. Durch ihn wurden die kleinen Kammern
entwässert und mit einem Gasgemisch gefüllt, um beim
Schwimmen oder Treiben im Wasser Auftrieb zu erzeugen.
Noch heute gibt es Tiere, die ähnlich aussehen und ähnlich
leben: die Perlboote (Nautilus), lebende Fossilien aus der
Südsee. Sie sind allerdings keine Nachfahren der Ammoniten.
Fossile Nautilus-Verwandte lebten schon lange, bevor die
Ammoniten entstanden. Beide sind aber miteinander verwandt.
Sie gehören zu den Kopffüßern (Cephalopoda), die auch als
Tintenfische bezeichnet werden. Und da die Kopffüßer ein Teil
des großen Stammes der Weichtiere oder Mollusken sind,
gehören sie damit doch wenigstens in die weiteste
Verwandtschaft der Schnecken. Und der Kreis schließt sich
wenigstens etwas.
Amsel und Drossel sind verschiedene Vögel.
"Amsel, Drossel, Fink und Star" - wer kennt sie nicht, die
Aufzählung aus dem klassischen Kinderlied? Vier heimische
Vogel-Arten? Mitnichten. Nur mit Amsel und Star werden zwei
Arten eindeutig benannt. Drosseln und Finken dagegen sind
ganze Vogelfamilien mit jeweils vielen Arten. Und die Familie
der Drosseln schließt nicht nur die Sing-, Mistel- und
Wacholderdrossel, sondern eben auch die Amsel oder
Schwarzdrossel mit ein. Also: Mit Amsel und Drossel können
zwei verschiedene Arten gemeint sein, müssen aber nicht.
In der Antarktis wachsen keine Blumen.
Ein kilometerdicker Eispanzer, allenfalls bevölkert von ein
paar im heulenden Sturm brütenden Pinguinen - das ist die
Antarktis. Kein Platz, an dem Blumen blühen. Und doch gibt es
sie: Wer antarktische Blumen pflücken will, muss nach
Grahamsland. So heißt der nördliche Landzipfel, den die
Antarktis in Richtung Südamerika streckt. Hier wachsen die
beiden einzigen Blütenpflanzen, die der Südkontinent zu bieten
hat: das Gras Deschampsia antarctica und das Nelkengewächs
Colobanthus guiterris. Erst jüngst kamen im Gefolge der
Menschen, die sich selber erst im Lauf der letzten Jahrzehnte auf
den unwirtlichen Erdteil wagten, noch einige Neuankömmlinge,
darunter das Einjährige Rispengras und die Vogelmiere, beide
auch bei uns nahezu allgegenwärtige Kulturfolger. Ansonsten ist
Grahamsland ein Land der Flechten, von denen über 350 Arten
nachgewiesen sind, und der Moose (75 Arten). Abseits der
klimatisch begünstigten Halbinsel aber ist die Antarktis
tatsächlich eine zu 99 Prozent von Eis bedeckte Wüste. Die
wenigen eisfreien Gebiete sind so trocken, dass hier außer
wenigen Flechten und Moosen allenfalls Eisblumen gedeihen.
Nachzutragen bleibt, dass Antarctica nicht immer so
lebensfeindlich war. Fossilien belegen, dass es einst auch hier
üppig grünte. Erst als der Erdteil sich durch die Kontinentaldrift
Richtung Südpol schob, war es aus mit dem blühenden Leben.
Äpfel und Zwetschgen werden von Würmern bewohnt.
Einen echten Wurm wird man im Apfel höchstens finden,
wenn er faulig auf dem Boden liegt und einen willkommenen
Nachtisch für die Regenwürmer abgibt. Ein "wurmiger" Apfel
dagegen ist die Kinderstube eines kleinen Schmetterlings, des
Apfelwicklers. Dessen Weibchen stehen auf junge Früchtchen
und legen ihre Eier im Frühling und Frühsommer einzeln an die
unreifen Äpfel und anderes Kernobst. In der Pflaume wohnt
gewöhnlich ein naher Verwandter mit gleichen Vorlieben, der
Pflaumenwickler. Das schlüpfende Räuplein, der vermeintliche
"Wurm", nagt sich zum Kernhaus vor. Wer genau hinschaut,
erkennt am Vorderende deutlich den dunkleren Kopf, gefolgt
von drei Segmenten, die jeweils zwei kurze Beinchen tragen.
Damit ist klar, dass es sich hier um eine Insektenlarve handelt.
Wie die sprichwörtliche Made im Speck lebt sie inmitten ihrer
Nahrung. Ihr Fraßgang ist mit Kotkrümeln gefüllt. Die
erwachsene Raupe seilt sich am seidenen Faden ab und
überwintert unter der Baumrinde. Der Schaden für den
Obstgärtner kann groß sein: Viele Apfelwickler fressen sich
durch mehrere Früchte und sehr viele befallene Äpfel fallen
schon unreif vom Baum.
Asseln sind Insekten.
Kleine vielbeinige Krabbeltiere mit harter Oberfläche sind
Insekten. Wer nach dieser Faustregel Tiere bestimmt, hat oft
Recht, aber eben nicht immer. Wir brauchen eine kleine
Zusatzregel: Ein Insekt hat immer sechs Beine. Und alles, was
mehr als sechs Beine hat, ist auf keinen Fall ein Insekt, sondern
ein Spinnentier, ein Tausendfüßer oder wie bei der Assel - ein
Krebs. Wer eine Kellerassel auf den Rücken dreht, sieht nicht
drei, sondern sieben strampelnde Laufbeinpaare. Nun leben die
meisten Krebse im Wasser und auch viele Asseln bleiben der
Ur-Heimat aller Krebstiere treu. Einige erstaunliche
Anpassungen ermöglichen den Landasseln aber das Überleben
auf dem Trockenen. Zusätzlich zu den Kiemen haben sie
nämlich Lungen (und zwar an ungewöhnlicher Stelle, nämlich in
Höhlungen der Hinterbeine). Ihre Eier tragen sie in einer
bewässerten Bruttasche am Bauch mit sich herum, bis die
Jungen schlüpfen.
Alle Bakterien machen krank.
Natürlich gibt es einige Arten krank machender Bakterien.
Pest und Cholera, bis in die Neuzeit hinein schlimme Geißeln
der Menschheit, sind bakterielle Erkrankungen ebenso wie
Diphtherie, Milzbrand, Syphilis und viele andere. Ihren
Schrecken als Krankheitserreger haben Bakterien erst seit der
Entdeckung des Penicillins und anderer Antibiotika verloren.
Übersehen wird aber bei der allgemeinen Bazillen-Schelte
meist, dass nur wenige Arten Krankheiten erregen. Den meisten
Bakterien sind wir Menschen ganz egal. Sie brauchen uns nicht.
Wohl aber wir sie! Wenn in Zusammenhang mit einer
Behandlung mit Antibiotika auch die Darmflora leidet, kann das
sehr unangenehm werden. Und diese bei der Verdauung
helfende Darmflora besteht trotz ihres blumigen Namens nicht
etwa aus schönen Blüten, sondern überwiegend aus Bakterien.
Über vierhundert Arten leben in uns, oft in Milliardenzahl.
Abbau und Entsorgung ist das Geschäft vieler Bakterien nicht
nur im Darm, sondern auch in der freien Natur. Sie stellen aus
organischem Abfall wieder pflanzenverwertbare Nährstoffe her.
Beeindruckend ist ihre Zahl, ihre Vielfalt und ihre Widerstands-
fähigkeit. Es gibt keine bakterienfreien Lebensräume auf der
Erde. Ob Totes Meer, heiße Geysire oder Felsklüfte Hunderte
von Metern tief in der Erde: Die ganze Erde ist Bakterienland,
und nicht erst seit gestern, denn bakterienähnliche Lebewesen
waren die wohl ersten, die vor etwa dreieinhalb Milliarden
Jahren entstanden sind.
Bananen wachsen auf Bäumen.
Trotz stattlicher Höhe von fünf bis neun Metern sind Bananen
keine Bäume. Es ist nämlich nicht die Größe, die eine Pflanze
dazu berechtigt, den Titel "Baum" zu führen. Weil ihre
oberirdischen Teile nicht ausdauernd sind wie die der Bäume,
gehören Bananen zu den Stauden. Die riesigen Blätter - sie
können über fünf Meter lang und bis zu einen Meter breit
werden - bilden mit ihren steifen Blattscheiden einen hohlen
Scheinstamm. Etwa ein Jahr nach den Blättern erscheint der
gewaltige Blütenstand. Er schiebt sich durch den Scheinstamm
hindurch und entfaltet seine Blüten in den Achseln rotbrauner
Tragblätter, die später abfallen. Drei Monate später sind die
Bananen reif. Anschließend sterben die oberirdischen Teile der
Bananenstaude ab. Die knolligen unterirdischen Sprosse
(Rhizome) haben dann aber schon neue Triebe gebildet. Die
Banane liefert noch eine weitere botanische Merkwürdigkeit:
Obwohl ihre leckeren Früchte nicht der landläufigen Vorstellung
von einer Beere entsprechen, sind sie welche. Botaniker haben
eben eine andere Beeren-Definition als Obsthändler (siehe Seite
20). Die schwärzlichen Pünktchen im gelben Fruchtfleisch sind
die Reste der Samenanlagen. Die Pflanze selbst vermehrt sich
vegetativ, also durch Ableger.
Bären halten Winterschlaf.
Zwar verschwinden Bären im Winter mitunter wochen- oder
gar monatelang in ihren Unterschlüpfen und schlafen die meiste
Zeit. Gefressen oder getrunken wird dann nicht mehr. Die
Körpertemperatur überwinternder Bären ist um wenige Grad
abgesenkt, das Herz schlägt sehr viel langsamer als im Sommer.
Richtige Winterschläfer sind sie deshalb noch lange nicht. Dann
nämlich müssten sie ihre innere Heizung ganz abschalten (es sei
denn, es droht Tod durch Einfrieren) und den gesamten
Stoffwechsel noch viel weiter herunterfahren (siehe Seite 214).
Das aber scheint nur für kleine Tiere bis zur Größe eines
Murmeltiers sinnvoll. Um ihren gewaltigen Körper im Frühjahr
wieder aufzuheizen, brauchten Bären nämlich enorme
Energiereserven. Der Spareffekt des Winterschlafs wäre damit
dahin. Bären halten also keinen Winterschlaf, sondern
Winterruhe. Sie bringen während der Winterruhe sogar ihre
Jungen zur Welt. Undenkbar für einen echten Winterschläfer,
der die kalte Jahreszeit in fast völliger Apathie übersteht. Und
wehe dem, der einen Bären während seiner Winterruhe stört.
Ohne Aufwärmzeit steht einem dann ein gefährlicher Gegner
gegenüber.
Beeren sind kleine saftige Kugelfrüchte.
Nicht Form und Größe einer Frucht legen fest, ob sie sich
Beere nennen darf oder nicht. Die botanische Definition ist
streng: Eine Beere ist eine Schließfrucht, die die Samen erst
beim Verrotten oder Verzehr der Fruchtwand freigibt. Die
Fruchtwand einer Beere ist, von der äußersten Schicht
abgesehen, fleischig und saftig. Demnach tragen nicht nur
Johannis-, Stachel- und Blaubeersträucher Beerenfrüchte. Auch
Tomaten, Bananen, Gurken, Kürbisse und Melonen sind Beeren.
Ihrer sehr harten äußersten Fruchtschale wegen werden letztere
auch als Panzerbeeren bezeichnet. Keine Beeren sind hingegen
Him- und Brombeeren. Bei ihnen ist die innerste Schicht der
Fruchtwände verholzt, weshalb man von Sammelsteinfrüchten
spricht. Und selbst eine scheinbar so typische Beere wie die
Erdbeere ist keine, sondern eine Sammelnussfrucht
Alle Beuteltiere haben einen Beutel.
Dass das Känguru einen Beutel hat, weiß nun wirklich jedes
Kind. Und weil das Känguru das Beuteltier schlechthin ist,
schließt man daraus (vor)schnell: Alle Beuteltiere haben einen
Beutel. Aber stimmt das wirklich? Hier hilft eine kleine
Überlegung zur Aufgabe dieser merkwürdigen Bauchtasche
weiter: Ein Beutel ist nichts anderes als ein Brutkasten für
vorprogrammierte Frühgeburten. Die Jungen der Beuteltiere
werden nämlich nach sehr kurzer Tragzeit winzig klein und weit
gehend hilflos geboren. Der zweite, längere Teil der
Schwangerschaft ist gleichsam ausgelagert. Im Beutel, den die
Winzlinge krabbelnd erreichen, finden die Jungen Schutz,
Wärme und Nahrung, denn hier befinden sich auch die Milch
spendenden Zitzen. Sobald das Junge eine Zitze findet und sich
festsaugt, schwillt deren Spitze im Mund so stark an, dass es
kaum mehr zu lösen ist. Logisch und wenig erstaunlich also,
dass alle Beuteltier-Männchen keinen Beutel haben. Ohne sind
aber auch - und das verblüfft nun wirklich - die Weibchen
mancher Raubbeutler- und Beutelratten-Arten. Bei letzteren
umgibt allenfalls ein kleiner Hautwall das Zitzenfeld. Hier
hängen die Jungen anfangs frei an den Zitzen. Erst später
können sie sich am Flanken- oder Rückenfell der Mutter
festhalten. Natürlich sind hier die Verluste viel größer als bei
geschützt im Beutel aufwachsenden Jungtieren. Zum Ausgleich
dafür haben die Nicht-Beutler unter den Beuteltieren einfach
mehr Junge.
Biber essen Fische.
Überaus hartnäckigen Vorurteilen zum Trotz: Biber sind
Vegetarier und rühren keinen Fisch an. Ein ausgewachsener
Biber, mit 25 Kilogramm das größte Nagetier Europas, benötigt
etwa fünf Kilogramm Pflanzen am Tag. Im Sommer ist die
Versorgung mit Wasser- und Uferpflanzen kein größeres
Problem. Im Winter dagegen wird Nahrung knapper. Mithilfe
seiner gewaltigen, zeitlebens nachwachsenden Nagezähne sorgt
der Biber für Nachschub. Scheinbar mühelos fällt er selbst dicke
Bäume, um an die nahrhafte Rinde der Zweige zu kommen.
Äste braucht er auch, um seine Wohnung und die
Knüppeldämme zu bauen, mit denen er Teiche anstaut und so
seinen eigenen Lebensraum gestaltet. Zum Fällen nagen Biber
den Stamm von allen Seiten an, bis er einer Eieruhr gleicht.
Wohin der Baum fällt, kann der Nager nicht berechnen, obwohl
ihm das oft unterstellt wird. Dass der Baum meist zum Wasser
fallt, liegt einfach daran, dass am Ufer stehende Bäume oft
leicht zum Wasser geneigt sind oder mehr Äste dorthin strecken,
sodass sie dann in diese Richtung stürzen. Gelegentlich wird
sogar ein Biber vom selbst gefällten Baum erschlagen.
Bienen können nur einmal stechen und sterben dann.
Bienenstiche sind für den Menschen sehr schmerzhaft, für die
Biene aber tödlich. Aus unserer elastischen, faserigen Haut lässt
sich der mit Widerhaken bewehrte Bienenstachel (anders als der
glatte Stachel der Wespen) nicht mehr lösen. Beim panischen
Versuch, die Bienen-Attacke abzuwehren, reißen wir meist den
ganzen Stechapparat aus ihrem Hinterleib. Anders ist das, wenn
eine Biene den Bienenstock gegen andere Insekten verteidigt
und dabei zusticht. Aus dem harten, aus Chitin bestehenden
Insektenpanzer kann die Biene ihren Stachel problemlos wieder
herausziehen. Und den nächsten Angreifer damit stechen.
Übrigens wird der Stachel nicht nur zur Verteidigung eingesetzt,
sondern auch zur Lösung innerstaatlicher Probleme, sei es mit
überzähligen Königinnen oder mit nach der Paarung überflüssig
gewordenen Drohnen.
Alle Bienen stechen.
Fürchten muss man sich nur vor den weiblichen Tieren. Der
Stechapparat hat sich nämlich aus dem Eilegeapparat entwickelt,
den natürlich nur die Weibchen haben. Bienenmännchen,
Drohnen genannt, haben keinen Stachel und sind völlig harmlos.
Das gilt nicht nur für die Honigbiene, sondern für die ganze,
allein in Mitteleuropa mehrere hundert Arten umfassende
Familie der Bienen. Bei Honigbienen sind die stachellosen
Drohnen leicht zu erkennen. Sie sind größer und plumper als die
Arbeiterinnen und haben größere, sich oben auf dem Kopf
berührende Facettenaugen. Auch fehlen die Pollensammel-
Körbchen an den Hinterbeinen.
Aber, wie so oft in der Biologie: Keine Regel ohne
Ausnahme. Vor allem in Südamerika, weniger artenreich auch
in Afrika, Asien und Australien, gibt es Stachellose Bienen, die
zum Teil ebenfalls als Honig- und Wachslieferanten genutzt
werden. In Europa scheiterten Ansiedlungsversuche aus
klimatischen Gründen. Zwar ist der Stachel bei den Weibchen
dieser Stachellosen Bienen verkümmert, das erleichtert den
Umgang mit ihnen jedoch keineswegs. Sie verteidigen sich
nämlich mit wütenden Bissen. Haben sie sich einmal
festgebissen, lassen sie nicht mehr los - eher reißt sogar ihr Kopf
ab.
Biotop ist der Fachausdruck für Gartenteiche.
Wörtlich übersetzt ist der (nicht das!) Biotop ein Lebensort
(griechisch bios = Leben, topos = Ort). Die Ökologie definiert
den Begriff als mehr oder weniger einheitlich ausgestatteten
Lebensraum, der dann von einer bestimmten Biozönose, einer
Lebensgemeinschaft aus Pflanzen, Tieren und Pilzen, Einzellern
und Bakterien, genutzt wird. Ein Biotop kann ebenso gut ein
vom Menschen völlig unbeeinflusster Steilhang in den Alpen
sein wie ein Blumenkübel in der Fußgängerzone oder eine von
Staubläusen besiedelte Wohnungsecke. Wie so oft, machte der
wissenschaftliche Begriff beim Übergang in die Umgangssprache
einen Bedeutungswandel durch. Weil es die Tümpel
grabenden Amphibienschützer waren, die dieses Wort in den
1970er Jahren durch inflationäre Verwendung zum
Allgemeingut machten, steht "das Biotop" seitdem für jedes
Wasserloch, in dem ein Frosch quakt.
Blindschleichen sind blind.
Blindschleichen sind nicht blind. Dieser Irrtum beruht auf
einer falschen Deutung ihres ursprünglichen Namens. Ihre
metallisch glänzende Haut nämlich verschaffte ihnen vor vielen
hundert Jahren den Namen "Plintslicho", was so viel heißt wie
Blendender Schleicher. Später wurde daraus unsere
Blindschleiche. Ihre Nahrung suchen die Echsen aber trotzdem
weniger mit dem Auge als mit ihrem Geruchssinn. Ständiges
Züngeln hilft, Duftstoffe einzufangen. Nacktschnecken,
Regenwürmer und Insekten werden so geortet und erbeutet.
Blindschleichen sind Schlangen.
Schau mir in die Augen, Kleines - wer sich darauf einlässt,
sieht die Blindschleiche vielleicht blinzeln. Schlangen dagegen
haben einen typischen, starren Blick. Augenlider fehlen ihnen,
weshalb sie auch nicht blinzeln können. Das "freundliche"
Gesicht enttarnt die Schleiche als beinlose Eidechsenverwandte.
Nicht jedes beinlose Reptil also ist eine Schlange. Auch
innerhalb der Echsen sind die Blindschleichen nicht die einzigen
"Scheinschlangen". Fußlosigkeit entstand im Lauf der
Stammesgeschichte mehrmals unabhängig voneinander. Arten
mit zurückgebildeten Beinen finden sich unter sechs der
siebzehn Echsenfamilien. Bei vielen sind äußerlich noch
winzige Beinstummel zu sehen (bei der südeuropäischen
Erzschleiche zum Beispiel). Bei der Blindschleiche braucht man
dagegen einen Röntgenblick, um die von außen nicht mehr
sichtbaren Reste des Schulter- und Beckengürtels nachzuweisen.
Wann lohnt es sich, auf Beine zu verzichten? Bei unterirdisch
lebenden Echsen scheint die Schlangenform ebenso vorteilhaft
zu sein wie bei solchen, die sich durch dichten Unterwuchs
winden. Und genau das tut unsere Blindschleiche.
Blumensträuße verzehren Sauerstoff, und müssen deshalb
nachts aus dem Krankenzimmer entfernt werden. Tatsächlich
verbrauchen Pflanzen nächtens Sauerstoff, statt welchen zu
produzieren (siehe Seite 132). Allerdings sind das, verglichen
mit dem Sauerstoffkonsum eines Menschen, so geringe Mengen,
dass die Luft deshalb nicht knapp wird. Der wahre Grund, den
Blumenschmuck (nicht nur nachts) aus den Krankenzimmern zu
verbannen, ist ein hygienischer. Das Wasser in der
Schnittblumenvase wie auch die Erde von Topfblumen wimmelt
von Kleinlebewesen. Auch wenn die meisten der dort hausenden
Bakterien, Einzeller oder Schimmelpilze harmlos sind, ist eine
Gesundheitsgefährdung schwer Kranker oder frisch Operierter
nicht immer auszuschließen. Also wird dieses Einfallstor für
Keime lieber geschlossen: Die Blumen müssen draußen bleiben.
Aber selbst früher, als man es mit der Hygiene noch nicht so
genau nahm und Blumen im Krankenhaus noch gerne gesehen
wurden, hat man die Sträuße abends auf den Gang gestellt. Dort
war es gewöhnlich einfach kühler als in den Krankenzimmern,
weshalb die Sträuße länger hielten.
BLUT ist immer rot.
Rot ist das Blut des gemeinen Volkes. Der Adel aber ist
blaublütig. Diese Unterscheidung stammt aus alter Zeit, in der
die arbeitende Bevölkerung wettergegerbte Haut hatte, während
durch die zarte weiße Haut der holden Maiden in den
Kemenaten der Burgen und Schlösser bläulich die Adern
schimmerten. Stach sich eine beim Sticken in den Finger, floss
aber auch hier rotes Blut. Rot ist die Farbe des Hämoglobins,
das, in roten Blutkörperchen konzentriert, den Gastransport im
Wirbeltierkörper besorgt. Ausnahmsweise kann es aber fehlen.
Die antarktischen Eisfische haben weißes Blut. Bei Insekten ist
das sogar die Regel. Hier wird der Gasaustausch auch nicht
durch das Blut, sondern über das sich immer feiner verästelnde
Luftröhrensystem der Tracheen geregelt. Allerdings gibt es auch
manche Wirbellosen, die den bewährten roten Blutfarbstoff
einsetzen. Er tritt zum Beispiel im Regenwurm und in der bei
Aquarianern als Futtertier beliebten knallrot gefärbten roten
Larve mancher Zuckmücken auf. Andere Wirbellose nutzen als
Sauerstofftransporter statt des eisenhaltigen Hämoglobins das
kupferhaltige Hämocyanin, und die haben nun wirklich blaues
Blut. Zum blaublütigen "Adel" der Tierwelt gehören unter
anderem Tintenfische, die meisten Schnecken, viele Krebse,
Schwertschwänze, Skorpione und Spinnen.
Blüten locken Bestäuber meist mit Honig an.
Blüten kennen zwei gängige Währungen als Lohn für fleißige
Bestäuber: Pollen und Nektar. Bezahlt werden damit
Schmetterlinge und Bienen, Käfer und Fliegen, in tropischen
Ländern auch Vögel und Fledermäuse, als Gegenleistung für
den Pollentransport von Blüte zu Blüte. (Dass es auch zahlreiche
Betrüger unter den Blüten gibt, die unter Vorspiegelung falscher
Tatsachen Bestäuber anlocken, aber keinen Lohn bezahlen, sei
nicht verschwiegen). Honig dagegen ist kein Blütenlohn,
sondern wird erst von den Honigbienen hergestellt. Grundstoff
ist nicht nur Nektar, der je nach Pflanzenart zwischen acht
Prozent und 76 Prozent Zucker enthält, sondern auch Honigtau.
Diesen scheiden die Pflanzensaft saugenden Blatt- und
Rindenläuse aus; aus dieser etwas unappetitlichen Grundlage
machen die Bienen den besonders geschätzten Wald- und
Tannenhonig. Im Bienenstock werden Nektar und Honigtau von
der Sammlerin an andere Bienen weitergeleitet, die ihn dann mit
Fermenten versetzen, eindicken und schließlich in luftdicht
verschlossenen Waben als Reserve für schlechte Zeiten
aufbewahren. Hierzulande stellen nur Honigbienen Honig her.
Die Hummeln füllen ihre "Honigtöpfe" mit Nektar
verschiedener Blüten.
Blütenpflanzen erzeugen mithilfe der Sonne Nährstoffe.
Pflanzen verfügen über eine ausgefeilte Solartechnik, um die
wir Menschen sie nur beneiden können. Sie erzeugen in einem
Fotosynthese genannten Vorgang aus den überall verfügbaren
Rohstoffen Kohlendioxid und Wasser mithilfe von Sonnenlicht
energiereiche Zuckerverbindungen. Eine zentrale Rolle beim
"Einfangen" der Sonnenenergie spielt dabei der grüne
Blattfarbstoff, das Chlorophyll. Das heißt: ohne Chlorophyll
auch keine Fotosynthese. Wenn eine Pflanze also ganz bleich
dasteht, wie die Nestwurz (eine Orchidee), der Fichtenspargel
oder die Sommerwurz-Arten, kann sie sich nicht von "Licht und
Luft" ernähren. Sie besorgt sich die nötigen Nährstoffe, indem
sie mit ihren Wurzeln andere Pflanzen anzapft, ist also ein
Parasit. Volkstümliche Namen wie Kleewürger und Hanftod für
zwei Sommerwurz-Arten deuten schon an, dass dieser Aderlass
für den unfreiwilligen Wirt nicht immer leicht zu verkraften ist.
Bockbier hat etwas mit dem Ziegenbock zu tun.
Der Bocksbeutel, eine bauchigbreite Weißweinflasche aus
dem Fränkischen, verdankt seinen Namen tatsächlich dem
Ziegenbock bzw. der Form seines Hodensacks. Beim Bockbier
sind dagegen keinerlei derart anrüchige Assoziationen
angebracht. Das Starkbier heißt nach der berühmten Bierstadt
Einbeck, die früher als Aimbock oder Oambock bekannt war.
Bohnen sind ungiftig.
Lassen sich Bohnen wirklich unbedenklich verspeisen?
Zunächst: Bohne ist nicht gleich Bohne. Im Hausgarten werden
mit Gartenbohne und Feuerbohne schon zwei verschiedene
Arten angebaut, Saubohne und Sojabohne gehören ebenfalls in
die nähere Verwandtschaft. Dazu gesellen sich noch zahlreiche
weitere Bohnen-Arten auf der ganzen Welt. Sie alle gehören zur
Familie der Schmetterlingsblütler. Manches, was Bohne heißt,
ist dagegen keine, sondern hat nur die Form eines
Bohnensamens: Kakaobohnen, Kaffeebohnen, Blaue Bohnen...
Sind Bohnen nun giftig oder nicht? Eine pauschale Antwort
lässt sich nicht geben, weil nicht alle Arten dieselben
Inhaltsstoffe aufweisen. Für die häufig angebaute Garten- und
die Feuerbohne gilt: Ja und nein. Sie enthalten den Giftstoff
Phasin, der die Blutgerinnung stört. Bei 75 Grad Celsius wird
Phasin zerstört. Ro he Bohnen sind also tatsächlich giftig und
auch Trocknen hilft nicht, den Giftstoff abzubauen. Es gilt: Erst
kochen, dann genießen. Eine nahe Verwandte, die in warmen
Ländern angebaute Mond- oder Limabohne, verliert ihre durch
eine Blausäureverbindung hervorgerufene Giftigkeit gar erst,
wenn sie ein bis zwei Tage eingeweicht und dann gekocht wird,
wobei das Kochwasser weggeschüttet werden muss.
Dagegen sind Sojabohnen und die bei uns häufig als
Viehfutter angebaute und gelegentlich auch als Gemüse genutzte
Saubohne ungiftig. Letztere, auch als Dicke Bohne oder
Puffbohne bekannt, kann allerdings heftige Allergien
hervorrufen. Vor allem Menschen aus Mittelmeerländern
scheinen von dieser ererbten Gefährdung besonders betroffen zu
sein.
Bremsen stechen.
Während eine Stechmücke mit ihrem dünnen Stechrüssel
Präzisionsarbeit leistet und dabei, wenn sie Glück hat, nicht
einmal auf Nerven trifft, gehen Bremsen richtig grob vor. Mit
ihren messerförmigen Mundwerkzeugen schneiden sie die Haut
ihrer Opfer auf - das Resultat ist also eigentlich kein Stich,
sondern ein Schnitt. Und anders als Stechmücken, die ihre
Blutnahrung durch ihren eingebauten Trinkhalm einsaugen,
nehmen Bremsen das durch gerinnungshemmenden Speichel
dünnflüssig gemachte austretende Blut mit ihrem Tupfrüssel
auf. Die Wunden bluten oft noch, nachdem die Bremse gesättigt
davongeflogen ist. Bei Menschen kommt es aber meist nicht so
weit. Zwar verstehen die Bremsen es, sich schnell und
unauffällig zu nähern, dem schmerzhaften Schnitt in die Haut
folgt aber dann sehr schnell die zuschlagende Hand.
Brennesseln sind nutzloses Unkraut.
Unsere Vorfahren sahen das ganz anders. Aus den Stängeln
der Nesseln haben sie lange Fasern gewonnen, die zu Fäden
zusammengedreht und dann weiter verarbeitet wurden. Ganz
einfach ist es allerdings nicht, die vor allem in den
Stängelkanten verlaufenden Fasern zu isolieren. Meist wurden
die Pflanzen dazu gekocht. Jedenfalls stand mit der Nessel
schon vor dem ebenfalls bereits aus der Jungsteinzeit
nachgewiesenen Anbau des Leins, aus dem Flachs und dann
Leinen hergestellt wird, ein Faserlieferant zur Verfügung.
Allerdings gibt es nur wenige direkte Hinweise auf solche
frühen Nesselprodukte, Textilien etwa. Sie zersetzen sich
einfach zu schnell und sind deshalb kaum erhalten.
Brennnesseln waren in der Steinzeit übrigens ganz sicher noch
nicht das Allerweltsgewächs, als das wir sie heute kennen und
fürchten. Die Pflanzen sind nämlich auf sehr nährstoffreiche
Standorte angewiesen, die im Zeitalter der Massentierhaltung
und des Kunstdüngers überall zu finden sind. Damals jedoch
dürften sie allenfalls in den Auwäldern der großen Flüsse und
rund um die wenigen Wohnplätze der Menschen ausgedehntere
Bestände gebildet haben.
Bis etwa ins Jahr 1720 wurden Brennnesseln sogar noch in
größerem Ausmaß angebaut. Vor allem für robuste Kleidung,
Bettlaken und Zeltbahnen wurde der stabile, durch anhaftende
Rindenteile stets etwas raue Nesselstoff genutzt. Mit der
beginnenden Industrialisierung wurden Nesselprodukte dann
sehr rasch von Baumwolle verdrängt. Baumwolle, der heute
weltweit wichtigste Rohstoff für pflanzliche Gewebe, ist
ebenfalls eine uralte Kulturpflanze, die schon vor 5000 Jahren
im Industal und wenig später in Peru angebaut wurde. In
unseren Breiten erhielt sie erst mit der Entwicklung der
weltweiten Massenguttransporte durch Schiffe Bedeutung.
Heutzutage kann man zwar noch einen als "Nesseltuch"
bezeichneten Stoff kaufen - er wird aber aus Baumwolle
hergestellt. Bleibt noch der kulinarische Aspekt: Junge
Nesselblätter lassen sich im Frühjahr wie Spinat zubereiten oder
als Salat anrichten. Wenn sie leicht anwelken, was schon bei der
Verarbeitung geschieht, brennen sie auch nicht mehr auf der
Zunge.
Außerdem sollte sich die Schaden-Nutzen-Analyse, die über
Kraut oder Unkraut entscheidet, auch nicht nur auf uns
Menschen beschränken. Denn dann zeigt sich sehr schnell, dass
wir die Nessel nicht bedenkenlos der zweiten Kategorie
zuschlagen dürfen. Einige unserer schönsten Tagfalter, das
Tagpfauenauge, der Kleine Fuchs und der Admiral, sind auf
Gedeih und Verderb von ihrem Vorkommen abhängig. Ihre
Raupen fressen Brennnesselblätter, und nur das. Wer sich weiter
an den schönen Faltern erfreuen will, darf der Brennnessel also
nicht den Garaus machen.
Buchweizen ist ein Getreide.
Alle Getreide, ob Weizen, Roggen, Hafer, Mais oder Reis,
sind Gräser. Der Buchweizen nicht, weshalb er weder Getreide
im Allgemeinen noch Weizen im Speziellen ist. Er gehört zu
den Knöterichgewächsen, einer Pflanzenfamilie, zu der
beispielsweise auch der Sauerampfer zählt. Seinen Namen
verdankt der Buchweizen den rotbraunen, dreikantigen
Nussfrüchten, die an Bucheckern erinnern. Sein Zweitname
Heidenkorn hat eine doppelte Bedeutung: Einerseits brachten
ihn die "Heiden" nach Europa: Die Mongolen führten ihn im 14.
Jahrhundert aus seiner Heimat, dem Amurgebiet, ein.
Andererseits wurde der genügsame Buchweizen bevorzugt auf
den nährstoffarmen Sandböden der Heidegebiete Norddeutschlands
angebaut und als Grütze gegessen. Inzwischen sieht man
ihn auch dort kaum noch. Dank Kunstdünger können selbst auf
solchen von Natur aus kargen Böden jetzt die anspruchsvolleren
Getreidearten gesät werden.
Das Chamäleon passt seine Farbe der Umgebung an.
Ob ein raffiniert geschminkter Mund, ein jähes Erbleichen
oder ein puterrot anlaufender Wüterich - in allen drei Fällen
senden Farben Botschaften aus, die vom Gegenüber verstanden
werden. Nicht nur beim Menschen dienen Farben der
Kommunikation, sondern auch bei sehr vielen Tieren, nicht
zuletzt beim Chamäleon. Ein entspanntes Chamäleon trägt in
vielen Fällen ein Tarnkleid. Frappierend, wie es dann mit dem
Untergrund zu verschmelzen scheint. Der Tarneffekt wird durch
die bizzare Form und die zeitlupenhaften Bewegungen noch
verstärkt. Schwankende Stimmungen allerdings schlagen sofort
auf das Erscheinungsbild durch - Tarnung hin oder her. Man
fühlt sich an bekannte Situationen erinnert, wenn bei
Auseinandersetzungen zwischen zwei Männchen das sich
überlegen fühlende in prangenden Farben einhergockelt,
während der Verlierer zur grauen Maus wird. Außerdem ist die
Färbung auch noch temperaturabhängig. In der Kühle der Nacht
erbleichen viele Chamäleons. Und schließlich müssen wir noch
die Feinheiten der Formulierung auf die Goldwaage legen.
Falsch ist die Aussage in der Überschrift. Sie unterstellt dem
Chamäleon die Fähigkeit zur aktiven Farbveränderung nach dem
Motto: Was kann ich jetzt mal anziehen, damit's auch zu dem
Blatt passt, auf dem ich grade sitze. Der Farbwechsel ist aber
unwillkürlich, also nicht steuerbar, ähnlich wie wir in peinlichen
Situationen erröten, ob wir wollen oder nicht. So stoisch sich
das Chamäleon auch verhält, seine jeweilige Färbung gibt
immer Auskunft über seine augenblickliche Gemütsverfassung.
Der Christusdorn ist ein Kaktus.
Die beliebte Zimmerpflanze stammt aus dem Hochland
Madagaskars und kann schon deshalb kein Kaktus sein. Kakteen
sind nämlich alle Amerikaner (siehe Seite 92). Die Blüte verrät
die wahre Verwandtschaft: Die winzigen, von roten
Hochblättern umgebenen Blütenstände des Christusdorns sind
ganz typisch für die Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae). Zu
diesen gehört zum Beispiel auch ein anderer häufiger
Zimmerschmuck, der Weihnachtsstern (siehe Seite 209). Aber
nicht nur in tropischen Gefilden, sondern auch am heimischen
Feldrain wachsen Wolfsmilchgewächse. Besonders bekannt ist
die Zypressen-Wolfsmilch mit ihren zunächst auffällig gelben,
später dann rötlich werdenden Hüllblättern.
Delfine leben nur im Meer.
Delfine gehören zu den Walen und Wale schwimmen im
Meer. Das stimmt - mit ganz wenigen Ausnahmen allerdings. In
den großen Flusssystemen von Amazonas, Ganges, Indus und
Jangtsekiang leben die eigenartigen Flussdelfine. Sie haben
typische Fischfresser-Gebisse. In den langen, schmalen
Schnauzen stehen dicht an dicht die spitzen Zähne. Die Augen
sind zurückgebildet, dem Gangesdelfin fehlt sogar die Linse. In
den trüben, schlammigen Tieflandflüssen ist aber sowieso nichts
zu sehen. Hier sind andere Sinnesorgane gefragt. Der Ganges-
und der Indusdelfin schwimmen meist auf der Seite und fahren
mit einer Vorderflosse am Untergrund entlang. Beim Fischfang
hilft eine hoch entwickelte Ultraschall-Ortung. Fünf Arten von
Flussdelfinen unterscheiden die Zoologen, von denen allerdings
einer, der La-Plata-Delin, die Gewässer der südamerikanischen
Atlantikküste bewohnt und das Süßwasser meidet.
Neben den Flussdelfinen gibt es nur noch eine Walart, die
regelmäßig im Süßwasser vorkommt. Der Amazonas-Sotalia,
der in die Familie der eigentlichen Delfine gehört, lebt sowohl
an Küstengewässern als auch im Amazonas Tausende Kilometer
stromaufwärts. Nur sehr selten verirren sich auch andere Wale
in Flüsse. Besonders bekannt wurde ein Weißwal, der sich im
Frühjahr 1966 einen Monat im Rhein aufhielt und dabei
immerhin Bad Honnef südlich von Bonn erreichte, bevor er
kehrtmachte und wieder flussabwärts schwamm. Was die
eigentlichen Flussdelfine angeht: Lange werden diese merkwürdigen
Wale vermutlich nicht mehr existieren. Wasserverschmutzung
und Staudämme machen ihnen das Leben
schwer. Der Chinesische Flussdelfin gilt als eines der seltensten
Säugetiere der Erde und steht wegen der gewaltigen
Dammprojekte am Jangtse vermutlich kurz vor dem Aussterben.
Lediglich der Amazonasdelfin scheint noch ungefährdet.
Delfine sind Fische.
Delfine gehören zu den Walen, sind also keine Fische,
sondern Säugetiere im strömungsgünstigen Fischdesign. Wie
alle Säugetiere atmen sie durch Lungen, wie (fast) alle
bekommen sie lebende Junge, die sie (wieder wie alle) zunächst
mit Muttermilch säugen. Einfachstes Erkennungsmerkmal der
Wale (und damit auch der zu ihnen gehörenden Delfine): die
waagerechte Schwanzfluke. Die Schwanzflosse der Fische steht
dagegen senkrecht.
Alle Dinosaurier starben mit einem Schlag aus.
Wie konnten die Saurier vor 65 Millionen Jahren, als mit der
Kreidezeit das Erdmittelalter zu Ende ging, so einfach
verschwinden? Nach immerhin 150 Millionen Jahren erfolgreicher
Existenz und nachdem noch kurz vorher so viele
Gattungen wie nie zuvor gelebt hatten! Abenteuerliche Theorien
ranken sich um den mysteriösen Untergang der Dinosaurier und
Flugsaurier, der Paddelechsen und Mosasaurier, vieler Pflanzen
und Wirbellosen (wie Ammoniten und Belemniten) und der
überwiegenden Zahl des einzelligen Meeresplanktons. Seitdem
an der erdgeschichtlichen Grenze zwischen Kreide- und
Tertiärzeit weltweit an vielen Fundorten eine dünne Schicht
entdeckt wurde, in der das auf der Erdoberfläche seltene, im
Meteoritenstaub aber mehrere tausendmal häufigere Element
Iridium angereichert ist, haben wir eine Lieblingstheorie zur
Erklärung des Massensterbens. Danach hat ein Himmelskörper
die Erde getroffen. Die gewaltige Katastrophe wirbelte so viel
Staub auf, dass der Himmel wohl monatelang verdunkelt war -
und damit änderten sich die Lebensbedingungen so radikal, dass
nicht nur die Dinosaurier, sondern auch sehr viele andere
Lebewesen quasi von heute auf morgen ausstarben. Allerdings
hat der Meteorit leider nicht alle Saurier-Probleme auf einen
Schlag erledigt. Während das Meeresplankton tatsächlich mehr
oder weniger schlagartig verschwand, gibt es nämlich auch
Hinweise darauf, dass sich das Sterben der Riesen über einen
langen Zeitraum hinzog. Die Ichthyosaurier, die Erfolgsmodelle
im Meer, waren zum Beispiel schon viele Millionen Jahre vor
dem big bang verschwunden, andere Formen schon selten
geworden. Und an verwandten Reptilien schien das Ganze völlig
vorbeigegangen zu sein: Krokodile, Schildkröten und Eidechsen
zeigten sich von dem Untergang der Saurier wenig beeindruckt.
Also: Die Katastrophen-Theorie ist zwar nach wie vor die beste,
die wir haben. Im Detail bedarf sie jedoch der Nachbesserung.
Dinosaurier lebten zeitgleich mit Steinzeitmenschen.
Trotz Fred Feuerstein, Arthur Canon Doyles bekanntem
Roman "Verlorene Welt" oder Steven Spielbergs Jurassic Park:
Menschen und Dinosaurier haben sich - leider oder Gott sei
Dank - nie Auge in Auge gegenübergestanden. Für die
Dinosaurier war am Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen
Jahren Schluss (siehe Seite 35). An den Menschen dachte
damals noch keiner. Es ist gerade mal etwa fünf Millionen Jahre
her, seit unsere noch sehr affenähnlichen Vorfahren begannen,
auf zwei Beinen zu laufen. Verschiedene Arten von
Australopithecus und Paranthropus lebten dann, teils zeitgleich,
teils einander folgend in Afrika. Der Übergang zu unserer
eigenen Gattung Homo erfolgte (ebenfalls in Afrika) vor über
zwei Millionen Jahren. Lässt man als Menschen erst den gelten,
der sich selbst Homo sapiens nennt und heute die ganze Erde
besiedelt, beginnt unsere Geschichte (vermutlich schon wieder
in Afrika) vor nur wenig mehr als 100.000 Jahren.
Dinosaurier waren die schwersten Tiere der Erde.
In der Tat reicht an die Riesen des Erdmittelalters kein
heutiges Landtier heran. Neben Brachiosaurus, dem mit 26
Meter Länge und zwölf Meter Höhe größten und mit fünfzig
Tonnen Gewicht auch schwersten vollständig ausgegrabenen
Dinosaurier, wirkt selbst der mächtigste Afrikanische
Elefantenbulle zierlich. Er erreicht "nur" 3,7 Meter Höhe und
eine Masse von siebeneinhalb Tonnen. Im Meer liegen die
Dinge allerdings anders. Lange sah es so aus, als könne dem
Blauwal keiner das Wasser reichen. Mit bis zu 33 Metern
maximaler Länge galt er als das größte Tier, das je auf Erden
gelebt hat. In den letzten Jahren lassen neue Saurierfunde aber
zunehmend daran zweifeln. Paralititan, Supersaurus,
Ultrasaurus, Seismosaurus - schon die Namengebung scheint
keine Grenzen zu kennen. Längen bis zu fünfzig Meter, Höhen
bis zu zwanzig Meter, Massen bis zu achtzig Tonnen werden
genannt. Sie beruhen allerdings nur auf Schätzungen und
Hochrechnungen, denn mehr als einige gewaltige Knochen hat
man von diesen Mega-Sauriern (noch) nicht gefunden.
Ungefährdet scheint die Rekordstellung des Blauwals
einstweilen in puncto Masse: Mit hundert bis 130 Tonnen wiegt
er mehr als die Riesensaurier, die ihn dank langer Hälse und
Schwänze an Größe womöglich übertrafen.
Übrigens: Über der Jagd nach Rekorden wird oft übersehen,
dass beileibe nicht alle Dinosaurier groß waren. Die kleinsten
Arten hatten gerade mal Hühnerformat.
Dinosaurier lassen sich aus Erbgutresten wieder
herstellen.
Sie erinnern sich: Im "Jurassic Park", dem durch
atemberaubende Saurierauftritte trotz wenig überzeugender
Handlung unvergesslichen Film, gewannen Wissenschaftler die
Erbsubstanz der riesigen Echsen aus dem Blut, das eine
Stechmücke einem Saurier abgezapft hatte, kurz bevor sie in
Harz eingeschlossen und in Bernstein konserviert wurde.
Science oder Sciencefiction? Inzwischen traut man den Bio- und
Gentechnikern ja fast alles zu. Aber die Erbsubstanz DNA ist
ein höchst kompliziertes und überaus empfindliches
Riesenmolekül. Es ist schon erstaunlich genug, dass es gelang,
aus etwa 50.000 Jahre alten Neandertaler-Knochen genügend
Spuren zu finden, um sie mit dem Erbgut des heutigen
Menschen vergleichen zu können. Um ins Zeitalter von
Tyrannosaurus rex zu kommen, müssen wir aber etwa siebzig
Millionen Jahre überbrücken. Das hält kein DNA-Stück aus,
selbst nicht unter hervorragenden Erhaltungsbedingungen.
Zudem genügen zwar zum Vergleich verschiedener Arten
Erbgut-Schnipsel. Aber ohne sein komplettes Erbgut wird T. rex
nie wieder auferstehen. Schade!?
Dinosaurier sind ausgestorben.
Es scheint eine Binsenweisheit zu sein: Vor 65 Millionen
Jahren war Schluss mit der Herrschaft der Riesenreptilien - oder
vielleicht doch nicht? Zwar sind die Zeiten von Tyrannosaurus,
Brachiosaurus, Triceratops und wie sie alle heißen endgültig
dahin. Ein kleiner Seitenast der Dinosaurier scheint sich aber bis
in die Neuzeit gerettet zu haben: die Vögel. Ausgerechnet diese
fragilen Leichtgewichte als Nachfahren der Giganten des
Erdmittelalters? Allzu oft vergessen wir, dass es durchaus auch
kleine Dinos gab. Der früheste bekannte Vogel, der Urvogel
Archaeopteryx, hat ein Skelett, das dem eines kleinen
Dinosauriers bis ins Detail verblüffend ähnelt. Irritierend nur,
dass Schlüsselbeine bei allen in Frage kommenden Verwandten
zu fehlen scheinen. Vögel dagegen haben welche. Sie sind zum
Gabelbein verwachsen, dem v-förmigen Knochen in der
Vorderbrust. Allerdings taugen Negativ-Nachweise nicht viel. In
der Paläontologie beweist jeder Knochen- oder Spurenfund, dass
hier etwas existiert hat. Aber wer will belegen, dass etwas nicht
existiert hat? Die fossilen Befunde sind so lückenhaft, dass man
immer wieder mit Überraschungen rechnen muss. Eine solche
waren die Funde kleiner Dinosaurier mit Schlüsselbein, durch
die viele Zweifel an dieser merkwürdigen Abstammung
ausgeräumt wurden.
Ganz unumstritten ist sie allerdings immer noch nicht. Vor
allem Ornithologen haben Vorbehalte gegen die Vorstellung, die
Vögel stammten von einem bodenlebenden Saurier ab, der
Federn bekam und abhob. Sowohl der Bau der Füße des
Urvogels als auch seine schmalen, gebogenen, spitzen Krallen
sprechen nämlich dafür, dass sich die frühesten bekannten Vögel
auf Bäumen bewegten und der erste Flug eher von oben nach
unten gleitend als von unten nach oben hopsend stattfand.
Außerdem besteht ein kleines Zeitproblem: Die vogelähnlichen
Dinos sind allesamt viele Millionen Jahre jünger als
Archaeopteryx, können also unmöglich selbst seine Vorfahren
sein.
Und so ist die spannende Verwandtschafts- und Abstammungsdiskussion
bis heute nicht abgeschlossen und flammt bei
jedem neuen Fossilfund wieder auf. Die Frage, ob Vögel
befiederte Dinosaurier sind, wird die Wissenschaftler noch eine
Weile beschäftigen.
Dinosaurier waren Reptilien, also wechselwarm.
Die erste Aussage stimmt, die zweite ist ein - wie wir sehen
werden - vermutlich voreiliger Schluss von heute lebenden
Kriechtieren auf die Saurier. Aber lassen sich solche Fragen
überhaupt noch beantworten, 65 Millionen Jahre nach dem Tod
des letzten Sauriers, dessen Körpertemperatur in Abhängigkeit
zur Außentemperatur wir hätten messen können? Die
Paläontologen haben kriminalistischen Spürsinn entwickelt, um
Indizien zusammenzutragen. Zum Beispiel haben sie
festgestellt, dass die Knochen kaltblütiger Tiere im warmen
Sommer schneller wachsen als im kalten Winter. Dadurch
entstehen Jahresringe in den Knochen, die den bekannten
Warmblütern ebenso fehlen wie den Dinos. Auch in der
intensiven Versorgung der Knochen mit Blutgefäßen ähneln die
Dinosaurier eher den Säugetieren. Außerdem lebten manche
Dinosaurier so weit nördlich oder südlich, dass sie als
Wechselwarme den Winter in Kältestarre hätten verbringen
müssen, was wir uns nur schlecht vorstellen können. Auch heute
dringen nur wenige, kleine Reptilien weit nach Norden vor,
während sich die großen Arten in den Tropen tummeln. Diese
und weitere Argumente untermauern die Vorstellung vieler
heutiger Wissenschaftler von den Dinosauriern als höchst
beweglichen Warmblütern gegenüber älteren Rekonstruktionen,
die äußerst träge Kaltblüter zeigen.
Das Dromedar hat zwei Höcker.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ein Dromedar hat nur einen
Höcker. Wer zwei Höcker trägt, heißt Kamel. Verwirrung
entsteht allerdings immer wieder durch die doppelte
Verwendung des Begriffs "Kamel". Im engeren Sinn ist ein
Kamel das zweihöckerige Trampeltier der innerasiatischen
Trockengebiete. Als Kamele im weiteren Sinn bezeichnen die
Zoologen aber auch die ganze Familie. Sie besteht aus
insgesamt vier Arten, die weit über den Erdball verstreut leben.
In Zentralasien werden die zweihöckerigen Kamele oder
Trampeltiere als Haustiere gehalten. Wild lebende Trampeltiere
sind nahezu oder gar völlig ausgestorben, ein Schicksal, das die
Vorfahren der einhöckerigen, langbeinigen, schlanken
Dromedare Arabiens schon hinter sich haben. Dromedare gibt es
nur noch als Haustiere oder, wie zum Beispiel in Australien, als
verwilderte Nachkommen domestizierter Vorfahren. Wer nun
endlich gelernt hat, das einhöckerige Dromedar und das
zweihöckerige Kamel zweifelsfrei auseinander zu halten, wird
verblüfft darüber sein, dass die Kamele selbst es mit dem
kleinen Unterschied gar nicht so ernst nehmen. Ein brünftiger
Dromedarhengst besteigt auch ohne zu zögern eine Kameldame
(und das Kamel eine Dromedarstute) - und aus diesen
unstatthaften Verbindungen entspringen Fohlen, die ihrerseits
wieder durchaus fruchtbar sind: Für Biologen ein Indiz dafür,
dass hier noch keine deutliche Trennung in verschiedene Arten
stattgefunden hat, und Anlass zur Überlegung, ob denn das
Dromedar überhaupt eine eige nständige Art oder nicht doch ein
durch Zuchtwahl entstandener Abkömmling der Trampeltiere
ist. So verschieden sind die beiden ja doch nicht und schließlich
brauchen wir nur die Hunde anzusehen, um eine leise Ahnung
davon zu bekommen, wie stark sich das Erscheinungsbild von
Tieren durch gezielte Züchtung innerhalb kurzer Zeit verändern
lässt. Bleibt nachzutragen, dass die Nachkommen von Kamel
und Dromedar nicht eineinhalb Höcker haben, sondern nur einen
einzigen, allerdings ziemlich langgezogenen. Völlig ohne sind
übrigens die Kleinkamele Südamerikas, das zierliche Vikunja
und das etwas robustere Guanako, von dem die beiden
Haustierformen Lama und Alpaka abstammen.
Vor Eichen muss man weichen, Buchen muss man suchen.
"Vor den Eichen sollst Du weichen, und die Fichten wähl'
mitnichten, auch die Weiden musst Du meiden, aber Buchen
sollst Du suchen", mahnten schon unsere Großeltern, wenn ein
Gewitter drohte. Um es gleich vorneweg zu sagen: Trotz der
weiten Verbreitung solcher Merksprüche ist nichts dran. Dem
Blitz ist die Botanik nämlich völlig egal. Ausschlag- (oder
vielmehr einschlag-) gebend ist nicht die Baumart, sondern der
Standort. Steht ein Baum allein in der Feldmark oder überragt er
andere, ist er stärker gefährdet. Aber auch in unserer
Bauernregel steckt ein Fünkchen Wahrheit. Eichen weisen
tatsächlich häufiger Blitzschäden auf als Buchen. Nicht weil sie
öfter getroffen werden, sondern weil ihre zerklüftete, flechten-
und moosbewachsene Borke mit Regenwasser getränkt ist. Beim
Einschlag verdampft es explosionsartig, dabei zerreißt die
Rinde. An der glatten Buchenborke dagegen läuft das
Regenwasser außen ab. Der Blitz wird in den Boden geleitet,
ohne dass der Baum sichtlichen Schaden erleidet.
Eichenholz ist das härteste heimische Holz.
Das härteste Holz im deutschen Wald? Das kann nur von der
deutschen Eiche stammen, Sinnbild für Härte, Widerstandsfähigkeit
und Langlebigkeit. Aber die Wissenschaft ist
unbestechlich und verweist die Eiche auf die Ränge.
Spitzenreiter sind die Buche und die Hain- oder Weißbuche.
Wie Härte gemessen wird, hat sich ein Ingenieur namens Brinell
ausgedacht. Zum Dank wurde die Härte-Einheit nach ihm
getauft. Und so funktioniert's: Eine Stahlkugel mit zehn
Millimeter Durchmesser wird mit einer Kraft von fünfhundert
Newton fünfzehn Sekunden lang ins gut getrocknete Holz
gedrückt, dreißig Sekunden dort belassen und innerhalb von
fünfzehn Sekunden wieder entfernt. Danach wird der Eindruck
gemessen und über eine etwas komplizierte Formel daraus die
Brinellhärte berechnet. Ein paar Werte gefällig, sortiert von hart
nach weich, vielleicht als kleine Hilfe beim nächsten Möbelkauf
oder der Parkettauswahl? Buche 72/34 Newton pro
Quadratmillimeter, Hainbuche 71/32, Walnuss 70/52, Esche
65/40, Eiche 64/41, Bergahorn 62/27, Apfelbaum 56/30, Birke
49/23, Kiefer 40/19, Schwarzerle 35/17, Fichte 32/12 (erster
Wert: Druckfestigkeit längs zur Faser, zweiter Wert quer dazu).
Hainbuche ist übrigens nicht nur härter, sondern mit 598
Kilogramm/Kubikmeter auch schwerer als Eiche (577
Kilogramm pro Kubikmeter). Aber Härte, Gewicht und
Zähigkeit sind eben nicht alles. Hainbuche ist sehr schwer zu
verarbeiten und reißt beim Trocknen leicht. Um für die Ewigkeit
zu bauen, bleiben wir da doch lieber bei der deutschen Eiche.
Etwas außer Konkurrenz (weil keine "richtigen" Bäume) sind
zwei andere einheimische Holzgewächse die Sieger aller
Klassen: Der bis zu zwölf Meter hohe Buchsbaum (112/58), der
in mitteleuropäischen Gefilden aber eher klein bleibt, und ein
Strauch, die Kornelkirsche. Beide haben extrem hartes Holz, das
gerne zum Drechseln verwendet wird.
Eichhörnchen sammeln vor strengen Wintern mehr
Vorräte.
Auch Eichhörnchen sind keine Wetterpropheten. Wie groß
ihre Wintervorräte ausfallen, hängt in erster Linie vom Angebot
ab. Viele Nüsse, Bucheckern und Eicheln können sie dann
einbunkern, wenn es viele gibt, in so genannten Mastjahren also.
Wenn die Bäume wenig angesetzt haben, muss sich der kleine
Nager mehr anstrengen. Gelingt es nicht, genügend Vorsorge für
schlechte Zeiten zu treffen, bleiben im Winter wenigstens die
Zapfen der Nadelbäume, die auch in der kalten Jahreszeit noch
Futterquellen bieten. Reich bestückte Vorratskammern
erleichtern aber das Überleben bis weit ins zunächst noch karge
Frühjahr hinein erheblich. Dann ist der Nahrungsbedarf mit 80
Gramm pro Tag nämlich sehr viel höher als im Winter. Da
kommt das Eichhörnchen mit 35 Gramm Nahrung pro Tag aus.
Aber auch die will erst gesammelt sein. Mehrere tausend Nüsse,
Bucheckern, Eicheln und Zapfen kann ein einziges
Eichhörnchen im Herbst einlagern, eine Arbeit, die einen
erheblichen Teil seiner Zeit in Anspruch nimmt. Nicht ganz
unberechtigt, der alte Spruch: "Mühsam ernährt sich das
Eichhörnchen...".
Einhörner hat es wirklich gegeben.
Angesichts der fast weltweiten Verbreitung der Einhornsagen
in vielen Kulturkreisen ist man geneigt, einen gewissen
Wahrheitsgehalt zu unterstellen. Die frühesten Berichte
stammen aus China und sind 4700 Jahre alt. Im Mittelalter und
der frühen Neuzeit erlangte das Einhorn bei uns als
Symbolgestalt die verschiedensten Bedeutungen. Häufig wird es
als wildes Tier dargestellt, das beim Anblick einer Jungfrau
zahm wird und sich in ihren Schoß bettet. Und schließlich
begegnen wir dem zauberhaften weißen Pferd mit dem langen
Horn auf der Stirn reichlich in Märchen, in der modischen
Fantasy-Literatur und natürlich auch bei Harry Potter.
Tatsächlich hat die Einhornsage nicht nur einen, sondern sogar
zwei wahre Kerne. Es gibt sie nämlich wirklich, die langen,
geraden, spiralig gedrehten Hörner. Nur sind es keine Hörner,
sondern Zähne. Genauer: der bis 2,7 Meter lange, im linken
Oberkiefer verankerte, linksgewundene Stoßzahn der Bullen des
arktischen Narwals. Nach Europa gelangten die ersten
Narwalzähne wohl im Anschluss an die Besiedlung Grönlands
durch die Wikinger ums Jahr 1000. Als Hörnern des sagenhaften
Einhorns maß man den Zähnen einen ungeheuren Wert bei: das
Zehnfache ihres Gewichts in Gold. Magische Kräfte sollte das
"Horn" haben. Es half bei allen möglichen Krankheiten, heilte
Hühneraugen und Sodbrennen, machte Gift unschädlich und
Frauen gefügig. Erste Versuche des Mediziners Ambroise Paré
(1510 bis 1590), der einen pulverisierten Narwalzahn mit Arsen
mischte und an Tauben verfütterte (worauf die leider den Geist
aufgaben), erschütterten den Glauben an die Zauberkräfte des
"Horns" schon bevor der Däne Ole Worm im Jahr 1638 den
Narwal als Unicomu marinum (Meer-Einhorn) erstmals
abbildete. Die zweite Quelle der Einhornlegende nannte sich
Unicornu fossile (Erd-Einhorn). Meist waren es Stoßzähne
ausgestorbener Elefanten, die dem Fabelwesen an die Stirn
gedichtet wurden.
Eintagsfliegen leben nur einen Tag.
Das eigentliche Leben der Eintagsfliegen ist die Kindheit.
Meist ein, bei manchen Arten aber auch zwei oder gar drei Jahre
dauert ihre Larvenzeit, die sie im Wasser verbringen.
Schließlich schlüpft eine flugfähige Form, die sich wenig später
- einmalig bei Insekten - nochmals häutet. Die nunmehr
erwachsene Eintagsfliege ähnelt trotz ihres Namens einer Fliege
nicht. Sie hat einen langen, schlanken Körper mit meist drei
langen Schwanzfäden und vier durchsichtige, reich geäderte
Flügel, die beim ruhenden Insekt über dem Körper
zusammengeklappt sind. Tatsächlich leben Eintagsfliegen jetzt
nur noch wenige Stunden oder allenfalls Tage - Zeit genug, um
nächtlich schwärmend den Partner für den kurzen Lebensabend
zu finden und für den Fortbestand der Art zu sorgen. Nicht mal
fürs Fressen bleibt Muße. Nahrungsaufnahme ist nicht mehr
vorgesehen, klar ersichtlich an den verkümmerten
Mundwerkzeugen und dem luftgefüllten Darm, der das Gewicht
verringert und dadurch den Hochzeitsflug erleichtert. Nimmt
man die "Eintagsfliegen" ganz wörtlich, hat man recht:
Tatsächlich fliegen sie nur einen Tag. Aber angesichts ihrer
langen Kindheit lässt sich nun wirklich nicht behaupten,
Eintagsfliegen hätten nur ein kurzes Leben.
Eisbären und Pinguine leben gemeinsam an den kalten
Polen.
Auch wenn sie beide ein Faible für die unwirtlichen
Eiskappen der Erde haben: In freier Wildbahn werden sie sich
nie begegnen. Eisbären und Pinguine treffen sich allenfalls im
Zoo. Während die Bären die Gebiete rund um den Nordpol
unsicher machen, ist die Antarktis Pinguin-Land. Wer in der
Schule (oder im späteren Leben) mit Griechisch traktiert wurde,
braucht keine Eselsbrücke, um sich zu merken, an welchem Pol
der Bär los ist. Denn das griechische Wort "arktos" heißt nichts
anderes als Bär.
Der Eisvogel fühlt sich besonders wohl in Eis und Schnee.
Im Gegenteil: Sind Bäche und Seen über längere Zeit vereist,
wird die Nahrung für die spezialisierten Fischjäger knapp. In
sehr harten Wintern verhungern sogar zahlreiche Eisvögel.
Eigentlich müsste der in tropischer Farbenpracht prangende
Vogel "Eisenvogel" heißen, seiner leuchtend stahlblauen
Oberseite wegen.
Elefanten gehen zum Sterben auf einen Friedhof.
Die geheimnisumwitterten Elefantenfriedhöfe in versteckten,
unzugänglichen Sümpfen, in die sich die Dickhäuter zum
Sterben zurückziehen sollen, haben die Fantasie immer wieder
beflügelt. Vielleicht, weil ein würdevoller Tod im Stillen zu den
respektheischenden grauen Riesen passt. Vielleicht auch, weil
die Gier nach Elfenbein dort eine wahre Goldgrube vermutet.
Wie dem auch sei: Elefanten sterben meist unterwegs, auf einer
ihrer oft über weite Strecken führenden Wanderungen. Der
wahre Kern der Legende: Uralte Elefanten trennen sich
manchmal von ihrer Herde und fressen ihr einsames Gnadenbrot
in großen Sumpfgebieten. Dort wachsen weichere Pflanzen, die
sie mit ihren abgekauten Zähnen (siehe nächster Abschnitt)
leichter zermahlen können. Kein Wunder, wenn dann in der
Umgebung eines solchen "Elefantenaltersheims" mehr Elefanten
sterben als anderswo.
Elefanten werden hundert Jahre alt.
Große Tiere werden im Allgemeinen älter als kleinere. Für
den mächtigsten Säuger des Landes scheinen hundert Jahre
demnach noch kein Alter, und doch sind Elefanten mit sechzig
Jahren schon an der Schwelle zum Greisenalter. 69 Jahre alt
wurde der älteste Asiatische Elefant - im Zoo allerdings.
Im Freiland dürfte ein solches Alter kaum erreicht werden.
Das hängt nicht zuletzt mit den Zähnen zusammen. Ein Elefant
hat in jeder Kieferhälfte sechs Backenzähne, allerdings nicht
gleichzeitig, sondern nacheinander. Während am Vorderrand der
Zähne durch Abnutzung immer wieder scheibchenartige
Lamellen abbrechen und der Zahn dadurch allmählich immer
kleiner wird, schiebt sich der folgende Zahn von hinten nach.
Die ersten drei Zähne sind Milchzähne und werden im Lauf der
ersten neun Lebensjahre verbraucht. Der vierte Zahn ist dann bis
zum Alter von zwanzig bis 25 Jahren im Dienst, der sechste und
letzte erscheint, groß wie ein Ziegelstein, wenn der Elefant etwa
45 Jahre alt ist, und hält ungefähr zwanzig Jahre. Dann ist
Schluss mit Zähnen. Bei 150 Kilogramm Nahrung, die täglich
durchgekaut werden müssen, geht das nicht lange gut, sodass die
zahnlos gewordenen Elefanten körperlich meist schnell
verfallen.
Elefantenweibchen haben keine Stoßzähne.
Das stimmt nur, wenn man den Blickwinkel auf den Indischen
oder Asiatischen Elefanten verengt. Bei ihnen sind die
Weibchen stoßzahnlos oder haben allenfalls winzige Ansätze.
Beim größeren und schwereren Afrikanischen Elefanten tragen
beide Geschlechter Stoßzähne, wenn auch die der Bullen länger
und dicker werden als die der Kühe.
Elektrische Fische töten ihre Beute mit einem Stromstoß.
Zitteraal, Zitterrochen und Zitterwels haben das Image der
elektrischen Fische nachhaltig geprägt. Entgegen der
landläufigen Meinung töten alle drei Hochspannungs-Fische
ihre Beute aber nicht per Stromstoß, sondern betäuben sie nur.
Danach lässt sie sich bequem einsammeln. Hochspannung ist
dabei durchaus wörtlich zu verstehen: Beim südamerikanischen
Zitteraal, der auf den schönen wissenschaftlichen Namen
Electrophorus electricus hört, können das über achthundert Volt
sein. Dabei werden Stromstärken von einem Ampere erzeugt.
Klar, dass man sich damit aber auch gut verteidigen kann.
Zitteraal-Schläge sind zwar für Menschen nicht tödlich, setzen
uns aber erst mal sehr wirkungsvoll außer Gefecht.
Neben den wenigen Fisch-Arten, die Elektroschocks
verteilen, gibt es eine größere Zahl, die Strom sanft einsetzt.
Nilhechte zum Beispiel senden dauernd schwache elektrische
Impulse und bauen damit ein elektrisches Feld um sich auf.
Hindernisse stören dieses, was der Nilhecht mithilfe spezieller
Sinnesorgane am Kopf wahrnehmen kann. So kann sich der
Fisch auch in trüben Gewässern gut orientieren und sich
überdies mit seinesgleichen unterhalten, höchst modern mittels
drahtloser Technik. Viele andere Fische wie zum Beispiel
zahlreiche Haie haben einen sehr feinen Elektro-Sinn, ohne
selbst unter Strom zu stehen. Sie erhalten darüber wichtige
Informationen über ihre Umgebung.
Nur Elefantenstoßzähne bestehen aus Elfenbein.
Kunstvolle Elfenbeinschnitzereien am Rande des Eismeers?
In den Iglus der arktischen Jäger wurde damit natürlich keine
erfolgreiche Elefantenjagd gefeiert, sondern der Tod eines
Walrosses, dessen lange Hauer ebenfalls aus Elfenbein bestehen.
Vielleicht ist es ihnen auch gelungen, einen Narwal zu erlegen
und dessen einzigen Zahn, den bis zu 2,7 Meter langen, links
gewundenen Stoßzahn im linken Oberkiefer des Bullen, zu
verarbeiten. Es könnte aber auch sein, dass die Inuit bei einem
Landausflug ein tiefgefrorenes Mammut entdeckt haben oder
wenigstens ein paar Stoßzähne der ausgestorbenen Riesen des
Eiszeitalters. Seit der Handel mit Elefanten-Elfenbein streng
reglementiert ist, wird immer mehr fossiles Elfenbein
verarbeitet, das im nördlichen Sibirien zum Teil in großen
Mengen zu finden ist. Der vierte im Bunde der unfreiwilligen
Lieferanten des "weißen Goldes" ist das Flusspferd. Hier sind es
die gewaltigen Eckzähne der Bullen, die hoch geschätzt werden,
weil sie (sobald man den harten Schmelzüberzug mittels Säure
entfernt) weicher und leichter zu bearbeiten sind als Elefanten-
Elfenbein und überdies nicht vergilben.
Und schließlich gibt es noch pflanzliches "Elfenbein": Die in
den amerikanischen Tropen wachsende Elfenbeinpalme
Phytelephas macrocarpa, was ungefähr mit "großfrüchtiger
Pflanzenelefant" zu übersetzen wäre, bildet steinharte Früchte
von ungefähr vier Zentimeter Durchmesser, aus denen
überwiegend Knöpfe hergestellt werden.
Seinen Namen verdankt das begehrte Material übrigens nicht
seiner elfenhaft weißen Farbe. Das althochdeutsche Wort
helfantbein bedeutet nichts anderes als Elefantenknochen - ein
deutlicher Hinweis darauf, dass schon damals die
Elefantenstoßzähne als das "eigentliche" Elfenbein betrachtet
wurden.
Elstern im Garten vernichten alle Brutvögel.
Spektakel im Garten:
Je lauter das Amselpaar zetert, desto neugieriger durchsucht
die Elster das Gebüsch. Schließlich wird sie fündig. Das
Amselnest wird geplündert.... Nachdem der Sperber endlich
seine Rolle als "Vogelmörder" losgeworden ist, haben wir einen
neuen Feind. Selbst manche Naturschützer wollen der Elster
endlich zu Leibe rücken. Tatsache ist: Elstern, eigentlich Vögel
der offenen, mit Gehölzen durchsetzten Landschaft, sind im
Lauf der letzten Jahrzehnte immer mehr in die Siedlungen
eingewandert. Außerhalb der Ortschaften nehmen die Bestände
dagegen nicht etwa zu, sondern oft sogar ab. Tatsache ist auch,
dass Elstern, was das Fressen angeht, Opportunisten sind. Eier
und Jungvögel bereichern im Frühjahr ihren Speisezettel, wenn
auch nicht als Hauptgang, so doch als Dessert. Damit können
Elstern in einigen Gebieten ganz schön abräumen. Besonders die
Amseln leiden unter ihnen. Aber ge rade sie gehören ja in den
Siedlungen nicht zu den seltenen und abnehmenden Arten - ganz
im Gegenteil! Bevor Entscheidungen über Leben oder Tod der
Elster getroffen werden, sollte man die Emotionen beiseite
packen, die in solchen Fällen äußerst schlechte Ratgeber sind,
und sich stattdessen auf die Wissenschaft verlassen.
Volkszählungen, über viele Jahre in einer norddeutschen Stadt
durchgeführt, haben ergeben, dass bei stetig wachsendem
Elsterbestand die Singvogeldichte keineswegs zurückging,
sondern sogar ebenfalls zunahm.
Dass mancher Vogelfreund einen Rückgang beklagt, liegt
wohl meistens einfach daran, dass viele Singvögel nicht mehr
offen auf der Platte brüten, sondern es ein bisschen heimlicher
tun. Fazit: Kein Grund zur Panik und zum Elstern-Mobbing.
Der Enzian blüht in kräftigem Blau.
Aus den alpenländischen Brotzeithütten ist er nicht
wegzudenken, der berühmte Enzian-Schnaps. Schon das Etikett
mit den tiefblauen Blütenkelchen zeigt, was drin ist. Und doch
ist es eine Mogelpackung. Denn die Grundlage des Schnapses
ist nicht der auf den Flaschen prangende Stängellose Enzian,
sondern sein viel unbekannterer Verwandter, der Gelbe Enzian.
Mit über einem Meter Höhe ist er bei weitem der größte
heimische Vertreter seiner Gattung. Seine gelben Blüten aber
sind klein und damit wenig werbewirksam - Fernwirkung für
bestäubende Insekten erhalten sie nur durch die Zusammenfassung
in Blütenständen. Überdies haben Enzianblüten sowieso
nichts mit dem Schnaps zu tun. Der wird nämlich aus dem
Wurzelstock gewonnen.
Erbsen und Bohnen haben Schoten.
Eines der zahlreichen Beispiele dafür, dass der
wissenschaftliche Jargon von dem der Marktleute abweicht.
Bohnen und Erbsen haben per definitionem wie alle anderen
Schmetterlingsblütler keine Schoten, sondern Hülsenfrüchte.
Ganz klar wird das spätestens, wenn's ans Enthülsen geht.
Schließlich hat noch niemand Erbsen "entschotet". Schoten
werden die Früchte der Kreuzblütler genannt. Dazu zählen zum
Beispiel Raps, Senf und Rettich. Was für den Laien ganz
ähnlich aussieht - eine langgezogene Frucht, die innen eine
Reihe von Samen enthält - stellt sich dem Botaniker ganz anders
dar. Hülsen entstehen aus einem einzigen Fruchtblatt. Öffnet
man eine Hülse, findet man die Samen in einer Reihe liegend
und auf einer Seite angewachsen. Schoten dagegen werden aus
vier Fruchtblättern gebildet. Sie öffnen sich (wie auch viele
Hülsen) oft von alleine. Dann klappt beiderseits ein Fruchtblatt
ab; stehen bleibt ein von zwei weiteren Fruchtblättern gebildeter
"Rahmen", in dem beiderseits Samen angewachsen sind.
Erdbeeren sind Beeren.
Bei einer Beere umschließt ein mehr oder weniger saftiges
Fruchtfleisch die Samen. Klassische Beispiele sind Stachel-,
Johannis- oder Heidelbeere, aber auch Gurke, Kürbis und
Banane sind Beeren. Die Erdbeere dagegen trägt ihren Namen
zu Unrecht. Hier gilt unsere Begierde gar nicht der Frucht selbst,
sondern dem nach der Blüte saftigrot anschwellenden Blütenboden.
Die eigentlichen Früchtchen sitzen als kleine grüne
Körnchen außen drauf. Eine Erd"beere" ist also keine einzelne
Frucht, sondern eine Sammelfrucht, genauer: eine Sammelnussfrucht,
weil die Botaniker die Erdbeer-Früchtchen wegen ihrer
harten, miteinander verwachsenen Fruchtschalen als Nüsschen
bezeichnen.
Der Erlkönig verdankt seinen Namen der Erle.
Der Dichter und Philosoph Johann Gottfried Herder (1744 bis
1803) ist der Vater des Erlkönigs. Bei der Übertragung des
Gedichtes "Herr Oluf" aus dem Dänischen ins Deutsche machte
er aus dem Elfenkönig (dänisch elverkonge, ellerkonge) einen
Erlenkönig. Glatter Fehler oder dichterische Freiheit? Ein Irrtum
jedenfalls lag nahe, denn die Erle heißt im Niederdeutschen
Eller. Und so könnte aus dem Ellerkonge ganz einfach ein
Erlkönig entstanden sein. Richtig populär wurde die Herdersche
Wortschöpfung dann durch seinen Dichterfreund und Kollegen
Johann Wolfgang von Goethe mit seiner unheimlichen Ballade
vom Erlkönig: "Wer reitet so spät durch Nacht und Wind...?".
Esel sind dumm.
Dummer Esel, dummer Hund, dumme Gans - solche
Beschimpfungen sind wohlfeil, solange niemand sagen kann,
wie Dummheit oder Klugheit eigentlich zu messen sind. Was ist
schon Intelligenz? Nach einer halb ernst gemeinten Definition
das, was Intelligenztests messen. Nur: Wer entwickelt einen
solchen Test für Esel und Gans? Wenn nur intelligent ist, wer
vorausschauend handeln und verschiedene Möglichkeiten
gegeneinander abwägen kann, dürfte man allenfalls Menschenaffen
Anflüge von Intelligenz zubilligen. Tiere verhalten sich
überwiegend nicht überlegend, sondern instinktgesteuert.
Manchen ist etwas mehr Flexibilität angeboren, den neugierigen
Ratten etwa. Andere sind, wie Pferde, Gewohnheitstiere, die
ungewohnten Situationen mit Misstrauen begegnen und sich
ihnen notfalls durch Flucht entziehen. Natürlich gibt es
Unmengen von Anekdoten, die Tieren einsichtiges Verhalten
unterstellen. Ganze Fernsehserien von Lassie bis Flipper leben
davon. Insgesamt aber gilt: An Tiere ähnliche Maßstäbe anzulegen
wie an Menschen, ist nicht besonders klug. Um auf die
Esel zurückzukommen: Das eseltypische Beharrungsvermögen,
von wütenden Eseltreibern als Sturheit beschimpft, dürfte mit
ein Grund sein, warum Esel für dumm und unflexibel gelten.
Dabei gibt es oftmals gute Gründe dafür. Wer ist klüger: Einer,
der wie befohlen über den schwankenden Steg marschiert, oder
einer, der trotz aller Schläge lieber abwartet, bis jemand anderer
vorausgeht?
Eulen sind am Tag blind, sehen aber in stockdunkler
Nacht.
Wie bei unseren stehen auch in der Netzhaut der Vogelaugen
verschiedene Typen von Sinneszellen. Zapfenförmige sind für
das Farbsehen zuständig. Weil sie einzeln verschaltet sind,
ergeben sie ein sehr scharfes Bild. Ihr Nachteil: Sie arbeiten nur
bei genügend Helligkeit. Wenn's dunkelt, versagt die
Farbwahrnehmung, wie jeder aus eigener Erfahrung weiß. In der
Dämmerung übernehmen stäbchenförmige Sinneszellen das
Sehen. Weil hier oft sehr viele (bis über tausend)
zusammengeschaltet werden, arbeiten sie wie ein Restlichtverstärker,
was aber natürlich auf Kosten der Schärfe geht.
Während überwiegend dämmerungs- und tagaktive Eulen wie
der vogeljagende Sperlingskauz (siehe Seite 57) auch Zapfenzellen
haben und damit Farben sehen können, setzen die nachtaktiven
wie der Waldkauz oder die Waldohreule auf Stäbchen.
Diese echten Nachteulen, die in ihrer Netzhaut überwiegend
Stäbchen besitzen, sind aber bei Tag mitnichten blind. Sie
können allerdings, auch wenn es hell ist, kaum vom eher etwas
unscharfen Schwarzweißbild zum schärferen Farbbild umschalten.
Eulenaugen verbessern die Lichtausbeute zusätzlich durch
eine stark vergrößerte, gekrümmte Hornhaut und eine große
Linse. Das Auge des Waldkauzes ist damit wenigstens zweieinhalbmal
lichtempfindlicher als unseres. Nachtaktive Eulen
kommen sogar auf eine drei- bis zehnfach bessere Dämmerungssehleistung
als der Mensch. Für den nächtlichen Beutefang
spielt der Gesichtssinn aber trotz dieser Anpassungen eine
untergeordnete Rolle. Ist es zappendüster, ist nämlich auch für
die Eule Schluss mit Sehen. Hier ist dann vor allem ihr
unglaublich scharfes Ohr gefragt.
Eulen fliegen nur nachts.
Nicht alle Eulen gehen tagsüber schlafen. Unter den
einheimischen Arten ist es die Sumpfohreule, der man in
ausgedehnten Feuchtwiesen oder Dünenlandschaften bei Tag
begegnen kann. Sie jagt bevorzugt abends und am frühen
Morgen, ist die Nahrung knapp aber selbst am helllichten Tag.
Auch die kleinste europäische Eule, der Sperlingskauz, liebt die
Dämmerung. Er ist auch mitten am Tag unterwegs, während er
nachts oft schläft - vielleicht eine Vorsichtsmaßnahme, denn
Sperlingskäuze stehen auf dem Speisezettel anderer Eulen.
Lediglich in mondhellen Nächten hält es auch den
Sperlingskauz nicht. Dann lässt er nächtens seinen Gesang
erschallen. In den Wäldern des hohen Nordens schließlich späht
die Sperbereule tagsüber von Baumwipfeln nach Beute. Der
Schnee-Eule, die noch weiter nördlich lebt, bleibt oft gar nichts
anderes übrig, als am Tage zu jagen. In ihrem polaren
Brutgebiet geht die Sonne im Sommer lange Zeit überhaupt
nicht unter.
Evolution: Durch Anpassung entstehen vollkommene
Lebewesen.
In Amerika, wo der Kreationismus (die schlichte Verleugnung
der Tatsache der Evolution also) fröhliche Urstände feiert,
sinnierte der Evolutionsbiologe Stephen J. Gould, die Existenz
der Evolution könne man gerade daran erkennen, dass eben
keine vollkommenen Lebewesen entstünden (und unterstellt
dabei, Gott hätte in einem evolutionslosen Schöpfungsakt
sicherlich für absolut perfekte Anpassung gesorgt). Hintergrund
dieses Gedanken ist, dass Evolutionsprozesse durch natürliche
Auslese gekennzeichnet sind, bei der die besser Angepassten
überleben und sich wieder fortpflanzen. "Survival of the fittest",
das Überleben des Bestangepassten, nannte das Charles Darwin,
der Vater der Evolutionstheorie und sorgte mit diesem
Superlativ für ein kleines Missverständnis. Denn man muss
nicht der Bestangepasste sein, sondern nur der besser
Angepasste. Außerdem machte Gould darauf aufmerksam, dass
kein Lebewesen sich immer neu erfinden kann. Jeder schleppt
seine Geschichte mit sich herum, die in neuen Lebenssituationen
zum Ballast werden kann: Der Wal die Lunge, obwohl er mit
Kiemen nicht dauernd auftauchen müsste. Und wir die
Bandscheibenschäden, weil unser Körper eigentlich auf einer
Grundkonstruktion beruht, die nicht für unsere aufrecht gehende
und sitzende Lebensweise gemacht wurde.
Faultiere sind die faulsten Tiere der Welt.
Die Faulheit der Faultiere ist so provozierend, dass der Spott
nur so auf sie herabprasselt. Ein unvollendetes Werk sei das
Faultier, ein Spaß der Natur gar, bei der sie versucht habe, etwas
möglichst Unvollkommenes und Groteskes zustande zu bringen.
Der Urwaldforscher Beebe meinte vor knapp hundert Jahren,
das Faultier sei besser auf dem Mars aufgehoben, wo das Jahr
sechshundert Tage habe... Und so weiter.
Hier soll ausnahmsweise kein Irrtum aufgeklärt werden.
Faultiere sind wirklich sagenhaft faul. Aber die Faulheit hat
Methode, denn auch das Leben im tropischen Regenwald
Südamerikas ist nur scheinbar üppig und strotzend. In
Wirklichkeit sind Nährstoffe knapp und der haushälterische
Umgang mit ihnen ist sinnvoll. Das Faultier erweist sich als
wahres Energiespar-Tier, denn nicht nur die Bewegung, sondern
auch die Verdauung und damit der gesamte Stoffwechsel laufen
in Zeitlupe ab. Auch an der Heizung wird gespart. Die
Körpertemperatur liegt bei 24 bis 33 Grad Celsius. Wer selbst
bei Lebensgefahr nur Zentimeter für Zentimeter fortkommt,
braucht allerdings gute Tarnung. Die liegt zum Teil in der
Faulheit selbst. Wer sich nicht bewegt, wird auch schlecht
gesehen. Den anderen Teil besorgen in kleinen Haar-Rissen und
-Hohlräumen lebende winzige Cyanobakterien (Blaualgen), die
dem Fell einen grünlichen Farbton verleihen. Und der Erfolg
gibt den Faultieren Recht: In Amazonien zählen sie zu den
häufigsten Säugern ihrer Größenklasse. Noch ein anderes Tier
mit ähnlicher Strategie wird der Faulheit geziehen: der Koala.
Bevor er zum Symbol der Niedlichkeit wurde, nannte man ihn
auch Beutelfaultier oder australisches Faultier, weil er fast den
ganzen Tag zusammengekauert in seiner Astgabel sitzt.
Feuersalamander löschen die Glut, wenn sie ins Feuer
geworfen werden. "Der Salamander, ein Tier von
Eidechsengestalt..., lässt sich nur bei starkem Regen sehen und
kommt bei trockenem Wetter nie zum Vorschein. Er ist so kalt,
dass er wie Eis durch bloße Berührung Feuer auslöscht. Der
Schleim, welcher ihm wie Milch aus dem Maule läuft, frisst die
Haare am ganzen menschlichen Körper weg; die befeuchtete
Stelle verliert die Farbe und wird zum Male. Unter allen giftigen
Tieren sind die Salamander die boshaftesten... Wenn er auf
einen Baum kriecht, vergiftet er alle Früchte, und wer davon
genießt, stirbt vor Frost; ja wenn von einem Holze, welches er
nur mit dem Fuß berührt hat, Brot gebacken wird, so ist auch
dieses vergiftet, und fällt er in einen Brunnen, das Wasser nicht
minder." Der römische Schriftsteller Plinius vermischt hier
munter Dichtung und Wahrheit. Wahr ist, dass die Lurche gern
im Regen spazieren gehen, während sie allerdings nie auf einen
Baum steigen, und wie alle Amphibien eine feuchtkühle Haut
haben. Es stimmt auch, dass Salamander giftig sind. Die
Giftdrüsen sitzen in dicken Schwellungen hinter dem Auge.
Fressfeinde werden durch das Gift sehr wirkungsvoll
abgeschreckt. Ein dreißig Gramm schwerer Salamander enthält
über zwanzig Milligramm des Salamandergiftes Samandarin.
Die Aufnahme von 0,3 Milligramm pro Kilogramm
Körpergewicht genügt, um mit fünfzigprozentiger
Wahrscheinlichkeit zu sterben. Anders ausgedrückt: Die
zwanzig Milligramm Gift reichen, um 66 Kilogramm Feind weit
gehend außer Gefecht zu setzen. Angesichts dessen ist vom
Salamanderverzehr dringend abzuraten. Solange das Gift nicht
mit Schleimhäuten oder Wunden in Berührung kommt, ist es
aber ziemlich harmlos. Bei ihrer doch erheblichen Giftigkeit ist
es den ansonsten völlig wehrlosen Salamandern hoch anzurechnen,
dass sie mit ihrer schwarzgelben Signalfarbe jeden
davor warnen, sie zu belästigen. Vermutlich sind die feuergelben
Streifen oder Flecken auch der Grund, weshalb sie mit
dem Feuer in Verbindung gebracht wurden, dessen trockene
Hitze Amphibien meiden wie der Teufel das Weihwasser.
Fischbein stammt von Fischen.
Im Vor-Plastik-Zeitalter war Fischbein ein begehrtes Material.
Es ist sowohl sehr stabil als auch äußerst elastisch, eine seltene
Kombination unter Naturstoffen. Jahrhundertelang hielt Fischein,
in Korsagen eingearbeitet, die Damenwelt in Form. Die
Bezeichnung "Fischbein" ist doppelt falsch. Weder stammt es
vom Fisch noch besteht es aus Bein (einer altertümlichen
Bezeichnung für Knochen). In Wirklichkeit handelt es sich um
die Barten von Walen, Säugetieren also (siehe Seite 198). Diese
Hornplatten, bei Glattwalen bis zu vier Meter lang, hängen
beiderseits dicht an dicht am Oberkiefer der Bartenwale und
dienen dazu, Plankton aus dem Wasser zu filtern.
Fische sind taub und stumm.
Im alten China wurden die Goldfische schon mit Glöckchen
an die Futterstellen gelockt, als hierzulande noch jeder davon
ausging, dass Fische nicht hören könnten. Die Wissenschaft ließ
sich dann von dem Verhaltensforscher Karl von Frisch vom
Gegenteil überzeugen: Sein Zwergwels gehorchte auf Pfiff.
Zwar fehlt den Fischen eine äußere Ohröffnung. Trotzdem ist es
aber auch bei ihnen wie bei allen Wirbeltieren das Innenohr, das
die Töne wahrnimmt. Bei zahlreichen Arten arbeitet die
Schwimmblase, deren Hauptaufgabe die Regulation des
Auftriebs ist, als Schallverstärker. Sie wird von den Tönen zu
Schwingungen angeregt, bildet also eine Art inneres
Trommelfell. Entweder werden diese Schwingungen durch
Membranen und Flüssigkeiten auf das Innenohr übertragen,
oder, wesentlich effektiver, über eine Reihe kleiner
Knöchelchen.
Und wie steht es mit der Lauterzeugung? Mehrere hundert
Fisch-Arten sind nicht "stumm wie der Fisch". Der Knurrhahn
etwa trägt seinen Namen nicht umsonst. Sein Knurren erzeugt er
mithilfe der Schwimmblase, die von Muskeln in schnelle
Schwingungen versetzt wird. Ähnlich machen das auch viele
Adlerfische oder Trommler, bei denen die Männchen erstaunlich
laute schnarchende, grunzende, trommelnde oder quakende
Geräusche hervorbringen. Noch ungewöhnlicher sind die
Grunzer, die mit den Zähnen knirschen, was wieder durch die
Schwimmblase zu einem deutlich hörbaren Gegrunze verstärkt
wird.
Fische sind tot, wenn sie bauchoben schwimmen.
Der Rückenschwimmende Kongowels ist eine Ausnahme von
dieser Regel: Er frisst Algen und kleine Wirbellose, die auf der
Unterseite der Blätter von Wasserpflanzen leben, oder Insekten,
die auf der Wasseroberfläche notgelandet sind. Dazu schwimmt
er - sein Name sagt es schon - meist auf dem Rücken. Während
Fische gewöhnlich aus Gründen der Tarnung oben dunkel und
unten hell sind, hat der Kongowels (aus demselben Grund) einen
dunklen Bauch.
Fische gibt es nur im Wasser.
Natürlich ist das Wasser das eigentliche Element der Fische.
Manche machen aber auch Landausflüge. Dem Aal kann man
zum Beispiel auch mal nächtens auf nassen Steinen oder in der
feuchten Wiese begegnen, wenn er bei seiner Wanderung
flussaufwärts (siehe Seite 7) auf zu Wasser nicht überwindbare
Hindernisse stößt, wie etwa den Rheinfall. Die südamerikanischen
Kiemenschlitzaale kriechen weite Strecken durch den
Regenwald Amazoniens, um von einem Gewässer ins andere zu
gelangen. Der aus Südasien stammende Froschwels kann auch
an der Luft atmen. So entkamen in Florida in Fischteichen für
Aquarien gezüchtete Froschwelse ihrem übervölkerten Gefängnis,
gestützt auf Dornen in den Brustflossen, über Land und
breiteten sich auf eigene Faust aus. Und schließlich kann man
selbst dort auf Fische stoßen, wo weit und breit kein Wasser ist.
Der Afrikanische Lungenfisch gräbt sich, wenn sein sumpfiger
Lebensraum austrocknet, in den Schlamm ein und überdauert
hier vier bis sechs Monate, von einer verdunstungshemmenden
Schleimhülle geschützt, die nur den atmenden Mund freilässt.
Die einsetzende Regenzeit befreit ihn aus seiner engen
Schutzhaft. Im Labor saßen Lungenfische auch schon ein ganzes
Jahr auf dem Trockenen.
Bleibt zu erwähnen, dass man Fischen sogar in der Luft
begegnen kann. Die Luftsprünge der berühmten Fliegenden
Fische sind aber keine besonderen Höhenflüge. Sie führen nur
wenige Meter über den Meeresspiegel und enden meist schon
vor der Hundert-Meter-Marke (der Rekord liegt bei vierhundert
Metern). Dazu beschleunigt der Fisch im Wasser auf etwa
siebzig Kilometer/Stunde und gleitet dann auf seinen
ausgebreiteten Brust- und Bauchflossen durch die Luft.
Alle Fische sind wechselwarme Kaltblüter.
Nur Vögel und Säugetiere sind warmblütig. Für alle anderen
gilt: Ihre Körpertemperatur hängt von der Temperatur der
Umgebung ab. Allenfalls besteht die Möglichkeit, sich gezielt
der Sonne auszusetzen, um Wärme zu sammeln. So machen es
viele Schlangen und Echsen. Auch Fische sind wechselwarm
und haben im Prinzip dieselbe Temperatur wie das Wasser, in
dem sie schwimmen. Einige Ausnahmen gibt es aber von dieser
Regel. Große aktive Schwimmer wie der Thunfisch, der
Schwertfisch oder der Weißhai produzieren so viel Bewegungswärme,
dass ihnen tatsächlich richtig warm wird. Ihre Kerntemperatur
übersteigt die des Wassers um mehr als zehn Grad.
Das ist natürlich eine großer Vorteil, denn ein warmer Körper ist
sehr viel reaktionsschneller und leistungsfähiger als ein kalter.
Um möglichst wenig Wärme ans Wasser zu verlieren, wird das
in den Kiemen stark abgekühlte Blut zunächst nach dem
Gegenstromprinzip unter der Haut vorgewärmt, bevor es ins
Körperinnere gelangt. Dabei gibt warmes Blut, das Richtung
Kiemen unterwegs ist, um wieder Sauerstoff zu tanken, seine
Wärme an das kühle sauerstoffreiche Blut ab.
Flechte sind eigenständige Pflanzen.
Flechten sind ein gutes Beispiel dafür, dass enge Kooperation
etwas völlig Neues schafft. Die Flechte ist nämlich gar keine
Pflanze, sondern eine Partnerschaft zwischen einem Pilz und
mindestens einer Alge. Symbiose nennt man solche festen
Beziehungen, von der beide Partner profitieren. Der Vorteil ist
bei den Flechten offensichtlich. Über 20 000 verschiedene Arten
sind in der Lage, äußerst unwirtliche Gegenden in großen
Beständen zu besiedeln, in denen keiner der Partner alleine
existieren könnte. Die arktischen Kältewüsten und Tundren sind
ebenso Flechtenhochburgen wie die Gipfel der Alpen oder die
tropischen Nebelwälder. Die grünen Algen bringen ihre
Fotosynthese-Produkte in die Beziehung ein. Der Pilzpartner
holt sich die Zuckerverbindungen durch Saugfäden, mit denen er
in die Algenzellen dringt. Er ist für die äußere Form zuständig
und vermindert die Austrocknungsgefahr. Vermutlich unterstützt
er die Alge auch mit Wasser und anorganischen Mineralstoffen.
Fledermäuse fliegen in die Haare.
Besonders in der 1950er Jahren, als Fledermäuse noch häufig
waren und die Frisurenmode abenteuerlich hoch getürmte
Haargebilde empfahl, grassierte die Angst vor der unheimlichen
nächtlichen Begegnung. Ein berechtigter Albtraum? Schon im
Jahr 1793 hatte der italienische Naturforscher Spallanzani
bemerkt, dass sich auch geblendete Fledermäuse mühelos
orientieren können. Die Vermutung, das Gehör spiele dabei eine
überragende Rolle, wurde erst wieder nach der Erfindung des
Echolots im 20. Jahrhundert aufgegriffen. Seither versucht man,
mit immer genaueren Messmethoden und ausgeklügelten
Versuchen die Echoortung der Fledermäuse zu enträtseln. Früh
schon hat man mit quer durch dunkle Flugräume gespannten
Fäden experimentiert. Viele Arten können problemlos 0,08
Millimeter dicke Fäden als Hindernis erkennen und elegant
umfliegen. Damit liegen wir schon im Bereich der Haaresbreite
von 0,05 bis 0,1 Millimeter. Wenn man bedenkt, dass eine
Frisur normalerweise nicht aus einzelnen Haaren, sondern aus
vielen Haarsträhnen besteht, sollte ihre Vermeidung für
Fledermäuse kein Problem darstellen. Zwar gibt es Beispiele
von Fledermäusen, die auf vertrauten Wegen einfach den Sonar
ausgestellt haben, so wie unsereiner den Weg nach Hause blind
findet, und dann mit Hindernissen zusammenprallten, die sie
eigentlich hätten orten können. Vermutlich aber befanden sich
die Angst auslösenden Fledermäuse einfach auf der Jagd, die sie
manchmal bedenklich nahe um die Köpfe der Menschen
schwirren lässt, wenn dort ein leckerer Brummer unterwegs ist.
Fledermäuse sind blutsaugende Vampire.
Fast tausend Arten von Fiedertieren flattern durch die Lüfte
aller Kontinente (die eiskalte Antarktis natürlich ausgenommen).
Bei uns braucht man sich vor keiner Fledermaus zu fürchten, die
einheimischen Arten haben es nur auf Schmetterlinge, Käfer und
Mücken abgesehen. In den immerfeuchten Tropen, wo Früchte
und Nektar ganzjährig verfügbar sind, haben sich Fledermäuse
und Flughunde auch auf solche Nahrungsquellen spezialisiert.
Manche sind sogar unter die Raubtiere gegangen und erbeuten
Frösche, andere ergreifen mit ihren scharf bekrallten Füßen im
Tiefflug Fische, wieder andere fangen sogar Mäuse. Und, fast
hätten wir's vergessen, ganze drei südamerikanische Arten
haben mit ihrem Blutdurst das Negativ-Image der ganzen
Gruppe geprägt (siehe Seite 193).
Fledermäuse fliegen nur in der Nacht.
Fledermäuse gelten als Nachtgespenster. Manche fliegen in
der Dämmerung los, andere erst in tiefster Nacht. Zumindest
einer ist aber auch am helllichten Tag unterwegs. Der Abendsegler,
eine unserer größten heimischen Arten, jagt vor allem im
Herbst schon am Tag. Dann kann man ihn in schönstem
Sonnenschein, manchmal zusammen mit den Schwalben, hoch
in der Luft fliegen sehen. Nur der typische Fledermaus-Flugstil,
sehr schnell flatternd mit abrupten Richtungswechseln, verrät
ihn sofort.
Fliegen und Mücken sind das Gleiche.
In der Umgangssprache wird nicht sauber unterschieden. Was
landläufig als "Fliegen" bezeichnet wird - Prototyp ist die
Stubenfliege -, läuft in Süddeutschland unter dem Namen
"Mücken". Und was sagen die Entomologen dazu? Zunächst
einmal, dass Fliegen und Mücken tatsächlich Verwandte sind.
Gemeinsam bilden sie die Insektenordnung der Diptera, zu
deutsch: Zweiflügler. Sie haben nämlich im Gegensatz zu fast
allen anderen Insekten nicht vier, sondern nur zwei Flügel. Das
hintere Flügelpaar wurde zu kleinen keulenförmigen
Schwingkölbchen umgebildet, die während des Fluges
mitschwingen und ihn stabilisieren. Ansonsten aber wird
säuberlich geschieden zwischen Mücken und Fliegen.
Die Mücken werden wissenschaftlich als Nematocera
bezeichnet. Das heißt "Fadenfühler" und nennt damit ein
wichtiges Merkmal, die lang ausgezogenen, dünnen Antennen
nämlich. Viele Mücken sind eher ätherische Gestalten. Erinnert
sei nur an die Stechmücken und Schnaken. Mit 35 mm Körperlänge
ist die einheimische Riesenschnake sogar der größte
Vertreter der Zweiflügler weltweit. Nun zu den Fliegen, den
Brachycera oder "Kurzfühlern". Sie sind oft wesentlich kompakter
gebaut. Bekannte Vertreter sind Stubenfliegen, Schmeißfliegen
oder Schwebfliegen. Auch die Essigfliege Drosophila,
beliebtes Versuchsobjekt der Genetiker, gehört zu dieser
Gruppe.
Fliegende Fische fliegen übers Meer.
Zum richtigen Fliegen gehört mehr, als ein paar Meter durch
die Luft zu sausen. Ein Flieger muss sich aus eigener Kraft in
der Luft halten können. Vögel, Fledermäuse oder Insekten
können das, Fliegende Fische nicht. Sie holen Schwung, indem
sie unter Wasser enorm beschleunigen, dann mit hoher
Geschwindigkeit (etwa fünfzig bis siebzig Kilometer pro
Stunde) die Wasseroberfläche durchbrechen und anschließend
auf ihren flügelartig ausgebreiteten Brustflossen - manche Arten
nehmen zusätzlich auch noch die Bauchflossen zu Hilfe - durch
die Luft gleiten. Geht der Schwung aus, landet der Fisch wieder
in den Wellen: kein Flieger also, sondern ein Gleiter. Dreißig bis
vierzig Meter weit führen solche Gleitsprünge über die
Meeresoberfläche meist; ausnahmsweise wurden auch schon
einmal vierhundert Meter gemessen.
Echte fliegende Fische gibt es dagegen im Süßwasser. Die
südamerikanischen Beilbäuche, nur wenige Zentimeter lange
Fischchen aus der Verwandtschaft der Salmler, haben einen
stark vorgewölbten Bauch. Er birgt einen riesigen Knochenkamm.
An diesem sitzt eine enorm starke Brustmuskulatur, mit
der die langen, schmalen Brustflossen bewegt werden. Zum
Schwimmen brauchen sie diese Ausrüstung kaum. Im Wasser
zeigen sich die Beilbäuche nämlich wenig dynamisch; sie
pflegen weitgehend bewegungslos knapp unter der Oberfläche
zu lauern und anfliegende Insekten zu erbeuten. Damit sie aber
nicht selbst zur Beute werden, gehen sie bei Gefahr in die Luft.
Mit deutlichem Schwirrgeräusch starten sie, heftig mit den
Brustflossen schlagend, zum Höhenflug. Mit dem Bauch das
Wasser pflügend schießen die kleinen fliegenden Fische davon;
manche Arten schaffen es tatsächlich sogar, von der
Wasseroberfläche abzuheben. Auch wenn sie so nur wenige
Meter zurücklegen, um aus der Gefahrenzone zu flüchten, sind
Beilbäuche echte Flieger. Ihren Schwung verdanken sie nicht
einem gewaltigen Anlauf wie die "Fliegenden" Fische der
Meere, sondern dem "Flügelschlag" ihrer Brustflossen. Sie
zahlen allerdings dafür einen hohen Preis: Der Flugapparat mit
kräftigen Muskeln macht ein Viertel ihres Körpergewichts aus.
Fliegenpilze locken Fliegen an.
Nicht Fliegen haben eine besondere Vorliebe für den
allbekannten roten Pilz mit den weißen Punkten, sondern
fliegende Hexen. Fliegerpilz wäre deshalb vielleicht der
passendere Name, obwohl die Fliege (lat. Musca) sogar im
wissenschaftlichen Namen Amanita muscaria verewigt ist,
wohl, weil frühe Kräuterbücher den Pilz als Fliegentöter
anpreisen. Fliegenpilze enthalten einen Giftcocktail, bei dem
weniger das Muscarin als die Ibotensäure eine wichtige Rolle
spielt, ein Stoff, der Halluzinationen hervorruft. Mit anderen
Worten: Der Fliegenpilz kann als Droge ge- oder missbraucht
werden und spielt als solche schon seit langer Zeit eine
gewichtige Rolle. In Sibirien wurde er in vielen Gegenden von
den Schamanen benutzt und manche kräuterkundige "Hexe" des
dunklen Mittelalters verschaffte sich wohl per Fliegenpilz einen
rauschhaften "Ausflug". Wenn sie auc h nicht mit dem Besen aus
dem Kamin fuhr, so sorgte die Pilzdroge doch für psychische
Höhenflüge. Immer wieder wird auch gemunkelt, die sprichwörtliche
Wut der Berserker, eines skandinavischen Volksstammes,
sei aus dem Konsum von Fliegenpilzen erwachsen und
Folge eines kollektiven Drogentrips. Im Zeitalter der Kriminalisierung
der meisten psychoaktiven Drogen hat sich heute wieder
mancher auf legale Alternativen besonnen und mit dem
Fliegenpilz experimentiert. Hier wird der Konsum getrockneter
Fliegenpilze empfohlen, wahlweise das Rauchen der
abgezogenen Huthaut oder das Trinken von Urin einer Person,
die gerade einen waschechten Fliegenpilzrausch überlebt hat.
Erlebnisberichte lassen aber vermuten, dass es sinnvoller ist, die
Finger vom Fliegenpilz zu lassen - wie von allen Drogen.
Flusspferde schwitzen Blut.
Eine fünf Zentimeter dicke Schwarte sorgt dafür, dass ein
Flusspferd im Wasser nicht friert und in der Sonne nicht zu heiß
wird. Wenn die afrikanische Sonne dem riesigen Paarhufer doch
mal zu heftig auf die nackte Haut brennt, sondert er zur
Abkühlung aus Drüsen ein klebriges, salzhaltiges, rotbraunes
Sekret ab. Zwar wurde dieses anscheinend noch nie im
Reagenzglas aufgefangen und chemisch analysiert. Wer traut
sich schon an schwitzende Flusspferde heran - sie haben
immerhin mehr Tote auf dem Gewissen als Löwen, Elefanten
und Büffel zusammen? Soviel ist aber klar: Die rötliche Farbe
stammt nicht von Blut. Wenn einer "Blut und Wasser schwitzt",
dann also bestimmt nicht das Flusspferd. Hat es auch gar nicht
nötig, schließlich haben erwachsene Flusspferde keine Feinde,
wie immer vom Menschen mal abgesehen.
Flusspferde sind mit den Pferden verwandt.
Auch wenn der deutsche Name "Flusspferd" eine genaue
Übersetzung des wissenschaftlichen Namens Hippopotamus ist,
landet man auf der Suche nach den nächsten Verwandten der
wasserliebenden Dickhäuter nicht bei den Pferden, sondern bei
den Schweinen. Beide gehören zur Ordnung der Paarhufer -
Flusspferde haben vier behufte Zehen an jedem Fuß - und bilden
innerhalb dieser umfangreichen Verwandtschaft die kleine
Gruppe der Nichtwiederkäuer.
Die Pferde stehen dagegen nur auf einem Huf (dem des
Mittelfingers), sind also unzweifelhaft Unpaarhufer, ebenso wie
die (wenigstens hinten) dreizehigen Tapire und die Nashörner.
Frösche können zur Wettervorhersage benutzt werden.
Nichts scheint uns Menschen mehr zu fuchsen als die
Unberechenbarkeit des Wetters. Das lässt uns nicht in Ruhe.
Wenigstens ein kleines bisschen in die Zukunft wollen wir sehen
können. Deshalb die Fernsehgemeinde, die sich allabendlich vor
dem Bildschirm trifft, um den blumigen Ausführungen des
Dienst habenden Meteorologen zu lauschen. Wetterfrösche
nennt man dieselben, und tatsächlich sind ihre Vorhersagen oft
kaum zuverlässiger als die der klassischen Wetterfrösche. Die
Laubfrösche, die in kleinen Einmachgläsern auf Holzleitern
sitzend ein trauriges Leben fristeten, wussten es auch nicht
besser. Kletterten sie nach oben, taten sie das nicht, weil sich ein
Hochdruckgebiet näherte, sondern weil der Sauerstoff im engen,
warmen Behälter knapp wurde. Überdies steigen Laubfrösche
auch in freier Wildbahn im Gezweig umher, wenn sie auf Beute
aus sind, ganz egal wie das Wetter ist. Quakten sie, dann nicht,
weil sie Regen vorhersagten, sondern weil sie trotz mieser
Umstände in Balzstimmung gerieten. Besonders intensiv rufen
Frösche nämlich, wenn es zu regnen beginnt. Wer die Zeichen
der Natur zu deuten versteht, findet draußen weit bessere
Wetterpropheten als den armen Frosch: tief fliegende Schwalben
zum Beispiel, schwärmende Ameisen oder die Farbe des
Abendhimmels.
Gamsen tragen am Kinn den Gamsbart.
Den Gamsbart, den sich die zünftigen Jäger an den
alpenländischen Hut stecken, tragen die Gämsen nicht am Kinn,
sondern auf dem Rücken. Für einen besonders prächtigen
Gamsbart müssen sogar mehrere Gämsen herhalten. Den frisch
erlegten Tieren werden die Haare dafür nicht abrasiert (wie man
das bei einem Bart eigentlich annehmen sollte, selbst wenn er
am Rücken wächst), sondern ausgezupft. Schließlich gilt: Je
länger die Mannespracht, desto besser, und da wird auf kein
Millimeterchen verzichtet. Gehobene Ansprüche werden auch
an die Farbe gestellt. Möglichst dunkel müssen die Haare sein.
Die Spitzen dagegen, der "Reif", sind hell.
Das Gehirn des Menschen ist das schwerste unter allen
Tieren.
"Das Denken sollte man den Pferden überlassen." Das alte
Sprichwort basiert auf einer einfachen Gleichung: großer Kopf =
großes Hirn. Trotz aller Ironie gar nicht so falsch. Die größten
Gehirne haben wirklich die Großkopfeten. Der Blauwal kommt
auf eine Hirnmasse von 4.700 Gramm, der Elefant sogar auf fast
fünf Kilo. Da nehmen sich die durchschnittlich 1.500 Gramm
des Menschen fast bescheiden aus. (Das Pferd hat übrigens 590
Gramm - vergessen wir also das Sprichwort!) Etwas anders sieht
es aus, wenn man Hirn- und Körpermasse in Relation setzt. Hier
schneidet der Blauwal, dessen Hirn nur 0,007 Prozent des
Körpergewichts ausmacht, so schlecht ab, dass man geneigt ist,
über "viel Muskeln und wenig Hirn" zu spotten. Der Elefant
liegt mit 0,08 Prozent schon besser.
Menschen könnten auf ihre zwei bis zweieinhalb Prozent stolz
sein, gäbe es nicht die Maus, die auf 3,2 Prozent kommt. Zum
Glück haben wir aber noch den Cerebralisationsindex, der einen
Wert liefert, der unserer Ausnahmestellung endlich gerecht
wird. Dabei wird die Masse des "modernsten" der fünf Teile des
Wirbeltierhirns, des Großhirns, mit der der anderen vier Teile
verglichen. In der Großhirnrinde sitzt, sehr grob vereinfacht, der
Grips. Und hier sind wir endlich einsame Spitze. Mit einem
Cerebralisationsindex von 170 lassen wir Delfin (121), Elefant
(104) und Eichhörnchen (6,2) weit hinter uns. Allzu weit sollten
wir den Gewichts- und Volumenfetischismus aber nicht treiben.
Im 19. Jahrhundert beschäftigten sich namhafte Anatomen
damit, aus Messwerten beim Menschen die Überlegenheit der
Weißen über die Farbigen und der Männer über die Frauen
wissenschaftlich zu belegen. Aber schon wer die Entwicklung
der Computer in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß, dass
schiere Größe mit Leistungsfähigkeit nicht unbedingt zu tun hat.
Dank immer kleinerer Bauelemente und besserer Verschaltung
steckt heute schon in einem Taschenrechner die Potenz eines
zimmerfüllenden Großcomputers der 1870er Jahre.
Alle Geier fressen Aas.
Der Prototyp eines Geiers, der Gänsegeier, frisst nichts als
Aas. Andere nehmen auch mal was Lebendiges, wenn es sich
bietet, sei es einen vorwitzigen, vom Kadavergeruch
angelockten Aaskäfer wie den Totengräber oder auch eine
Schildkröte. Ganz ungeiermäßig ernährt sich nur der kleinste
aller Geier, der plumpe, kurzhalsige Palmgeier: Er ist Vegetarier
und liebt besonders die Früchte der Ölpalmen. Nur nebenher
frisst er auch Fleisch, wie sich das für einen Greifvögel gehört:
Fische, Krabben oder Schnecken. Auch sein einziges Junges
füttert er mit den Früchten der Öl- oder Raphiapalme.
Das Geschlecht wird bei der Befruchtung festgelegt.
An diese Regel halten sich fast alle Tiere. Die Krokodile
allerdings fallen aus der Rolle. Hier entscheidet die Temperatur
im Nest über das Geschlecht. Die meisten Krokodile häufen
Hügel aus Pflanzen und Erde auf, in die sie ihre Eier legen.
Sechzig bis hundert Tage vergehen, bis die jungen Krokodile
schlüpfen. Weitgehend unabhängig von der Außenwelt beträgt
die Temperatur in einem solchen Bruthügel immer etwa dreißig
Grad Celsius. Dafür sorgen einerseits verrottende Pflanzen, die
Wärme erzeugen, andererseits die Brutpflege der Weibchen. Die
Krokodilmutter muss sicherstellen, dass die Temperatur nie
längere Zeit unter 27 Grad Celsius sinkt oder über 34 Grad
Celsius steigt, da sonst die Embryonen absterben. Aber die
Temperatur im Nesthügel hat noch viel weiter gehende
Auswirkungen. Beim Mississippi-Alligator ebenso wie bei
einigen anderen daraufhin untersuchten Arten entstehen bei
Nesttemperaturen unter 31 Grad Celsius in den ersten Wochen
der Ei-Entwicklung lauter Weibchen, bei Temperaturen über 32
Grad Celsius Männchen. Liegt die Temperatur dazwischen,
schlüpfen beide Geschlechter. Bei einigen anderen Krokodil-
Arten werden die Babys unter 31 Grad Celsius und über 33 Grad
Celsius weiblich, bei Zwischentemperaturen ist auch mit
Männchen zu rechnen.
Welcher biologische Sinn hinter diesem merkwürdigen
Phänomen steckt, ist noch unklar. Vermutet wird ein
Zusammenhang mit dem Paarungssystem der Krokodile. Bei
vielen Arten gelangen durch eine strenge soziale Rangordnung
nur die größten Männchen zur Paarung, während die Weibchen
alle eine Fortpflanzungschance haben. Vielleicht entstehen
Männchen vor allem dann, wenn optimale Temperaturen auch
eine Chance zu optimalem Wachstum geben. Mickrige
Männchen sind nämlich vom familienplanerischen Standpunkt
aus eine Fehlinvestition, kleiner gewachsene Weibchen dagegen
nicht.
Das Geschlecht kann nicht gewechselt werden.
Unser Geschlecht ist unser Schicksal. Im Augenblick der
Befruchtung wird festgelegt, ob wir unser weiteres Dasein als
Mädchen oder als Knäbchen fristen dürfen. So ist das bei den
meisten Tieren. Zwitter oder Hermaphroditen sind aber gar nicht
so selten, bei den Schnecken etwa oder bei vielen parasitischen
Würmern. Hermaphroditos war der Sohn der griechischen
Götter Hermes und Aphrodite, der, als er eine in ihn verliebte
Nymphe abblitzen ließ, von den Göttern mit ihr zu einem
Doppelwesen - halb männlich, halb weiblich - zwangsvereinigt
wurde. Hermaphroditen produzieren sowohl Ei- als auch
Spermazellen.
Noch ungewöhnlicher ist es, wenn einer im Lauf des Lebens
vom Männchen zum Weibchen (oder andersrum) mutiert. So
machen das die Pantoffelschnecken (die nach ihrer Form so
genannt werden). Seit 1934 kommt die ursprünglich
amerikanische Art auch an der deutschen Nordseeküste vor. Oft
bilden mehrere Schnecken übereinander sitzend eine Paarungskette.
Wer bei den Pantoffelschnecken unter dem Pantoffel
steht, ist klar: Die unteren, größeren Tiere sind Weibchen, oben
sitzen kleine Männchen und dazwischen mittelgroße Schnecken,
die sich mitten in der Umwandlung von Letzteren zu Ersteren
befinden. Konsekutivzwitter nennen die Biologen solche
Transvestiten. Auch bei manchen Fischen gibt es das. Blaukopf-
Lippfische werden überwiegend als Weibchen geboren (dann
sind sie gelb) und wachsen später zu blauen Männchen heran.
Ein Verwandter, der Lippfisch Labroides dimidiatus, bekannt
als Betreiber von Putzerstationen im Riff, lebt in Harems aus
einem Männchen und mehreren Weibchen. Verschwindet das
Männchen, übernimmt entweder ein anderes die herrenlosen
Weibchen oder eine der Haremsdamen wandelt sich innerhalb
weniger Tage zum neuen Boss.
Getreidekörner sind Grassamen.
Bei der erfolgreichsten Pflanzengruppe der Welt, den
Bedecktsamern, sind die Samen in Früchte verpackt. Diese
dienen einerseits dem Schutz der empfindlichen Samenanlage,
andererseits helfen sie später oft bei einer effektiven
Verbreitung durch leckeres, Tiere anlockendes Fruchtfleisch,
durch Flugeinrichtungen, Klett- oder Schleudermechanismen
und Ähnliches mehr. Dabei geben sie die Samen frei. Bei
Gräsern allerdings (und dazu gehören die Getreide-Arten) sind
Samen und Fruchtwände untrennbar miteinander verwachsen.
Das Getreidekorn ist also kein nackter Samen, sondern eine
(Achäne genannte) Frucht. Als Schutz dienen die nicht zur
Frucht gehörenden Spelzen, die mit ihren oft langen Grannen
auch bei der Verbreitung der Achänen helfen.
Gewürznelken sind die Samen umgezüchteter
Gartennelken.
Wenn man sie riecht, denkt man sofort an Weihnachten.
Lebkuchen oder Glühwein sind ohne sie nicht denkbar. Auch
bei der Likör- und Parfümherstellung werden sie verwendet.
Aber im heimischen Garten lassen sich Gewürznelken nicht
anbauen. Mit unseren Nelken haben sie nur den Namen gemein,
den sie ihrer Form verdanken. Sie gleichen einem kleinen Nagel
(= Nägelin = Nelke). Dabei bilden die vier zu einer kleinen
Kugel aufgewölbten und von den Kelchblättern gesäumten
Blütenblätter den Kopf, der Fruchtknoten die Spitze des Nagels.
Das Ganze wächst auf einem zehn bis zwölf Meter hohen,
immergrünen tropischen Baum, dem Gewürznelkenbaum, und
ist eine getrocknete Blütenknospe. Blühen die Bäume, ist es zur
Ernte zu spät, denn der Gehalt an ätherischen Ölen
(überwiegend Nelkenöl) geht dann stark zurück.
Giraffen haben von allen Säugetieren die meisten
Halswirbel.
Was bei anderen Tiergruppen stimmt - je länger der Hals,
desto mehr Wirbel - gilt für Säugetiere nicht. Hier haben fast
alle Arten sieben Halswirbel, vom gedrungenen Maulwurf bis
zur langhalsigen Giraffe. So sind der Beweglichkeit des
Giraffenhalses Grenzen gesetzt. Die schlangenhafte Eleganz
eines wirbelreichen Schwanenhalses wird er nie erreichen. Ganz
wenige Ausnahmen von der Siebener-Regel gibt es übrigens
doch: Die zu den Seekühen gehörenden Manatis haben sechs
Halswirbel, ebenso wie das Zweifinger-Faultier. Dafür hat das
Dreifinger-Faultier neun.
Glühwürmchen sind Würmer.
Wie so oft sind auch diese "Würmchen" Insekten. Anders als
die "Würmer" im Apfel (siehe Seite 16) sind sie aber keine
Larven, sondern erwachsene Tiere. Die Weibchen der drei
heimischen Leuchtkäfer-Arten sehen nicht so aus, wie es sich
für einen ordentlichen Käfer gehört - die Männchen dagegen
schon. Die Weibchen gleichen auch erwachsen noch den
flügellosen Larven. Abends stellen sie ihre Lichter an.
Grüne Laternen sollen Männchen anlocken. Bei den drei
heimischen Glühwürmchen geben sie ein Dauerlicht ab,
während viele tropische Leuchtkäfer arttypische Morsesignale
aussenden. Bei manchen Arten leuchten auch die Männchen, die
Larven und selbst die Eier. Erzeugt wird das Licht in einer
kalten chemischen Reaktion, bei der 95 Prozent, also fast die
gesamte frei werdende Energie, als Licht abgestrahlt wird - ein
Wirkungsgrad, von dem Ingenieure nur träumen können. Bei der
konventionellen Glühbirne dienen gerade mal fünf Prozent der
eingesetzten Energie der Erleuchtung.
Gorillas sind besonders gefährliche Affen.
Schon die schiere Größe ist beeindruckend. Fast zwei Meter
groß und zweihundert Kilo schwer wird ein erwachsener
Gorillamann. Furchteinflößend sind seine Drohgebärden. Wenn
der Gorilla sich aufrichtet und mit beiden Händen auf die Brust
trommelt oder wenn er gar laut schreiend auf einen Widersacher
(oder einen Menschen) zuprescht, kann man schon nervös
werden, selbst wenn man weiß, dass der Gorilla nicht angreifen,
sondern Eindruck schinden will. Dieses Ziel erreicht er fast
immer, und mehr ist auch nicht nötig. Nachdem Jahrhunderte
lang das Bild des angriffslustigen, des schrecklichen, des
grausamen Gorillas die Vorstellung von diesen größten
Menschenaffen geprägt hat - King Kong lässt grüßen -, werden
sie inzwischen oft sentimental verklärt, gelten als die sanften
Riesen, als die besseren Menschen gar. Tatsächlich regeln
Gorillas ihre Konflikte gewöhnlich friedlich und benehmen sich
auch gegenüber Menschen meist so. Auf der anderen Seite
stehen aber durchaus auch Menschen, die Gorilla-Angriffen zum
Opfer gefallen sind. Beides zeigt: Weder die Stilisierung zum
Monster noch die zum vorbildlich friedlichen Kuschelaffen wird
dem Gorilla gerecht.
Gottesanbeterinnen fressen ihre Männchen während der
Paarung.
Sex and crime üben seit jeher eine enorme Faszination aus.
Kein Wunder, dass das Liebesgebaren der Gottesanbeterin
immer wieder mit lüsternem Grusel in allen Einzelheiten
ausgebreitet wird. Wie das große Weibchen, sphinxhaft
unbeweglich und dadurch ebenso wie durch seine grüne
Färbung hervorragend getarnt, auf Beute lauert, die es
blitzschnell mit seinen lang bedornten Fangarmen zuschlagend
erbeutet. Wie sich das viel kleinere Männchen langsam von
hinten anpirscht, um schließlich schnell auf den Rücken seiner
Partnerin zu springen, sich dort festzuklammern und sie mit den
Fühlern zu streicheln. Wie sich die Enden der Hinterleiber
finden. Und wie, grausiger Höhepunkt, nach stundenlanger
Paarung die Fresslust des Weibchens die Oberhand über die
geschlechtliche gewinnt (falls Insekten dergleichen empfinden)
und es, mit dem Kopf beginnend, den Ehepartner noch während
der Vereinigung zu verspeisen anfangt...
Dergleichen kommt vor, doch lange nicht so regelmäßig, wie
früher angenommen. Wenig Chancen haben die Männchen
allerdings im kleinen Beobachtungsterrarium des Insektenforschers.
Hier lassen sie ihr Leben ungleich häufiger als in
freier Wildbahn, wo sie sich nach vollzogenem Akt besser in die
Büsche schlagen können.
Gräser sind immer klein.
Verkehrte Welt: In Bambuswäldern wandelt man nicht auf
dem Rasen, sondern käfergleich zwischen den Gräsern.
Ansonsten gleichen die bis zu 25 Meter hohen, über hundert
verschiedenen Bambus-Arten ihren kleinen Verwandten sehr.
Ihre Stängel sind zwar aus Stabilitätsgründen stark verholzt,
aber ebenso durch Knoten gegliedert wie die der Gräser unserer
Wiesen. Auch die Blätter sind typische Grasblätter, lang und
schlank, mit parallel verlaufenden Blattadern. Selbst die
Eigenart mancher Bambusse, in Monokulturen zu wachsen,
erinnert an einen englischen Rasen. Wer nicht nach Asien reisen
will, um Riesengräser zu sehen, kann sich ein Pampasgras in
den Garten pflanzen. Oder in einem Schilfmeer untertauchen -
auch hier wachsen einem die Gräser über den Kopf.
Grasmücken sind im Gras lebende Insekten.
Dass sich hinter diesem Namen kein Insekt, sondern ein
Vogel verbirgt, bringt erst die linguistische Feinanalyse an den
Tag. Nicht von Gras und Mücke leitet sich die Bezeichnung ab,
sondern von gra (= grau) und dem mittelhochdeutschen Wort
smucka (= schmiegen). Und schon haben wir den kleinen grauen
Singvogel, der sich unauffällig durchs heimische Gebüsch
drückt. Aber gar so schlecht passt auch die Mücke nicht zur
Grasmücke. Schließlich ernähren sich die meisten Grasmücken-
Arten ganz überwiegend von Insekten.
Haie greifen gern Menschen an.
Als blutrünstiges Monster geistert vor allem der Weißhai oder
Menschenhai durch Fantasie und Film. Die Wirklichkeit sieht
dagegen anders aus. Zwar steht der bis sechs Meter lange
Weißhai (zusammen mit dem Schwertwal, der einen ähnlich
schlechten Ruf hat) an der Spitze der Nahrungsketten im Meer.
Er jagt nicht nur Fische, sondern auch Robben und Delfine.
Angriffe auf Menschen sind aber selten. Sie gehen vielleicht
einfach darauf zurück, dass man dem Hai zu nahe getreten ist,
was er auch bei Artgenossen recht übel nimmt. Möglich auch,
dass Schwimmer und Surfer im Umriss seiner Meeressäuger-
Beute etwas ähneln und ganz respektlos als Appetithappen
betrachtet werden. Viele angegriffene Menschen zeigen aber
eher Verletzungen, die auf eine etwas ruppige Neugierde
zurückgehen. Haie untersuchen interessante Gegenstände
nämlich oft mit geöffnetem Maul. Ihre rasiermesserscharfen
Zähne hinterlassen allerdings auch bei diesem feinfühligen
Vorgehen schwere Wunden.
Inzwischen ist aus dem Jäger ein Gejagter geworden. Zwar
haben Weißhaie ein riesiges Verbreitungsgebiet. Sie leben
weltweit in den wärmeren Meeren (auch im Mittelmeer), sind
aber überall selten. Da sie erst mit bis zu zwölf Jahren
geschlechtsreif werden und jeweils nur wenige, weit entwickelte
Junge zur Welt bringen, sind sie durch Fischerei und
Andenkenjäger gefährdet. Für die mit furchterregenden Zahnreihen
bestückten Kiefer ausgewachsener Tiere werden hohe
Summen bezahlt. In manchen Ländern steht der Weißhai
deshalb schon unter Schutz.
Bleibt anzumerken, dass es nur ganz wenige Hai- Arten sind,
auf deren Konto die jährlich etwa dreißig Angriffe mit
tödlichem Ausgang gehen. Neben dem Weißhai ist es vor allem
der Sandtiger, der dem Menschen gefährlich werden kann.
Die meisten der etwa 340 Hai-Arten sind aber völlig harmlos.
Viele kleine Haie machen auf der Schwanzspitze kehrt, sobald
sie einen Menschen sehen. Und der riesige Walhai (mit bis
achtzehn Meter Länge der größte Fisch überhaupt) ist ebenso
wie der bis elfeinhalb Meter lange Riesenhai ein friedlicher
Planktonfresser.
Hasen schlafen mit offenen Augen.
Abwarten bis die Gefahr vorübergeht, heißt die bewährteste
Hasentaktik. Bewegungslos in die Sasse gekauert, scheint der
Hase mit offenen Augen zu schlafen. Das aber täuscht: Er hat
die Situation genau im Rundumblick. Die seitlich am Kopf
sitzenden Augen garantieren, dass sich auch von hinten niemand
heimlich anschleichen kann. Erst wenn klar ist, dass Flucht
wirklich der einzige Ausweg ist, sprintet der Hase los. Schon
vorher hat er den Motor auf Touren gebracht, der Puls steigt auf
den doppelten Ruhewert. Bereits sein Blitzstart - in kürzester
Zeit von null auf achtzig Kilometer pro Stunde - verblüfft den
Verfolger und bringt wertvolle, vielleicht lebensrettende
Sekunden. Übrigens: Wenn Hasen wirklich schlafen, machen sie
die Augen zu. Sollte sich dann jemand in böser Absicht nähern,
wird's gefährlich. Viel Chancen hat er aber nicht: Ein paar
Minuten Tiefschlaf am Tag reichen dem Hasen.
Hauswurz auf das Dach gepflanzt wehrt den Blitz ab.
Jupiters Bart, Donars- oder Thorsbart wurde die Hauswurz im
Mittelalter genannt und allerorten auf die Dächer gepflanzt. Zu
den Fähigkeiten der namengebenden Gottheiten gehörte das
Schleudern von Blitzen. Die Hauswurz sollte dieselben abhalten.
Der Ursprung dieses Glaubens liegt im Dunkeln; möglicherweise
wurzelt er in germanischen Vorstellungen. Leider hat er
keinerlei naturwissenschaftlichen Hintergrund und auch
Technikskeptikern, die hier einen ökologische Ersatz für den
metallenen Blitzableiter wittern, muss abgeraten werden. Eine
Funktion erfüllten die dichten Rosetten und das verfilzte
Wurzelwerk der Kälte, Hitze und Trockenheit trotzenden
Hauswurz vielleicht aber doch: als Befestigung des Lehmfirstes
auf soden- oder strohgedeckten Dächern.
Der Heringskönig ist der König der Heringe.
Heringe leben in riesigen Schwärmen, in denen alle
gleichberechtigt sind. Einen König brauchen sie nicht. Der
Heringskönig, ein bis knapp siebzig Zentimeter langer,
hochrückiger, aber extrem schlanker Fisch, heißt so, weil er sich
gerne in der Nähe von Herings- oder Sardinenschwärmen
aufhält. Dort wirkt er durch seine eindrucksvolle Größe, als sei
er der Herrscher der kleinen Fische, die sich aber nicht weiter
um ihn kümmern - wenn er sie nicht gerade jagt, denn er frisst
Sardinen! Ein auffallendes Merkmal des Heringskönigs sind
zwei schwarze Flecken, einer auf jeder Seite. Nach der Legende
sind das die Fingerabdrücke des Heiligen Petrus, der, bevor er
ein Jünger Jesu wurde, im ersten Beruf Fischer war. Er
hinterließ sie, als er den Fisch mit Daumen und Zeigefinger aus
dem See Genezareth zog (wo er allerdings nicht vorkommt).
Daher auch der Zweitname Petersfisch.
Ein Hirsch ist so alt wie die Zahl seiner Geweihspitzen.
Um es gleich vorab zu klären: Geweihe wachsen im
Gegensatz zu Hörnern (eines Steinbocks etwa) nicht
lebenslänglich. Schon das macht unwahrscheinlich, dass die
Spitzenzahl das Alter genau widerspiegelt. Das Geweih der
männlichen Hirsche - nur bei den Rentieren tragen auch die
Damen Kopfschmuck - wird Jahr für Jahr neu gebildet. Solange
es noch mit Haut und Haaren, dem Bast, überzogen ist, lebt und
wächst es. Funktionsfähig wird das Geweih aber erst, wenn es
tot ist. Dann wird der Bast gefegt und der blanke Knochen
kommt zum Vorschein. Hat das Geweih nach der
Paarungssaison seine Schuldigkeit getan, fallen die beiden
verzweigten Stangen ab. Zur nächsten Hochzeit gibt's wieder
neue.
Sein erstes Geweih schiebt der Junghirsch im Jahr nach seiner
Geburt. Er beginnt seine Karriere als "Spießer" mit zwei
einfachen Stangen. Dann wächst ihm meist von Jahr zu Jahr ein
größeres Geweih. Im zweiten Jahr wird er zum Gabler (mit zwei
Enden pro Geweihstange) oder gar schon zum Sechsender. Wie
schnell er zulegt, hängt von seiner genetischen Ausstattung und
seiner Konstitution ab. Das Geweih zeigt nicht zuletzt die
Fitness seines Besitzers und ist so ein wichtiges Mittel der
sexuellen Selektion. Erst im Alter von fünf Jahren beginnen sich
die Junghirsche bei der Brunft zu engagieren. Nur die
tüchtigsten Hirsche schaffen es, gekrönt von bis zu 24
Geweihspitzen (einer Last, die fünfzehn Kilogramm wiegen
kann), zum Platzhirsch mit dem alleinigen Paarungsrecht mit
allen Hirschkühen seines Rudels aufzusteigen. Die endlosen
Auseinandersetzungen mit Rivalen, die sich damit nicht
abfinden wollen, machen gegen Ende der Saison aus einem
kraftstrotzenden Hirsch einen völlig ausgepumpten, der es oft
kaum schafft, den Winter zu überleben, und seinen Rang im
nächsten Jahr meist nicht wieder erkämpfen kann. Er zählt nun
zum alten Eisen, was auch deutlich an den kleineren Geweihen
der Greise ablesbar ist.
Höckerschwäne ernähren sich von Fischen.
Der Höckerschwan reiht sich in die lange Liste der zu Unrecht
als Fischereischädlinge verunglimpften Arten ein. Er ist
ziemlich strikter Vegetarier, dem - wie auch einem menschlichen
Salatesser - höchstens mal aus Versehen eine kleine
Schnecke oder ein Wurm in den Schnabel kommt. Nur
ausnahmsweise wird auch mal eine Kaulquappe oder ein (vorher
schon toter?) kleiner Fisch gefressen. Ansonsten bilden Wasser-
und Uferpflanzen die Hauptnahrung. Zum Grasen verlassen die
Schwäne oft sogar das Wasser.
Der Holzwurm ist ein Wurm.
Sobald ein Tier keine ordentliche n Beine hat, wird es in der
Umgangssprache zur Schlange oder zum Wurm. Auch den
Holzwürmern erging es so, den nur wenige Millimeter langen
Larven mancher Pochkäfer, die mit ihren kurzen Beinchen
kleinen Engerlingen ähneln. Sie leben in Bohrgängen in altem
Holz und machen auch vor wertvollen Antiquitäten nicht Halt.
Winzige Eingangslöcher, aus denen gelegentlich ein kleines
Häufchen Holzmehl rieselt, verraten ihre zerstörerische
Anwesenheit. Auch die fertigen Käfer leben in Holzgängen. Sie
unterhalten sich wie Häftlinge im Knast: über Klopfsignale.
Diesen verdanken sie auch ihren deutschen Namen, Poch- oder
Klopfkäfer. Besonders regelmäßig tickt eine deshalb "Totenuhr"
genannte Art. Am häufigsten ist der drei bis fünf Millimeter
große Gemeine Holzwurm.
Drei Hornissenstiche töten einen Menschen, sieben ein
Pferd. Imponierend ist schon ihre schiere Größe: Eine Hornisse
wird doppelt so groß wie eine "normale" Wespe. Mit bis zu
dreieinhalb Zentimeter Länge ist sie ein sehr beeindruckendes
Flugzeug. Einen Wespenstich hat beinahe jeder schon einmal
kassiert und kennt den jähen Schmerz, der darauf folgt. Man
kann sich leicht ausmalen, wie viel schlimmer der Stich einer
Hornisse schmerzen muss. Auf dieser Vorstellung und nicht auf
konkreter Erfahrung gründen sich die Märchen von der
Gefährlichkeit eines Hornissenstichs. Die Probe aufs Exempel
haben nur wenige gemacht. Hornissen sind nämlich viel weniger
angriffslustig als manche andere Wespen-Arten und stechen
erst, wenn sie sich sehr bedrängt fühlen. Tun sie's doch, tut's
auch nicht mehr weh als bei einer normalen Wespe. Angst haben
müssen nur Allergiker; ansonsten kann man sehr viele Stiche
verkraften, bevor es gefährlich wird.
Hummeln können nicht Stechen.
Hummeln gehören zur Familie der Bienen und für die gilt:
Weibchen können stechen, Männchen nicht. Da auch bei
Hummeln die Frauen die ganze Arbeit tun, während die
Männchen ihr kurzes Dasein als "Lustknaben" verbringen, ist
die emsig auf der Blüte Nahrung sammelnde Hummel fast
immer ein Weibchen. Erkennbar ist das auch an den
Blutenstaub-Höschen an den Hinterbeinen (und auch daran
sehen wir, dass bei Hummels die Frauen die Hosen anhaben...).
Dass Hummeln als harmlos und ungiftig gelten, liegt vor allem
an ihrer gutmütigen Veranlagung. Sie stechen meist nur im
äußersten Notfall.
Hund und Katze vertragen sich nicht.
"Sie sind wie Katz und Hund" - alles klar, hier sind zwei
gemeint, die sich überhaupt nicht verstehen. Und das ist hier
ganz wörtlich zu nehmen, denn Katz und Hund sprechen
tatsächlich verschiedene Gesten-Sprachen. Ein Hund hebt die
Pfote und wedelt mit dem Schwanz. Er ist guter Laune, will
Kontakt aufnehmen und spielen - nur kommt das bei der Katze
ganz anders an. In ihrer Sprache bedeutet die gleiche Geste
nämlich: Komm mir nicht zu nahe oder du riskierst einen Schlag
ins Gesicht. Fühlt sich die Katze dagegen wohl und schnurrt,
hört der Hund ein drohendes Knurren. Keine angeborene
Erbfeindschaft also, sondern lediglich Kommunikationsschwierigkeiten.
Hund und Katz, die zusammen aufwachsen,
lernen die Gesten des anderen richtig zu deuten und können gute
Freunde werden.
Hunde, die bellen, beißen nicht.
Darauf sollte man sich lieber nicht verlassen. Natürlich gibt es
Hunde, die den Briefträger mit mächtigem Lärm empfangen und
im nächsten Augenblick mit eingezo genem Schwanz das Weite
suchen - aber genauso viele verstehen das Gebell als letzte
Warnung, bevor es losgeht. Auch als Lebensweisheit taugt das
Sprichwort nicht. Natürlich trifft man gelegentlich auf ein
Großmaul, das kneift, wenn es zur Sache geht. Aber wie oft
folgt der Brüllerei die handfeste Prügelei!
Hunde laufen auf den Füßen.
Wer laufen wollte wie ein Hund, müsste sich auf die Zehen
stellen. Denn Sohlengänger, die wie wir Menschen oder Bären
beim Gehen die gesamte Fußsohle von den Zehen bis zur Ferse
aufsetzen, sind unter den Säugetieren eher selten. Viele treten
wie Katzen und Hunde nur mit den Zehen auf. Mittelhand- und
Mittelfußknochen berühren den Boden nicht. Was wir am
Hinterlauf der Raubtiere spontan als "Knie" bezeichnen, ist das
Gelenk zwischen Fersen und Unterschenkel - leicht daran zu
erkennen, dass es andersrum knickt als das Knie. Dieses liegt
weiter oben, nur wenig unterhalb des Körpers. Der
Oberschenkel ist vergleichsweise kurz. Wie Balletteusen auf den
Zehenspitzen kommen die Huftiere daher. Kühe und Pferde sind
nämlich Zehenspitzengänger. Letztere laufen sogar nur auf den
Spitzen der Mittelfinger. Und selbst bei den Schwergewichten
unter den Landtieren, den Elefanten, berühren nur die mit
kleinen Hufen versehenen Zehenspitzen den Boden. Die runde
Fläche, mit der die Dickhäuter auftreten, besteht aus einem
keilförmigen Bindegewebspolster, das unter das schräg stehende
Fußskelett geschoben ist und für gleichmäßige Druckverteilung
sorgt.
"Vor die Hunde gehen".
Ein langsamer sozialer Abstieg ohne größere Chancen, noch
mal im Leben Tritt zu fassen: Einer geht vor die Hunde - oder
eigentlich vor den Hund (oder Hunt), denn so hieß der
vierrädrige Förderwagen, den ein Bergmann zur Strafe ziehen
musste, wenn er nicht ordentlich gearbeitet hatte. Mit Hunden,
wie oft angenommen, hat der Ausdruck nichts zu tun.
Hundstage heißen so, weil es dann selbst Hunden zu heiß ist.
Es gibt Tage, da möchte man wirklich keinen Hund vor die Tür
jagen, und vielleicht gehören manchmal auch die Hundstage in
der heißesten Zeit des Jahres dazu. Ihren Namen verdanken Sie
aber nicht den Hunden, sondern einem fernen Stern, dem Sirius
(zu deutsch Hundsstern) im Sternbild Großer Hund. Wenn der
Hundsstern, der hellste Fixstern am Firmament, morgens
zusammen mit der Sonne aufgeht, beginnen die Hundstage. Zur
Blütezeit der ägyptischen Hochkultur vor etwa 4000 Jahren
kündigte der Beginn der Hundstage am 19. Juli nicht nur die
Zeit der größten Sommerhitze an, sondern auch die
lebensspendenden Überschwemmungen des Nils. Am 24.
August war dann das gesamte Sternbild des großen Hundes am
Morgenhimmel zu sehen und die Hundstage zu Ende.
Inzwischen haben sich die Aufgangszeiten einen ganzen Monat
verschoben und die Hundstage beginnen mit dem Aufgang des
Sirius erst am 19. August, also normalerweise kurz nach der
größten Sommerhitze. In 10 000 Jahren fallen sie dann in den
Januar. Wenn dann einer seinen Hund nicht mehr vor die Tür
jagen will, dann bestimmt nicht wegen der Hitze.
Hyänen sind feige Aasfresser.
Ihr Ruf könnte schlechter kaum sein. Als kriecherisch feige
Aasfresser werden sie gemeinhin angesehen, die sich
erschleichen, was mutigere Jäger wie der königliche Löwe
(siehe Seite 107) erbeutet haben. Als besonders verwerflich wird
in alten Berichten immer wieder geschildert, dass sie auch
Gräber öffneten. Dies zu verhindern ist vielleicht der
ursprüngliche Grund, ein Grab mit Steinen zu bedecken. In der
Tat sammeln Hyänen alles ein, was sich an Fressbarem bietet.
Neben Aas gehören dazu auch Früchte, Eier und allerlei
Kleintiere. Aber Hyänen gehen auch selbst auf die Jagd. Die
häufigste Hyänenart, die Tüpfelhyäne, ernährt sich sogar
überwiegend von selbst erlegter Beute bis hin zu Zebragröße.
Und von wegen feige: Das Hyänenrudel, das zähneknirschend
dabei zusehen muss, wie sich die Löwen ihr frisch getötetes Gnu
unter den Nagel reißen, handelt "klug". Trotz ihrer mächtigen
Kiefer sind Hyänen nämlich dem Löwen unterlegen, und das
Risiko, bei Auseinandersetzungen verletzt zu werden, ist zu
groß. Das kann natürlich aber auch mal andersrum
funktionieren. Schließt sich ein Ring von zwanzig knurrenden
Hyänen um ein oder zwei Löwen, verzichten sie für dieses Mal
lieber aufs Fressen.
Jungfernzeugung gibt es nicht.
Männer sind nicht immer so wichtig, wie sie sich manchmal
nehmen, jedenfalls nicht bei den Wasserflöhen. Die Weibchen
dieser kleinen Planktonkrebse legen ohne männliches Zutun
Eier, aus denen wieder Weibchen schlüpfen. Auf diese Weise
wächst die Population sehr schnell. Erst gegen Ende der Saison,
oder wenn die Umweltbedingungen schlechter werden, entstehen
auch Männchen. Die befruchteten Eier sind dickschaliger
und überstehen sowohl den Winter als auch Trockenperioden
gut. Rädertiere, ebenfalls häufig im Süßwasserplankton, haben
die gleiche Strategie. Hier gibt es sogar Arten, bei denen
Männchen völlig unbekannt sind. Um ein letztes Beispiel zu
nennen (es gibt noch viel mehr): Auch die Blattläuse, die in
dichten Kolonien an Pflanzenstängeln saugen, sind männerlose
Gesellschaften. Im Frühjahr schlüpft die Stammmutter einer
neuen Kolonie aus dem Ei, die lauter Töchter in die Welt setzt.
Söhne und Sex gibt es nur im Herbst. Bei Wirbeltieren
allerdings ist Jungfernzeugung (Parthenogenese) sehr selten.
Eines der wenigen Beispiele ist die Blumentopfschlange, mit
fünfzehn Zentimeter Länge eine der kleinsten Schlangen. Von
ihr sind nur Weibchen bekannt, die einen dreifachen
Chromosomensatz haben (normal ist bei Wirbeltieren ein
doppelter) und ebensolche Töchter bekommen. Auch bei
fünfzehn amerikanischen Rennechsen-Arten gibt es nur
Weibchen. Ohne ordentliche Balz kommen die Echsen aber
nicht recht in Stimmung. Deshalb spielt eines der Weibchen den
Männerpart beim Werbungs- und Paarungsverhalten und
stimuliert so bei der Partnerin den hormonell gesteuerten
Eisprung. Dabei werden die Rollen mehrmals getauscht, damit
jede zum Zug kommt. Zur Beruhigung für alle Männer, die ihre
Rolle bedroht sehen: Bei Säugetieren läuft ohne Männer nichts.
Aber vielleicht macht die moderne Reproduktionsmedizin sie
bald überflüssig...
Kakteen wachsen in Afrika.
Inzwischen stimmt das tatsächlich, weil einige Kakteen-Arten
durch den Menschen weltweit verschleppt wurden. Wer die
Mittelmeerländer bereist und überall die großen Opuntienhecken
sieht, kann sich kaum vorstellen, dass der Feigenkaktus dort
keine einheimische Pflanze ist. Und doch stammt er, wie alle
Kakteengewächse, aus Amerika. Allerdings gibt es in Afrika
durchaus auch heimische Pflanzen, die wie Kakteen aussehen.
Sobald sie blühen, enttarnen sie sich aber als
Wolfsmilchgewächse. Ihren Kaktus-Habitus verdanken sie
ähnlichen Lebensbedingungen in Trockengebieten. Die amerikanischen
Kakteen und die Wolfsmilchgewächse der Alten Welt
haben im Lauf der Stammesgeschichte unabhängig voneinander
gleiche Anpassungen entwickelt, um Wasser zu sparen.
Kamele und Dromedare speichern Wasser im Höcker.
Irgendwie müssen es die Kamele und Dromedare doch
schaffen, in den heißesten und trockensten Gegenden der Erde
tagelang ohne Wasser auszukommen. Und wer eine erschöpfte
Karawane in die Oase einziehen sieht, jedes Tier mit schlappem,
eingefallenem Höcker, glaubt die Geschichte vom Wasser
speichernden "Rucksack" sofort. Tatsächlich haben Kamele und
Dromedare viele Wasserspar-Strategien - alle aber sind viel
raffinierter als die einfache Vorstellung vom Wassertank im
Höcker. Ein stark konzentrierter Urin und ein knochentrockener
Kot gehören ebenso dazu wie eine veränderte Regulation der
Körpertemperatur: Das Kamel beginnt erst bei einer
Körpertemperatur von vierzig bis 42 Grad Celsius zu schwitzen
(und damit Flüssigkeit zu verlieren). In der Nacht kühlt es
seinen Körper dann bis auf 34 Grad Celsius ab. Außerdem
überlebt ein Kamel selbst einen Wasserverlust von vierzig
Prozent seines Körpergewichts - unsereins stirbt schon bei
vierzehn Prozent. Und der (oder die) Höcker? Er besteht aus Fett
und ist kein Wasser-, sondern ein Energiespeicher. Dadurch,
dass das Reservefett im Höcker konzentriert und nicht um den
ganzen Körper verteilt ist, wärmt es das Tier nicht selber. Im
Gegenteil: Auf dem Rücken kann es sogar dazu beitragen, das
Kamel vor starker Strahlung zu schützen.
Die Kartoffel ist eine Bodenfrucht.
Natürlich trägt auch die Kartoffelpflanze Früchte - aber nicht
unter der Erde. Früchte gehen aus Blüten hervor, wachsen also
oberirdisch. Die roten Beeren der Kartoffel, groß wie
Sauerkirschen, enthalten Solanin und sind giftig. Die essbaren
Kartoffelknollen haben mit den Blüten nichts zu tun und sind
folglich auch keine Früchte. Mit den Wurzeln übrigens auch
nicht, obwohl sie in der Erde wachsen. Die Knollen entstehen an
der Spitze austreibender Sprosse und heißen deswegen
Sprossknollen. Jede Kartoffel wird im Frühjahr zu einer neuen,
eigenständigen Pflanze, indem einerseits Wurzeln, andererseits
aus den "Augen" neue Triebe wachsen. Die Kartoffelpflanze
fährt vermehrungstechnisch also zweigleisig: Sexuell über
Blüten und Samen, ungeschlechtlich über Klone, die
Sprossknollen.
Der Kartoffelkäfer wurde zur Kriegführung verwendet.
Immer wenn Kartoffelkäfer-Plagen die Ernte des lange Zeit
wichtigsten Volksnahrungsmittels bedrohten, war der böse
Feind daran schuld. Die Nationalsozialisten unterstellten den
Alliierten, sie hätten ihre Truppen durch die auffällig gelb und
schwarz längsgestreiften Flieger verstärkt. Der "Kartoffelabwehrdienst
des Reichsnährstandes" rückte aus, um der Plage
Herr zu werden. Kleine Ironie der Geschichte, dass auch das
Propagandaministerium der DDR im Jahr 1950 eine Broschüre
mit dem Titel "Halt, Amikäfer" herausgab und die alte Mär vom
Abwurf der Käfer durch die Amerikaner (dieses Mal über der
DDR) wieder aufwärmte. Dabei brauchte der gefürchtete
Schädling keine menschliche Hilfe, um sich auszubreiten. Der
"Amikäfer" stammt wie die Kartoffel selbst aus der Neuen Welt
und folgte ihr auf ihrem weltweiten Siegeszug. Seine eigentliche
Heimat sind die südlichen Rocky Mountains, daher sein
Zweitname Colorado-Käfer. Dort übersiedelte der schicke
Krabbler eines Tages von wild wachsenden Nachtschattengewächsen
auf die nahe verwandte Kartoffel. In der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts, als es in Amerika noch allenthalben
"Go West" hieß, verfuhr der Käfer nach der Devise "Go East".
Trotz des Einsatzes heftiger Gifte (wie Arsenik, das großzügig
über befallene Felder verteilt wurde) hatte er nach wenigen
Jahren schon die Ostküste erreicht. Dann war es nur noch eine
Frage der Zeit, bis der massenhaft auftretende Käfer sich
einschiffte und als blinder Passagier Richtung Europa aufbrach.
1874 war es dann so weit: Der Kartoffelkäfer setzte seine sechs
Beinchen auf europäischen Boden. Das im Jahr darauf von der
deutschen Reichsregierung erlassene Embargo gegen
amerikanische Kartoffeln beachtete er nicht. Und die diversen
Bekämpfungsaktionen waren wie in seinem amerikanischen
Herkunftsland seiner Fruchtbarkeit und Ausbreitungsfähigkeit
auf Dauer nicht gewachsen.
Katzen sind wassers cheu.
Unsere Hauskatzen lassen sich zwar gelegentlich auch mit
heimischen Wildkatzen ein, stammen aber von der Falbkatze
Afrikas und des Nahen Ostens ab. Falbkatzen streifen durch
trockenwarme Busch- und Savannengebiete. Vielleicht erklärt
dies das große Wärmebedürfnis und die Wasserscheu der
Hauskatze. Anscheinend gibt es nur eine einzige Hauskatzenrasse,
die freiwillig ins Wasser geht. Die Van-Katze aus der
Umgebung des Van-Sees im Osten der Türkei schwimmt so
gerne, dass sie auch als Türkische Schwimmkatze bezeichnet
wird. Im Jahr 1955 wurden solche Katzen erstmals nach
England exportiert, seit 1969 sind sie in Züchterkreisen als
Rasse anerkannt. Nach einer Legende verdanken die überwiegend
weißen Katzen mit dem rot schimmernden Schwanz
die beiden rotbraunen Flecken über den Augen Gottvater selbst.
Nach der Strandung der Arche Noah am Ararat ganz in der Nähe
des Van-Sees habe sein Segen diese feurigen Zeichen
hinterlassen.
Aber man sollte die Betrachtung von Katzen und Wasser nicht
auf die Hauskatzen beschränken. Schließlich umfasst die
Familie der Katzen etwa vierzig Arten, von denen manche
durchaus nicht wasserscheu sind. Die südostasiatische Fischkatze
watet ganz selbstverständlich durch flaches Wasser und
soll auch schwimmend und tauchend nach Fische n jagen. Tiger
schwimmen gut und gerne und auch der Jaguar scheut das
Wasser nicht.
Das Alter der Klapperschlangen lässt sich an der Länge
ihrer Klapper ablesen.
Um zu wachsen, müssen sich Schlangen wie alle Reptilien
häuten. Bei den Klapperschlangen, dreißig nordamerikanischen
Grubenottern-Arten, lässt sich die Zahl der Häutungen am
Schwanz ablesen. Die charakteristische Rassel an ihrem
Schwanz wächst nämlich mit jeder Häutung um ein Glied. Je
länger die Klapper, desto öfter hat sich die Schlange gehäutet.
Insofern gibt sie tatsächlich Hinweise auf das Alter der
Schlange, wenn auch keine genauen. Denn wie schnell eine
Schlange wächst und wie oft sie sich häutet, hängt von
verschiedenen Einflüssen ab und spiegelt nicht allein das
Lebensalter wider. Die Klapper dient der Warnung: Zittert die
Schlange mit dem Schwanz, ertönt ein mehrere Meter weit
hörbares zischendraschelndes Geräusch. Man tut gut daran, dies
ernst zu nehmen: Klapperschlangen sind hoch giftig.
Klone sind unnatürlich.
In der (zugegeben äußerst komplizierten und vielschichtigen)
Diskussion um die Fortpflanzungsbiologie der Menschen taucht
immer wieder das Gespenst des Klons auf. Sind genetisch
identische Lebewesen wirklich widernatürlich? Natürlich nicht:
Jeder eineiige Zwilling besteht aus zwei Individuen mit
gleichem Erbgut, einem Klon also. Bei Pflanzen ist Klonen eine
gängige Sache. Die Vervielfachung über Stecklinge, wie sie der
Gärtner betreibt, bringt ebenso gengleiche Sprösslinge hervor
wie die Vermehrung durch Teilung, über Ausläufer, Brutknospen,
Tochterzwiebeln und unzählige andere Methoden, die
Pflanzen neben der Samenbildung (und nicht selten sogar anstatt
derselben) betreiben. Und auch manche Tiere bedienen sich der
Vorteile des Klonens. Wenn sich weibliche Wasserflöhe oder
Blattläuse innerhalb kurzer Zeit unglaublich vermehren können,
so nicht zuletzt deshalb, weil sie auf zeitraubenden Sex
verzichten und statt dessen lauter Töchter hervorbringen,
genetische Kopien ihrer selbst (siehe Seite 91). Selbst bei
manchen Säugetieren steht Klonen regelmäßig auf dem
Programm: Das Neunbindengürteltier wirft stets eineiige
Vierlinge, zwei andere Weichgürteltier-Arten sogar genetisch
identische Acht- oder Zwölflinge.
Koalabären sind Bären.
Noch ist der Streit, wer denn das Vorbild des weltberühmten
Teddybären sei, unentschieden. Ist es der niedliche Koala, der
Schwarzbär oder der Braunbär? Vermutlich doch eher einer der
Letzteren. Schließlich verdanken die Schmusetiere ihren Namen
dem amerikanischen Präsidenten Theodore "Teddy" Roosevelt,
der, obwohl leidenschaftlicher Jäger, einmal einen verwundeten
Bären verschonte, was im Präsidentschafts-Wahlkampf weidlich
ausgeschlachtet wurde. Entschieden ist dagegen die Frage, wer
nun Bär sei und wer nicht. Der Koala ist keiner, obwohl er den
Bären sogar in seinem wissenschaftlichen Namen führt:
Phascolarctos cinereus heißt zu deutsch grauer Beutelbär. Der
Eukalyptus fressende Beutel-"Bär" ist aber wie fast alle
Säugetiere Australiens ein Beuteltier, ein Verwandter des
Kängurus mithin. Die echten Bären dage gen bilden eine Familie
innerhalb der zu den Placentatieren zählenden Raubtieren.
Korallen sind Pflanzen.
Selbst ihr wissenschaftlicher Name Anthozoa (übersetzt
Blumentiere) spielt auf die große Ähnlichkeit der Korallen mit
Pflanzen an. Sie gehören zu der sehr ursprünglichen Tiergruppe
der Hohltiere, der die spiegelbildliche Symmetrie der meisten
anderen Tiere noch fehlt. Die aus einem sackförmigen Körper
bestehenden Polypen haben eine Mundöffnung, die von
Tentakeln umgeben ist, mit denen sie ihre Beute fa ngen. Bei den
meisten Korallen sind die einzelnen Polypentiere sehr klein.
Beeindruckende Größe erreichen sie durch den Zusammenschluss
sehr vieler Polypen, die ein gemeinsames Skelett aus
Kalk oder hornartigem Material ausscheiden. Die von ihnen
gebildeten Riffe sind die größten Bauwerke, die Lebewesen je
schufen. Ein überzeugender Beweis dafür, dass enge
Kooperation es auch den Kleinen ermöglicht, ihre Umwelt zu
gestalten und zu prägen.
Der KORMORAN richtet große ökologische Schäden an.
Nur wenige Vogel-Arten sind in Europa so systematisch an
den Rand des Aussterbens gedrängt worden wie der Kormoran.
Der große schwarze Vogel mit den grünen Augen fischt besser
als die Fischer und zieht dadurch ihren geballten Zorn auf sich.
Seit konsequenter Schutz für eine Zunahme der Brut- und
Rastbestände gesorgt hat, kommt ein Kormoran selten allein.
Wenn ein größerer Trupp in perfekter Reihenformation
schwimmend ein Kesseltreiben im Fischteich veranstaltet,
können einem wirklich die Tränen kommen (wenn man der
Teichwirt ist). Der Ruf nach erneuter Verfolgung des
Fischräubers wurde laut und lauter. Geführt wird die Diskussion
sehr emotional und oft mit den falschen Argumenten. Ob
Kormorane wirklich ökologische Schäden anrichten, wenn sie
von Anglern vorher ausgesetzte Fische vor denselben wieder
herausfischen? Oder doch eher ökonomische? Wie dem auch
sei: Inzwischen heißt es tatsächlich "Feuer frei" auf den eben
erst der Roten Liste Entkommenen.
Krebse können nur im "Krebsgang", also rückwärts
gehen.
Der sprichwörtliche Krebsgang ist der Rückwärtsgang. Nun
können sich viele Krebse nicht nur rückwärts, sondern auch
vorwärts oder seitwärts mit teils großer Geschwindigkeit
fortbewegen. "Dwarslöper", Querläufer also, heißt die
Strandkrabbe der Nordseeküste im Plattdeutschen. Der
Krebsgang wurde wohl dem Flusskrebs abgeguckt, der im
Mittelalter als Fastenspeise hoch begehrt und inzwischen in
Mitteleuropa stark gefährdet ist. Schüttete man die gefangenen
Krebse auf den Küchentisch, versuchten sie, sich rückwärts
kriechend davonzumachen. Wenn es in freier Wildbahn brenzlig
wird, bringt der Krebs sich mit ein paar kräftigen Schlägen
seines Schwanzfächers im Rückwärtsgang in Sicherheit -
schwimmend, nicht gehend! In Ruhe gelassen zieht er die
Fortbewegung auf acht Beinen und vorwärts vor.
Alle Krebse leben im Wasser.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen in den Keller und es begegnet
Ihnen ein Krebs. Was, kann nicht sein? Krebse gehören ins
Wasser? Die meisten schon, aber einige aus der äußerst
vielfältigen Krebsverwandtschaft sind an La nd gegangen. Die
Landasseln zum Beispiel (siehe Seite 16), zu denen die
Kellerassel gehört, die höchstens in einem knochentrockenen
Neubau-Betonkeller fehlt. Manch anderer Krebs verlässt das
Wasser wenigstens zu längeren Expeditionen. Die Strandkrabbe
der Nordsee wartet in feuchtem Sand eingegraben oder im Tang
auf die nächste Flut. Tropische Küsten wimmeln oft vor
Krebsen, die sich an Land ebenso wohl fühlen wie im Wasser.
Manche gehen nur noch ins Wasser, um dort Eier abzulegen. So
wie ein menschlicher Taucher seinen Unterwasser-Aufenthalt
mithilfe von Sauerstoffflaschen verlängert, haben Landkrabben
kleine Wasservorräte dabei, mit denen sie ihre in Atemhöhlen
eingesenkte Kiemen immer feucht halten. So funktioniert die
Atmung auch außerhalb des Wassers. Und dann gibt es noch den
Palmendieb, der so heißt, weil er tatsächlich auf zwanzig Meter
hohe Palmen klettert, um dort Kokosnüsse abzuschneiden, die er
dann am Boden verspeist. Bei ihm ist die Wandung der
Atemhöhle zur Sauerstoff aufnehmenden Lunge geworden,
während die eigentlichen Kiemen verkümmert sind - ein Krebs,
der im Wasser ertrinkt!
Krokodile sind träge und langsam.
Diese Fehleinschätzung hat schon manchen das Leben
gekostet, der sich leichtfertig in die Nähe eines scheinbar
unbeweglich im Wasser treibenden Reptils gewagt hat. Mit
Hilfe des kräftigen Ruderschwanzes können Krokodile nicht nur
schnell beschleunigen, sondern sich auch erstaunlich weit aus
dem Wasser schnellen. Unter den gruseligen Augenzeugenberichten
über Menschen, die Krokodilen zum Opfer fielen, gibt
es einige, die belegen, dass die riesigen Panzerechsen sogar
noch Geflüchtete, die sich mit knapper Not auf Felsen oder Äste
in trügerische Sicherheit gebracht zu haben glaubten, mit
gewaltigen Sprüngen erreichten und ins Wasser zogen. Das
funktioniert auch auf Land, wie ein großes Leistenkrokodil im
Zoologischen Garten in Stuttgart bewies, das beinahe auf die
Besucherbrücke sprang. Die Panzerglasscheibe, die das
verhindern sollte, ging dabei zu Bruch. Gewöhnlich starten
Krokodile ihre Angriffe aber vom Wasser aus. Das Land
besuchen sie meist nur, um sich dort zu sonnen. Aber auch hier
kriechen sie nicht nur, sondern können ihren schweren Körper
vom Boden abheben und dann so schnell rennen, dass man
rechtzeitig die Beine in die Hand nehmen sollte.
Der Kuckuck macht sich ein leichtes Leben.
Einerseits freut sich jeder, wenn im Frühling der Kuckuck
ruft, andererseits ist sein Ruf nicht der beste: Seine
"betrügerische" Art, sich fortzupflanzen, gilt als anrüchig.
Was auch immer die Vorfahren unseres Kuckucks dazu
bewogen hat, die eigene Kinderstube aufzugeben, die schiere
Faulheit dürfte es nicht gewesen sein. Während andere Vögel ihr
Eigenheim im Frühjahr in wenigen Tagen errichten und mit der
Brut beginnen, ist der Kuckuck ständig auf Achse. Schließlich
gilt es, geeignete Wirtsnester zu finden. Weil im Erbgut jeder
Kuckucksdame festgelegt ist, welche Färbung ihre Eier haben
werden, muss sie Nester derselben Vogelart suchen, die sie
selbst einst großgezogen hatte. Weicht die Farbe des
untergeschobenen Eies nämlich zu stark von der Eifarbe der
vorgesehenen Stiefeltern ab, könnten diese misstrauisch werden.
Werfen sie das Kuckucksei aus dem Nest, war die Mühe für den
Kuckuck umsonst.
Ein Kuckuck kann über zwanzig Eier legen. Für jedes muss er
ein anderes Nest finden - und das nicht irgendwann, sondern
während die Wirtsvögel noch bauen oder Eier legen. Längere
Beobachtung ist nötig, um möglichst gleichzeitig mit der
Stiefmutter ein reifes Ei im Eileiter zu haben. Dann geht es
blitzschnell: Gelegentlich unterstützt vom Männchen, das die
vorgesehenen Ersatzeltern ablenkt, stibitzt die Kuckuckin eins
der Wirtsvogel-Eier und lässt eines ihrer eigenen Eier ins Nest
fallen.
Die meisten Wirtsvögel des Kuckucks sind viel kleiner als er
selbst. Er legt deshalb, verglichen mit anderen Vogel-Arten
seiner Größe, sehr kleine Eier. Im Fressen ist er weniger
bescheiden: Die Jungen brauchen alles Futter und können nicht
mit Stiefgeschwistern teilen. Sobald er sich von seinen
Eischalen befreit hat, wirft der Wechselbalg deshalb, von
Reflexen auf Berührungen seines Rückens und seiner Seiten
gesteuert, alle möglichen Konkurrenten über Bord. Damit wird
auch klar, warum Kuckucke nur in Nester legen, die noch keine
vollständigen Gelege enthalten. Nur dann nämlich können sie
sicher sein, dass ihr Sprössling zuerst schlüpft und Mitesser
effektiv beseitigen kann.
Kuckucksspeichel ist der Speichel des Kuckucks.
Inmitten des weißen Schaumklümpchens, das am Stängel
klebt, sitzt eine kleine Insektenlarve und saugt durch ihren
Stechrüssel Pflanzensaft. Sie ist nicht zufällig in die
Kuckucksspucke geraten, sondern hat sie selbst erzeugt. Dazu
scheidet sie eine eiweißhaltige Flüssigkeit aus, die mit Luft aus
der am Bauch liegenden Atemhöhle schaumig aufgeblasen wird.
Der Zweck: Schutz vor Trockenheit und Feinden wer vermutet
schon einen nahrhaften Kern in der schaumigen Hülle? Die
erwachsenen Schaumzikaden, wie zum Beispiel die bekannten
schwarzen, rot gefleckten Blutzikaden, haben weder einen
Schutz vor Austrocknung noch solche Tarnung nötig. Wenn's
brenzlig wird, springen sie ab und fliegen los.
Lämmergeier fressen Lämmer.
Diese unfromme Legende hat den Lämmergeier (heute wegen
seines kleinen schwarzen Kinnbarts wegen meist Bartgeier
genannt) in weiten Teilen seines von den Hochländern
Innerasiens bis in die europäischen Gebirge reichenden
Verbreitungsgebietes das Leben gekostet. Am Anfang des 20.
Jahrhunderts war er in den Alpen vollständig ausgerottet. Heute
scheint er rehabilitiert und wird mit großem finanziellen und
ideellen Aufwand wieder angesiedelt. Inzwischen haben die
ersten Bartgeier wieder in den Alpen gebrütet, eine kleine
Bestandstütze für den nach wie vor europaweit extrem seltenen
Riesenvogel (Spannweite bis 285 Zentimeter!). Der Bartgeier ist
ein Nahrungsspezialist, nur heißt seine Lieblingsnahrung nicht
Lamm, sondern Knochen, den er restlos verdaut. Ansonsten
frisst er, wie alle Geier, überwiegend das Aas tot gefundener
Tiere. Eine Ausnahme machen Schildkröten, die er ganz einfach
knackt, indem er sie aus größerer Hö he fallen lässt.
Lebende Fossilien: Unverändert seit vielen Jahrmillionen.
Seit es diesen Begriff gibt, gibt es auch Streit darum. Das liegt
in der Natur der Sache. Schließlich birgt das "lebende Fossil"
einen Widerspruch in sich. Denn ein Fossil pflegt eben nicht zu
leben, sondern mausetot in Sedimenten zu schlummern.
Lebende Fossilien sind Tiere oder Pflanzen, die ihr
Erscheinungsbild seit Urzeiten kaum verändert haben. In "seit
Urzeiten" und "kaum" liegt die Wurzel der wissenschaftlichen
Auseinandersetzungen. Ist schon das Eichhörnchen ein lebendes
Fossil, dessen Vorfahren vor einigen Millionen Jahren bereits
ganz ähnlich aussahen, oder verdient erst das Perlboot, der
bescheidene Rest einer bereits im Erdaltertum blühenden
Verwandtschaft beschälter Kopffüßer, diesen Titel? Und was
heißt "kaum"? Kritiker stoßen reihenweise lebende Fossilien
vom Sockel, indem sie nachweisen, dass in diesem oder jenem
Merkmal eben doch größere Veränderungen stattgefunden
haben. Wen wundert das, halten Verteidiger dagegen,
schließlich stehe die Evolution niemals still, es sei aber gerade
die außerordentlich geringe Geschwindigkeit der Entwicklung,
die das lebende Fossil ausmache. Wie auch immer - mit ein
bisschen Vorsicht interpretiert sind der berühmte Quastenflosser
Latimeria, das Perlboot Nautilus, der Pfeilschwanz Limulus oder
der Palmfarn Cycas hervorragende Modelle für vorzeitliche
Lebensformen.
Lemminge sind Selbstmörder und stürzen sich ins Meer.
Nicht Selbstmordgedanken sind es, die einen Lemming ins
Wasser treiben, sondern, ganz im Gegenteil, der Überlebenstrieb.
Unter günstigen Bedingungen können sich die bunten
Wühlmäuse des hohen Nordens sehr schnell vermehren. Bei drei
Geburten mit jeweils durchschnittlich sechs Jungen pro Jahr und
Weibchen, die schon im zarten Alter von drei Wochen
geschlechtsreif werden, sind alle paar Jahre Bestandsexplosionen
vorprogrammiert. Wenn sich auf einem Hektar
dann einhundert bis 250 Lemminge tummeln, wird es eng und
Nahrung knapp, zumal jeder Lemming seinen Grund und Boden
gegen Artgenossen erbittert verteidigt. Grund genug, umzuziehen
oder auszuwandern, was dann auch viele tun. Nun
wandert natürlich jeder Lemming für sich; See- oder Flussufer
halten sie aber zunächst auf, sodass es dort zu Massenansammlungen
kommen kann. Hier huschen dann überall
Lemminge und mancher traut sich schließlich auch ins Wasser,
um das Hindernis schwimmend zu überwinden. Das schaffen sie
ganz gut, solange keine Wellen aufkommen. Bei Seegang
allerdings ertrinken viele Lemminge. Wenn später ihre Kadaver
das Ufer säumen, hat man einen weiteren Beleg für den
"rätselhaften Todestrieb" der kleinen Nager.
Lianen gibt es nur im Dschungel.
Um Tarzan zu spielen muss man nur bis zum nächsten
Waldrand reisen. Dort wächst unsere häufigste heimische Liane,
die Waldrebe. Ihre mehrere Zentimeter dicken und viele Meter
langen holzigen Stängel sind so stabil, dass man ruhig daran
schaukeln kann - falls die Verankerung an den Trägerbäumen
fest genug ist, denn die Waldrebe verfügt wie alle Lianen nicht
über eigene Standfestigkeit. Weit weniger auffällig und reißfest
ist der Hopfen, der sich mit einem wesentlich dünneren Stängel
an anderen Pflanzen hocharbeitet. Oder an den hohen
Hopfenstangen in den Hopfengärten, in denen die Pflanze, die
dem Bier seine Würze gibt, kultiviert wird.
Libellen können stechen.
Teufelsnadeln oder Satansbolzen nennt der Volksmund sie.
Stechen könnten die großen Insekten oder gar arglosen
Schläfern die Augenlider zunähen. Sind es die manchmal sehr
schrillen Farben, die riesigen Augen, der lange und bewegliche
Hinterleib oder der rasante, unberechenbare Flug, die diese
besonders hartnäckigen Vorurteile speisen? Wie auch immer:
An ihnen ist nichts dran - es sei denn, man ist ein anderes Insekt.
Für diese gibt es tatsächlich kaum eine schlimmere Begegnung
als die mit dem schnellen Jäger mit den langen Fangbeinen und
den kräftigen Kiefern. Letztere sind das Einzige, mit denen
festgehaltene Libellen versuchen, sich zu wehren. Für Fliegen
tödlich, für uns Menschen nur ein kräftiges Zwicken.
An der Spitze des langen und überaus beweglichen
Hinterleibs tragen Libellen keinen Stachel. Weibchen haben dort
einen Legeapparat, Männchen eine Zange, mit der sie ihre
Auserwählte bei der Paarung am Kragen packen.
Der Löwe ist der König der Wüste.
Wüsten sind auch für Löwen wüst. Allenfalls bis in die
Halbwüsten (wie die Kalahari im südwestlichen Afrika) dehnen
sie ihre Streifzüge aus. Dort fallt noch jährlich Regen, wenn
auch die Regenzeit kurz ist. Während der Trockenzeit sorgen
Oasen für den nötigen Schluck Wasser. Das eigentliche Löwenparadies
aber ist die Savanne, wo in ausgedehnten Grasländern
zwischen einzelnen Baumgruppen riesige Tierherden weiden.
Löwen sind die mutigsten Tiere.
Tierverhalten mit menschlichen Maßstäben zu messen hat
sich immer wieder als wenig sinnvoll herausgestellt. Was ist
schon Mut und was Feigheit? Die Evolution "belohnt"
schließlich nur ein Verhalten, das der Verbreitung der eigenen
Gene dient. Wer sich todesmutig ins Getümmel wirft und damit
Verletzungen riskiert, hat als Beutegreifer oft ausgespielt. Klar,
dass sich die paar Hyänen "feige" zurückziehen, wenn sich ein
Löwenrudel nähert, um ihnen die eben geschlagene Beute
abzunehmen (siehe Seite 90).
Ebenso klar, dass sich der Löwe in die Büsche schlägt, wenn
er allein ist und die Hyänen weit in der Überzahl. Als weitaus
größeres, stärkeres und meist auch noch im Rudel auftretendes
Tier hat der Löwe natürlich aber oft die besseren Karten - da ist
es leicht, mutig zu sein.
Löwen gibt es nur in Afrika.
Im Eiszeitalter konnte man auch hierzulande noch Löwen
begegnen, Höhlenlöwen genannt, weil ihre Überreste meist in
Höhlen gefunden werden. Und wenn der griechische Held
Herakles einen Löwen erschlug oder in der Bibel von Löwen in
Palästina berichtet wird, deckt sich das mit naturwissenschaftlichen
Erkenntnissen. Heute ist der einstmals so weit
verbreitete Löwe auf Afrika beschränkt. Mit einer kleinen
Ausnahme: Im indischen Reservat Girwald leben bis heute noch
etwa 250 Exemplare der asiatischen Unterart des Löwen.
Malaria kommt von schlechter Luft.
Diese Deutung steckt schon im Namen der Krankheit: Malaria
heißt "schlechte Luft". Und so falsch ist die alte Vorstellung von
den krank machenden Ausdünstungen der Sümpfe gar nicht.
Denn nur im Wasser können sich die Larven der Fiebermücke
Anopheles entwickeln. Und diese ist es, die uns Menschen die
schwere, nicht selten sogar todbringende Krankheit einimpft.
Eigentlich ist die Mücke nur an einem Tröpfchen Blut
interessiert. Dabei überträgt sie aber parasitische Einzeller der
Gattung Plasmodium, die die Krankheit auslösen. Ein
folgenreicher Zusammenhang: Als "Mutter aller Fieber"
beschrieben chinesische Ärzte die Malaria schon vor 5000
Jahren. Die typischen Fieberschübe des "Wechselfiebers"
entstehen, wenn die Parasiten auf einen Schlag die roten
Blutkörperchen verlassen, in denen sie sich, für die körpereigene
Abwehr unangreifbar, versteckt und vermehrt haben. Beim
Zerfall der roten Blutkörperchen werden Abbauprodukte frei,
die extremes, oft tödliches Fieber auslösen. Währenddessen sind
die Parasiten schon wieder in gesunde Blutkörperchen
eingedrungen. Nach 48 oder 72 Stunden (je nach Malaria-Art)
folgt die nächste Attacke.
Die Malaria hat Folgen weit über das Einzelschicksal hinaus.
Die malerische Lage vieler Toskanadörfer auf moskitofreien
Bergrücke verdanken wir der Krankheit ebenso wie zahlreiche
unerwartete Wendungen der Weltgeschichte, wenn mal wieder
ein ganzes im Freien lagerndes Heer nicht vom Feind
geschlagen, sondern von Moskitos besiegt wurde und den
Angriffen von Plasmodium erlag.
Mammuts hatten ein rotbraunes Fell.
Von Fossilien bleiben gewöhnlich nur ein paar Knochen oder
Schalen. Die Erhaltung von Weichteilen ist selten, und dass ein
Tier mit Haut und Haar überliefert wird, eine absolute
Ausnahme. Mammuts sind erst seit wenigen tausend Jahren
ausgestorben. Sie lebten in Kältesteppen und Tundren, die,
wenigstens soweit sie hoch im Norden liegen, seither nicht
wärmer geworden sind. Im Tiefkühlschrank der Natur,
eingeschlossen in seit der Eiszeit nie aufgetaute Dauerfrostböden,
sind einige (fast) vollständige Kadaver bis heute erhalten
geblieben. Daher weiß man über Mammuts ziemlich gut
Bescheid. Anders als die Dinosaurier, bei denen Farbe und meist
auch Oberflächenstruktur Spekulation bleiben muss, können wir
Mammuts lebensecht und wissenschaftlich exakt rekonstruieren.
Wir wissen, dass sie ein langes Fell hatten, das sie gegen Kälte
schützte. Etwa dreißig Zentimeter lang und einen halben
Millimeter stark waren die groben Deckhaare, die an den
Flanken weit herabhängend sogar neunzig Zentimeter Länge
erreichten. Die wärmende Unterwolle war dagegen viel kürzer
und feiner. An zahlreichen sibirischen Kadavern wurden solche
Haare oder ganze Fellstücke gefunden, und meist waren sie
orangebraun, weshalb auch die meisten Mammut-Rekonstruktionen
in Museen ein rotbraunes Fell tragen. Vermutlich aber
haben sie diese Farbe erst während der langen Einbettungszeit
angenommen - viele Farbpigmente sind einfach nicht stabil
genug, um Jahrtausende unverändert zu überdauern. Für diese
Deutung spricht auch, dass gefundene Fellstücke von Blond
über Braun bis nahezu Schwarz variieren können,
wahrscheinlich eine Folge unterschiedlicher Erhaltungsbedingungen.
Vermutlich hatten Mammuts ein dunkelbraunes
Fell, ähnlich dem des Moschusochsen, der dem Mammut in
puncto Fellstruktur und Lebensraum nahe steht.
Mammuts waren Riesenelefanten.
In unserer Vorstellungswelt rangieren die vorzeitlichen
Elefanten gleich nach den Dinosauriern. Die nackten Zahlen
bestätigen das nicht. Das Mammut schlechthin, das Eiszeit-
Mammut Mammuthus primigenius, entsprach mit einer Höhe
von 2,75 bis 3,4 Metern ungefähr der des Afrikanischen
Elefanten, der meist 3 bis 3,4 Meter erreicht. Im Durchschnitt
etwas kleiner sind die Indischen Elefanten mit einer
Rückenhöhe von 2,4 bis 2,9 Meter. Allerdings ist die
Variabilität beträchtlich. Erwachsene Afrikanische Elefanten
können im Regenwald einerseits kaum höher als 2 Meter sein,
die kräftigsten Bullen der offenen Savannen maßen aber 3,7
Meter. Ähnlich war das natürlich auch bei den Mammuts. Die
letzten Mammuts, die ihre Artgenossen um mehr als 6000 Jahre
überlebten, waren besonders klein und erreichten gerade noch
eine Größe von 1,8 Metern.
Sie stammen von der Wrangel-Insel, die im arktischen Ozean
vor dem äußersten Nordosten Russlands nahe der Beringstraße
liegt. Hier lebten vor 12.000 Jahren noch ganz normale
Eiszeitelefanten, ein Teil der sibirischen Population, denn die
Wrangel-Insel hatte damals noch Verbindung zum Festland. Mit
dem Inseldasein setzte die Verzwergung ein, die 5000 Jahre
später zu den Mini-Mammuts führte. Ähnliche Evolutionstrends
kennen wir übrigens auch von Inseln im Mittelmeer, wo im
Eiszeitalter kaum metergroße Elefantchen vorkamen.
Vermutlich lösten knappe Nahrungsgrundlagen und fehlender
Feinddruck solche Entwicklungen aus.
Der Marienkäfer ist so alt wie die Zahl der Punkte.
"Den" Marienkäfer gibt es nicht. Allein in Deutschland
kommen etwa achtzig Marienkäfer-Arten vor, alle mit
unterschiedlichem Muster. Der bekannteste ist der Siebenpunkt
mit seinen sieben schwarzen Punkten auf den roten
Flügeldecken. Es gibt aber auch einen Zweipunkt-Marienkäfer
(ebenfalls mit schwarzen Punkten auf rotem Grund, oder auch
andersrum, schwarz mit roten Punkten) und einen
Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer (gelb mit 22 schwarzen
Punkten). Mit dem Alter haben die Flecken nichts zu tun. Zwar
überwintern viele Marienkäfer erfolgreich und werden damit
älter als viele andere Insekten, die nur einen Sommer tanzen.
Aber sieben oder gar 22 Jahre schaffen sie nicht. Und es gilt bei
Marienkäfern dasselbe wie bei allen anderen Insekten: Wer
erwachsen ist, verändert sein Aussehen nicht mehr wesentlich.
Mauersegler sind Turmschwalben.
Wenn zwei sich sehr ähneln, müssen sie wohl eng verwandt
sein - und flugs werden die Mauersegler, die an warmen
Sommerabenden mit lauten schrillen Schreien durch die
Straßenschluchten fegen, in die Familie der Schwalben
eingemeindet: Turmschwalben eben. Nur wer genauer
nachforscht, wird herausfinden, dass Segler, die eine eigene
Vogel-Ordnung bilden, und Schwalben, die zu den Singvögeln
gehören, keineswegs wie Brüder und Schwestern daherkommen.
Ihre Ähnlichkeit ist eine höchst oberflächliche, entstanden durch
ähnliche Anpassungen an eine ähnliche Lebensweise. Für
Insektenfresser, die ihre oft blattlauskleine Beute in rasantem
Flug mit dem Schnabel aus der Luft erhaschen, gibt es einige
konstruktive Zwänge. Lange schmale Flügel gehören ebenso
dazu wie ein kurzer Schnabel und eine breite Maulspalte, die
wie ein Käscher funktioniert. "Konvergenz" nennen Biologen
solche oft verblüffenden Anpassungsähnlichkeiten, die
Verwandtschaft vortäuschen, wo keine besteht.
Der Maulwurf wirft die Erde mit dem Maul auf.
Der Maulwurf ist eigentlich ein Haufenwerfer. Das jedenfalls
wäre die moderne Version des althochdeutschen "muwurf", dem
der Maulwurf seinen Namen verdankt. Seine rüsselförmig
ausgezogene Schnüffelnase dient, wie schon die Altvorderen
wussten, nicht als Erdbohrer, sondern ist, zusammen mit den sie
umstehenden langen Spürhaaren, ein empfindliches Tastorgan.
Die grobe Arbeit erledigt der Maulwurf mit seinen
Vorderbeinen, seitlich stehenden, breiten Grabschaufeln mit
kräftigen Krallen. Um sie zu effektiven Grabwerkzeugen zu
gestalten, ist der Schultergürtel verstärkt und der Oberarm
extrem kräftig ausgebildet. Elle und Speiche sind im unteren
Abschnitt miteinander verwachsen. Die ohnehin schon große
Handfläche wird durch einen zusätzlichen Knochen noch
erheblich verbreitert. Er steht als "sechster Finger" neben dem
Daumen. Andere unterirdische Buddler haben zum Teil
abweichende Grabetechniken entwickelt. Der Strandgräber, ein
gut meerschweinchengroßes Nagetier aus Südafrika, beißt sich
mit langen, weit vorstehenden Nagezähnen durch den
Untergrund. Der Goldmull, ebenfalls ein Afrikaner, benutzt
seine kräftigen Krallen zum Lockern der Erde und schafft sie
dann mit seiner durch ein Hornschild geschützten Schnauze
beiseite. Und die in Steppengebieten Osteuropas und
Vorderasiens heimische Blindmaus gräbt mithilfe ihres
keilförmigen Kopfes.
Maulwürfe fressen die Wurzeln des Salats.
An Vegetarischem ist der Maulwurf nicht interessiert. Er ist
Fleischfresser. Auf den Patrouillen durch sein unterirdisches
Revier erbeutet er alles, was ihm vor sein aus 44 nadelspitzen
Zähnen bestehendes Gebiss kommt. Nicht zufällig heißt die
Ordnung der Säugetiere, zu denen Maulwürfe ebenso wie
Spitzmäuse und Igel gehören, Insektenfresser. Insekten(larven)
gehören tatsächlich zur Lieblingsbeute des Maulwurfs.
Ansonsten steht er vor allem auf Würmer. Warum also wird dem
Maulwurf hartnäckig das Etikett "Schädling" angeheftet?
Vielleicht welkt tatsächlich mal der Salat, wenn der Minenbauer
ohne Rücksicht auf Verluste einen neuen Gang genau unter den
Setzlingen gebuddelt hat. Maulwurfshügel im englischen Rasen
sind eher ein ästhetisches Problem. Ansonsten ist die Bilanz
ausgeglichen. Zwar müssen manche nützlichen Regenwürmer
dran glauben, aber dafür bleiben auch Maulwurfsgrillen,
Schnecken und andere - nun ja: Schädlinge - auf der Strecke.
Maulwürfe sind blind.
Wenn einer blind wie ein Maulwurf ist, dann lassen ihn seine
Augen noch nicht ganz im Stich. Fast völlig unterm plüschigen
Fell verborgen hat der Tiefbauer zwei winzige Knopfäuglein.
Das dürfte genügen, um Hell und Dunkel zu unterscheiden, zu
viel mehr aber nicht. Farben sehen Maulwürfe ohnehin nicht, da
ihre Netzhaut nur stäbchenförmige Sinneszellen enthält, die
zwar wesentlich lichtempfindlicher sind als die für die
Farbwahrnehmung zuständigen zapfenförmigen Sinneszellen,
aber nur die Helligkeit messen. Wie gut ein Maulwurf Formen
erkennen kann, ist nicht bekannt. Einen genauen Maulwurf-
Sehtest hat anscheinend noch niemand durchgeführt. Wer den
größten Teil seines Lebens in ewiger Nacht verbringt, ist mit
anderen Sinnesorganen ohnehin besser bedient als mit den
Augen. Tasthaare und Nase funktionieren auch, wenn es
zappendüster ist.
Das Meeresleuchten stammt vom Widerschein des
Mondes.
Wer das zauberhafte Leuchten des Meeres je gesehen hat,
wird es nie wieder vergessen. Vor allem dort, wo sich Wellen
brechen oder ein Schiffskiel das Wasser durchschneidet, funkelt
und glitzert es hellbläulich oder grünlich. Ein Schauspiel, das
wir einem Einzeller verdanken. Noctiluca miliaris - frei
übersetzt: der millionenfach die Nacht Erleuchtende - gehört zu
den Panzergeißlern, trägt aber im Gegensatz zu den meisten
dieser kleinen Algen keinen Panzer. Für Einzeller sind sie mit
gut einem Millimeter Durchmesser recht groß. Man kann die
leuchtenden Punkte leicht mit bloßem Auge durchs Wasser
flitzen sehen. Angetrieben werden sie von einer kurzen Geißel.
Ein zweiter Tentakel dient dazu, noch kleinere Lebewesen als
Nahrung heranzustrudeln: Noctiluca ist ein gefürchteter Räuber
unter den Einzellern. Meeresleuchten kann man nahezu weltweit
antreffen. Noctiluca mag's aber gerne etwas wärmer. An der
Nordseeküste zum Beispiel lässt sich das Phänome n vor allem in
lauen Sommernächten beobachten. Zum Leuchten werden die
Einzeller stimuliert, wenn sie einen Schubs zum Beispiel durch
sich brechende Wellen kriegen. Dann wird in einer höchst
effektiven Reaktion, bei der die eingesetzte Energie praktisch
vollständig zur Erleuchtung verwendet wird, kaltes Licht
ausgestrahlt. Biolumineszenz nennen die Biologen es, wenn
Lebewesen Licht erzeugen, was so selten gar nicht ist. Während
sich uns bei Glühwürmchen (siehe Seite 77) oder Tiefseefischen
der Sinn und Zweck des Leuchtens oft erschließt, tappen wir bei
Noctiluca noch im Dunkeln. Kein Mensch kennt den
eigentlichen Grund des wunderbaren Schauspiels.
Mehltau hat etwas mit Mehl zu tun.
Das feine weiße "Mehl", das die Stachelbeerfrüchte überzieht
oder auf den jungen Blättern von Eichen liegt, ist ein Pilz. Die
Echten Mehltaupilze spinnen die Pflanzen mit dünnen Fäden
ein, aus denen Sporen tragende Fortsätze sprossen. Diese
verstärken den Mehleindruck, weil sie richtig wegstäuben, wenn
man die befallene Pflanze schüttelt. Mehltaupilze sind Parasiten.
Mit speziellen Fortsätzen dringen sie in Zellen ihrer
Wirtspflanze ein und "saugen" sie leer. Dabei sind sie
wirtsspezifisch, das heißt, sie wachsen nicht irgendwo, sondern
nur auf einer bestimmten Wirtspflanze. Berüchtigt ist zum
Beispiel der Rebenmehltau, der den Winzern das Leben schwer
macht. Uncinula necator heißt er: Den Namen Necator = Killer
trägt er zu Recht. Kaum von Amerika nach Europa gelangt,
sorgte er vor 150 Jahren zum Beispiel für das komplette Aus für
den Weinbau auf Madeira und Teneriffa. Noch heute wird er als
wichtigster natürlicher Gegenspieler des Weingärtners Jahr für
Jahr mit zahlreichen aufeinander abgestimmten Spritzungen
bekämpft. Im Kleingarten lässt der Rosenmehltau die Gärtner
zur Giftspritze greifen. Der nah verwandte, seit 1905 auch bei
uns heimische Amerikanische Stachelbeermehltau befällt die
Stachelbeere. Auch hier ist der wissenschaftliche Name
entlarvend: Sphaerotheca morsuvae, wobei letzteres "Tod der
Stachelbeere" bedeutet. Ganz so drastisch geht's im Hausgarten
aber meist nicht zu. Die Ernte kann man bei starkem Befall aber
vergessen. Das Beschneiden der Triebspitzen, in denen der
Mehltau überwintert, hilft. Auch durch die Zucht weniger
anfälliger Sorten versucht man, dem Parasiten zu begegnen, der
sich im Sinne des Wortes "wie Mehltau" über die leckeren
Beeren legt.
Neandertaler sind die Vorfahren des heutigen Menschen.
Vor fünfzig Jahren war die Welt noch in Ordnung. Die
wenigen menschlichen Fossilfunde, darunter die der Neandertaler
(manchmal auch Neanderthaler geschrieben, wie 1856, als
man sie bei Steinbrucharbeiten in dem idyllischen Talchen bei
Düsseldorf fand) ließen sich problemlos als zeitliche Folge
deuten. Die Rolle des Neandertalers war die des kräftig
gebauten und leicht dumpfbackig einhertrottenden eiszeitlichen
Vorfahren des heutigen Menschen. Inzwischen haben viele
weitere Funde und Datierungen die Sache schwer
verkompliziert. Wir wissen jetzt, dass die modernen Menschen
fast gleichzeitig mit dem hauptsächlich auf Europa und das
Mittelmeergebiet beschränkten Neandertaler entstanden, aber
ganz woanders, nämlich in Afrika. Erst später, kurz bevor sich
die Neandertaler endgültig aus der Geschichte verabschiedeten,
breiteten sich moderne Menschen nach Europa aus. Damit
scheidet der Neandertaler als unser Vorfahr aus. Ob wir
wenigstens ein bisschen Neandertalerblut in uns haben, wird
seither eifrig diskutiert. Haben sie oder haben sie nicht? Fast
30.000 Jahre nach dem Verschwinden des Neandertalers ist
diese zentrale Frage nach einer eventuellen Kreuzung beider
Menschenformen und Mischung ihrer Gene natürlich nicht mehr
so leicht zu beantworten. In Palästina, wo beide über viele
Jahrtausende gemeinsam vorkamen, sprechen die Fossilien
keine ganz eindeutige Sprache. Erbgutuntersuchungen längst
verblichener Neandertaler deuten wie manch andere Indizien
aber darauf hin, dass kein genetischer Austausch mehr stattfand,
dass also Neandertaler und heutiger Mensch tatsächlich zwei
verschiedenen Arten angehörten.
Menschen stammen von Schimpansen ab.
Richtig ist: Der Mensch stammt von Affen ab, ja er ist in
mehr als einer Hinsicht selber einer. Falsch ist: Der Mensch
stammt von irgendeinem heute lebenden Affen ab. Schimpansen
sind zwar die nächsten Verwandten der Menschen. Das ist an
zahlreichen Merkmalen des Körperbaus, des Verhaltens und
auch an den zu nahezu 99 Prozent identischen Genen ablesbar.
Genau wie der Mensch hat sich aber auch der Schimpanse im
Lauf der Zeit verändert, und was vor sechs bis sieben Millionen
Jahren als ein Menschenaffe unter vielen in Afrika lebte, war
weder Mensch noch Schimpanse, sondern die gemeinsame Ur-
Ur-Ur-Ur... großmutter beider. Nach der Aufspaltung in eine
"Menschenlinie" und eine "Schimpansenlinie" folgte keine
zielgerichtete Entwicklung schnurstracks zu den heutigen Arten.
Die Geschichte ging auch hier verschlungene Wege. Die
Schimpansen spalteten sich später nochmals in zwei Arten auf,
den eigentlichen Schimpansen und den Bonobo .
Bei uns Menschen scheint es noch etwas komplizierter
zugegangen zu sein. Mehrere verschiedene Arten lösten
einander ab oder existierten gar zeitgleich. Bis heute ist es nicht
gelungen, die teils sehr verwirrenden Wege (und Umwege) der
menschlichen Stammesgeschichte widerspruchsfrei zu
rekonstruieren. Selbst neue Fossilfunde tragen nicht immer zur
Klärung bei, sondern werfen manchmal mehr Fragen auf als sie
beantworten. Wer wann wo mit wem und warum das sind die
Fragen, über die sich die Urmenschen-Forscher deshalb sicher
noch eine ganze Weile die Köpfe heiß reden werden.
Motten fressen Löcher in Stoffe und Gewebe.
Nein und ja. Nein, wenn man den kleinen Schmetterling selbst
für den Missetäter hält, der das Loch in den Wollmantel
gefressen hat. Bei ihm sind Mundwerkzeuge und Darm weit
gehend verkümmert und er frisst gar nichts. Er lebt kurz und von
der Substanz. Und da kommen wir dem Übeltäter auf die Spur.
Die Substanz sammeln nämlich die Raupen an. Auf Tierhaare
spezialisiert fressen sie sich durch Wolle aller Art, nicht aber
durch Baumwolle und andere Pflanzenfasern. Wolle ist eine
trockene Kost. Die Larven spinnen sich zum Schutz gegen
Wasserverlust eine seidene Wohnung, die außen mit
abgebissenen Haaren getarnt wird. Da sie nicht gerne umziehen,
ist der Fraßschaden einer Larve meist auf ein Loch begrenzt.
Läuft es gut, werden zwei bis drei Wochen Haut und Haar
gefressen. Ist Futter knapp oder von schlechter Qualität, dauert's
länger. Schließlich verpuppt sich die Raupe, um ihr Leben
frühestens zwei Wochen später als Falter weiterzuführen. Hier
könnte man den verhängnisvollen Zyklus natürlich unterbrechen,
indem man alle Motten abklatscht, denen man
begegnet. Leider bewegen sich aber fast nur die Männchen im
Flugraum. Die eischweren Weibchen fliegen ungern und bleiben
versteckt. Durch eifriges Klatschen erledigen wir also meist nur
einen kleinen Teil des Männchen-Überschusses. Die Weibchen,
von denen jedes an die hundert Eier legt, bleiben unversehrt.
Mücken belästigen uns im Sommer beim Essen.
Mücken sind nicht an unserem Essen interessiert, sondern an
uns selbst. Sie sind, wenn es sich um die besonderen Spezies der
Stechmücken handelt, Blutsauger (siehe Seite 182), die sich uns
bevorzugt nachts oder tagsüber bei hoher Luftfeuchtigkeit
nähern. Was vor allem im Süddeutschen als lästige "Mücken"
vom Teller gewedelt wird, sind Fliegen, deren hartnäckigste die
weltweit verbreitete Stubenfliege ist. Sie ist, anders als ihr Name
vermuten lässt, nicht nur in der guten Stube, sondern auch
"outdoor" unterwegs.
Am Strand gefundene Schalen sind immer Muscheln.
Nichts schöner, als am Strand entlangzubummeln und im
Spülsaum nach Muschelschalen zu suchen. Von den Muscheln
stammen allerdings nur die zweiklappigen Schalen. Zwar lösen
sich die beiden Hälften nach dem Tod der Muschel meist recht
schnell. Oft lässt sich aber noch das Scharnier entdecken, mit
dem die beiden Schalen verbunden waren. Gewundene
Häuschen, manchmal eng wie Wendeltreppen, manchmal nur
mit wenigen Umgängen, sind dagegen Schneckenwohnungen.
Soweit das Prinzip, das fast in allen Fällen weiterhilft.
Schwierig wird die Entscheidung vor allem bei Schnecken wie
dem Meerohr, das statt einem engen Haus-Ausgang eine sehr
weite Mündung zeigt oder bei den Napfschnecken, bei denen
auch mit viel Fantasie keine Windung mehr zu entdecken ist.
Und schließlich gibt es neben Schnecken und Muscheln auch
noch ein paar andere Tiergruppen im Meer, die im Eigenheim
wohnen, zahlreiche Wurm-Arten etwa oder die zu den
Kopffüßern gehörenden Kahnfüßer. Auch ihre Gehäuse findet
man am Meeresstrand.
Muscheln gibt es nur im Meer.
Um Perlen zu finden, brauchte man in alten Zeiten nicht
unbedingt in ferne Meere tauchen. Es genügte, den nächsten
sauberen Mittelgebirgsbach aufzusuchen. Inzwischen gehört die
Flussperlmuschel aber leider zu den größten Raritäten der
heimischen Tierwelt. Die Verschmutzung der Gewässer hat das
bis fast fünfzehn Zentimeter große und über hundert Jahre alt
werdende Weichtier an den Rand der Ausrottung gebracht. Am
besten mit solchen Umweltbedingungen kommt eine
ursprünglich hier gar nicht heimische Muschel klar, die
Dreikant- oder Wandermuschel. Sie stammt aus den Zuflüssen
des Schwarzen und des Kaspischen Meeres. An Schiffe geheftet
und über frei schwimmende Larven gelang es ihr, im Lauf der
letzten 160 Jahre fast ganz Europa zu kolonisieren. Aber auch
die größte heimische Süßwassermuschel, die bis zwanzig
Zentimeter große Teichmuschel, ist noch häufig.
Mutterkorn ist das Beste im Korn.
Gelegentlich steht in Kornähren (besonders des Roggens)
zwischen lauter normalen Körnern ein großes, dunkles: ein
Mutterkorn. Es entsteht durch den Befall mit einem
parasitischen Pilz. Beim Mutterkorn liegen, wie so oft, Fluch
und Segen nahe beisammen. Zahlreiche Medikamente enthalten
Wirkstoffe aus dem Mutterkorn. Seit alters werden sie in der
Gynäkologie eingesetzt, zum Beispiel bei der Einleitung der
Geburt. Daher auch der Name. Aber - alte Apotheker-Weisheit -
die Dosis macht's! Gelangt Mutterkorn in größeren Mengen ins
Mehl, sind Fehlgeburten bei Mensch und Vieh zu befürchten.
Chronische Vergiftungen beginnen mit Kopfschmerzen,
Übelkeit und Fieber, meist gefolgt von Ameisen-Kribbeln in
Fingern und Zehen ("Sankt-Antonius-Feuer"). Schließlich
können Durchblutungsstörungen dazu führen, dass ganze
Gliedmaßen unter brennenden Schmerzen abfallen, ein
Krankheitsbild, das als Ergotismus bezeichnet wurde. Berichtet
wird auch von unglaublichen Halluzinationen und geistiger
Zerrüttung, kein Wunder, denn einige der Mutterkorn-Gifte
ähneln der synthetischen Droge LSD. Erst im Jahr 1676 wurde
das Mutterkorn als Ursache des Ergotismus enttarnt. Seitdem
wird es vor dem Mahlen ausgelesen. Wer sein Getreide direkt
beim Bauern kauft, sollte es also sorgfältig durchsehen, bevor es
in der Mühle landet. Dem Genuss selbst gebackenen Brotes
könnte sonst das verhängnisvolle Kribbeln folgen...
Nachtfalter fliegen nur nachts.
Als Nachtfalter fassen die Sammler die Schmetterlingsgruppen
der Schwärmer, Spinner, Eulenfalter und Spanner
zusammen. Anders formuliert: Alles, was kein an den
keulenförmigen Fühlern deutlich erkennbarer Tagfalter ist,
gehört zu den Nachtfaltern - eine Unterscheidung, die auch im
angelsächsischen Sprachraum durch die Unterscheidung
zwischen "butterfly" und "moth" getroffen wird. Die natürlichen
Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Schmetterlinge
spiegelt diese allzu einfache Einteilung nicht wider. Und sie sagt
auch wenig darüber aus, wann die Tiere aktiv sind. Unter den
Nachtfaltern gibt es nämlich gar nicht so wenige, die am
helllichten Tage unterwegs sind. Die auffällig grün,
schwarzweiß oder schwarzrot gefärbten Widderchen zum
Beispiel sind fast reine Tagtiere. Oder das Taubenschwänzchen
aus der Gruppe der überaus flugtüchtigen Schwärmer, das einem
Kolibri gleich vor Blüten schwirrend in der Luft steht und mit
seinem langen dünnen Rüssel im Flug Nektar aus den
Blütenkelchen saugt. Oder die bis auf das weiße griechische
Gamma-Zeichen auf den Flügeln tarnfarbig braune Gammaeule.
Die Nachtigall singt nur nachts.
Ob die Nachtigall wirklich der beste heimische Sänger ist?
Obwohl vor allem das berühmte "Schluchzen" sehr zu Herzen
geht, hat sie einige Konkurrenten, die ihr an Lautstärke,
Klangfarbe und Einfallsreichtum nicht nachstehen. Aber über
Musikgeschmack lässt sich bekanntlich nicht (oder ewig)
streiten. Dass der Gesang der Nachtigall einen Gutteil seiner
zauberhaften Wirkung der besonderen Atmosphäre der Nacht
verdankt, merkt man spätestens, wenn es hell wird. Auch am
Tag verstummt die Nachtigall nämlich keineswegs, nur ist sie
dann eben keine andächtig belauschte Solistin mehr, sondern
fügt sich in den Chor vieler anderer guter Sänger ein.
Alle Nadelbäume sind immergrün.
Kaum eine Regel ohne Ausnahme. Zwar sind die Laub
werfenden Arten unter den Nadelbäumen eindeutig in der
Minderzahl, aber es gibt sie. Das bekannteste Beispiel ist die
Lärche, deren Nadeln sich im Herbst herrlich golden färben und
dann abfallen. Im Frühjahr erscheinen dann hellgrün die neuen
Nadeln. Ein zweites Beispiel ist der Urwelt-Mammutbaum
Metasequioa glyptostroboides, ein lebendes Fossil, das in
vergangenen Zeiten weit verbreitet war. Die Art hat eine sehr
ungewöhnliche Entdeckungsgeschichte: Nachdem sie im Jahr
1941 zunächst an Fossilien aus Japan beschrieben wurde, merkte
man fünf Jahre später, dass sie mit dem merkwürdigen
Nadelbaum identisch war, der 1944 in einem entlegenden
Winkel Chinas entdeckt worden war. Inzwischen muss man
nicht mehr ganz so weit fahren. In vielen Parks und Gärten
werden die urzeitlichen sommergrünen Nadelbäume auch bei
uns kultiviert.
Das Horn des Nashorns steigert die Potenz.
Wer an die potenzsteigernde Wirkung des Nasenhorns glaubt,
kann ebenso gut Fingernägel kauen. Chemisch sind keine
größeren Unterschiede festzustellen. Beide bestehen aus
Hornsubstanz (Keratin). Aber vielleicht ist es ja der Placebo-
Effekt, der hier nachhilft? Auch andere Nashorn-Körperteile -
Hufe, Haut und Knochen, Harn und Nasenschleim - wurden
(und werden?) zu magischen Mittelchen verarbeitet, um sich die
gewaltigen Kräfte des urtümlich wirkenden und nach dem
Elefanten mächtigsten Landsäugetiers zu eigen zu machen.
Übrigens wird Nasenhorn in der fernöstlichen Medizin gegen
alle möglichen Zipperlein eingenommen, als Potenzmittel
scheint es dort aber (wenn überhaupt) eine geringe Rolle zu
spielen. Die Hoffnung der Tierschützer, entsprechende
Erzeugnisse der Pharmaindustrie könnten helfen, die Rhinos zu
retten, ist deshalb leider vergebens. Auf jeden Fall zeigt im
Jemen, nach Fernost der Hauptabnehmer von Nasenhorn, der
Besitz des traditionellen Krummdolchs mit einem Griff aus dem
Nasenhorn eine andere Art von Potenz, ökonomische nämlich.
Denn Nasenhorn ist knapp und nur illegal zu erwerben. Trotz
absoluten Handelverbots wurden zwischen 1994 und 1996 noch
jährlich fünfzig bis einhundert Kilo ins Land geschmuggelt und
für horrende Summen verscherbelt. Nur konsequenter Schutz in
politisch stabilen Ländern kann die durch solche abenteuerlichen
Schwarzmarktpreise gefährdeten Nashörner noch retten.
Aus dem Nest gefallene Vögel darf man nicht mehr
zurücksetzen, weil die Altvögel den Menschengeruch nicht
ertragen und die Jungen dann verlassen. Was tun mit der kleinen
Flaumkugel, die kläglich piepsend unter dem Busch sitzt? So
grausam es klingt: Sitzen lassen ist meist die weiseste
Entscheidung. Oft verlassen Jungvögel schon vor dem
Flüggewerden das gar nicht so sichere Nest und treiben sich
noch ein paar Tage halb hüpfend, halb flatternd in der Gegend
herum, bevor es mit dem Start richtig klappt. Lautes Geschrei
verrät den rastlosen Eltern, wo sie ihre Futterration loswerden
können. Anders ist das mit ganz hilflosen Küken, bei denen
überall noch die nackte Haut durch den Babyflaum schimmert.
Sie überleben tatsächlich nicht. Oft ist das aber geplant.
Vogeleltern verhalten sich da ganz unsentimental. Wer sich
merkwürdig verhält oder schlapp macht, fliegt raus. Stellt man
menschliche Wertvorstellungen mal hintan ("Kindsmord!"), ist
das eigentlich ganz vernünftig. Denn ein krankes Küken kann
den ganzen Bruterfolg gefährden, wenn es seine Geschwister
ansteckt. Es gibt also gute Gründe für uns Menschen, uns völlig
herauszuhalten, wenn wir auf einen solchen Fall treffen. Falsch
ist aber die in der Überschrift vertretene Meinung. Vögel sind
"Augentiere" wie wir Menschen. Der Geruchssinn spielt, anders
als bei vielen Säugetieren, keine wichtige Rolle bei den Eltern-
Kind-Beziehungen. Zwar geben manche Vögel ihr Nest auf,
wenn sie sich zu Beginn der Brut stark gestört fühlen. Um Futter
bettelnde Jungvögel sind aber ein sehr starker Reiz für ihre
Eltern. Ihm können sie kaum widerstehen, und so muss man bei
den meisten Vogel-Arten kaum befürchten, dass sie ihre Brut
wegen einer kleinen Störung oder gar wegen eines nach
Menschen duftenden Nestlings sitzen lassen.
Neunaugen haben neun Augen.
Wirbeltiere haben zwei Augen. Da machen auch die
Neunaugen keine Ausnahme, die von den ältesten bekannten
Wirbeltieren abstammen und wie diese keine Kieferknochen
haben. Zusammen mit den Schleimfischen sind sie die letzten
Überlebenden der Kieferlosen Fische. Zu ihrem Namen kamen
sie, weil sie hinter dem Auge sieben kleine, runde Kiemen-
öffnungen haben. Vor den Augen liegt die Nasenöffnung. Also:
eine Nase plus ein Auge plus sieben Kiemen = neun "Augen".
Neuntöter fangen neun Beutetiere, bevor sie fressen.
Seine Angewohnheit, Beutetiere auf Dornen aufzuspießen, hat
dem Rotrückenwürger im Volksmund eine ganze Reihe übler
Namen eingebracht: Neuntöter, Neunmörder, Würgengel,
Dorndreher, Spatzenstecher oder Finkenbeißer. Im Gegensatz zu
seinem großen Verwandten, dem Raubwürger, sind Vögel aber
eher selten in der Speisekammer des Neuntöters zu finden. Er
steht eher auf große Insekten; in ausgesprochenen Mäusejahren
hängt er allerdings auch viele Mäuse auf. Weil große Käfer,
Hummeln und Heuschrecken bei schlechtem Wetter kaum
unterwegs sind, mindern Kälte und Regen seinen Jagderfolg
erheblich. Da erweist es sich als äußerst vorteilhafte Strategie,
bei gutem Fang einen Teil der Strecke auf Dornen aufgespießt
aufzubewahren. Wenn's regnet oder auch morgendliche Kühle
und Tau noch keine erfolgreiche Jagd ermöglichen, wird darauf
zurückgegriffen. In schlechten Zeiten wird die Speisekammer
restlos geplündert. Die Vorratshaltung der Neuntöter richtet sich
also nicht nach der Mathematik, sondern nach Angebot und
Nachfrage. Aufgespießt wird übrigens nicht nur für später,
sondern auch, um besser fressen zu können. "Käfer am Spieß"
ist leichter handzuhaben als "Käfer aus der Hand".
Tiere mit großen Ohren hören besonders gut.
Große Ohrmuscheln sind eine nicht zu unterschätzende
Hörhilfe. Das lässt sich leicht testen, indem man die eigenen
Ohren durch die gewölbten Handflächen vergrößert, wodurch
leise Töne besser wahrgenommen werden und auch das
Richtungshören wesentlich verbessert wird. Gute Hörer haben
deshalb tatsächlich oft große Ohrmuscheln, die Fledermäuse
etwa, die sich über ein raffiniertes Echoortungssystem orientieren.
Dabei werden Laute ausgestoßen, deren Echo aufgefangen
und daraus sehr genaue Schlüsse auf die Umgebung
(oder die Art der Beute) gezogen. Genau so machen es auch die
Delfine. Ihr Ohr zu finden, ist aber gar nicht so einfach. Eine
Ohrmuschel fehlt bei allen Walen nämlich vollständig. Sie
wurde der perfekten Stromlinienform geopfert. Vermutlich
spielt der äußere Gehörgang bei den Delfinen auch keine wichtige
Rolle. Der Schall scheint auf anderem Wege zum Innenohr
zu gelangen, möglicherweise über den Unterkieferknochen.
Auch die Großohren gehören keineswegs alle zu den besten
Hörern. Das Tier mit den größten Ohren, der Afrikanische
Elefant, benutzt die riesigen Ohrwascheln nicht als Schalltrichter,
sondern als Kühler. Mit schwenkenden Segelohren steht
er unter der sengenden Sonne Afrikas. Um einen Hitzschlag zu
vermeiden, leitet er große Mengen Blut durch die weiten Gefäße
auf der Rückseite der Ohren, wo sie etwas abgekühlt werden,
bevor sie in den Körper zurückfließen.
Ohrwürmer krabbeln gern ins menschliche Ohr.
Räumen wir zunächst die erste Fehldiagnose aus dem Weg:
Ohrwürmer sind keine Würmer. Wer zwei Fühler, zwei Facettenaugen,
sechs Beine und einen gegliederten, von einem harten
Chitinpanzer geschützten Leib hat, ist ein Insekt. Und wie steht's
mit den Ohren? Da Ohrwürmer nachtaktiv sind und tatsächlich
ein Faible für enge Ritzen und dunkle Löcher haben, ist es nicht
völlig auszuschließen, dass sich tatsächlich mal einer in das Ohr
eines Schläfers verirrt. Falls so etwas wirklich einmal passieren
sollte, wird er es jedoch wenig später enttäuscht verlassen. Das,
was er auf seinen nächtlichen Streifzügen sucht, leckere
Blattläuse zum Beispiel oder wenigstens einen Partner, findet er
dort nämlich nicht. Vielleicht beruht der Name des Ohrwurms
aber auf einer ganz anderen Tatsache als seiner Vorliebe für
enge Verstecke: In der Spätantike wurde aus pulverisierten
Ohrenkneifern eine Arznei gegen Ohrenleiden hergestellt.
Vermutlich sind es die Furcht erregenden Zangen am
Hinterleibsende, die den kleinen Ohrwurm zum Angstgegner
vieler Menschen machen. Sie spielen eine wichtige Rolle im
Leben dieser Insekten. Drohend werden sie erhoben, wenn der
Ohrwurm sich beunruhigt fühlt. Sie helfen beim Beutefang
ebenso wie bei der Entfaltung der kompliziert unter den
winzigen Vorderflügeln zusammengefalteten Hinterflüge l. Und
- das ist vielleicht das Wichtigste - die an den größeren Zangen
leicht kenntlichen Männchen bringen die Weibchen damit vor
und während der Paarung in die richtige Stellung.
Der Panda hat sechs Finger.
Im Bambusbergwald Chinas sitzt der schwarzweiße Pandabär
auf dem Hintern und gibt sich seiner Hauptbeschäftigung hin.
Etwa sechzehn Stunden am Tag verbringt er mit dem Verspeisen
von Bambus. Dabei geht er systematisch vor. Bevor er sie frisst,
entblättert er die Rohre, indem er sie zwischen seinem
beweglichen Daumen und den übrigen fünf Fingern durchzieht.
Sechs Finger? Die Grundkonstruktion eines Landwirbeltiers
sieht je fünf Finger oder fünf Zehen pro Pfote vor. Im Lauf der
Evolution haben viele Tiere mehr oder weniger viele Finger
verloren. Nashörner zum Beispiel stehen auf drei Zehen, Kühe
auf zwei, Pferde auf einem. Das Hinzufügen von Fingern aber
lässt sich mit den Gepflogenheiten der Evolution schlecht
vereinbaren. Des Rätsels Lösung offenbart sich, wenn der Panda
seine Pfote unters Röntgengerät schiebt. Jetzt erweist sich, dass
sein "Daumen" kein Finger, sondern ein stark vergrößertes,
gelenkig verbundenes und durch Muskeln bewegliches
Sesambein ist (Sesambeine sind neu entwickelte Knochen im
Verlauf von Sehnen - ein Beispiel ist unsere Kniescheibe). Die
eigentlichen fünf Finger bilden, wie es sich für Raubtiere gehört,
eine Pfote. Der Trick mit dem "Extra-Daumen" ermöglicht dem
Großen Panda etwas, was mit einer Pfote eigentlich nicht geht:
das gezielte Greifen.
Pantoffeltierchen entstehen aus Heu,
das man ins Wasser legt. Die Legende, in Wasser entstünde
Leben durch Urzeugung ganz von alleine, hat erst Louis Pasteur
im Jahr 1862 überzeugend widerlegt. Er sterilisierte mit
Nährstoffen angereichertes Wasser durch Erhitzen und füllte es
in verschiedene Gefäße. Einige ließ er offen stehen, andere
versiegelte er luftdicht. Und siehe da: Wo in den offenen
Gefäßen schon nach kurzer Zeit eine von Bakterien gebildete
Kahmhaut das Wasser überzog, passierte in den anderen gar
nichts. Wo die Bakterien herkommen? Sie sind ganz einfach
überall. Die winzigen Leichtgewichte können auf jedem noch so
geringen Luftzug reisen. Wer den Prozess der Wasserbelebung
etwas in Schwung bringen will, begnügt sich nicht mit einer
Nährlösung, sondern macht einen Heuaufguss. Dazu wird
einfach ein bisschen trockenes Gras ins Wasser gelegt. Damit
bringt man sowohl Dauerstadien zahlreicher Einzeller als auch
genügend Nährstoffe in Wasser - das ist schon das ganze
Geheimnis der Pantoffeltierzucht.
Parasiten bringen ihre Wirte um.
Mit Parasiten geht es den meisten Menschen wie mit dem
Geld: Man hat es, aber man spricht nicht darüber. Wenige Lebewesen
werden als so eklig empfunden, wenige mit der Empörung
des Gerechten so diskriminiert wie die Schmarotzer. Dabei
müssten wir eigentlich Respekt haben vor der Leistung, unter
dermaßen widrigen Umständen zu überleben. Ja, wir können
von Parasiten sogar lernen. Spätestens seit der Umweltkonferenz
von Rio 1992 ist "sustainable development", zu deutsch: nachhaltige
Entwicklung, das Schlagwort derer, die Ökologie und
Ökonomie versöhnen wollen. Für Parasiten ist das ein alter Hut.
Ein guter Parasit nämlich ist einer, der genau nach diesem
Prinzip vorgeht. Er nutzt seinen Wirt, ohne ihn so zu strapazieren,
dass er zu sehr leidet. Der Tod des Wirts entzieht dem
"Gast" nämlich seine Lebensgrundlage. Leben und leben lassen
heißt die Devise. Beispiele sind die Haarbalgmilben, die selbst
die Talgdrüsen des attraktivsten Models besiedeln, die
Madenwürmer, die im Darm leben, ohne wesentlich zu schaden,
oder manche Bandwürmer. Richtig nützlich ist sogar eine
gelegentliche Infektion mit dem zentimeterlangen Madenwurm
Enterobius vermicularis. Mediziner haben festgestellt, dass der
harmlose Parasit ein guter Trainingspartner für unser
Immunsystem ist, das seine Schlagkraft während der Kindheit
erst nach und nach in der Auseinandersetzung mit allerlei
ungebetenen Eindringlingen erwirbt. Deshalb: Keine Panik,
wenn die Sprösslinge aus dem Kindergarten (oder Sie selbst aus
dem Urlaub) mal Würmer als Souvenir mitbringen.
Wir wollen aber nicht verschweigen, dass es zahllose Ausnahmen
von der Regel gibt, seinen Wirt pfleglich zu behandeln.
Der Malaria, einer auf parasitische Einzeller zurückgehenden
Tropenkrankheit, fallen jedes Jahr Millionen Menschen zum
Opfer. Stirbt der Mensch, sind viele der Erreger über ihre
Flugzeuge, die Fiebermücken, schon wieder unterwegs zu neuen
Opfern. Bei uns sind dergleichen schwere Parasitenerkrankungen
seit dem durch amtliche Fleischbeschau bewirkten
Aus für die Trichinen, parasitische Fadenwürmer, selten.
Infektionen mit dem gefürchteten Fuchsbandwurm erweisen
sich als eher seltene "Fehler der Natur". Dieser Parasit pendelt
normalerweise zwischen der Maus, in der die Larve lebt, und
dem Fuchs, der die Maus frisst und in dem die Ba ndwurmkinder
dann erwachsen werden. Gelangen Bandwurmeier in Menschen
statt in Mäuse, kann das tödliche Folgen haben. Das krebsartig
wuchernde Larvengewebe verursacht eine sehr schwere Krankheit.
Für den Bandwurm erweist sich die Beziehung als ebenso
verhängnisvoll. Für ihn ist der Mensch eine Sackgasse.
Pflanzen atmen Sauerstoff aus und Kohlendioxid ein.
Nachts benehmen sich die Pflanzen wie die Tiere: Sie atmen
und verbrauchen dabei Sauerstoff und stellen Kohlendioxid her.
Tagsüber wird die Pflanzenatmung aber überlagert von der
Fotosynthese, dem Aufbau energiereicher Zuckerverbindungen
mithilfe von Sonnenlicht, wobei Kohlendioxid verbraucht wird
und Sauerstoff entsteht. Weil der aufbauende Prozess der
Fotosynthese einen sehr viel größeren Stoffumsatz hat als der
abbauende der Atmung, bleibt unterm Strich, trotz nächtlicher
Fotosynthesepause, ein kräftiges Plus. Gott sei Dank, denn ohne
den Sauerstoffüberschuss der Pflanzen sähe es schlecht aus für
Tier und Mensch.
Pferde dienen den Indianern schon seit Jahrtausenden als
Reittiere.
Kein ordentlicher Western kommt ohne Indianer aus, und wo
Indianer sind, sind auch Pferde. Kaum zu glauben, dass die
amerikanischen Ureinwohner vor der Ankunft der europäischen
Eroberer Fußgänger waren. Das Pferd hat zwar den weitaus
größten Teil seiner stammesgeschichtlichen Entwicklung in
Amerika durchlaufen, starb dort aber gegen Ende des
Eiszeitalters aus. Überlebt haben die Pferde nur in der Alten
Welt, wo es neben dem fast ausgestorbenen Wildpferd noch
einige Esel- und Zebra-Arten gibt. Die Spanier brachten im 16.
Jahrhundert die ersten Hauspferde zurück in die Heimat ihrer
Vorfahren. Nachkommen verwilderter Pferde, entlaufene,
gestohlene oder eingehandelte Tiere bildeten seit dem 17.
Jahrhundert den Grundstock der Pferdenutzung, später auch
Zucht, durch die Indianer. Natürlich waren es vor allem die
Prärie-Indianer, die in den endlosen Grasländern der Great
Plains Pferde zu Jagd und Transport nutzten, und die
ruhmreichen Stämme der Apachen, Komantschen, Shoshonen
und Sioux (die diesen Lebensraum zum Teil erst besiedelten, um
den vorstoßenden Weißen auszuweichen) prägen unser höchst
einseitiges und unvollständiges Bild von "dem Indianer" bis
heute.
Pilze sind in erster Linie Pflanzenschädlinge.
Parasitische Pilze machen nicht nur dem Hobbygärtner Sorge,
der seine wertvollen Rosen vom Mehltau befallen dahinsiechen
sieht. Sie verursachen alljährlich Milliardenschäden an den paar
Pflanzen-Arten, an denen die Welternährung hängt (und sorgen
für Milliardengewinne bei den Herstellern von Fungiziden, den
chemischen Pilzvernichtungsmitteln). Auf das Konto eines
parasitischen Pilzes, der Kartoffelfäule, geht die letzte große
Hungersnot in Europa, die in den Jahren 1845 bis 1847 eine
Million Iren das Leben kostete und zwei Millionen zur
Auswanderung in die USA zwangen, wo aus irischen Familien
später Präsidenten wie Kennedy oder Reagan hervorgingen -
eine späte Auswirkung der Kartoffelfäule. Auch der Mensch
selbst wird nicht verschont. Auf Fußpilz und Candida-
Infektionen würde man liebend gern verzichten.
Die andere Seite der Medaille wird oft übersehen: Die
Spezialität vieler Pilze ist der Abbau abgestorbener Stoffe wie
Fallholz oder Herbstlaub. Im Haushalt der Natur spielen sie
dadurch eine kaum zu überschätzende Rolle als Recycler. Pilze
kooperieren auch gerne mit anderen Organismen. Zum Beispiel
mit Grünalgen oder Cyanobakterien. Was dabei herauskommt,
nennt man Flechte (siehe Seite 64). Oder mit Pflanzen, dann
nennt man das Ergebnis Mykorrhiza ("Pilzwurzel"). 95 Prozent
der Gefäßpflanzen arbeiten mit einem Pilz zusammen, der ihnen
bei der Wasser- und Nährstoffaufnahme hilft und im Gegenzug
Fotosynthese-Produkte erhält. Symbiose heißt eine solche
Kooperation zu beiderseitigem Vorteil. Schließlich die kulinarischen
Aspekte. Es müssen ja nicht immer die mit Gold aufgewogenen
Trüffeln sein, vielleicht tut's auch das Champignon-
Omelett. Oder der Käse mit Blauschimmel. Oder ein Stück
Hefezopf. Oder ein Pils - denn ohne Hefepilze gibt's auch kein
Bier.
Pinguine fallen rückwärts um,
wenn ein von vorne kommendes Flugzeug sie überfliegt.
Dieses Gerücht scheint ein skurriles Nebenprodukt des nicht
minder skurrilen Falkland kriegs zu sein: Wenn ein Flugzeug
über Pinguine hinwegfliege, so behaupteten britische Piloten,
legten die Vögel ihren Kopf immer weiter in den Nacken, bis sie
schließlich umkippten. Wissenschaftlicher Überprüfung hielt
das Pinguin-Domino leider nicht stand. Zur Probe kreuz und
quer überflogene Pinguine wurden durch die lärmenden
Flugmaschinen in Angst und Schrecken versetzt, worauf sie zu
flüchten begannen. Rückwärts umgekippt ist bei den Versuchen
kein einziger.
Pinguine leben nur in der Antarktis.
Wahr ist, daß Pinguine nur auf der Südhalbkugel leben und
das Nordpolarmeer pinguinfreie Zone ist. Wahr ist auch, dass
kaum ein Vogel dem extremen Klima der Antarktis derart
angepasst ist wie die größte Art, der Kaiserpinguin, bei dem die
Männchen in dicht gedrängten Brutkolonien während des bitter
kalten, dunklen Winters brüten und dabei etwa ein Vierteljahr
ohne Nahrung auskommen. Falsch dagegen ist, dass sich
Pinguine nur in solch extremen Klimaten wohlfühlen. Die
meisten der siebzehn Arten ziehen das weniger harte Leben auf
den Inselgruppen rund um den antarktischen Kontinent und im
Süden Australiens, Afrikas und Südamerikas durchaus vor. Der
Brillenpinguin überschreitet an Südafrikas Küsten sogar die
Wendekreise und der südamerikanische Humboldtpinguin stößt
noch viel weiter in die Tropen vor. Selbst unmittelbar unter der
Äquatorsonne lebt noch ein Pinguin, der Galapagospinguin. Das
geht, weil weniger die Temperaturen als das Fressen die
Verbreitung der Pinguine bestimmen. An der südamerikanischen
Westküste sorgen der kalte Humboldtstrom und aufdringendes
Tiefenwasser für nährstoffreiche Verhältnisse. Die dortigen
Gewässer sind ungewöhnlich plankton- und fischreich. Das ist
die Grundlage großer Seevogelkolonien, die eben auch Pinguine
mit einschließen. In manchen Jahren schiebt sich warmes
Oberflächenwasser über den kalten Strom. Das als "El Nino"
("das Kind", weil um die Weihnachtszeit auftretend) bekannte
Klimaphänomen ist für die Seevögel eine Katastrophe. Sie
verhungern massenweise. Der Galapagos-Pinguin war dadurch
schon nahe am Aussterben, bevor sich seine Bestände wieder
erholt haben.
Piranhas sind extrem gefährlich.
Wer kennt sie nicht, die Geschichten von den Reitern, die den
Fluss überqueren wollten und samt ihren Pferden in
Sekundenschnelle von rasiermesserscharfen Zähnen skelettiert
wurden? Wie bei den Wölfen (siehe Seite 215) übertreffen die
Schauermärchen die Wirklichkeit bei weitem. Dass ein Mensch
durch Piranhas zu Tode kam, scheint nirgends wirklich
zweifelsfrei nachgewiesen. Piranhas ziehen Fisch bei weitem
vor, weshalb die Anwohner der südamerikanischen Urwaldflüsse
ungefährdet ins Wasser steigen. Allerdings hüten sie sich,
in der Trockenzeit in abgeschnittenen, langsam eintrocknenden
Seitenarmen zu baden. Ist hier ein größerer Schwärm in immer
drangvollerer Enge gefangen, machen Stress und Hunger die
Piranhas sehr aggressiv. Dann fressen sie tatsächlich fast alles,
was sich in ihre Reichweite begibt.
Präriehunde sind Hunde.
Zwar gibt es in der Prärie, der großen amerikanischen Steppe,
auch Hunde, die Kojoten nämlich. Die Präriehunde aber sind
Nagetiere, nahe Verwandte von Murmeltier und Ziesel. Bei
Beunruhigung bellen sie wie Hunde, daher der Name. Sie leben
in riesigen unterirdischen Kolonien, regelrechten "Städten" mit
Tausenden von Eingängen und kilometerlangen Straßen. Früher
besiedelten Präriehunde riesige Gebiete im amerikanischen
Mittelwesten, eben dort, wo sich die ausgedehnten natürlichen
Grasländer erstrecken. Heute ist die Prärie weit gehend unter
den Pflug genommen. Große Flächen sind auch von heftiger
Bodenerosion betroffen - schlechte Zeiten für die geselligen
Nager!
Quallen sind giftig und dürfen nicht berührt werden.
Hier müssen wir ein bisschen ausholen und auch die
Verwandtschaft der Quallen ein wenig beleuchten. Also: Die
Quallen gehören zum Stamm der Nesseltiere, so genannt, weil
sie zu Verteidigung und/oder Beutefang Nesselzellen in zahlreichen
verschiedenen Ausführungen haben. Genau 27 verschiedene
Typen von Nesselzellen lassen sich unterscheiden. Sie
bestehen aus einer doppelwandigen, durch einen Deckel verschlossenen
Blase. Stößt jemand gegen den Auslöser, eine
kleine Borste, explodiert die Nesselzelle in atemberaubender
Geschwindigkeit. Dabei stülpt sich die Nesselkapsel um und
erledigt ihre Aufgabe, zum Beispiel die Injektion von Gift.
Einmal abgeschossen, ist sie nicht wieder aufladbar und wird
durch neu gebildete ersetzt. Das Nesselgift, ein Eiweiß- und
Aminosäurenmix, lahmt kleine Beutetiere des Zooplanktons
schlagartig. Wir Menschen haben eine etwas größere Körpermasse
als eine Krebslarve und reagieren entsprechend
schwächer. Die meisten Nesseltier-Arten rufen (wenn
überhaupt) allenfalls eine schwache Reizung der Haut hervor,
verbunden mit Rötung und leichtem Brennen. Aber Ausnahmen
bestätigen die Regel. Die gelbe Haarqualle oder Feuerqualle
Cyanea capillata trägt ihren Namen zu Recht. Diese größte aller
Quallen (in der Arktis schwimmen Exemplare mit 2,25 Meter
Durchmesser) kann stark nesseln. Überdies gehört sie zur
heimischen Fauna in Nord- und Ostsee, wo sie allerdings kaum
über einen halben Meter Durchmesser erreicht. Die hierzulande
viel häufigeren Ohren-, Blumenkohl- und Kompassquallen sind
aber allesamt harmlos.
Nahe Verwandte der eigentlichen Quallen sind die ebenfalls
zu den Nesseltieren gehörenden Würfelquallen und Staatsquallen.
Einige der Ersteren sind unter dem Namen Seewespe
berühmt und berüchtigt (siehe Seite 173). Die Le tzteren
bestehen aus einer ganzen Tierkolonie. Ein Teil der Tiere bildet
eine gasgefüllte Blase, die vom Wind über den Ozean getrieben
wird und lange Tentakel hinter sich herzieht. Bei der
Portugiesischen Galeere können diese bis zu fünfzig Meter lang
sein. Da die Galeeren in tropischen Meeren als ganze Flotte
daherzukommen pflegen, ist Flucht geboten, wenn sie sich
nähern. Zwar sind Todesfälle nicht verbürgt, ein Kontakt mit
den Galeerententakeln ist aber auf jeden Fall äußerst
schmerzhaft.
Raben sind schlechte Eltern.
Im Rabennest geht es gemütlich zu. Die Jungen schlüpfen
schon gegen Ende des Winters, aber unter den wärmenden
Eltern und im kuschelig ausgepolsterten Nest sind auch strenge
Fröste kein Problem. Wenn's richtig kalt ist, steht das Weibchen
selbst bei der Fütterung kaum auf und vergräbt ihre Küken
regelrecht in der überwiegend aus gesammelten Haaren und
Fellfetzen bestehenden, peinlich sauber gehaltenen Polsterung.
Ist es dagegen sehr heiß, sorgt die Rabenmutter für Kühlung. Sie
badet und erfrischt ihre Brut mit einem klatschnassen
Bauchgefieder. Drei Monate bleibt die Rabenfamilie zusammen,
ehe die Jungen selbstständig werden und so lange dauert auch
die gegen Ende natürlich etwas nachlassende Fürsorge der
Eltern für ihren Nachwuchs. Rabeneltern? Richtig verstanden,
ist das ein Kompliment!
Raben sind Unglücksvögel.
Raben lassen niemanden kalt. Die rabenschwarze Farbe, das
unheimliche Krächzen und ihre Vorliebe für Aas haben den Ruf
der Raben (die meist mit den nahe verwandten Krähen in einen
Topf geworfen werden) nachhaltig geprägt. Im Volksglauben
spielen sie eine große Rolle. Über kaum einen Vogel gibt es seit
der Antike so viele Geschichten, Sagen und Legenden wie über
die Raben und Krähen. Egal ob Griechen, Römer oder
Germanen: Raben geistern durch die Mythen aller Kulturen. Bei
der Vogelschau, im alten Rom zur Weissagung der Zukunft
betrieben, bedeuteten Raben von links stets Unglück, ein Omen,
das sich mancherorts bis in die Neuzeit gehalten hat. Der
germanische Obergott Wotan wurde immer von zwei Raben
begleitet, Hugin und Kunin, die auf seinen Schultern saßen und
von ihm alle Tage als Kundschafter ausgesandt wurden. Ihnen
oblag auch, gemeinsam mit den Wölfen, die Bestattung der in
der Schlacht Gefallenen. Legion sind die Wetter-, Schlachten-
und Unglücksvorhersagen, die Schilderungen von Raben als
Hexen- und Teufelsaccessoire in tausend lokalen Varianten.
Natürlich bringen Raben kein Unglück. Aber sie sind oft
Begleiter des Unglücks, ob großer Naturkatastrophen oder
menschlicher Tragödien. Die Aasfresser wurden als Vögel der
Richtplätze, Friedhöfe und Schlachtfelder, als Galgenvögel und
Leichenfledderer eben, meist mit schlechten Zeiten in
Verbindung gebracht. Zu Recht. Nur hat man wie so oft Ursache
und Folge verwechselt.
Der Rattenkönig ist der Anführer einer Rattenschar.
Dass eine Ratte selten allein kommt und die intelligenten,
anpassungsfähigen Nagetiere ausgesprochen sozial sind, ist
allgemein bekannt. Die Monarchie wurde bei Ratten allerdings
nie eingeführt. Ein Rattenkönig ist kein absoluter Herrscher über
sein Volk, sondern ein armer Teufel. Genauer gesagt: Viele
arme Teufel. Denn als "Rattenkönig" werden an den Schwänzen
anscheinend unauflösbar miteinander verknotete Ratten
bezeichnet. Zu den Knoten kommen später auch noch durch
Wundheilung verursachte Verwachsungen. Gäbe es keine
Belege für dieses äußerst merkwürdige Phänomen, würden wir
es sofort ins Reich der Fabeln und Ammenmärchen verbannen.
So aber belehren uns Museumspräparate eines Besseren. Dass in
Deutschland nach vielen Jahrhunderten des Sammelns wohl nur
vier Rattenkönige existieren, belegt immerhin, dass die
kollektive Schwanzverknotung ein äußerst seltener Unfall ist.
Der größte Rattenkönig der Welt wird in Altenburg aufbewahrt:
32 an den Schwänzen und zum Teil auch noch an den
Hinterfüßen fest verknotete, zu einer skurrilen Mumie vereinigte
Hausratten.
Raubtieraugen leuchten im Dunkeln.
Viele Raubtiere jagen im Dunkeln und da wären ein paar
Lichter natürlich schon erhellend. Und weil jeder bei einer
nächtlichen Autofahrt schon Augen im Scheinwerferlicht hat
funkeln sehen, scheint es klar: Nachttiere haben leuchtende
Augen. Dass das so nicht stimmen kann, erweist sich bei
völliger Dunkelheit. Dann sind auch Nachttieraugen schwarz.
Tiere, die in der Dämmerung aktiv sind oder in der Tiefsee
leben, haben verschiedene Anpassungen, um aus den geringen
Lichtmengen noch ein Maximum an Informationen zu holen.
Farbensehen ist ein Luxus, auf den Nachttiere weit gehend oder
gar völlig verzichten. Die fürs Farbsehen zuständigen
zapfenförmigen Sinneszellen in der Netzhaut arbeiten nämlich
nur bei guter Beleuchtung. Bei schwindendem Licht
übernehmen die wesentlich empfindlicheren Stäbchenzellen die
Wahrnehmung. Mit ihnen können allerdings keine Farben
gesehen werden. Im Auge des Menschen sind beide Typen von
Sinneszellen vertreten. Das ist der Grund, weshalb die Farben in
der Dämmerung scheinbar schwinden: Für unsere Zäpfchen
wird es dann zu dunkel und unsere Stäbchen übernehmen die
Wahrnehmung. Bei Nachttieren sind fast ausschließlich
Stäbchenzellen vorhanden. Um jedes Photon einzufangen, sind
sie oft sehr dicht gepackt. Bei manchen Tiefseefischen stehen
zwanzig Millionen Sehzellen auf einem Quadratmillimeter
Netzhaut. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass Nachttiere
auch extrem scharf sehen. Meist sind nämlich viele Sehzellen
miteinander verschaltet und geben die Information nur
gebündelt ans Gehirn weiter. Noch effektiver wird das
Nachttierauge durch schiere Größe - je größer, desto mehr Licht
wird eingefangen - und schließlich durch eine reflektierende
Schicht, die hinter der Netzhaut eingezogen ist. Dieses
"Tapetum lucidum", wie der Fachausdruck lautet, wirft das
Licht wieder zurück, so dass es die Netzhaut ein zweites Mal
passieren muss und dabei die Sinneszellen erneut erregt. Hinter
dem Geheimnis der scheinbar leuchtenden Augen verbirgt sich
also nichts anderes als ein effektiver Restlichtverstärker. Den
Eulen fehlt ein solches reflektierendes Tapetum übrigens - ihre
Augen funkeln im Licht nicht.
Raubtiere haben die größten Krallen.
Es ist schon sehr beeindruckend, wenn ein Löwe die Krallen
ausfährt, die dann fast neun Zentimeter lang und nadelspitz aus
den weichen Tatzen stehen, und auch die bis zu zehn Zentimeter
langen Krallen eines Grizzlybären sind nicht zu verachten. Die
größten Krallen unter den heute lebenden Tieren - die
Dinosaurier lassen wir mal außen vor - hat aber das
südamerikanische Riesengürteltier. Einen Meter misst dieses
Tier (plus ein halber Meter Schwanz) und ist fünfzig Kilogramm
schwer. Fünf Krallen hat es an jedem Fuß. Deren größte ist die
sichelförmig gekrümmte dritte Kralle der Vorderfüße. Bis
zwanzig Zentimeter lang, ist sie ein nützliches Werkzeug, um
die steinharten Baue der Termiten aufzuhebeln, von denen sich
Riesengürteltiere überwiegend ernähren. Der Große Ameisenbär
steht vor dem gleichen Problem. Auch er hat Termiten zum
Fressen gern und muss dazu ihre Baue aufbrechen und auch er
tut das mit Riesenkrallen. Seine zweite und dritte Vorderkralle
sind zehn bis fünfzehn Zentimeter lang. Sie helfen auch bei der
Verteidigung. Ein bedrohter Ameisenbär richtet sich auf die
Hinterbeine auf und versucht, seinem Gegner in inniger
Umarmung die äußerst scharfen Krallen in den Rücken zu
drücken Auf diese Weise soll er sich sogar des Jaguars erwehren
können.
Alle Raubtiere sind Fleischfresser.
Raubtiere sind eine Ordnung der Säugetiere, die sich an ihrem
ziemlich einheitlichen Schädelbau leicht erkennen lässt. Ob
einhundert Gramm leichtes Mauswiesel oder eintausend
Kilogramm schwerer Kodiakbär - typisch für Raubtiere sind die
stark vergrößerten, spitzen Eckzähne und die weiter hinten im
Maul von den Backenzähnen gebildeten Reißzähne, die wie eine
Brechschere arbeiten. Im lateinischen Namen Carnivora =
Fleischfresser spiegelt sich ihre kulinarische Vorliebe wider.
Tatsächlich essen zahlreiche Raubtiere nur Fleisch. Der Eisbär
etwa, der in den arktischen Eiswüsten auch Probleme hätte, sich
anders zu ernähren. Viele Raubtiere sind aber pflanzlichen
Ballaststoffen nicht gänzlich abgeneigt. Hunde und Katzen
nagen oft mit unbeholfenen Bewegungen Gras ab. Bei anderen
stellen Pflanzen sogar einen erheblichen Teil der Nahrung.
Dachs und Braunbär haben in Anpassung daran breite Backenzähne,
die helfen, Pflanzen zu zerkleinern. Und schließlich gibt
es noch einen echten Vegetarier unter den Raubtieren, den
Bambusbären oder Großen Panda. Seinem Gebiss sieht man das
Raubtier nur noch an den etwas vergrößerten Eckzähnen an.
Der Große Panda zahlt einen hohen Preis für seine Fleisch-
Abstinenz. Spezialisierte Pflanzenfresser haben normalerweise
lange Därme und Gärkammern, in denen die schlecht
verdauliche Pflanzennahrung mithilfe von Bakterien und
Einzellern aufgeschlossen wird. Das alles fehlt dem Großen
Panda. Er hat den kurzen Darm seiner Fleisch fressenden
Verwandtschaft. Damit kann er nur siebzehn Prozent seiner
Nahrung verwerten (zum Vergleich: eine Kuh kommt auf
achtzig Prozent). So bleibt ihm nichts anderes übrig, als
gewaltige Mengen zu verdrücken: fast vierzig Kilogramm
wässrige Bambussprossen oder fünfzehn Kilogramm Blätter und
Stängel, und das bei einem Körpergewicht, das mit 75 bis 110
Kilogramm nur wenig über dem des Menschen liegt. Kein
Wunder, dass der Bambusbär jeden Tag etwa sechzehn Stunden
mit Fressen beschäftigt ist. Und mit der Ausscheidung des
Unverdaulichen: 95 Kothaufen pro Tag (oder vier pro Stunde)
zählten eifrige Pandaforscher, die einem wild lebenden
Bambusbären in den Bergwäldern Chinas fünf Tage lang
nachschlichen.
Wenn man einen Regenwurm teilt, ergibt das zwei neue.
Regenwürmer sind äußerst nützliche Tiere. Sie spielen sowohl
bei der Humusbildung eine wichtige Rolle als auch bei der
Durchlüftung und Lockerung der Bodenkrume. Bei Gärtnern
sind sie deshalb gern gesehene Mitarbeiter. Die Versuchung ist
groß, ihren Bestand auf einfache Weise zu vergrößern, indem
man sie mit dem Spaten teilt und auf das bekannt große
Regenerationsvermögen der Würmer baut. Aber so einfach
geht's leider nicht. Zwar wächst dem Vorderende ein neues
Hinterende, vorausgesetzt, eine bestimmte Mindestlänge von
ungefähr vierzig der bis etwa 150 Segmente ist übrig. Das
einsame Hinterende aber tut sich schwerer. Nur unter
besonderen Bedingungen entsteht ein vollständiges neues
Vorderende. Beim gewöhnlichen Regenwurm Lumbricus
terrestris sieht das so aus (man traut sich kaum vorzustellen, auf
welche Weise die folgenden Daten gewonnen wurden): Wenn
man höchstens das Prostomium - das ist die vor der
Mundöffnung liegende Spitze des Wurms - samt den nächsten
vier Ringelsegmenten abschneidet, bildet der Wurm einen
vollständig neuen "Kopf". Werden fünf bis sechzehn vordere
Segmente abgetrennt, kann er nur drei bis vier Ringe samt
Prostomium regenerieren. Der Mistwurm Eisenia foetida,
überaus häufig zum Beispiel in Komposthaufen, kann noch den
Verlust der ersten acht Segmente vollständig ausgleichen. Neun
bis 23 abgeschnittene Ringe ersetzt er durch höchstens acht
neue. Größere Verluste machen den Wurm endgültig kopflos.
Fazit: Aus eins mach zwei funktioniert nicht. Der Normalfall ist
das Überleben des Vorderendes, das wieder zum ganzen, wenn
auch meist etwas kürzeren Wurm heranwächst. Erwischt man
den armen Wurm ganz unglücklich, nämlich etwa dreißig Ringe
hinter dem Kopf, bringt man ihn sogar ganz um. Das trotzdem
ganz erstaunliche Regenerationsvermögen hängt damit
zusammen, dass das Tier aus lauter fast gleichartigen Segmenten
besteht (vom Prostomium und den Geschlechtssegmenten
abgesehen). Jedes dieser Segmente hat einen vollständigen Satz
innerer Organe. Der Nervenknoten im Kopf - das Gehirn also,
falls man Regenwürmern ein solches zubilligt - scheint bei der
Neubildung von Segmenten eine besonders große Bedeutung zu
haben. Das dürfte der Grund sein, warum sich der Verlust des
Hinterendes leichter verschmerzen lässt als der des Vorderteils.
Regenwürmer lieben Regen.
In Maßen stimmt das, denn Regen sorgt für die
Durchfeuchtung des Erdreichs und Regenwürmer lieben
Feuchtigkeit. Sonnenlicht und Trockenheit meiden sie wie der
Teufel das Weihwasser. Dass sie bei starkem Regen ihren Bau
verlassen und sich ungeschützt den unzähligen Regenwurm-
Liebhabern ausliefern, ist aber nicht ihrer großen Begeisterung
über so viel Wasser zuzuschreiben. Das Gegenteil ist der Fall.
Regenwürmer verlassen ihre unterirdischen Wohnröhren bei
heftigem Regen, weil sie Gefahr laufen, in ihren sich mit Wasser
füllenden Gängen zu ertrinken.
Rehe sind weibliche Hirsche.
Hirsche haben ein Geweih, ihre Weibchen, die Rehe, keins.
Klingt gut, ist aber leider falsch. Rothirsche wie Rehe sind zwei
ganz verschiedene Arten der Familie der Hirsche, zu der auch
Elch und Rentier zählen. Bei Hirschen gilt: Männer tragen ein
Geweih, Weibchen keins (ein paar Ausnahmen wie das Rentier
bestätigen diese Regel). Das ist auch beim heimischen Rothirsch
so. Seine geweihlosen Weibchen werden Hirschkuh genannt.
Beide unterscheiden sich von Rehen durch bedeutende Größe,
lang gezogenes Gesicht mit großen Ohren und einen kleinen
Schwanzwedel. Dem mächtigen Geweih des männlichen
Hirschs kann der Rehbock nur ein schmächtiges entgegensetzen.
Meist hat es nur drei Spitzen pro Stange. Ein stattlicher Hirsch
kommt leicht auf acht, zehn oder gar zwölf. Letzterer läuft bei
den Waidmännern als Vierundzwanzigender, denn sie zählen die
Spitzen beider Stangen zusammen.
Rosen haben Dornen.
Dass "keine Rose ohne Dornen" sei, gehört zum allgemeinen
Sprichwort- und Erfahrungsschatz. Nur vor den strengen Augen
des Botanikers kann diese Weisheit nicht bestehen. Für ihn trägt
die Rose keine Dornen, sondern Stacheln. Der Unterschied?
Dornen sind verholzte, kurz zugespitzte Seitenzweige, Stacheln
dagegen nur Auswüchse der Rinde. Probieren Sie's aus: Ein
Rosenstachel lässt sich einfach abbrechen, ohne das Holz zu
beschädigen. Bei einem echten Dorn, wie ihn etwa Weißdorn
und Schlehe tragen, geht das nicht. Übrigens: Auch der
"stachelige" Kaktus trägt Dornen, entstanden aus umgebildeten
Blättern oder Seitensprossen.
Nur Säugetiere bekommen lebende Junge.
Für Säugetiere ist dies der normale Weg der Fortpflanzung.
Die Jungen wachsen geschützt und mit allem Lebensnotwendigen
versorgt im Mutterleib heran und werden dann
geboren. Wenn nur Säugetiere lebende Junge gebären, dann
lautet der Umkehrschluss: Alle anderen Tiere tun das nicht und
sind Eierleger. Für Vögel gilt das tatsächlich ohne
Einschränkung. Aber bei den übrigen Wirbeltieren gibt es
zahlreiche Ausnahmen von diesem Prinzip. "Regelwidrig" sind
sie lebend gebärend!
Um das zu verstehen, kommt man ohne ein paar Fachwörter
nicht aus. Werden die Eier erst kurz vor dem Schlüpfen gelegt
und ernähren sich die Embryonen bis dahin ausschließlich vom
Dottervorrat im Ei, bezeichnet man das als Ovoviviparie (von
ovum = das Ei und vivipar = "lebendige" Junge gebärend).
Zahlreiche Haie und manche Fische pflanzen sich auf diese Art
fort, darunter auch der altertümliche Quastenflosser Latimeria,
ein lebendes Fossil. Der einheimische Feuersalamander bewahrt
seine Eier zehn Monate im Körper auf, bevor die Larven
schlüpfen und kurz darauf in einer geeigneten Wasserstelle,
meist einer kleinen Quelle, geboren werden. Bei der
Blindschleiche zerreißen die Jungtiere ihre dünnen Eihäute
unmittelbar nach der Geburt.
Werden die Embryonen im Mutterleib nicht nur aufbewahrt,
sondern auch versorgt, spricht man von Viviparie, also
lebendige Junge gebärend. Der Unterschied zur Ovoviviparie ist
nach dieser Definition ganz klar. Leider ist die Realität aber sehr
viel komplizierter und es gibt zahlreiche Übergänge zwischen
beiden Methoden, Kinder zu bekommen.
Viviparie ist uns von Säugetieren vertraut: Bei den meisten
werden die Embryonen über ein eigens gebildetes Nährorgan,
die Plazenta, versorgt. Weit gehend unbekannt ist, dass es auch
einige Nicht-Säugetiere gibt, die sich solcher oder ähnlicher
Methoden bedienen. Bei manchen Haien werden die Embryonen
mit unreifen Eiern oder milchartigen Uterussekreten ernährt.
Besonders spektakulär sind die Verhältnisse beim Sandhai:
Wenn die Nährstoffe des eigenen Dottersacks verbraucht sind,
fressen die Jungen zunächst andere Eier, dann aber beginnen sie,
einander nachzustellen. Nach knapp einem Jahr Tragzeit sind
nur noch zwei Junge (jedes in einem Uterus) übrig. Mit einem
Meter haben sie bei der Geburt schon ein Drittel der Länge ihrer
Eltern. Bei Mustelus laevis, dem "Glatthai des Aristoteles", der
so heißt, weil schon der geniale Wissenschaftler der
griechischen Antike ihn untersucht und seine spezielle Art der
Fortpflanzung beschrieben hat, entsteht wie bei einigen anderen
Hai-Arten durch den Kontakt von embryonalem und mütterlichem
Gewebe eine echte Plazenta, die den Stoffaustausch
zwischen Mutter und Kind übernimmt. Der kleine Hai ist mit
dieser Plazenta durch eine Nabelschnur verbunden. Bei
Amphibien gibt es ebenfalls einige wenige vivipare Arten. Das
bekannteste Beispiel ist der Alpensalamander, der nach drei- bis
vierjähriger Tragzeit keine Larven, sondern fertige Jungtiere zur
Welt bringt. Häufiger lebend gebärend sind Reptilien. Auch hier
werden Embryonen zum Teil über eine Plazenta ernährt.
Insgesamt also statt einfacher Verhältnisse zahlreiche
Ausnahmen und Besonderheiten. Noch verwirrender wäre es,
wenn wir auch die zahllosen Formen von lebend gebärenden
Wirbellosen hier würdigen wollten. Aber das würde diesen
kleinen Überblick vollends sprengen. Auf jeden Fall bleibt
festzuhalten: So einmalig ist die Methode der Säugetiere gar
nicht.
Säugetiere legen keine Eier.
Die Zoologen des British Museum of Natural History in
London staunten nicht schlecht, als sie im Jahr 1798 unter
einigen aus dem jüngst entdeckten Australien gelieferten Tieren
eines mit Fell und Schnabel entdeckten. Das Fell machte es
unzweifelhaft zum Säugetier, wozu der merkwürdige Schnabel
aber ganz und gar nicht passte. Eine Fälschung also, ein von
kundiger Hand mit heißer Nadel zusammengeflickter
Wechselbalg? Doch bei näherer Untersuchung wurde schnell
deutlich, dass hier kein Wolpertinger vorlag. Kaum hatte man
sich mit der Existenz eines flossenfüßigen geschnäbelten
Säugers abgefunden, kam es noch dicker: Das Schnabeltier
bringt keine lebenden Jungen zur Welt, sondern legt Eier.
Brütend wärmt das Weibchen in seiner an einem Flussufer
mündenden Erdhöhle die beiden Eier sieben bis vierzehn Tage
lang, ehe die nur 25 Millimeter großen Jungen die Schale
mithilfe ihres Eizahns öffnen. Dann aber erweisen sich die
Schnabeltiere als echte Säugetiere. Ihre Babynahrung ist Milch,
die bei Schnabeltieren nicht in Zitzen, sondern in einem
Milchdrüsenfeld flächig austritt - ganz praktisch, denn so lässt
sie sich auch mit einem Schnabel aufnehmen.
Auch die Schnabeligel Australiens und Neuguineas, die
nächsten Verwandten des Schnabeltiers, legen Eier. Sie tragen
ihr einziges Ei in einer Felltasche am Bauch mit sich herum.
Dort bleibt auch das zunächst nur fünfzehn Millimeter große
Junge, bis es nach sechs bis acht Wochen zu groß und zu
stachelig wird. Die Erklärung? Säugetiere stammen, wie
zahlreiche Fossilien belegen, von Reptilien ab. Und Reptilien
legen Eier. "Die Natur macht keine Sprünge" lautet eine alte
Erkenntnis der Evolutionsbiologen. Das heißt: Vom Reptil zum
Säuger war der Weg weit und der Umbau erfolgte
schrittchenweise. Und irgendwann, nachdem Fell, Säugen und
zahlreiche andere Säugermerkmale schon "erfunden" waren,
nicht aber die Geburt lebender Kinder, klinkten sich die
Vorfahren der Schnabeltiere und -igel aus dem "mainstream"
der Säugerevolution aus und gingen ihre eigenen Wege. Nun
präsentieren sie sich uns als seltsames und auf den ersten Blick
äußerst verwirrendes Mosaik aus uralten Reptilienmerkmalen
(wie dem Eierlegen), typischen Säugetiermerkmalen (wie dem
Fell) und eigenen, nur bei ihnen vorkommenden neuen
Merkmalen (wie dem Schnabel).
Säugetiere sind den Sauriern überlegen und haben sich
deshalb in der Evolution durchgesetzt. 150 Millionen Jahre lang
beherrschten die Saurier die Erde, bis vor 65 Millionen Jahre das
ziemlich plötzliche Ende kam. Vermutlich war es ein Meteorit,
der die Lebensverhältnisse auf unserem Planeten mit einem
Schlag so umkrempelte, dass die Dinosaurier (und mit ihnen
viele anderen Tier- und Pflanzengruppen) ausstarben .
Die kleinen und wenig spezialisierten Säugetiere
haben die Katastrophe überlebt, ohne die sie nicht geworden
wären, was sie nun sind: die ökologisch dominierende
Wirbeltiergruppe des Festlands. Wären sie den Sauriern wirklich
grundsätzlich überlegen gewesen, hätten sie schon vorher lange
Zeit gehabt, dies zu beweisen. Schließlich sind die ersten
Säugetiere ziemlich gleichzeitig mit den frühesten Dinosauriern
vor über zweihundert Millionen Jahren entstanden. Also: Wir
Säugetiere haben keinen Grund, uns überlegen zu fühlen. Und
angesichts der grade mal fünf Millionen Jahre, die vergangen
sind, seit sich unsere eigenen noch sehr affenähnlichen
Vorfahren auf zwei Beine stellten, sollte man sich mal
überlegen, ob das Schimpfwort "Dinosaurier" für den
unflexiblen Chef nicht eher ein Kompliment ist.
Schimmelpferde sind Albinos.
Wären sie welche, hätten sie rote Augen, denn einem Albino
fehlen sämtliche Farbstoffe, auch die der Iris. Dass Schimmel
nicht an Pigmentmangel leiden, zeigen ihre Fohlen ganz
deutlich: Sie sind schwarz und erbleichen erst im Lauf der Zeit.
Schimmel sind also schlichtweg weiße Pferde.
Schimmelpilze sind äußerst ungesund und verursachen
Krebs. Hier wird wieder mal das Kind mit dem Bade
ausgeschüttet. Ja, es gibt Schimmelpilze, die des Teufels sind.
Manche Aspergillus-Arten bilden Aflatoxine, die Krebs
verursachen können. Sie können damit unsachgemäß gelagertes
Getreide verseuchen. Das die Nieren schädigende und ebenfalls
unter Krebserregungsverdacht stehende Ochratoxin wurde in
schlecht behandeltem Kaffee gefunden. Auch angeschimmelte
Walnüsse sollte man lieber wegwerfen. Andererseits haben
Schimmelpilze auch Millionen von Menschenleben gerettet.
Dem Schimmelpilz Penicillium verdanken wir das erste
Antibiotikum, nach ihm Penicillin genannt. Und welcher Käse-
Liebhaber möchte schon Camembert und Roquefort missen,
hergestellt mithilfe anderer Penicillium-Arten, die sich dafür
prompt mit dem Titel "Edelschimmel" schmücken dürfen?
Die Schlange hört die Flötentöne des Schlangenbeschwörers.
Wenn sich die Schlange vor ihrem "Beschwörer" aufrichtet
und hin und her bewegt, hat das nichts mit der Faszination der
Musik zu tun. Schlangen sind nämlich vermutlich stocktaub.
Weder eine Ohröffnung ist vorhanden noch ein Trommelfell
oder eine Paukenhöhle. Dafür können Schlangen feinste
Erschütterungen des Bodens wahrnehmen. Vielleicht dadurch,
dass niederfrequente Schallwellen vom Untergrund über den
Unterkiefer auf das durchaus funktionsfähige Innenohr
übertragen werden - eine sehr eigenartige Form des "Hörens".
Außerdem sehen sie meist gut. Die Kobra des
Schlangenbeschwörers richtet sich auf, weil sie das immer tut,
wenn sie gestört oder erregt ist und sie folgt seinen wiegenden
Bewegungen und dem Kreisen seiner Flöte mit ihrem eigenen
Körper, um die mögliche Gefahr im Auge zu behalten.
Schlangen drohen durch ihr Züngeln.
Für Schlangen besteht die Welt nicht nur aus Formen und
Farben, sondern vor allem aus Düften. Chemische Reize (wozu
ja auch die Düfte zählen) nimmt die Schlange weniger über die
Nase als über das Jacobsonsche Organ wahr, zwei Sinnesgruben
im Gaumen. Das ist der Grund fürs ständige Züngeln. In der
feuchten Zungenschleimhaut lösen sich Duftstoffe. Die
gespaltene Zunge wird abwechselnd herausgestreckt und
eingezogen und dabei in die beiden Teile des Jacobsonschen
Organs eingefädelt. Liegt die tote Maus eher links oder rechts?
Die verschiedene Konzentration von "Tote-Maus-Geruch" auf
den beiden Zungenspitzen gibt die Antwort. Züngeln bedeutet
also nicht Drohen, sondern Umweltwahrnehmung. Und ganz
nebenbei entpuppt sich auch die gespaltene Zunge, Sinnbild für
die sprichwörtliche "Falschheit" der Schlangen (ihre
Doppelzüngigkeit eben), als äußerst praktische Einrichtung.
Schlangen hypnotisieren ihre Opfer.
Angesichts einer tödlichen Gefahr sitzen nicht nur Kaninchen
vor der sich nähernden Schlange da wie ausgestopft, scheinbar
hypnotisiert auf das sichere Ende wartend, statt sich zu wehren
oder ihr Heil in der Flucht zu suchen. Auch Menschen können in
lebensbedrohlichen Situationen nicht nur angesichts einer
Schlange vor Schreck erstarren, unfähig sich zu regen oder auch
nur zu schreien. Die Angststarre hat also nichts mit der Schlange
als solcher zu tun, sondern mit der plötzlichen Konfrontation mit
großer Gefahr. Manchmal hilft sie sogar. Schlangen stoßen
nämlich oft erst in dem Augenblick blitzschnell zu, in dem sich
ihr Opfer regt. Wer sich nicht bewegt, hat vielleicht noch eine
kleine Chance.
Allen Schlangen fehlen die Beine.
Das stimmt im Prinzip. Ein Schlangenskelett besteht aus dem
Schädel, einer endlosen Wirbelsäule und Rippen. Ein
rudimentäres Becken und sogar von außen sichtbare Gliedmaßen-
Stummel haben lediglich die besonders ursprünglichen
Rollschlangen und die Riesenschlangen. Die winzigen Beinchen
haben keine Funktion, sind aber wenigstens eine kleine
Erinnerung daran, dass die Schlangen von vierbeinigen
Reptilien-Vorfahren abstammen.
Schlangen sind glitschig.
Glatt und glänzend sind viele Schlangen, nicht aber feucht
und schleimig. Glitschig ist die drüsenreiche Haut der
Amphibien (zum Beispiel von Fröschen, Molchen und
Salamandern), während die Reptilien, zu denen außer den
Schlangen noch die Krokodile, die Schildkröten und die Echsen
gehören, ein trockenes Schuppenkleid tragen. Schlangen sind
auch nicht immer kalt. Haben sie ein Sonnenbad genommen,
fühlen sie sich sogar angenehm warm an.
Alle Schlangen sind giftig.
Lassen wir die trockene Statistik sprechen: Bisher sind etwa
2800 Schlangen-Arten bekannt, von denen nur etwa 480 einen
wirksamen Giftapparat haben. Dazu gehört neben dem Gift
selbst, das in Drüsen produziert wird, eine Injektionskanüle. Die
Giftspritze besteht meist aus einem gefurchten oder
röhrenförmig hohlen Giftzahn, über den das Gift wirkungsvoll
eingesetzt werden kann. Manche eigentlich als ungiftig geltende
Schlange hat durchaus giftigen Speichel, aber keine
Möglichkeit, ihn gezielt zu injizieren. Übrigens ist Schlangengift
nicht gleich Schlangengift. Manche wirken als Nervengifte,
manche als Blutgifte. Viele Gifte haben sich bei genauerer
Untersuchung überdies als komplizierte Wirkstoff-Cocktails
erwiesen. Kaum Angst haben muss man in einheimischen
Gefilden. Die wenigen Schlangen-Arten, die in Mitteleuropa
vorkommen, sind überwiegend harmlos. Lediglich die seltene
Kreuzotter kann gefährlich werden. Wie schlimm ein
Kreuzotterbiss wirkt, hängt davon ab, ob sie nur eine oder beide
Giftdrüsen entleert, ob sie kurz zuvor vielleicht Beute gemacht
hat und die Gifttanks deshalb halb leer sind und ob sie ihr Gift
direkt in eine größere Ader oder nur ins Gewebe spritzt.
Außerdem spielt die Konstitution des gebissenen Menschen eine
entscheidende Rolle. Während manche schon bei dem Gedanken
an einen Schlangenbiss in Ohnmacht fallen, lässt er andere
ziemlich kalt. Auch allergische Reaktionen müssen bedacht
werden. Schließlich wissen wir, dass für Allergiker schon ein
Bienenstich lebensbedrohend sein kann. So wundert es nicht,
dass manche Gebissene den Otterbiss mit dem schmerzhaften,
aber nicht weiter gefährlichen Stich einer Wespe oder Hornisse
vergleichen, während andere schwerer leiden. Der letzte der
Kreuzotter angelastete Todesfall in Deutschland ereignete sich
im Jahr 1959. Etwas mehr Vorsicht ist in Südeuropa angebracht.
Hier gibt es weitere fünf giftige Viper-Arten.
Ob eine Schlange giftig oder ungiftig ist, sieht man ihr nicht
so ohne weiteres an. Manche harmlose tropische Schlange legt
es sogar darauf an, mit einer ihrer giftigen Verwandten
verwechselt zu werden. Gleicht ein solcher harmloser Nachahmer
dem giftigen Vorbild in Färbung oder Verhalten, trägt das
zu seinem eigenen Schutz bei eine im Tierreich weit verbreitete,
als Mimikry bekannte Mogelei.
Mungos und Igel sind immun gegen Schlangengift.
Die indischen Mungos schrecken vor Schlangen nicht zurück.
Die kleinen Raubtiere betrachten selbst Giftschlangen einfach
als Nahrung. Wer Auseinandersetzungen zwischen Mungo und
Schlange verfolgt, bei denen sich der Mungo immer wieder
vorsichtig nähert und von der blitzschnell zubeißenden Schlange
genauso oft zurückgetrieben wird, bis diese schließlich ermüdet
und mit einem Nackenbiss ins Jenseits befördert wird, glaubt
gerne, dass Schlangengift den Mungos überhaupt nichts anhaben
kann. Ganz so ist es nicht. Zwar sind Mungos tatsächlich
unempfindlicher als Menschen. Obwohl sie nur fünf Kilogramm
wiegen, verkraften sie die vierfache Dosis, die einen Menschen
umbringen würde. Der Rest ist aber gewiefte Taktik. Dabei wird
die Schlange zu Angriffen provoziert, die ins Leere gehen. Vie le
Bisse landen im dichten Fell, die Angriffe verpuffen
wirkungslos. Dabei entleeren sich die Vorratsbehälter der
Giftdrüsen allmählich, sodass selbst ein erfolgreicher Biss kaum
mehr Wirkung zeigt. Ganz ähnlich gehen unsere einheimischen
Igel vor, wenn sie einer Schlange begegnen. Auch hier beißt die
vorschnellende Schlange meist ins gesträubte Stachelkleid und
wird zur Strecke gebracht, sobald sie erschöpft ist.
Schmetterlinge saugen nur Blütennektar.
Wer in Afrika viele bunte Schmetterlinge auf engem Raum
beobachten will, sollte sich an eine Tränke begeben. Nicht weil
hier Schmetterlinge neben Elefanten ihre Rüssel ins Wasser
halten, sondern weil sich ganze Falterwolken auf dem Urin der
großen Säuger sammeln. Wo Mineralien knapp sind, muss man
sehen, wie man dazu kommt. Auch bei uns sieht man
Schmetterlinge nicht selten auf Hunde- oder Vogelkot oder
sogar auf Aas. Wenn schwitzende Menschen angeflogen
werden, haben die Falter es ebenfalls auf Salze abgesehen.
Nektar nämlich besteht fast nur aus einer wässrigen Zuckerlösung
und kann deshalb nicht alle Bedürfnisse befriedigen.
Schmetterlingsblütler werden von Schmetterlingen
besucht.
Wie der Name schon sagt: Die Blüte selbst ist der
"Schmetterling". Das oberste Blütenblatt ist stark vergrößert, die
beiden seitlichen stehen ab wie Flügel (und werden auch so
genannt) und die beiden unteren sind kielförmig miteinander
verbunden - fertig ist der Schmetterling! Zu den Schmetterlingsblütlern
gehören zum Beispiel Klee, Wicke, Lupine, Ginster und
Robinie. Letztere liefert den Akazienhonig und gibt damit einen
Hinweis darauf, dass es vor allem die Honigbienen und ihre
überaus artenreiche wilde Verwandtschaft sind, die Schmetter-
lingsblüten besuchen. Blüten, die überwiegend von Schmetterlingen
genutzt werden, gibt es auch; sie werden "Falterblumen"
genannt. Beispiele sind zahlreiche Nelken-Arten oder der in
vielen Gärten angepflanzte und an Bahndämmen verwilderte
Sommerflieder, der seinen Zweitnamen "Schmetterlingsstrauch"
zu Recht trägt.
Schnaken stechen.
Was landläufig als Schnake bezeichnet wird, die
berühmtberüchtigte Rheinschnake zum Beispiel, läuft bei den
Zoologen als Stechmücke. Die eigentlichen Schnaken sind
harmlos und können nicht stechen. Wer eine echte Schnake
sehen will, muss nur an lauen Abenden das Licht brennen und
die Fenster offen lassen. Schon tanzen die großen Zweiflügler
mit den schmalen, manchmal apart gefärbten Flügeln und den
endlos langen, dünnen Beinen um die Lichtquelle.
Schnecken erkennt man am Schneckenhäuschen.
Dass nicht alle Schnecken ein Häuschen haben, weiß
zumindest jeder Gärtner, zu dessen größten Feinden die
Nacktschnecken gehören, die sich mit erbarmungslos gründlicher
Gefräßigkeit über seine Setzlinge hermachen. Bei ihnen
ist die Schale ins Innere verlagert und weit gehend zurückgebildet
oder sogar vollständig verschwunden. Kein Problem für
Zoologen, denn Rückbildungen von Organen sind in der
Biologie an der Tagesordnung.
Viel verwirrender als die Nacktschnecken war die Entdeckung
von Schnecken mit zweiklappigen Schalen. Solche sind
eigentlich typisch für Muscheln und ein gutes Merkmal, um
Schnecken und Muscheln zu unterscheiden (siehe Seite 120).
Und so wundert es nicht, dass auch diese Schalen zunächst zu
den Muscheln gerechnet wurden, bis im Jahr 1959 das erste
lebende Tier gefunden wurde - und siehe da, es war eine
Schnecke, die mit den "Muschelschalen" einherkroch. Eine
genauere Analyse ihrer Jugendentwicklung offenbarte, dass die
linke Seite das eigentliche Schneckenhaus trägt, während die
rechte Schale zusätzlich hergestellt wird. Ein Schloss, mit der
die beiden Hälften verzahnt sind, wie das bei Muscheln der Fall
zu sein pflegt, fehlt aber. Wer solche Schnecken im Süßwasser
treffen will, muss nach Japan fahren. Im Meer sind sie in
warmen Gewässern weiter verbreitet, aber sehr schwer zu
finden, weil sie wegen ihrer hervorragenden Tarnfarbe auf den
Algen, von denen sie sich ernähren, kaum zu erkennen sind.
Vielleicht ist das der Grund dafür, dass diese kuriosen
Schnecken bis heute noch keinen ordentlichen deutschen Namen
haben, sondern nur unter den klingenden Bezeichnungen
Berthelinia, Midorigai oder - noch schöner - Julia in den
Zoologiebüchern zu finden sind.
Was Schnecken fressen, ist ungiftig für den Menschen.
Spätestens wenn man die großen Löcher bewundert, die
Schnecken in einen Fliegenpilz gefressen haben, sollte man
stutzig werden: An dieser Regel kann offensichtlich etwas nicht
stimmen. Schließlich laufen nicht alle Stoffwechselvorgänge in
allen Tiere völlig identisch ab. Deshalb wirken auch nicht alle
Gifte auf alle gleich. So findet selbst die Tollkirsche ihre
Liebhaber unter den Tieren, ohne sie gleich umzubringen. Viele
Gifte wurden von Pflanzen als Fraßschutz entwickelt; andererseits
haben einzelne Tier-Arten später oft wieder Tricks
entwickelt, diesen Schutz auszuhebeln - eine Art natürliches
Wettrüsten. Wer herausfinden will, ob eine Pflanze oder ein Pilz
für uns Menschen genießbar ist, sollte sich also auf keinen Fall
auf Vorkoster wie die Schnecken verlassen.
Schneckenhäuser sind immer gleich gewunden.
Bevor man über links- oder rechts gewundene Schneckenhäuschen
diskutiert, sollte man sich auf eine Betrachtungsrichtung
einigen. Schneckenforscher begucken sich zur
Festlegung der Windungsrichtung die Schale von oben. Wer das
tut, stellt schnell fest, dass die meisten Schneckenhäuser im
Uhrzeigersinn drehen, also rechtsgewunden sind. Ausnahmen
sind zum Beispiel die Schließmundschnecken, eine artenreiche
Gruppe, deren Häuschen hohen, schmalen, eng gewendelten
Türmchen gleichen. Aber auch unter den normalen Rechtswindern
gibt es immer mal wieder spiegelbildliche Ausnahmen.
Als "Schneckenkönig" waren solche Häuschen früher sehr
begehrt. Erst im Jahr 1670 sei der erste Schneckenkönig unter
den Weinbergschnecken - in unseren Breiten die Schnecke
schlechthin - gefunden worden, schreibt ein Pastor Chemnitz aus
Kopenhagen im Jahr 1786 in einem Fachblatt und fährt fort:
"Man hält sie für außerordentliche Seltenheiten und glaubt, ihr
Besitz sei den Juwelen gleich zu achten und erhöhe am meisten
den Werth und Vorzug eines Conchyliencabinettes."
(Conchylien sind Schalen von Schnecken und Muscheln, die
sich schon damals einer hohen Beliebtheit als Sammelobjekte
erfreuten.) Chemnitz hielt die Linkswinder für eine andere Art
und bemühte sich, sie zu züchten. Er erhielt aber nur
rechtsdrehende Nachkommen, ebenso wie alle anderen, die
später ähnliche Versuche anstellten. Damit dürfte klar sein, dass
Schneckenkönige keine Folge von Erbgutveränderungen sind,
sondern auf Störungen während der individuellen Entwicklung
zurückgehen.
Schwalbennester kann man essen.
Wer in das Nest einer Schwalbe beißt, hat den Mund voller
Erde. Es ist nämlich überwiegend aus Lehm gebaut. Die
berühmten essbaren "Schwalben"-Nester werden nicht von
Schwalben, sondern von einigen südostasiatischen Segler-Arten,
den Salanganen, produziert. Ähnliche Anpassungen an ein
Leben, das in rasantem Flug vergeht, führen immer wieder zur
Verwechslung der beiden nicht näher verwandten Vogelgruppen
(siehe Seite 112). Zu Beginn der Brutzeit schwellen den
Salanganen die Speicheldrüsen. Aus dem zähen Schleim, der an
der Luft schnell erhärtet, werden kleine, flache Näpfe geformt.
Salanganen brüten meist in dichten Kolonien an Felsen, oft in
Höhlen. Hier werden die Nester seit alters regelrecht geerntet,
wobei frische weiße Näpfe einen höheren Preis erzielen als
schon länger bewohnte oder solche, in die der Vogel auch
Federn oder Pflanzenteile mit eingebaut hat.
Schwämme sind Pflanzen.
Schwammerln sind Pilze, wenn nicht alle, so doch die
essbaren. Außerhalb Bayerns werden nur einige Baumpilze als
Schwämme bezeichnet, der Zunderschwamm etwa (siehe Seite
220). So oder so: Pilze sind keine Pflanzen. Und die
eigentlichen Schwämme sind weder Pilze noch Pflanzen. Sie
gehören zu den Tieren, auch wenn sie weder echte Muskeln
noch Nerven, weder Fortbewegungs- noch Sinnesorgane haben.
Ihre Zellen aber lassen sich sicher als Tierzellen erkennen und
auch die Ernährung läuft nicht wie bei Pflanzen über
Fotosynthese, sondern über die Aufnahme von Plankton. Seine
Form erhält der Schwamm durch sein Skelett. Das kann aus
Kieselsäure, Kalk oder - beim Badeschwamm zum Beispiel -
aus Spongin, einer hornähnlichen Substanz, bestehen. Die
einzelnen Zellen eines Schwammes sind frei beweglich und
bilden nur an der Oberfläche ein echtes Gewebe. Sie sind wenig
spezialisiert. Deshalb ist selbst ein durchs Sieb passierter
Schwamm in der Lage, sich wieder zum Schwamm
zusammenzufinden. Der ganze Schwamm wird von einem
Kanalsystem durchzogen, in dem Zellen für einen steten
Wasserstrom sorgen, aus dem sie Nahrung filtern. Als lebende
Filter haben Schwämme eine große Bedeutung bei der
biologischen Gewässerreinigung. Durch einen Badeschwamm,
der einen Liter Wasser fasst, strömen stündlich 250 Liter. Ihre
größte Vielfalt erreichen Schwämme im Meer. Hier leben die
meisten der 5000 Arten. Oft überziehen sie in einem unglaublich
bunten Mosaik ganze Felsen.
Schwäne können singen.
Es gibt ihn tatsächlich, den Singschwan. Er brütet in der
nordischen Tundra und in den Wäldern der Taiga. Bei uns ist er
nur im Winter zu sehen. Die laut trompetenden Rufe fliegender
Singschwäne verschmelzen zu einer wohltönenden Melodie,
wenn ein ganzer Trupp vorüberzieht. Von unserem heimischen
Höckerschwan unterscheidet man den nordischen Sänger am
besten am Schnabel, der bei letzterem gelb mit schwarzer Spitze
ist. Der Höckerschwan hat einen roten Schnabel mit schwarzem
Stirnknubbel. Von ihm hört man meist nur ein paar leise
schnarchende und zischende Laute, wenn man seinem Nest am
Teich im Park zu nahe kommt. Musik macht der Höckerschwan
auf andere Weise. Sein laut pfeifendsausender Fluglärm ist auf
große Entfernung zu hören, während der Singschwan ein
Flüsterflieger ist. Bleibt noch zu klären, was es mit dem
sprichwörtlichen Schwanengesang auf sich hat. Ihn stimme der
Schwan jubelnd an, wenn es ans Sterben gehe, meinte Plato vor
2300 Jahren. Schließlich öffne der Tod die Tür zu einem neuen,
besseren Leben bei den Göttern. Noch in der Antike wurde die
Legende auf den Menschen übertragen. Sein Schwanengesang:
eine letzte bedeutende Rede vor dem jähen Tod, kluge Worte für
die Nachwelt.
Schweine sind "Dreckschweine".
Zugegeben, ein bisschen streng riechen Schweine schon,
besonders die Eber oder Keiler. Aber Gerüche bergen für viele
Säugetiere wichtige Informationen. Was uns Menschen
unangenehm in die Nase steigt, kann bei denen, die es eigentlich
angeht, allerliebste Empfindungen auslösen. Wie dem auch sei:
Mit der Hygiene nehmen Schweine es ernst. Statt der Dusche
ziehen sie allerdings die Suhle vor. Hier verpassen sie sich eine
ordentliche Fangopackung, was weder Stechmücken und andere
Plagegeister noch die zahlreichen im Fell hausenden Parasiten
wie Flöhe und Zecken mögen. Außerdem dient das Schlammbad
der Kühlung. An heißen Sommertagen geht's den Sauen so wie
den Schwimmbadfans unter den Menschen. Immer wieder
werfen sie sich ins kühlende Nass. Dem Handtuch der
menschlichen Wasserratte entspricht der meist harzverkrustete,
traditionelle Malbaum, an dem sich das Schwein schubbert, um
den mehr oder weniger angetrockneten Schlammpanzer wieder
abzurubbeln.
Der bestialische Gestank vieler Schweineställe ist eine Folge
viel zu intensiver und nicht artgerechter Haltung. Stellen Sie
sich mal vor, man würde Hunderte von Menschen ohne die
Möglichkeit zur Körperpflege auf ein paar Quadratmetern
zusammenpferchen...
Seeanemonen, -rosen und -nelken sind Pflanzen.
Meist lassen sich Pflanzen und Tiere ganz einfach an ihren
Symmetrieverhältnissen unterscheiden. Tiere sind gewöhnlich
bilateral symmetrisch, sie haben also eine linke und, spiegelbildlich
dazu, eine rechte Seite. Pflanzen scheinen die radiäre
Symmetrie zu bevorzugen. Eine Tulpen- oder Rosenblüte lässt
sich an beliebiger Stelle schneiden und spiegeln. Dass es ganz so
einfach nicht ist, wird spätestens beim Betrachten einer
komplizierten Orchideenblüte klar, die ebenfalls nur eine
einzige Schnittebene hat. Bei Löwenmäulchen, Klee oder Salbei
ist es nicht anders. Viel seltener sind die Ausnahmen bei den
Tieren. Und so ist es kein Wunder, dass viele radiär
symmetrischen Tiere mit Pflanzennamen bedacht wurden, sei es
nun die Seegurke (siehe Seite 166) aus der Verwandtschaft der
Stachelhäuter oder die hier genannten Arten, bei denen die
Pflanzenähnlichkeit noch dadurch verstärkt wird, dass sie
festgewachsen sind, einen "Stiel" haben und eine "Blütenkrone".
Für Nesseltiere ist das ein normaler Bauplan. Die Blütenkrone
besteht aus mit giftigen Nesselkapseln bewaffneten Tentakeln,
die Beute machen und sie zur zwischen ihnen liegenden
Mundöffnung führen. Im Stiel liegt der Magen. Unverdauliches
wird durch den Mund wieder ausgeschieden. Den Luxus der
später gebräuchlich gewordenen Trennung von Mund und After
gibt es bei den sehr ursprünglich gebauten und auf das
Wesentliche beschränkten Nesseltieren noch nicht.
Der Seebär ist mit den Bären verwandt.
Der Seebär vor unserem inneren Auge taucht ein muskelbepackter,
wettergegerbter und sturmerprobter Fahrensmann
auf. Zoologen verstehen unter einem Seebären allerdings nicht
das maritime Gegenteil der wasserscheuen Landratte. Hinter
dem Namen versteckt sich ein Tier. Wenn einer den Titel Seebär
wirklich verdiente, dann der Eisbär, der einen großen Teil seines
Lebens im nördlichen Packeisgürtel verbringt und hervorragend
schwimmt. Die echten Seebären allerdings sind keine Bären,
sondern Robben. Der Nördliche Seebär bewohnt die Strände des
Nordpazifik, die acht Arten der südlichen Seebären kommen
hauptsächlich auf der Südhalbkugel vor. Letztere gehören zur
Gattung Arctocephalus, zu deutsch Bärenkopf - und hier dürfte
der Schlüssel zur Erklärung der Bezeichnung "Seebär" liege n.
Tatsächlich haben die Seebären oder Pelzrobben einen dicken
Kopf, eine kurze Schnauze, eine steile Stirn und (wie es sich für
die Gruppe der Ohrenrobben gehört) kleine Ohrmuscheln.
Damit gleichen sie entfernt einem Bären, mit dem sie natürlich
nicht näher verwandt sind. Übrigens läuft ausgerechnet die
größte Art, der bis 2,3 Meter lange Seebär Südafrikas, unter dem
Namen Zwergseebär. Wie es dazu kam? Die Zoologen hatten
bei der ersten Beschreibung ein Jungtier vor sich.
Seegurken sind Pflanzen.
Dass die riesigen, dicken Würmern gleichenden Seegurken
kein Fall für die Botaniker sind, ist ziemlich offensichtlich:
Keine Wurzeln, keine Blätter, nicht grün. Ihre wahre
Verwandtbschaft sieht man der Seegurke oder Seewalze erst auf
den zweiten Blick an. Mit Würmern haben die bis zu zwei Meter
langen, meist ziemlich reglos am Meeresboden liegenden Tiere
trotz einiger Ähnlichkeiten nichts zu tun. Ihre Vettern und Basen
heißen Seestern und Seeigel; gemeinsam mit ihnen (und einigen
anderen) bilden sie den Stamm der Stachelhäuter. Das stabile
Skelett der Verwandtschaft lassen die Seegurken vermissen.
Hier liegen nur zahlreiche winzige Kalkkörperchen unter der
Haut. Die Fünfstrahligkeit der anderen Stachelhäuter, an vielen
Seesternen am leichtesten zu sehen, zeigen aber auch sie. Die
typischen Füßchen (siehe Seite 172) sind in fünf Längsreihen
angeordnet. Mit ihnen kriechen die Seegurken im Schneckentempo.
Mehr als ein Meter in der Viertelstunde ist nicht drin.
Aber größere Geschwindigkeiten sind bei der bevorzugten
Lebensweise als "Staubsauger" am Meeresboden auch gar nicht
nötig.
Seehasen gibt es nicht.
Hinter diesem Namen verbirgt sich nicht die Strandversion
des Skihasen, sondern ein Tier. Genau genommen sogar zwei.
Denn Seehasen gibt es als Fisch und als Schnecke. Der Fisch ist
aus zwei Gründen bemerkenswert. Seine Bauchflossen sind Teil
einer erstaunlich kräftigen Saugscheibe, mit der er sich an
Felsen festhält. Und er liefert Kaviar - falschen zwar, aber
erschwinglichen, denn der echte Kaviar des Störs wird mit
zunehmender Seltenheit des Lieferanten immer teurer. Die
Schnecke kommt ebenfalls im Meer vor. Ihren Namen verdankt
sie zwei lappigen Fortsätzen am Vorderende, die mit ein
bisschen Fantasie an Hasenohren erinnern. Mehr haben die bis
zu zweieinhalb Kilogramm schweren behäbigen Nacktschnecken
mit den schnellen Läufern aber nicht gemein.
Seekühe können singen.
"Auf grasigen Auen neben Haufen von faulenden
Menschenleibern, Knochen und schrumpfenden Häuten, mit
tönenden Liedern Zauber verbreitend" locken die Sirenen,
schöne Meeresfrauen, Seefahrer an Land, wo sie kläglich
umkommen. Dies erzählt der griechische Dichter Homer in
seiner vor 2700 Jahren entstandenen Beschreibung der Irrfahrten
des Odysseus. Schön und gut - aber was hat das mit den
Seekühen zu tun? Nun, die Seekühe, die ihren Namen ihrer
Lebensweise als Weidegänger in Algen- und Seegraswäldern
verdanken, haben noch einen zweiten Namen. Sirenen,
wissenschaftlich Sirenia, heißen sie, wie die verhängnisvollen
Sängerinnen der Antike. An ihrem berückenden Gesang kann's
nicht liegen. Mehr als ein schwaches Quieken scheinen sie nicht
hervorbringen zu können. Aufschlussreicher sind vielleicht
bildliche Darstellungen von Sirenen, die es von der Antike bis in
die Neuzeit zuhauf gibt. Schon bald wurden aus den bei den
alten Griechen ursprünglich mit einem Vogelunterleib
versehenen Fabelwesen Zwitter aus Mensch und Fisch,
vorzugsweise blühende Frauen mit schwellenden Brüsten und
einem Fischschwanz, die den arglosen Schiffer mit ihren
weiblichen Reizen locken, um ihn ins Verderben zu ziehen.
Auch hier fallt uns der Vergleich mit den nach landläufigen
Maßstäben eher unattraktiven Seekühen schwer. Aber stellen
wir uns vor: Wochenlang war das Schiff auf hoher See,
wochenlang weder Land noch Frau in Sicht. Es herrscht Fla ute.
Man dümpelt in der Abenddämmerung. Plötzlich taucht in
einiger Entfernung ein üppiger Körper aus dem Wasser, die
Umrisse scheinen menschlich. Als das Wesen wenig später
wieder abtaucht, lässt es einen breiten Fischschwanz erkennen
und ist spurlos verschwunden. Wundert es da, dass die Fantasie
ein bisschen mit den Seeleuten durchgeht? Seekühe stehen
tatsächlich oft senkrecht im Wasser und beobachten mit
herausragendem Oberkörper die Umgebung. Ihre Milchdrüsen,
bei säugenden Weibchen deutlich angeschwollen, sitzen
brustständig, die Vorderflossen, mit denen sie ihre Jungen
Kindern gleich an sich drücken können, ähneln Armen. Nur dass
sie singen können, ist echtes Seemannsgarn.
Seelilien sind unterseeische Blumen.
Zarte, von langen, dünnen Stielen getragene Blütenkelche
erscheinen unter der vorsichtigen Hand des Präparators auf der
dunklen Schieferplatte. Später hängen die Seelilien, filigranen
Blumen gleichend, im Museum, Zeugen einer längst
vergangenen Welt zur Zeit des Jurameeres vor zweihundert
Millionen Jahren. Noch heute leben ihre Verwandten in der
Tiefsee, wenn auch die frühere Formenvielfalt und Größe nicht
annähernd mehr erreicht wird. Immerhin gab es Seelilien mit 21
Meter langen Stielen und halbmeterlangen "Blütenblättern".
Heutige Formen haben höchstens zwanzig Zentimeter lange
Arme und viel kürzere Stiele. Sie sehen nicht nur sehr
zerbrechlich aus, sie sind es auch. Aufgewühlter See können sie
nicht standhalten. Sie leben deshalb im stillen Wasser der
Tiefsee. Oberhalb von einhundertfünfzig Meter Wassertiefe
braucht man gar nicht nach ihnen zu suchen. Der Tiefenrekord
liegt bei 8330 Metern.
Natürlich sind es keine Blumen, die da am Meeresgrund
blühen. Radiär symmetrische und deshalb an Pflanzen
erinnernde Formen kennen wir bei den Tieren vor allem von den
Stachelhäutern (Seesternen und Seeigeln zum Beispiel) und
genau um solche handelt es sich hier. Der Blütenkelch ist der
Körper des Tiers, die Blütenblätter die als Planktonfilter
arbeitenden Arme. Nächst verwandt sind die Haarsterne, die wie
eine vom Stiel gelöste Krone einer Seelilie erscheinen und frei
beweglich sind.
Die Seemaus ist eine küstenbewohnende Maus.
Weder ist die Seemaus eine küstenbewohnende Maus noch
ein kleiner Verwandter der Schiffsratte. Vielmehr handelt es
sich hier um einen im Meer lebenden Ringelwurm, der bis zu
zwanzig Zentimeter lang und sechs Zentimeter breit wird und
räuberisch in weichen Böden unterwegs ist. Eine dichte
Behaarung lässt den Namen Seemaus oder Filzwurm für dieses
Tier plausibel erscheinen. Wissenschaftlich ist das Tier dagegen
ausgerechnet nach der griechischen Schönheitsgöttin Aphrodite
benannt. Nur wer den wunderschön grün und golden
schillernden Haarborstenfilz an den Seiten der Seemaus einmal
selbst bewundern konnte, kann verstehen, warum Carl von
Linné, der schwedische Biologe, der in der Mitte des 18.
Jahrhunderts zahlreiche Tiere und Pflanzen benannte und
erstmals in einem übersichtlichen System ordnete, auf eine
solche Idee kam.
Seepocken sind Muscheln oder Schnecken.
Schnell wird alles, was am Meeresstrand lebt und eine harte
Schale hat, zur Muschel oder Schnecke erklärt. Wie so oft hilft
auch hier ein genauerer Blick weiter. Schneckenhäuschen
bestehen fast immer aus einer einzigen gewundenen Schale,
Muscheln aus zwei Klappen. Seepocken aber haben ein Wand
aus vier bis acht Kalkplatten und einen Deckel aus zwei
Plattenpaaren. Liegen sie trocken, ist dieser Deckel fest
verschlossen. Unter Wasser öffnet er sich und es erscheinen
feine, in regelmäßigem Takt nach Plankton schlagende, filigrane
Filterfüße. Also weder Muschel noch Schnecke - aber was
dann? Dass Seepocken Krebse sind, erscheint weniger
unglaublich, wenn man ihren Werdegang kennt. Als Kinder
gleichen sie nämlich anderen Krebslarven sehr und sind frei
beweglich. Erst nach dieser wild bewegten Jugend denken sie an
Sesshaftigkeit. Sie suchen sich eine Wohnstelle auf Felsen,
großen Walen oder ähnlichem, an der sie sich mit dem Kopf
anheften und die sie nach ihrer grundlegenden Umwandlung zur
erwachsenen Seepocke nie wieder wechseln können.
Seeschlangen sind Fabeltiere.
Nicht von Nessie soll hier die Rede sein, deren fragwürdige
Existenz im Loch Ness immer mal wieder für Gesprächsstoff
sorgt, wenn auf der Welt sonst nichts Besonderes los ist. Will
man echten Seeschlangen begegnen, sollte man sein Glück nicht
in schottischen Seen probieren, sondern an den warmen Küsten
des Indischen und des Pazifischen Ozeans baden gehen. Mit ein
bisschen Glück (oder - je nachdem - Pech, denn Seeschlangen
gehören zu den Giftnattern) sieht man dann eine der meist etwa
anderthalb bis maximal drei Meter langen Schlangen, die sich
mit ihrem seitlich zusammengedrückten Ruderschwanz
antreiben und 120 Meter tief tauchen können.
Einige Arten gehen noch regelmäßig an Land, um sich zu
sonnen oder Eier zu legen. Andere sind zu reinen Meerestieren
geworden, die lebende Junge in die Welt setzen und sich
dadurch den Landgang vollends ersparen.
Seesterne haben keine Füße.
Wer fünf oder sogar noch mehr Arme hat, braucht eigentlich
keine Füße, sollte man meinen. Tatsächlich benutzen manche
Seesterne ihre Arme zur Fortbewegung. Oft aber sieht man
einen Seestern scheinbar ohne jede Bewegung langsam über den
Boden gleiten. Hunderte von kleinen Füßchen schieben ihn
vorwärts. Sie funktionieren hydraulisch und werden über ein
kompliziertes Wassergefäßsystem in Körper und Armen des
Seesterns bedient. Als echte Multifunktions-Beine helfen sie
nicht nur bei der Fortbewegung, sondern dienen auch noch der
Atmung. Und schließlich spielen sie eine wichtige Rolle bei der
Nahrungsaufnahme. Mit den Saugfüßchen lassen sich selbst
hartnäckig Widerstand leistende Muscheln auseinanderziehen.
Die Kräfte, die ein Seestern dabei aufbringt, sind beträchtlich.
Ein Dauerzug von fünfzig Newton bricht den Widerstand auch
starker Muscheln. Ein Spalt von weniger als einem Millimeter
genügt. Durch ihn dringen die vorgestülpten Magenlappen des
Seesterns ein und beginnen bei lebendigem Leib mit der
Verdauung.
Seeteufel sind Fabelwesen.
Wassermann, Meerjungfrau und Seeteufel eine fabelhafte
Verwandtschaft aus Märchen und Mythos? Als real
existierender "Seeteufel" ließ sich mancher gnadenlose Korsar
vergangener Zeiten stolz bezeichnen. Der wahre Seeteufel aber
ist ein Fisch, der diesen Titel nicht weniger verdient. Fast zwei
Meter groß kann er werden, wobei die Hälfte davo n Kopf ist
und davon wieder ein großer Teil Maul (daher sein Zweitname
Froschfisch). Durch Farbe und seitliche Hautlappen gut getarnt
und deshalb kaum zu sehen, lockt er Beute mithilfe einer
dünnen, lang ausgezogenen ersten Rückenflosse, deren
wurmähnliche Spitze sich direkt vor seinem zähnestarrenden
Maul windet (daher sein Drittname Anglerfisch). Wer sich dem
Köder hungrig nähert, wird selbst zur Beute. Er wird in das sich
blitzschnell öffnende Maul gesaugt, selbst wenn er größer ist als
der "angelnde Frosch" selbst.
Die Seewespe ist ein Insekt.
Wespen werden mit einem schnellen Stich assoziiert, gefolgt
von jähem Schmerz. Insofern ist der Vergleich berechtigt, wenn
auch die Seewespen nicht zu den hoch komplexen Insekten,
sondern zu den mit am einfachsten gebauten Vielzellern
gehören, den Nesseltieren (siehe Seite 137). Sie wurden früher
mancher Übereinstimmungen wegen als Quallen betrachtet,
inzwischen aber als eigene Gruppe der Würfelquallen
abgetrennt. In hiesigen Gewässern braucht man die
Würfelquallen nicht zu fürchten, in subtropischen und
tropischen Meeren dagegen sehr wohl. Denn der Kontakt mit
den "sea wasps" kann tödlich enden. Zwei der nur sechzehn
Würfelquallen-Arten erzeugen ein so starkes Nervengift, dass
sie Kinder und Jugendliche sowie empfindlich reagierende
Erwachsene sofort umbringen können. Auch wer davonkommt,
wird noch lange an die Seewespen denken.
Wo die nesselnden Tentakel mit der Haut in Berührung
kommen, entstehen schwere und nur langsam heilende
Nekrosen, die tiefe Narben hinterlassen. Kein Wunder, dass bei
Seewespen-Alarm die Badestrände sofort gesperrt werden.
Sonnenblumen haben große Blüten.
Eigentlich ist jede Sonnenblume ein ganzer Blumenstrauß,
besteht sie doch aus vielen einzelnen kleinen Blüten, die jeweils
eine Frucht (den bekannten Sonnenblumenkern) bilden. Die
Zusammenfassung vieler kleiner Blüten zu einem großen
Blütenstand erhöht die Attraktivität für Bestäuber - überlebenswichtig
für die Pflanze. Gesteigert wird die Signalwirkung noch
durch die flammend gelben Randblüten. Sie machen Reklame
fürs große Ganze. Was für die Sonnenblume gilt, gilt auch für
die ganze übrige vielfältige Verwandtschaft der Korbblütler, zu
der unter anderem Aster, Kamille und Gänseblümchen zählen.
Ohne Sonnenlicht ist kein Leben möglich.
Sonne ist Leben. Diese einfache Gleichung gilt für fast alle
Lebewesen. Für die Pflanzen ist das offensichtlich. Sie stellen
mit Hilfe der vom Sonnenlicht gelieferten Energie in einem sehr
komplizierten chemischen Prozess, der Fotosynthese, aus
Wasser und Kohlendioxid Zucker her, der Grundlage vieler
weiterer Verbindungen ist. In völliger Dunkelheit sterben
Pflanzen nach kurzer Zeit ab. Und Tiere? Schließlich gibt es
viele Nacht- und Bodentiere, die nie ans Licht kommen. Ihre
Abhängigkeit ist indirekt. Denn alle Tiere müssen etwas fressen.
Sind es keine Pflanzen, dann sind es andere Tiere, die wiederum
von Pflanzen oder von pflanzenfressenden Tieren leben. Wie
man es auch dreht: Tiere brauchen Pflanzen und damit auch
Sonne. Nebenbei bemerkt nicht nur wegen des Fressens:
Während der Fotosynthese wird (unter anderem von Tieren
ausgeatmetes) Kohlendioxid verbraucht und es entsteht
Sauerstoff - für die Pflanze ein Abfallprodukt, für Tiere
lebensnotwendig.
Szenenwechsel. Langsam gleitet ein Tauchboot 2500 Meter
unter dem Meeresspiegel durchs ewige Dunkel, das nie ein
Sonnenstrahl erhellt. Plötzlich tauchen im Lichtkegel des
Scheinwerfers seltsame Kreaturen auf: Kolonien großer bleicher
Würmer mit roten "Köpfen", riesige Muscheln, weißliche
Krabben. Eine eigene, eine eigenartige Welt, die erst im Jahr
1977 entdeckt wurde. Ihre Bewohner sind vollständig
unabhängig vom Sonnenlicht. Ihre Lebensenergie beziehen sie
aus dem Inneren von Mutter Erde. Dort, wo an den Nähten der
auseinander weichenden Erdplatten Magma in geringer Tiefe
ansteht, speien extrem heiße Quellen mineralreiches Wasser. In
gebührender Entfernung gewinnen Bakterien aus der Oxidation
des darin gelösten Schwefelwasserstoffs Energie. Andere
ernähren sich von den Bakterien. Sie stehen damit am Anfang
einer Nahrungskette und sind Grundlage dieser außergewöhnlichen
Lebensgemeinschaft.
Die Spanische Fliege ist eine Fliege.
Mancher, der mit der Spanischen Fliege Bekanntschaft
gemacht hat, hat vorzeitig "die Fliege gemacht". Denn der Käfer
mit dem merkwürdigen Namen enthält einen hoch giftigen
Inhaltsstoff, das Cantharidin, das für alles Mögliche verwendet
wurde. Früher wurde es sowohl als Aphrodisiakum in
Liebestränke gemischt als auch zur Beseitigung der späteren
unliebsamen Folgen eingenommen, nämlich um die Leibesfrucht
abzutreiben. In der Antike (und sicher auch darüber
hinaus) war das Käfergift auch beliebt, um Widersacher um die
Ecke zu bringen. Dazu genügen schon dreißig Milligramm. Der
Vergiftete litt zunächst an einer Entzündung aller Schleimhäute,
dann an brennenden Schmerzen der ihre Funktion allmählich
einstellenden Harnorgane. Pharmazeutische Verwendung fand
Cantharidin äußerlich in blasenziehenden Pflastern (den
"Spanischen Pflastern"), innerlich zur Behandlung aller
möglichen Zipperlein. Der ein bis zwei Zentimeter lange und
apart grünmetallisch glänzende Giftlieferant gehört zu den
Ölkäfern, die durch eine sehr extravagante Kindheit bekannt
sind. Sie wachsen als Parasiten in Wildbienen-Nestern auf. Der
erwachsene Käfer ist in Südeuropa weit verbreitet und frisst
Eschen- und Ölbaumblätter.
Spinat enthält viel Eisen.
Generationen von Kindern wurden (und werden) mit Spinat
gequält, weil er enorm viel Eisen enthalte, was wiederum zur
Blutbildung beitrage. Letzteres stimmt, Ersteres nicht. Ein
Kommafehler in einer der ersten Lebensmitteltabellen, der
später immer wieder abgeschrieben wurde, ist an diesem
besonders hartnäckigen Vorurteil Schuld: Dreißig Milligramm
Eisen sollten in hundert Gramm Spinat enthalten sein. In
Wirklichkeit sind es gerade mal drei Milligramm. Um auf die
empfohlene tägliche Eisendosis von zehn bis fünfzehn
Milligramm zu kommen, muss man also ordentlich Spinat
spachteln...
Dagegen können sich die Spinat-Vitamine durchaus sehen
lassen. Weniger erfreulich ist aber der hohe Oxalatgehalt (der
die Eisenaufnahme in den Körper hemmt) und die besonders für
Kleinkinder nicht ungefährlichen Nitritmengen. Sie bilden sich
in stark nitratgedüngtem Spinat, wenn er nicht schnell nach der
Ernte gegessen oder eingefroren wird. Fazit: Ersparen Sie Ihren
Kindern das Gemüse, wenn sie's nicht mögen.
Spinnen sind Insekten.
Eine gewisse Ähnlichkeit ist schon da und wird auch von den
Zoologen bestätigt. Wie die Insekten gehören die Spinnentiere
zu den Gliederfüßern. Ein Außenskelett aus Chitin und Beine
mit mehreren Gelenken gehören zur Grundausstattung beider.
Ansonsten überwiegen die Unterschiede. Der Einfachheit halber
konzentrieren wir uns auf die eigentlichen Spinnen und lassen
Skorpione, Weberknechte, Milben und einige andere exotische
zur Verwandtschaft der Spinnentiere zählende Tiergruppen
einfach weg. Also: Insekten haben sechs Beine, Spinnen acht.
Insekten bestehen aus drei Körperabschnitten, dem Kopf, der
Brust (an der die Beine sitzen) und dem Hinterleib, Spinnen nur
aus zweien. Insekten haben fast immer Flügel, Spinnen nie -
wenn sie mal fliegen, überlassen sie dem Wind die Arbeit. Im
Altweibersommer sind Millionen von Jungspinnen an langen
Spinnfäden unterwegs. Das namengebende Spinnen allerdings
ist keine exklusive Fähigkeit der Spinnen. Denken Sie zum
Beispiel an die Seide, das Produkt einer Schmetterlingsraupe,
eines Insekts also.
Alle Spinnen bauen Netze.
Langsam bewegt sich die Zebra-Springspinne über den rauen
Putz der Hauswand. Mit ihren riesigen Augen hat sie eine kleine
Fliege im Blick, die sich ahnungslos in der Morgensonne wärmt.
Die letzten Zentimeter überwindet die Spinne im Sprung - ein
echtes Raubtier. Die Giftklauen erledigen den Rest. Derweil
sucht im Blumenbeet eine Biene nach Pollen und Nektar. Auf
einer gelben Blüte fliegt sie direkt in die weit geöffneten Arme
einer Krabbenspinne, ebenfalls gelb gefärbt und dadurch nahezu
unsichtbar. Die Speispinne, in Mitteleuropa nur in Gebäuden
unterwegs, aber (weil nachtaktiv) nur selten zu sehen, schleicht
auf der Suche nach kleinen Insekten oder anderen Spinnen mit
langsamen Bewegungen durchs Dunkel. Entdeckt sie Beute,
richtet sie den Vorderkörper leicht auf und fixiert ihr Opfer aus
Zentimeterentfernung mit einem blitzschnell ausgestoßenen,
zickzackartig verlaufenden Klebfaden am Untergrund.
Nur drei von zahlreichen Strategien, die Spinnen verfolgen,
um Beute zu machen. Was landläufig als "typisch Spinne" gilt,
das wunderschöne, im Morgentau schimmernde Radnetz der
Kreuzspinne nämlich, ist also nur eine Möglichkeit des
Beutefangs unter vielen. Auch Spinnennetze können äußerst
verschieden aussehen. Die Zitterspinnen etwa, häufige
Bewohner von Zimmerecken, bauen lediglich ein unordentliches
Fadengewirr, in dem sich Passanten verheddern. An trockenen,
sonnigen Rainen haust die Tapezierspinne in einem
geschlossenen Seidenschlauch. Krabbelt ein unvorsichtiger
Käfer drüber, schlagen sich die langen Giftklauen der Spinne
durch das Gewebe in seinen Körper. Männchen, die zum Weibe
gehen, vermeiden dieses Schicksal, indem sie mit den Beinen
ein zartes Trommelsolo auf dem Fangschlauch geben.
Spinnweben sind zarte Fäden.
Wenn zart dünn bedeutet, dann sind Spinnweben zart. Die
dicksten Fäden, die der tropischen Seidenspinne Nephila, sind
0,012 Millimeter stark und damit immer noch dünner als ein
Menschenhaar (0,05 bis 0,1 Millimeter). Die dünnsten, die bei
einigen Spinnen-Arten aus einer siebartigen Platte gepresst und
später mit einem Beinkamm zu einem wolligen Kräuselfaden
aufgebürstet werden, sind gerade mal 0,000015 Millimeter dick.
Wenn zart allerdings zerbrechlich bedeutet, dann sind
Spinnfäden nicht zart. Die Stabilität eines Fadens lässt sich in
zwei Werten ausdrücken, in seiner Festigkeit einerseits, in seiner
Dehnungsfähigkeit andererseits. Um ein paar Daten zu nennen
(der erste Wert gibt die Dehnungsfähigkeit in Prozent an, der
zweite Wert die Festigkeit): Glas 3/96, Stahl 8/44, Nylon 22/67,
Spinnfaden 31/100, Wolle 43/20. Ein spinnenfadendünner
Glasfaden ist also zwar nahezu so fest wie ein Spinnfaden, aber
lange nicht so elastisch. Wolle wiederum ist zwar elastischer,
aber nicht so fest. Stahl erreicht weder in seiner
Dehnungsfähigkeit noch in seiner Festigkeit die Fäden einer
Spinne - wobei, das sei angemerkt, nicht alle Fäden gleich stabil
sind. Die Kokonfäden, mit denen Spinnen ihre Gelege
einwickeln, sind weniger fest als die hier verglichenen
Wegfäden, ihr Sicherheitssystem, das sie herstellen, wo sie
stehen und gehen. Man könnte ja mal abstürzen... Spinnenfäden
vereinigen also in idealer und bisher von keiner Technik
erreichten Weise Festigkeit und Elastizität.
Spitzmäuse sind Mäuse.
Dass Mäuse und Spitzmäuse wenig miteinander gemein
haben, wissen sogar die Hauskatzen. Die einen werden
genüsslich verspeist, die anderen zwar erlegt, dann aber
angeekelt liegen gelassen. Zu streng sind Geruch und
Geschmack der Spitzmäuse. Die Gemeinsamkeiten der beiden
"Mäuse" sind schnell aufgezählt. Sie erschöpfen sich weit
gehend in der Mäusegestalt mit kurzen Beinchen und einem
dünnen Schwänzchen, einer leicht hektischen Lebensart und
einer flinkwuselnden Fortbewegung. Die Unterschiede wiegen
schwerer. Die Spitzmäuse haben winzige Augen und Ohren. Sie
orientieren sich mit langen Tasthaaren und vor allem mithilfe
ihrer dauernd schnüffelnden Nase, die zu einem kleinen
beweglichen Rüssel ausgezogen ist. Darunter liegt ein Maul mit
zahlreichen nadelspitzen Zähnen, mit denen Spitzmäuse alles
überwältigen, was sie erwischen können (sofern es nicht größer
ist als sie selbst): Regenwürmer, Käfer, Tausendfüßer, Spinnen,
Asseln. Dagegen sind die echten Mäuse harmlos. Zwar fressen
sie auch ganz gerne gelegentlich Insekten, pflanzliche Nahrung
überwiegt aber bei weitem. Die dank großer Augen und
fehlender Rüsselschnauze niedlicher aussehenden Tiere haben
das typische Nagetiergebiss: Vorne stehen ewig wachsende, sich
beim täglichen Verschleiß selbst schärfende Nagezähne, hinter
einer großen Zahnlücke dann die Backenzahnreihe, die für die
Mahlarbeit zuständig ist.
Der Unterschied zwischen Mäusen und Spitzmäusen spiegelt
sich natürlich auch im System der Zoologen wider. Erstere sind
Nagetiere, Verwandte von Hamster, Meerschweinchen und
Eichhörnchen. Letztere gehören mit Igel und Maulwurf zur
Ordnung der Insektenfresser.
Stallhasen sind zahme Hasen.
Einen Feldhasen zu zähmen hat wohl noch keiner geschafft.
Wird's dem Hasen mulmig, "drückt" er sich, verschmilzt
gleichsam mit dem Boden und wird dadurch fast unsichtbar.
Erst im letzten Augenblick legt er einen furiosen Blitzstart hin
und entkommt dadurch dem verblüfften Feind. Dieses
angeborene Verhalten legen Hasen auch in Gefangenschaft nicht
ab - nur endet ihre Flucht hier bald am Gitter. Panisch werfen sie
sich dagegen und verletzen sich oft schwer. Das Kaninchen
dagegen verschwindet in seinem Erdbau, wenn's brenzlig wird.
Dort fühlt es sich sicher. Vom gemütlichen unterirdischen
Kessel bis zum Stall ist es nur ein kleiner Schritt. Schon die
Römer hielten Kaninchen und sorgten auch dafür, dass die von
der Iberischen Halbinsel stammenden Tiere bald an allen
möglichen Stellen des riesigen römischen Reiches hoppelten.
Unter menschlicher Obhut entstanden dann bereits vor über
fünfhundert Jahren verschiedene Rassen, je nachdem, ob das
Kaninchen im Kochtopf landen oder seinen Pelz abgeben sollte.
Zur Wollgewinnung wurde das Angorakaninchen gezüchtet.
Und natürlich sind auch die niedlichen, als Spielkameraden
beliebten Zwerghasen keine Hasen, sondern Kaninchen.
Alle Stechmücken stechen.
Nur vor den Weibchen der Stechmücken muss man sich in
Acht nehmen, die Männchen sind harmlose Blütenbesucher.
Ihnen genügt, falls sie überhaupt Nahrung aufnehmen, ein
bisschen Nektar als Treibstoff für die Flugmuskulatur. Um Eier
aufbauen zu können, muss aber hochwertigeres Futter her. Das
ist der Grund für den Blutdurst der Weibchen. Auch wenn sie
gewaltig tanken können - eine Mahlzeit kann das Doppelte des
Eigengewichts ausmachen - ist weniger der Blutverlust als der
mit der Injektion gerinnungshemmender Stoffe verbundene
Juckreiz unangenehm. Wirklich gefährlich sind die von
tropischen Arten übertragenen Krankheiten wie Malaria oder
Gelbfieber.
Die Männchen der Stechmücken (nach denen zu schlagen sich
also nicht lohnt) erkennt man übrigens leicht an den
büschelartigen Fühlern. Sie dienen einerseits als Fluggeschwindigkeitsmesser
und helfen andererseits beim Hören,
indem sie auf den von fliegenden Weibchen erzeugten Summton
ansprechen.
Stiere mögen kein Rot.
Das Rote Tuch ist schon sprichwörtlich geworden. Wer einen
Stier reizen wolle, brauche es ihm nur zu zeigen und schon
schäume die blinde Wut und der Tanz gehe los. Nur: Stiere sind
farbenblind.
Die gequälte Kreatur in der Stierkampfarena greift in hilfloser
Verzweiflung alles an, was ihm vor den Nüstern flattert. Und
der Bulle auf der Weide duldet es nicht, wenn man sein Revier
betritt, selbst wenn man sich in Tarnfarben kleidet und Rot
vermeidet.
Der Vogelstrauss steckt den Kopf in den Sand.
Strauße sind schnell, ausdauernd und mit ihren muskulösen,
mit zwei harten Klauen bewaffneten Füßen auch recht wehrhaft.
Keine leichte Beute also. Hat der Strauß Eier, steckt er
allerdings in einem Dilemma. Flieht er vor Gefahr, rettet er zwar
sein Leben, die nicht geringe Investition in seine
Nachkommenschaft aber kann er in den Mond schreiben.
Strauße setzen deshalb auf Tarnung und praktizieren
Arbeitsteilung. Der auffällig schwarzweiße Hahn brütet in der
Nacht, die braune Henne am Tag. Nähert sich Gefahr, gibt es
zwei Möglichkeiten. Entweder schleicht sich die Straußenmutter
vom Nest, um in einiger Entfernung die "lahme Ente" zu
markieren und das interessierte Raubtier dadurch wegzulocken.
Oder sie breitet sich ganz flach über ihre Gelege und zieht auch
den verräterisch langen Hals ein. Den Kopf flach auf den Boden
gelegt, verfolgt sie aufmerksam, ob die Gefahr vorübergeht. Das
und nicht das dümmliche Ignorieren von Gefahren durch Kopfin-
den-Sand-Stecken nach dem Motto: "Was ich nicht sehe,
sieht auch mich nicht" ist die wahre Vogel-Strauß-Politik.
Der Biss der Tarantel ruft eine schwere Krankheit hervor.
Fast alle Spinnen sind giftig. Bis auf wenige Ausnahmen
schaffen es aber die mitteleuropäischen Arten nicht, mit ihren
Injektionsspritzen die menschliche Haut zu durchdringen.
Weiter südlich muss man dagegen schon besser aufpassen. Die
in Erdlöchern lebende Tarantel, eine kräftig gebaute Spinne von
der Größe einer kapitalen Hausspinne, kann schon heftig
zubeißen. Der Schmerz entspricht ungefähr dem nach einem
Wespenstich. Zeitlich und lokal begrenzt wurden dem Biss aber
noch weitreichendere Nebenwirkungen unterstellt. Apulien
wurde zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert vom
"Tarentismus" heimgesucht. Dabei fielen die Menschen - wie
man annahm, nach dem Biss einer Tarantel - wie vom Blitz
getroffen zu Boden und klagten über alle möglichen
Beschwerden. Die Therapie: Musik, bei welcher der Kranke
mehr oder weniger ekstatisch zu tanzen begann, bis die
Krankheit besiegt war - die Geburt der Tarantella, eines
schnellen Tanzes. Medizinhistoriker sehen als Auslöser der
Krankheit nicht die Tarantel, die schon ab 1693 durch
Selbstversuche eines Arztes die Absolution bekam, sondern
schlicht und einfach einen Hitzschlag.
Tauben sind besonders zärtlich.
"Sie turteln wie die Tauben" - das eifrige Bemühen des
rucksend und gurrend um seine Angebetete trippelnden Taubers
wird manchem im Lauf der Jahre etwas schwunglos gewordenen
Liebhaber als leuchtendes Vorbild präsentiert. Als Friedenstaube
avancierte der harmlose Vogel, von der Natur weder mit Krallen
noch mit einem kräftigen Schnabel ausgestattet, gar zum
öffentlichen Symbol. Zu viel des Guten. Wer nur lieb und nett
ist, kann sich auf Dauer nicht durchsetzen. Etwas salopp könnte
man sagen:
Tauben sind auch nur Menschen. In der Auseinandersetzung
um Nistplätze, Reviere und Geschlechtspartner wird heftig
gedroht und notfalls mit Flügelschlägen, Bruststößen und
Schnabelhieben gekämpft, manchmal sogar, bis Blut fließt. Im
Freiland führt das meist sehr schnell zur Flucht des
Unterlegenen. Im Käfig, wo das nicht möglich ist, beobachtete
schon der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad
Lorenz entsetzt, wie ein Täubchen das andere in stundenlanger
Kleinarbeit regelrecht zerfleischte.
Taubnessel und Brennnessel sind nahe Verwandte.
Das einzige, was Brenn- und Taubnessel gemeinsam haben,
sind die kantigen Stängel und die großen, vorne zugespitzten
und am Rand gesägten Blätter. Ein ähnliches Erscheinungsbild
jedoch ist noch kein Zeichen naher Verwandtschaft. Die drückt
sich bei Pflanzen meist im Blütenbau aus und hier könnten die
Unterschiede zwischen den beiden größer kaum sein. Die
Taubnesseln gehören zur großen Familie der Lippenblütler. Ihre
auffällig gefärbten, in eine Ober- und eine Unterlippe geteilten
Blüten sind eine Einladung an Hummeln und Bienen, hier zu
landen. Brennnesseln dagegen haben sehr unauffällige grüne
Einzelblüten in dafür umso auffälligeren dichten Blütenständen
und verlassen sich bei der Bestäubung auf den Wind. Die
Brennnessel-Arten bilden eine eigene Familie und sind nahe
verwandt mit Hopfen und Hanf. Wenn allerdings keine Blüten
zu sehen sind, wird's schwieriger. Die hohen Brennnesseln
wachsen dort, wo Nährstoffe in Hülle und Fülle zur Verfügung
stehen, in sehr dichten Beständen. Lange Ausläufer sorgen für
eine geschlossene Besiedlung und rasche Ausbreitung. Ihre
Blätter sind dunkelgrün, eher schmal, mit einer lang
ausgezogenen Spitze. Die Stängel sind längs gerieft und sehr
faserig. Für unsere Altvorderen war die Brennnessel deshalb
nicht nur "Unkraut", das es unter allen Umständen zu
bekämpfen galt, sondern ein wichtiger Rohstoff für Textilien
(siehe Seite 30). Was heutzutage als Nesselstoff verkauft wird,
wird allerdings aus Baumwolle gefertigt. Die Taubnessel
dagegen hat einen vierkantigen Stängel. Ihre Blätter sind
weniger spitz als die der Brennnessel und dicht mit drüsigen
Haaren besetzt. Die Pflanzen bleiben kleiner und bilden keine
alles andere erstickenden Monokulturen. Und falls es mit der
Unterscheidung überhaupt nicht klappen will, bleibt ja immer
noch der Brenntest.
Ein Tausenfüßer hat 1000 Füße.
Auch viele Tausendfüßer fangen bescheiden an. Während
manche schon als Baby die volle Beinzahl haben, schlüpfen
andere nur mit sechs oder ein paar mehr Beinen aus dem Ei. Bei
jeder Häutung kommen dann neue beintragende Körpersegmente
dazu. Die größten einheimischen Tausendfüßer haben
aber auch ausgewachsen kaum mehr als hundert Beinpaare.
Weltweit liegt der Rekord bei etwa 350 Beinpaaren, sprich
siebenhundert Füßen. Ein echter Tausendfüßer wurde also noch
nicht entdeckt. Paradoxerweise schließt die Gruppe der
Tausendfüßer auch die winzigen Wenigfüßer mit ein, die nur
neun Beinpaare haben.
Kein Lebewesen kann Temperaturen von 100°C ertragen.
Für uns Menschen sind die Grenzen des Lebens sehr eng
gesteckt. Schon kleine Abweichungen von einer Körpertemperatur
von 37 Grad Celsius gelten als Krankheit. Oberhalb
von 42 Grad Celsius ist für uns endgültig Schluss. Für andere
noch lange nicht. Die Extremisten des Lebens finden sich unter
den Archaebakterien. Manche von ihnen fühlen sich erst bei
Temperaturen zwischen sechzig und achtzig Grad Celsius wohl.
Sulfolobus addocaldarius (lat. caldarium = Kochtopf) stirbt
unterhalb von 55 Grad Celsius sogar den Kältetod. Natürliche
"Kochtöpfe" finden sie in heißen Quellen. In solchen des
Yellowstone-Nationalparks und auf glosenden Kohlenhalden
lebt ein anderes Archaebakterium mit dem sprechenden Namen
Thermoplasma acidophilum. Sechzig Grad Celsius und ein pHWert
von 1 bis 2 sagen ihm besonders zu, sozusagen ein heißes
Bad in konzentrierter Schwefelsäure. Normalerweise kocht
Wasser bei 100 Grad Celsius. Nicht jedoch in der Tiefsee, wo es
unter hohem Druck steht und deshalb viel heißer werden kann.
In der Nähe von Tiefseeschloten, die solch überhitztes Wasser
speien, wurden Archaebakterien sogar schon bei 105 Grad
Celsius nachgewiesen.
Termiten sind weiße Ameisen.
Riesige Staaten mit Zehntausenden oder gar Millionen
Bürgern, die von einer Königin und Mutter des ganzen Volkes
regiert werden, haben viele Termiten- und Ameisen-Arten
gemeinsam. Wer genauer hinsieht, entdeckt aber zahlreiche
Unterschiede. Einer ist zum Beispiel, dass im Termitenstaat
Männer und Frauen zusammen wohnen, arbeiten, Futter holen
oder anbauen und die Verteidigung (durch Soldaten und/oder
Soldatinnen) besorgen, während im Ameisenstaat das
Matriarchat herrscht. Auch die Königin wohnt nicht einsam in
der geschützt im Zentrum des Nestes liegenden Königskammer,
sondern in Begleitung ihres Ehegatten, des Königs. Das überaus
komplexe Sozialgefüge bei Termiten und Ameisen muss völlig
unabhängig voneinander entstanden sein, denn beide
Insektengruppen sind nicht näher miteinander verwandt. Die
Ameisen sind (wie Bienen und Wespen) Hautflügler und
durchlaufen eine vollständige Verwandlung. Dazu gehört ein
Puppenstadium, aus dem erst das ganz anders als die Larve
aussehende erwachsene Tier hervorgeht. Die Termiten dagegen
bilden eine eigene Insektenordnung und machen eine
unvollständige Verwandlung durch. Ihre Kinder gleichen den
Erwachsenen von Häutung zu Häutung mehr.
Teufelszwirn ist besonders festes Garn.
Ein dichtes Geflecht bleicher Fäden überzieht die
Brennnesseln, erst auf den zweiten Blick selbst als Pflanze
erkennbar. Der Teufelzwirn ist kein besonders festes Garn und
auch kein Utensil aus der Hexen- und Magierszene, sondern
eine parasitische Pflanze aus der Verwandtschaft der
Windengewächse. Wurzeln fehlen ihr, die Blätter sind zu
kleinen Schüppchen zurückgebildet. Blattgrün, mit dessen Hilfe
Pflanzen Fotosynthese betreiben und energiereiche Zuckerverbindungen
aufbauen, ist nur in Spuren vorhanden. Über
Saugorgane, die direkt in den Wirt geschoben werden, besorgt
sich der Teufelszwirn die nötigen Nährstoffe. Unzweifelhaft
wird seine Pflanzennatur, wenn er blüht. Allerdings sind die
Blüten eher unauffällig. Viele Arten der auch Seide genannten
Parasiten sind ziemlich wirtsspezifisch, was sich auch in ihren
Namen niederschlägt: Nesselseide, Leinseide, Quendelseide
oder Kleeseide.
Tintenfìsche sind Fische .
Der weitaus treffendere Name für diese Tiergruppe lautet
Kopffüßer oder Cephalopoda (was genau dasselbe bedeutet). Er
spielt auf die zahlreichen Tentakel an, die am Kopf dieser Tiere
entspringen und die Mundöffnung umstehen. Eigentlich sind sie
in ersten Linie für die Nahrungsbeschaffung zuständig, aber bei
einigen Kopffüßern dienen sie zusätzlich wie Füße der
Fortbewegung. Prototyp dafür sind die Kraken. Die normale
Fortbewegungsart der Kopffüßer allerdings ist der Düsenantrieb.
Durch eine enge und sehr bewegliche Röhre wird Wasser
ausgepresst. Der Rückstoß treibt das Tier voran.
Um systematisch vorzugehen: Kopffüßer gehören zum Stamm
der Weichtiere oder Mollusken, also in die Verwandtschaft von
Schnecken und Muscheln. Mit den Fischen, die bekanntlich
Wirbeltiere sind, haben sie nicht das Geringste zu tun. Innerhalb
der Kopffüßer lassen sich die altertümlichen Vierkiemer,
heutzutage nur noch durch die Perlboote (Nautilus, siehe Seite
14) vertreten, von den modernen Zweikiemern unterscheiden.
Diese sind wesentlich artenreicher. Bekannt sind vor allem die
Kraken, die Kalmare und die Verwandten des Gemeinen
Tintenfisches Sepia vulgaris, die man sowohl von seiner Paella
am spanischen Urlaubsort als auch (allerdings nur partiell) vom
heimischen Vogelbauer kennt, wo die kalkige Rückenschale, der
Schulp, den Piepmätzen zum Schnabelwetzen dient. Manche
Zoologen bezeichnen die zweikiemigen Kopffüßer als
Tintenschnecken, um den unliebsamen, weil nicht zutreffenden
"Fisch" aus dem Namen loszuwerden. Das mit der Tinte stimmt
dagegen. Der Tintenbeutel wird bei Gefahr geleert. Sepia
betätigt sich dabei als Nebelwerfer und verdrückt sich in der
Deckung einer großen diffusen Tintenwolke. Der Krake
Octopus stößt eine kompakte Tintenwolke aus, die Feinde zum
Zubeißen verleiten soll - in die Tinte. Übrigens heißt die Tinte
nicht nur so, sondern wurde früher auch zum Schreiben
gewonnen und benutzt. Der getrocknete Inhalt des Tintenbeutels
wurde gelöst, und dann mit Salzsäure gefällt. Das braun- oder
grauschwarze Pigment, nach seinem Ursprung Sepia genannt,
diente zur Herstellung von Tuschen.
TROPISCHE Regenwälder sind fruchtbar.
Pflanzen brauchen vier Dinge, um zu gedeihen: Wasser,
Wärme, Licht und Nährstoffe. An den beiden ersten herrscht im
tropischen Regenwald kein Mangel. Bei einem Jahresniederschlag
von mindestens zweitausend Liter pro Quadratmeter
(dreimal so viel wie hierzulande) und einer Temperatur um die
27 Grad Celsius ist üppiges Wachstum vorprogrammiert.
Ausgeprägte Jahreszeiten, die den Pflanzen Ruhepausen
aufnötigen könnten, fehlen. Mit dem Licht ist es schon
schwieriger. Zwar befinden wir uns in der Nähe des Äquators,
wo die Sonne das ganze Jahr hoch am Himmels steht und kein
Winter mit kurzen, dämmrigen Tagen zu befürchten ist. Aber
unter dichten Pflanzen herrscht Schatten. Die tropischen
Regenwälder sind geprägt vom Kampf um das Licht. Wer nicht,
wie die Urwaldriesen, auf eigenen Wurzeln stehend einen Platz
an der Sonne ergattern kann, versucht es mit anderen Methoden.
Lianen schlingen sich an Bäumen empor, Aufsitzerpflanze n
(Epiphyten) keimen hoch oben im Geäst ihrer Wirtsbäume. Am
Boden des Urwalds herrscht Dämmerung. Nur wenn ein alter
Baum fällt und eine Schneise schlägt, dringt genügend Licht
nach unten. Dann entsteht dort für kurze Zeit eine grüne Insel.
Bleibt noch der vierte Faktor, die Nährstoffe. Schon früh ließen
sich Geografen und Bevölkerungskundler angesichts der Fruchtbarkeit
tropischer Böden im indonesischen Java zu optimistischen
Hochrechnungen hinreißen. Ihre Prognose: Eine
milliardenstarke Weltbevölkerung ließe sich ohne weiteres
ernähren, wenn man die Urwälder rodete und unter den Pflug
nähme. Ihr Irrtum: Verführt von der strotzenden Üppigkeit der
tropischen Vegetation und vom Beispiel Javas, wo junge
vulkanische (also sehr nährstoffreiche) Böden anstehen, hatten
sie vorschnell vom Einzelbeispiel aufs Ganze geschlossen. In
anderen Gegenden waren die Erfahrungen nämlich ganz anders.
Zwar fuhr man im ersten Jahr nach der Rodung (meist durch
Brand) noch Rekordernten ein, nach zwei, drei Jahren jedoch
sank der Ertrag derart stark, dass sich der Anbau kaum mehr
lohnte. Die meisten Böden im Bereich der tropischen
Regenwälder sind nämlich tiefgründig verwittert und enthalten
kaum Nährstoffe. Sind die Mineralien aus der Asche der
verbrannten Vegetation verbraucht oder weggeschwemmt,
leiden die Pflanzen Mangel, der nicht einmal durch teuren
Kunstdünger zu beheben ist. Den tropischen Böden fehlen
nämlich bestimmte Tonminerale, die Nährstoffe festhalten
können.
Ein Paradoxon scheint die überwältigende Vegetation, die in
unglaublichem Arten- und Strukturreichtum auf diesen armen
Böden wächst. Des Rätsels Lösung: Die Nährstoffe befinden
sich in den Pflanzen, nicht im Boden. Der Wald ernährt sich aus
sich selbst. Ein raffiniertes Zusammenspiel verschiedener
Lebewesen verhindert den Verlust an Nährstoffen durch
Ausschwemmung. Eine besondere Rolle spielen dabei Pilze, die
mit den Bäumen kooperieren. Sie bauen herabgefallene Blätter
und Äste ebenso schnell ab wie Tierkot und Kadaver und führen
die dabei recycelten Nährstoffe direkt den Baumwurzeln zu, mit
denen sie in enger Verbindung stehen. Eine Einbahnstraße ist
diese Mykorrhiza ("Pilzwurzel") genannte Beziehung nicht. Die
Pilze erhalten im Gegenzug vom Baum zuckerreiche
Verbindungen, die aus dessen Fotosynthese-Stoffwechsel
stammen. Wie bei jeder Symbiose profitieren also beide Partner.
Mit der Rodung eines Stücks Regenwald wird dieses fein
aufeinander abgestimmte System des Gebens und Nehmens
vollständig vernichtet. Damit verschwinden nicht nur ein paar
Baumstämme, sondern das gesamte über Jahrhunderttausende
angesammelte Nährstoffkapital auf Nimmerwiedersehen.
TUKANE sind Pfefferfresser.
Tukane ernähren sich überwiegend von Früchten, die sie mit
ihren mächtigen bunten Schnäbeln abpflücken. Weil der
Riesentukan in Gefangenschaft gelegentlich aber auch mal
Paprikafrüchte verspeist, wurde die ganze Familie früher als
Pfefferfresser bezeichnet. Gemeint ist also nicht der echte
Pfeffer, der zwar heute weltweit in den Tropen angebaut wird,
aber wohl aus Südindien stammt, sondern die auch als
Spanischer Pfeffer bezeichnete Gewürzpaprika. Sie ist in
Südamerika heimisch, wo auch die Tukane vorkommen.
Vampire sind Fabelwesen.
Wer die Begegnung mit echten Vampiren nicht scheut, sollte
seine nächste Reise nicht nach Transsylvanien buchen, sondern
nach Südamerika fahren. Dort leben sie, der Gemeine Vampir,
der Weißflügelvampir und der Kammzahnvampir, die drei
einzigen Fledermaus-Arten, die sich von Blut ernähren.
Geschickt auf allen vieren laufend nähert sich der Vampir einem
Säugetier oder Vogel. Oft sind das Haustiere, es kann aber
durchaus auch mal ein Mensch sein. Mit rasiermesserscharfen
Zähnen schneidet er eine winzige Hautfalte ab und lässt das
austretende Blut mit Hilfe der Zunge in seinen Mund fließen -
eine kleine, fast schmerzlose Operation. Jede Nacht nimmt er
bei einer Zehn-Minuten-Mahlzeit ungefähr vierzig Milliliter
Blut auf, mehr als er selbst mit leerem Magen wiegt.
Gefährlicher als der Aderlass selbst ist bei Weidetieren übrigens
die Übertragung von Tollwut-Viren durch Vampire.
Alle Vögel bauen Nester.
Unglaublich vielfältig sind die Bauwerke der Vögel. Vom
schlampigen Spatzennest bis zum kunstvoll geflochtenen Bau
eines Webervogels, vom offenen Napf einer Amsel bis zur
geschlossenen Kugel einer Schwanzmeise reicht die Skala.
Dabei werden die verschiedensten Materialen verarbeitet. Nicht
nur Halme und Äste sorgen dafür, dass Eier und Nachwuchs es
warm haben und weich liegen. Viele Schwalben bauen ihre
Nester aus Lehm, ebenso der Töpfervogel, dessen Junge in der
großen Tonkugel mit dem seitlich um die Ecke führenden
Eingang sowohl vor Hitze als auch vor Nesträubern gut
geschützt sind. Salanganen formen ihre kleinen Nestnäpfe aus
ihrer eigenen Spucke (siehe Seite 161). Spechte meißeln in
tagelanger Kleinarbeit Baumhöhlen. Das merkwürdige Thermometerhuhn
türmt riesige Komposthaufen auf, in denen es seine
Eier durch die Verrottungswärme ausbrüten lässt.
Auf der anderen Seite: Es geht auch ohne Nest. Woher sollten
zum Beispiel die Kaiserpinguine im ewigen Eis der Antarktis
Nistmaterial nehmen? Sie machen aus dem eigenen Körper ein
Nest, indem sie ihr Ei auf den Füßen balancieren und es mit
einer Bauchfalte einmummeln. Viele am Boden brütende
Nestflüchter - dazu gehören zahlreiche Seevögel - investieren
ebenfalls kaum Arbeit in aufwändige Nestkonstruktionen. Eine
in den Sand gedrehte Mulde, ein paar symbolische Halme oder
dekorative Muschelschalen genügen oft. Schließlich dient das
Provisorium nicht als Kinderstube, sondern nur als Brutstätte.
Die Kleinen sind wenige Stunden nach dem Schlüpfen schon
mit ihren Eltern auf und davon. Völlig auf den Nestbau
verzichten die Falken, die entweder Felsnischen nutzen oder
sich umsehen müssen, ob sie nicht einen günstigen Altbau
beziehen können, ein Krähennest vom Vorjahr etwa. Und
natürlich kommt auch der Kuckuck ganz ohne (eigenes) Nest
aus.
Alle Vögel können fliegen.
"Alle Vögel fliegen hoch!" Einen Vogel zu erkennen, ist
wirklich ein Kinderspiel: Er hat einen Schnabel, er hat Federn,
und wenn's brenzlig wird, fliegt er weg. Tatsächlich treffen die
beiden ersten Merkmale ausnahmslos zu. Das Fliegen jedoch
haben manche Vögel aufgegeben. Die Pinguine zum Beispiel,
die ihre Flügel allerdings noch zum "Flug unter Wasser"
benutzen. Die bekanntesten Fußgänger sind der größte aller
Vögel, der Vogel Strauß und seine Pendants aus Südamerika
(Nandu-Arten), Australien (Emu) und Neuguinea (Kasuar).
Auch die Nationalvögel Neuseelands, die merkwürdigen Kiwis,
haben nur noch winzige Flügelreste, versteckt unter einem
pelzähnlichen Federkleid. Die meisten Nicht-Flieger haben sich
wie die Kiwis auf Inseln entwickelt, auf denen ihnen keine
Feinde das Leben schwer machen. Oder machten, denn im
Gefolge des Menschen sind oft Ratten, Katzen, Marder oder
Füchse aufgetaucht. Kein Wunder, dass viele der wehrlosen
Vögel schnell ausstarben oder extrem selten geworden sind. Oft
hat auch der Mensch selbst nachgeholfen. Der pinguinähnliche
Riesenalk des Nordatlantiks landete ebenso im Kochtopf wie die
berühmte Dronte, ein truthahngroßer Vogel von Mauritius, von
dem außer einigen mumifizierten Körperteilen und skurrilen
Bildern nichts übrig blieb.
Nur Vögel haben Federn.
Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, ist das eine
Binsenweisheit. Schließlich weiß jeder, dass alle Vögel Federn
haben und dass ausschließlich die Vögel, und nicht etwa auch
noch andere Tier-Arten, befiedert sind. Kompliziert wird es erst,
wenn wir einen Blick in die Vergangenheit werfen. Der Urvogel
Archaeopteryx, der vor 140 Millionen dort flatterte, wo heute
Bayern liegt (von dem damals noch keiner sprach), ist an den
bei einigen Funden hervorragend erhaltenen Federabdrücken
zwar deutlich als Vogel erkennbar. Manche Urvögel mit sehr
schlecht erhaltenen Federn wurden allerdings erst nachträglich
identifiziert. Ihre Reste schlummerten in Museumsschubladen,
einsortiert bei den Reptilien. Am Skelett des Urvogels gibt es
nämlich kein einziges Merkmal, das nicht auch bei kleinen
Sauriern nachgewiesen ist. Wäre das Evolutions-Experiment
Archaeopteryx & Co nicht so erfolgreich verlaufen und gäbe es
heute keine Vö gel, würden Paläontologen den Urvogel ohne
größere Bauchschmerzen als merkwürdigen kleinen Saurier
klassifizieren. Noch schwieriger wird die scheinbar so einfache
Sache mit den Federn durch weitere Funde gefiederter Echsen
aus der Zeit kurz nach Archaeopteryx, die in den letzten Jahren
in China gelangen. Waren die Vögel also gar nicht das einzige
Federvieh der Erdgeschichte?
Alle Zugvögel fliegen nach Afrika.
Natürlich ziehen die amerikanischen Brutvögel ein Winterquartier
in Mittel- und Südamerika vor. Aber selbst wenn wir
den Blickwinkel auf unsere heimische Vogelwelt verengen,
stimmt das nicht. Denn bei weitem nicht alle Zugvögel gehören
zu den Fernwanderern wie der Storch, der im westlichen und
südlichen Afrika überwintert und im letzteren Fall zweimal im
Jahr über 10 000 Kilometer zurücklegen muss. Zahlreiche Arten
sind Kurzstreckenzieher, die damit lediglich den Härten des
Winters ausweichen. Das geht in Europa (wie wir alle wissen -
Mallorca lässt grüßen) schon an den Gestaden des Mittelmeers.
Viele dieser Vogel-Arten ziehen aber weniger nach Süden als
nach Westen. Denn im vom Meer geprägten Westeuropa mit
seinen milden Wintern lässt es sich schon gut aushalten. Manche
Mönchsgrasmücken, traditionell Überwinterer in Südeuropa,
haben in den letzten Jahren sogar England als Winterquartier
entdeckt und ziehen im Herbst nach Nordwesten statt in den
Süden.
Nicht immer nehmen Zugvögel den kürzesten Weg. Während
viele Kleinvögel das Mittelmeer nonstop überfliegen, machen
Störche und viele Greifvögel den Umweg über Gibraltar oder
den Bosporus. Die spezialisierten Segelflieger bedienen sich
lieber der Thermik über dem Festland, statt im kräfteraubenden
Schlagflug übers Meer zu ziehen. Schwieriger zu erklären ist der
weite Weg des Steinschmätzers. Der in ganz Europa und
Nordasien verbreitete Kleinvogel brütet auch in Nordamerika,
und zwar in Alaska und Ostkanada. Alle Steinschmätzer
überwintern in Afrika, auch die "Amerikaner", obwohl in
Südamerika geeignete Winterquartiere viel näher lägen. Dabei
wandern die Brutvögel aus Alaska nach Südwesten durch ganz
Sibirien, während die Kanadier, ebenso wie die Brutvögel
Grönlands und Islands, nach Südosten fliegend den Atlantik
überqueren. Wahrscheinlich vollziehen die Steinschmätzer mit
ihrer Zugroute jedes Jahr die nacheis zeitliche Eroberung ihrer
heutigen Brutgebiete nach.
Bei Vögeln sind Männchen immer schöner als Weibchen.
Abgesehen davon, dass Schönheitsempfinden subjektiv ist
und manchem vielleicht das vornehm dezente Muster der
Auerhenne besser gefällt als das protzig prangende Gefieder des
Hahns, lässt sich doch feststellen, dass das buntere und
auffälligere Geschlecht bei den Vögeln gewöhnlich das
männliche ist. Das hängt mit der Rollenverteilung bei Balz und
Brut zusammen. Männer übernehmen bei der Werbung meist
den aktiven Part, stellen sich zur Schau und spreizen sich vor
der holden Weiblichkeit, die dann die Wahl trifft - und nachher
oft den Hauptteil des Brutgeschäfts übernimmt.
Besonders exotisch gefärbt sind Männchen von Arten, die
sich in Balzarenen treffen und dort konkurrieren. Kampfläufer
zum Beispiel, bei denen jedes Männchen eine verschieden
gefärbte Halskrause hat, oder Paradiesvögel, das Nonplusultra,
was Gefiederfarbe, Federschmuck und skurrile Verhaltensweisen
anbelangt. Solche Unterschiede gibt es aber nicht
überall. Bei zahlreichen Vogel-Arten sind die Geschlechter
gleich gefärbt und, falls überhaupt, nur an winzigen Details zu
unterscheiden. Reiher, Störche, Gänse, viele Greifvögel,
Möwen, Seeschwalben, zahlreiche Watvögel, Tauben, Eulen,
aber auch Singvögel wie Rotkehlchen, Laubsänger oder Krähen
gehören zu dieser Gruppe. Und schließlich gibt es noch die
wenigen Fälle, in denen die Rollen vertauscht sind. Beim
Odinshühnchen und Thorshühnchen, trotz dieses Namens keine
Hühner-, sondern Watvögel des hohen Nordens, sind die
Weibchen prächtiger als die Männchen. Sie balzen und
übernehmen die Initiative bei der Begattung. Das nicht sehr
aufwändig gestaltete Nest wird überwiegend vom Männchen
gebaut, das auch das ganze Brutgeschäft erledigt - bis auf das
Eierlegen selbst natürlich. Damit ist die Partnerschaft auch
schon am Ende. Das Interesse des Männchens an seinem
Weibchen erlischt schlagartig, es konzentriert sich nun ganz auf
seine neue Aufgabe als Vater. Derweil hat seine Holde das
Brutgebiet meist schon längst verlassen.
WAL ist die Kurzform von Walfisch.
Dass Wale keine Fische sind, sondern Säugetiere, ist heute
(fast) jedem geläufig. Aber wie oft rutscht uns in unbedachten
Momenten der verräterische "Walfisch" heraus! Zu frappierend
ist die äußere Ähnlichkeit der Meeressäuger mit den Fischen,
eine Übereinstimmung allerdings, die nicht auf naher
Verwandtschaft, sondern auf gleich gerichteter Anpassung an
den Lebensraum Meer beruht. Die Evolution belohnt Energiesparer,
und die elegante Spindelform mit Heckantrieb (bei
Fischen mit einer senkrechten Schwanzflosse, bei Walen mit der
typischen waagerechten Fluke) ist für schnelle Hochseeschwimmer
optimal. Strömungsgünstiger können auch Techniker
nicht konstruieren. Unter der extravaganten Verpackung
entpuppt sich der Wal aber als typisches Säugetier mit einer
Lunge und warmem Blut. Statt eines Fells, das bei einem
dauernd im Wasser lebenden Tier nutzlos wäre, besorgt eine
Fettschicht die nötige Isolation. Wale wachsen im Mutterleib
heran und werden in den ersten Lebensmonaten gesäugt mit
einer Milch, die fünfzig Prozent Fett enthält (zum Vergleich:
Sahne hat nur fünfundzwanzig bis dreißig Prozent). In den
Vorderflossen der Wale verbergen sich altbekannte Knochen:
Schulterblatt, Oberarm, Elle und Speiche, Finger. Hinterbeine
sucht man allerdings vergebens. Bei frühen Walen äußerlich
noch sichtbar, sind sie im Lauf der Evolution verschwunden. Bei
den heutigen Walen erinnert nur noch eine äußerlich nicht
sichtbare Knochenspange, der Rest des rückgebildeten Be ckens,
daran, dass Wale vierbeinige Vorfahren hatten. Ganz funktionslos
ist der kleine Knochen aber noch nicht. Zumindest beim
Pottwal sitzt daran ein Teil der Muskulatur, die den Penis
aufrichtet. Schließlich benehmen sich Wale auch in intimen
Stunden ganz so, wie es sich für Säugetiere gehört...
Wale blasen beim Auftauchen Wasser aus.
Aus der Tiefe des Meeres taucht ein gewaltiger Körper auf.
Kaum hat der Wal die Wasseroberfläche erreicht, stößt er eine
hohe Wasserfontäne aus - jedenfalls in Comics und Trickfilmen.
In Wirklichkeit ist alles heiße Luft. Wie jedes andere Säugetier
hat auch der Wal eine Nasenöffnung. Allerdings liegt sie an
einer unkonventionellen Stelle: Im Lauf der Evolution ist sie
von vorne nach oben gewandert. Nach einem langen Tauchga ng
wird die verbrauchte, warme Atemluft mit lautem Zischen unter
hohem Druck ausgestoßen. Was dann passiert, kennt jeder aus
eigener winterlicher Erfahrung: In der kühlen Umgebung
kondensiert der Wasserdampf und es entsteht eine Wolke, bei
Walen "Blas" genannt. An dessen Größe und Form lassen sich
einzelne Wal-Arten sogar unterscheiden. Beim Blauwal schießt
der Blas in Form einer hohen dünnen Säule neun Meter empor.
Der Grauwal erzeugt mithilfe seiner beiden Nasenlöcher eine
doppelte, der Pottwal, der nur ein Blasloch hat, eine einzelne,
schräg nach vorn weisende Wolke.
Wale sind riesig.
Zwar stellen Wale mit dem Blauwal (bis 33 Meter Länge) und
dem Finnwal (bis 25 Meter) die größten Tiere der Erde .
Das heißt aber noch lange nicht, dass Wale
ausnahmslos riesig groß sind. Schauen wir an das andere Ende
der Größenskala der ungefähr neunzig Wal-Arten. Hier sind es
die vier Schwarz-Weiß-Delfin-Arten der Gattung Cephaiorhynchus,
die keine eineinhalb Meter lang werden. Der Jacobita, der
Chile-Delfin, der Heavyside-Delfin und der Hector-Delfin,
überaus aparte, schwarz und weiß gefärbte Erscheinungen,
passen mit diesen Maßen sogar noch in eine Badewanne.
Artgerechte Haltung wäre das allerdings nicht. Die Jacobitas
können mit siebzig Kilometer pro Stunde durch das Wasser
sausen. Wer diese winzigen Wale beobachten will, muss auf die
Südhalbkugel reisen. Aber auch der einzige regelmäßig in
einheimischen Gewässern der Nordsee kreuzende Wal, der
Schweinswal (Phocaena phocaena), ist mit eineinhalb bis knapp
zwei Meter Länge und 54 bis 65 Kilogramm Masse ein
Leichtgewicht unter den Walen.
Wale und Delfine gehören zu verschiedenen Tiergruppen.
Zwischen den elegant durchs Wasser schießenden, verspielten
Delfinen und den ruhig die Ozeane durchpflügenden
Riesenwalen scheinen Welten zu liegen, und doch sind Delfine
nichts anderes als kleine Wale. Leicht erkennbar ist das zum
Beispiel an der waagerechten Schwanzflosse, dem Blasloch und
den zu Flossen umgebildeten Armen. Im streng hierarchischen
System der Biologen bilden die Wale eine Ordnung der
Säugetiere. Die ungefähr neunzig Wal-Arten wiederum lassen
sich in Bartenwale (zehn Arten) und Zahnwale (etwa achtzig
Arten) unterteilen. Zu Ersteren, die ihre überwiegend aus
Plankton-Krebsen (Krill) bestehende Nahrung mit hornigen
Barten aus dem Wasser seihen, gehören die Riesen der Meere,
angeführt vom bis 33 Meter langen Blauwal. Noch der kleinste
Bartenwal, sinnigerweise Zwergglattwal genannt, wird fünf bis
sechs Meter lang. Die meisten Zahnwale sind kleiner als die
Bartenwale (der bis zu zwanzig Meter lange Pottwal ist die
Ausnahme). Ihnen steht der Sinn nach Habhafterem. Sie jagen
Fische und Tintenfische, der Schwertwal auch Robben und
andere Wale. Die Delfine, mit zwanzig Arten die
umfangreichste Familie der Wale, werden zwischen 1,2 und
viereinhalb Meter lang.
Vor strengen Wintern bilden Waldbäume viele Samen.
Ob ein Baum fruchtet oder nicht, hängt eher vom
vergangenen Frühjahr ab als vom kommenden Winter. Gutes
Flugwetter für die Pollen - die meisten heimischen Waldbäume
sind windbestäubt - ist eine Voraussetzung für reichen
Fruchtansatz. Auch die Kondition des Baumes spielt eine Rolle.
Eine Buche oder eine Eiche mit ihren großen, energiereichen
Samen kann sich nicht jedes Jahr voll verausgaben. Bei einer
Lebensdauer, die in die Jahrhunderte geht, ist das auch
überhaupt nicht nötig. Alle paar Jahre eine "Vollmast" genügt
vollauf. Der unregelmäßige Rhythmus der Samenproduktion hat
noch einen weiteren, wichtigen Vorteil: Er vermindert die
Verluste durch Pflanzen fressende Insekten. Viele Insekten sind
nämlich auf die Samen bestimmter Baumarten spezialisiert. Der
Eichelbohrer zum Beispiel, ein kleiner Rüsselkäfer, hat seine
Kinderstube in der Eichel. Gäbe es Jahr für Jahr ein hohes
Angebot an Eicheln, wäre das ein gefundenes Fressen für den
Eichelbohrer. Er könnte einen hohen Bestand aufbauen und
halten. Folgen aber mehrere magere Jahre aufeinander, können
sich jeweils nur wenige Käfer fortpflanzen. Einer plötzlichen
Eichelschwemme in einem Mastjahr stehen dann nur ein paar
Käfer gegenüber, die das riesige Angebot nicht nutzen können -
der Baum hat seinem Schädling ein Schnippchen geschlagen!
Kranke Bäume halten sich allerdings oft nicht an diese Regel.
Sie fruchten nicht selten jährlich, eine Art "Witwe-Bolte-
Effekt". Sie erinnern sich: Jede legt noch schnell ein Ei, und
dann kommt der Tod herbei.
Der Ausdruck "Mast" stammt übrigens aus einer Zeit, in der
die Schweine noch in den Wald getrieben wurden. Ein Mastjahr
mit vielen Bucheckern und Eicheln gab fette Schweine.
Die krautigen Pflanzen des Waldbodens sind Schattenpflanzen.
Alle Pflanzen brauchen Licht zum Leben (von wenigen
Parasiten mal abgesehen). Trotzdem stehen nicht alle gerne in
der prallen Sonne. Dort nämlich kann Wasser knapp werden.
Wenn die Pflanzen nicht gerade im Sumpf stehen, müssen
aufwändige verdunstungshemmende Maßnahmen das Austrocknen
verhindern. Im Schutz der Bäume kann man sich solche
sparen. Hier bleibt der Boden meist feucht. Dafür wird Licht zur
Mangelware. Unter den geschlossenen Baumkronen erreichen
nur wenige Prozent des Lichtes den Untergrund - zu wenig für
viele Pflanzen am Waldboden. Die Lösung des Dilemmas: In
Laubwäldern dehnt sich ein Blütenteppich aus Buschwindröschen,
Schlüsselblumen und Blausternen aus, solange die
Sonnenstrahlen ungehindert auf den Waldboden fallen, bevor
die Bäume ausschlagen also. Wenn die Bäume dann oben dicht
machen, ist unten alles schon gelaufen. Die unterirdischen
Speicherorgane sind für die nächste Saison gefüllt und Samen
gebildet.
Im Schatten dichter "Fichtenäcker" fehlt Unterwuchs dagegen
völlig. Den Lichtblick im Frühjahr gibt es hier nicht. Denn unter
den immergrünen, eng gepflanzten Nadelbäumen reicht das
Licht auch für "Schattenpflanzen" nicht zum Leben.
Wenn der Waldkauz ruft, kündet er den nahen Tod an.
Als die Menschen noch mit den Hühnern zu Bett gingen, war
die Welt nachts dunkel. Keine Straßenlaternen, keine
Leuchtreklame, keine hellen Fenster. Kerzen brannten allenfalls
noch am Bett schwer Kranker, die nächtlicher Pflege bedurften.
Licht aber zieht Nachtfalter magisch an. Warum, wissen wir bis
heute nicht genau. Aber wir können davon ausgehen, dass sich
früher, als Lichter viel knapper und Falter viel häufiger waren,
an einsamen Leuchtquellen ganze Wolken von Schmetterlingen
einfanden. Und natürlich auch ein paar Schmetterlings-
Liebhaber: Fledermäuse, Spitzmäuse, die die Abgestürzten
einsammelten, Steinkäuze und Waldkäuze. Und wenn Letztere
dann noch ihr durchdringend lautes "kjuwitt", also "komm mit",
ertönen lassen und im Verlauf der nächsten Ta ge, gar nicht so
unwahrscheinlich, der Todkranke stirbt - na, da kann man doch
fast verstehen, dass unseren Altvorderen der Ruf des
"Totenvogels" durch Mark und Bein ging!
Walnüsse sind Nüsse.
Als Nuss darf sich von Rechts wegen nur bezeichnen, was
außen eine harte Schale hat. Das ist bei der Walnuss zwar der
Fall, wenn sie auf dem Markt verkauft wird, nicht aber, wenn sie
noch am Baum hängt. Dann ist sie nämlich in eine grüne
fleischigfaserige Hülle verpackt, die erst zur Fruchtreife
aufspringt und die "Nuss" freigibt. Das Ganze nennt sich,
botanisch korrekt, einsamige Steinfrucht. Dass auch Pflaumen,
Pfirsiche und Holunder"beeren" Steinfrüchte sind, verblüfft
zunächst. Aber hier umgibt ebenfalls das Fruchtfleisch einen
harten Kern, der den Samen einschließt. Und die Kokosnuss?
Auch hier Fehlanzeige: Wie die Walnuss (und aus den gleichen
Gründen) wird sie als einsamige Steinfrucht bezeichnet. Nur die
Haselnuss enttäuscht uns nicht. Wenigstens sie findet auch vor
dem strengen Auge des Botanikers Gnade: eine echte Nuss.
Alle Wanzen saugen Blut.
"Flöh' und Wanzen gehören auch zum Ganzen". Ob Goethe
damit resignierend die Realität bedichtet oder schon ganz
moderne Einsichten in ökologische Zusammenhänge? Ihr
Blutsauger-Image verdanken die Wanzen vor allem der
flügellosen Bettwanze, die nächtens aus Matratzenritzen
krabbelnd unschuldige Schläfer ansticht. Verbesserte Hygiene
setzte dem zu Goethes Zeiten noch weit verbreiteten Ungeziefer
schwer zu. In Mitteleuropa eine Bettwanze zu finden, ist
inzwischen ein echtes Kunststück. Vor Menschenblut saugenden
Wanzen muss man bei uns deshalb keine Angst mehr haben.
Südamerikareisende dagegen sollten sich vor Raubwanzen
hüten. Sie können einen gefährlichen parasitischen Einzeller
übertragen, der die Chagas-Krankheit hervorruft.
Zwar haben alle Wanzen einen Stechrüssel. Sehr viele Arten
saugen damit aber nur Pflanzensäfte. Die räuberisch lebenden
Arten erbeuten ganz überwiegend andere Insekten. Manche
spielen deshalb auch bei der biologischen Schädlingsbekämpfung
eine wicht ige Rolle.
Waschbären waschen ihr Futter, bevor sie es fressen.
Eigentlich müsste er nicht Waschbär, sondern "Tastbär"
heißen. Ohne genau hinzusehen tastet er mit den Pfoten im
seichten Wasser kleiner Bäche nach Beute, sucht in Ritzen,
Spalten und unter Steinen nach Krebsen, Würmern, Schnecken
oder Insektenlarven. Was er erbeutet, wird beschnuppert und,
falls essbar, gründlich durchgekaut. Den Waschzwang scheinen
nur gefangene Waschbären zu entwickeln, die sich dieser von
ihnen bevorzugten Art des Beutefangs nicht hingeben können.
Sie beginnen, ersatzweise Futter ins Wasser zu werfen und zu
"waschen", oder führen sogar die entsprechenden Bewegungen
als reine Trockenübung durch, wenn Wasser ganz fehlt.
Ohne Wasser gibt es keine Frösche.
Frösche lieben das Wasser. Das heißt aber nicht, dass sich
jeder Frosch nur wohl fühlt, wenn ihm das Wasser bis zum Hals
steht. Einen richtigen Wüstenfrosch gibt es in der Sonorawüste
Nordamerikas. Der Schaufelfuß überdauert, metertief eingegraben
in Höhlungen, die er mit Schleim auskleidet, elf Monate
Trockenheit. Das Trommeln des Regens auf der Erdoberfläche
erweckt ihn zum Leben. Jetzt geht's in Windeseile um die beiden
wichtigsten Dinge der Erde: Fressen und Sex. Eine einzige
Nacht im Jahr schallt ein vielstimmiges Froschkonzert durch die
Wüste, dann wird gelaicht.
Dort, wo der Gesprenkelte Kurzkopffrosch lebt, geht es sogar
noch extremer zu. In der südafrikanischen Küstenwüste regnet
es so gut wie nie. Feuchtigkeit bringt nur der Nebel. Die Frösche
"trinken" das kondensie rte Wasser durch die Haut. Selbst die
Kinder dürfen nie schwimmen. Ihre Eier, aus denen direkt kleine
Fröschchen schlüpfen, legen die Weibchen in den Sand und
decken sie zum Schutz gegen Austrocknung mit einer Schicht
unbefruchteter Eier ab.
Holz schwimmt immer auf dem Wasser.
Mit Wasser vollgesaugt, sinkt fast jedes Holz. Selbst
Balsaholz, in trockenem Zustand mit einem spezifischen
Gewicht von 0,18 fünfmal leichter als Wasser, geht dann unter.
Ungewöhnlich ist aber Holz, das selbst in trockenem Zustand
nicht schwimmt. Sein sprechender Name: Eisenholz. So werden
die Hölzer einiger Baum-Arten bezeichnet, die alle extrem
schwer und hart sind. Zum Teil lassen sie sich nur maschinell
bearbeiten, mit Äxten steht man ihnen machtlos gegenüber.
Genutzt werden sie heutzutage für Eisenbahnschwellen,
Telegrafenmaste, Turngeräte und - Geigenbögen. Ihre Dichte
kann bis zu 1,4 Gramm pro Kubikzentimeter betragen, womit
sie fast den eineinhalbfachen Wert von Wasser erreichen. Klar,
dass sie untergehen wie ein Stein. Trotzdem bauten die
Polynesier früher Kanus aus solchem Holz, weil es sehr
widerstandsfähig ist. Ihre zweite Verwendung für das eisenharte
Holz: Streitkolben.
Wasserflöhe sind Insekten.
In Größe und Form bestehen zwar gewisse Ähnlichkeiten,
aber ansonsten sind der eigentliche Floh, ein blutsaugendes
Insekt, und der Wasserfloh, ein kleiner Krebs, nur sehr entfernt
miteinander verwandt. Der Gemeine Wasserfloh ist drei bis vier
Millimeter lang und schwimmt hüpfend (eine weitere Parallele
zum Floh) mithilfe seiner langen, gefiederten Antennen in
Teichen und Tümpeln. Die eigentlichen Beine sitzen in der
glasartig durchsichtigen, zweiklappigen Schale, die den ganzen
Körper umhüllt. Mit ihnen filtert der kleine Krebs Plankton-
Algen aus dem Wasser.
Weberknechte sind echte Spinnen.
Die Langbeine mit dem Kugelkörper sind ohne Zweifel
Spinnentiere, wie ein schnelles Abzählen der acht Beine
bestätigt, zwischen denen der kugelförmige und erst auf den
zweiten Blick als zweigeteilt erkennbare Körper aufgehängt ist.
Aber in die Ordnung der Echten Spinnen oder Webspinnen
(Araneae) gehören die Weberknechte oder Kanker nicht. Ihnen
fehlen Spinndrüsen ebenso wie die für die Webspinnen
charakteristischen Giftdrüsen an den Zangen der rechts und
links der Mundöffnung stehenden Cheliceren. Dafür haben
Kanker Stinkdrüsen zur Verteidigung. Apropos acht Beine: Oft
begegnet man auch Weberknechten, die weniger als diese für
Spinnentiere vorgeschriebene Anzahl aufweisen. Das hängt
damit zusammen, dass Weberknechte bei Feindberührung Beine
abwerfen. Ein eigenes Erregungszentrum lässt das geopferte
Beinchen noch eine halbe Stunde zucken. Eine gute Ablenkung
für Spinnenjäger, die es dem verfolgten Weberknecht nicht
selten erlaubt, sich klammheimlich auf den restlichen sieben
(oder sechs, fünf, vier, drei) Beinen zu verdrücken.
Nur Weibchen gebären Junge.
Das weibliche Geschlecht ist durch die Produktion von
Eizellen definiert. Insofern dürfte es von der Regel, dass die
Weibchen die Kinder gebären, keine einzige Ausnahme geben.
Gibt es aber doch: Bei den Seepferdchen winden sich beide
Partner in einem komplizierten Paarungstanz umeinander. Dabei
übergibt das Weibchen seine Eier. Das Männchen besamt sie
und versorgt sie in einer Bruttasche am Bauch, die nur eine
kleine, durch einen Muskel verschließbare Öffnung hat. Erst
wenn die Jungtiere das Larvenstadium hinter sich haben, werden
sie unter wehenartigen Erscheinungen aus der Tasche gepumpt.
Vermutlich wird die Geburt, wie es für "normale" Geburten
durch weibliche Tiere üblich ist, durch ein Hormon ausgelöst.
Noch viel extravaganter geht es beim südamerikanischen
Darwin-Nasenfrosch zu. Hier legt ein Weibchen zwanzig bis
vierzig Eier, die von mehreren Männchen befruchtet und
bewacht werden. Später nimmt jeder der Väter einige Eier ins
Maul und verstaut sie im Kehlsack. Dort schlüpfen die
Kaulquappen, die zunächst von ihren Dottervorräten leben,
später vermutlich aber auch vom Vater eigens hergestellte
Nährflüssigkeit aufnehmen. Erst nach der Umwandlung zu
kleinen Fröschen gehen sie, nachdem sie durch den Mund
"geboren" wurden, ihrer Wege.
Der Weihnachtsstern hat große rote Blütenblätter.
Die großen roten "Blüten" der Weihnachtssterne sind richtige
Hingucker, schon von weitem leuchten sie einem entgegen. Und
genau das ist ihre Aufgabe: Die Anlockung von Insekten, die die
Blüten bestäuben sollen. Nur wer genauer hinsieht, entdeckt den
Trick des Weihnachtssterns (den so oder ähnlich viele Pflanzen
anwenden): Es sind gar nicht die Blüten, die hier Reklame
machen, sondern rot gefärbte Laub- oder Hochblätter, zwischen
denen klein und unauffällig die eigentlichen Blüten dieses
Wolfsmilchgewächses stehen. Sind die Insekten erst mal vor
Ort, finden sie die Nektarquelle natürlich und bestäuben den
Weihnachtsstern.
Der Weissstorch bringt die Kinder.
Meister Adebar heißt er in Niederdeutschland. "Bar" bedeutet
"Träger" - schon mit diesem alten Namen wird auf den Storch
als Kinderbringer angespielt, der die Neugeborenen im Schnabel
trägt. Neben der Schwalbe gilt vor allem der Storch als
klassischer Frühlingsbote. Als Bringer neuen Lebens nach dem
langen Winter war er den Germanen Götterbote, heiliger Vogel
Donars, Sinnbild göttlichen Segens. Hier dürften die Wurzeln
der weit verbreiteten Legende vom Nachwuchs bescherenden
Storch liegen. Wobei sich um die Störche noch viel mehr
verschiedene Geschichten ranken, kein Wunder bei einem so
auffälligen Vogel, der sich dem Menschen enger als alle anderen
angeschlossen hat. Störche auf dem Haus bringen nicht nur
Kindersegen, sondern weiteres Glück und Wohlstand, sie
schützen vor Blitzschlag und Feuer oder ahnen wenigstens,
wenn solches bevorsteht und warnen dann durch Spektakel oder
den Abtransport ihrer Jungen. Umgekehrt meiden sie Häuser, in
denen Unfrieden herrscht. Und beziehen sie im neuen Jahr das
alte Nest nicht wieder, ist das ein schlechtes Omen. Andernorts
spielt der Storch die Rolle des Osterhasen. Und wem das alles
zu viel ist, dem bleibt immer noch der Stoßseufzer: "Erzähl mir
doch keinen vom Storch!"
Weizenkörner aus der Pharaonenzeit sind noch keimfähig.
Viele Pflanzensamen sind gegen Kälte, Hitze und Trockenheit
weit gehend gefeit. Jahre- oder jahrzehntelang schlummern sie
im Boden und warten auf ihre Stunde. Berühmt ist die Wüste,
die über Nacht ergrünt, nachdem einer der seltenen Regengüsse
niedergeprasselt ist. Wie lange ein Samen keimfähig bleibt, ist
von Art zu Art sehr unterschiedlich. Pflanzen des tropischen
Regenwaldes haben es nicht nötig, längere Durststrecken zu
überdauern. Ihre Samen bleiben oft nicht einmal ein Jahr am
Leben. Viele unserer einheimischen Pflanzen dagegen können
im Boden unter weit gehendem Sauerstoffabschluss ein- bis
zweihundert oder sogar noch mehr Jahre überdauern. Das
erklärt, warum manche in einem Gebiet verschollen geglaubte
Pflanze plötzlich wieder auftauchen kann. Der Überlebens-
Rekord? Ein heißer Anwärter ist die Lotosblume, bei der auch
ein tausendjähriger Samen noch austreiben können soll. Der
Weizen gehört allerdings nicht zu den Spitzenreitern. Nach zehn
Jahren ist Schluss. Dass es in dem Topf, in dem versuchshalber
einige der uralten Getreidekörner aus dem Grabe des
ägyptischen Pharaos Tutench-Amun (gestorben 1337 v. Chr.)
ausgesät worden waren, bald grünte, stimmt aber. Nur war es
nicht der antike "Mumienweizen", der da keimte, sondern eine
höchst neuzeitliche schlichte Quecke, die sich in die Probe
eingeschmuggelt hatte.
Nur der Mensch verwendet Werkzeuge.
Als der Mensch widerstrebend von seiner biologischen
Sonderrolle Abschied nehmen und sich als Teil des Tierreichs
begreifen musste, besann er sich um so intensiver auf Merkmale
und Eigenschaften, die seine Ausnahmestellung unter den
Tieren rechtfertigen sollten. Dabei spielten die Werkzeuge eine
entscheidende Rolle. Auf sie gründen sich die ersten fassbaren
Kulturen der (nicht von ungefähr so genannten) Steinzeit. Und
es ist auch nicht ganz zufällig, dass die Grenzlinie zwischen den
frühen Vormenschen Australopithecus und den Frühmenschen
unserer eigenen Gattung Homo genau an dieser Stelle gezogen
wurde. Lange galt Homo habilis, wörtlich übersetzt der
"befähigte Mensch", als erster eigentlicher Mensch und Vorfahr
aller späteren Menschenformen. Zusammen mit seinen Resten
wurden grob behauene Steinwerkzeuge gefunden.
Diese Vorbemerkung ist notwendig, um die Bedeutung der
Werkzeug-Diskussion verstehen zu können. Es hat sich nämlich
herausgestellt, dass Werkzeuggebrauch zwar selten ist, aber
durchaus nicht auf den Menschen beschränkt. Ebenso notwendig
ist aber auch, festzulegen, was denn nun unter Werkzeuggebrauch
genau zu verstehen sei. Im Lehrbuch hört sich das so
an: Werkzeuggebrauch sei die "Anwendung externer Objekte
zur funktionalen Erweiterung des Körpers, um ein unmittelbares
Ziel zu erreichen". Schleudert ein Schmutzgeier ein Straußenei
gegen einen Stein, um es zu knacken, liegt kein Werkzeug-
gebrauch vor, sehr wohl aber, wenn er den Stein gegen das Ei
schleudert. Schubbert sich der Elefant am Baum, benutzt er kein
Werkzeug; kratzt er sich mittels eines Stockes am Rücken, ist
der Stock ein Werkzeug.
Bekannte Werkzeugbenutzer sind die Spechtfinken von
Galapagos. Sie nehmen einen abgebrochenen Kaktusstachel in
den Schnabel und stochern mit ihm in Rindenritzen und
Löchern, um Insekten und deren Larven zu erbeuten. Man ist
sogar geneigt, dem Vogel nicht nur Werkzeuggebrauch, sondern
auch Intelligenz zuzugestehen. Schließlich ist dieses Verhalten
nicht komplett angeboren; es beruht wenigstens zum Teil auf
komplexen Lernprozessen. Ein zweites Beispiel: die Seeotter
der nördlichen Pazifikküste. Sie tauchen im Meer nach Nahrung.
Schnecken, Muscheln und Seeigel stehen auf ihrem Speiseplan,
Tiere die durchaus nicht einfach zu erbeuten und verzehren sind.
Der Seeotter bedient sich zu diesem Zweck eines Werkzeugs.
Die fest am Untergrund sitzenden Meerohren bearbeitet er mit
einem großen Stein, den er geschickt zwischen den
Vorderpfoten hält. Manchmal sind mehrere Tauchgänge nötig,
bis die großen Meeresschnecken besiegt sind. Gegessen wird
dann an der Oberfläche. Um Muscheln zu knacken, schwimmt
der Seeotter auf dem Rücken, legt sich einen Stein auf den
Bauch und hämmert die Beute so lang dagegen, bis die Gehäuse
zerbrechen. Bevor er wieder abtaucht, klemmt er seinen
kostbaren Amboss-Stein unter die Achsel, damit er nicht
verloren geht.
Natürlich dürfen die Affen in diesem Zusammenhang nicht
fehlen. Auf sie konzentrierten sich Beobachtungen und
Versuche über Werkzeuggebrauch und einsichtiges Verhalten,
teils, um die Unterschiede zwischen ihnen und uns zu
manifestieren, teils, um sie zu verwischen. Jahrelange
Forschungsarbeiten in Afrika haben gezeigt, dass Schimpansen
die verschiedensten Werkzeuge verwenden und dabei auch
vorausdenken, wenn zum Beispiel ein Stein zum Nüsseknacken
von weither mitgebracht wird.
Wenn der Mensch als Werkzeugbenutzer schon nicht einzig
dasteht, dann vielleicht wenigstens als Werkzeugmacher? Denn
einen Gegenstand ge zielt zu manipulieren, damit er erst seine
geplante Funktion erfüllen kann, zeugt von noch größerem
Überblick als nur einfach einen zufällig herumliegenden
Gegenstand zu verwenden. Aber auch das machen schon
Schimpansen, wenn sie sich aus zerknüllten und zerkauten
Blättern einen Schwamm formen, mit dem sie Trinkwasser aus
einem Astloch holen. Oder wenn sie Stöcke vorne fein
ausfasern, weil man damit viel besser Termiten aus dem Bau
angeln kann als mit glatten Ästchen.
Die Wespen eines Staates überwintern gemeinsam im
Nest.
Sie tanzen nur einen Sommer: Wer im Winter auf seinem
Dachboden ein großes Wespennest entdeckt, muss nicht um
seine körperliche Unversehrtheit fürchten. Was im Sommer
riskant ist - nämlich allzu große Nähe zu den großen grauen
Papierkugeln, die die gut bewachten Waben enthalten - birgt
jetzt keine Gefahren mehr. Der Wespenstaat ist längst
ausgestorben. Lediglich die befruchteten Königinnen überwintern,
gut geschützt in Ritzen und hohlen Bäumen. Sie
gründen im nächsten Frühjahr neue Staaten an neuen Stellen und
ziehen die erste Generation von Arbeiterinnen auch selbst auf.
Erst wenn diese Nestbau und Futtersuche übernehmen, kann
sich die Königin auf ihre eigentliche Aufgabe, die Fortpflanzung,
konzentrieren und bleibt zu Hause. Wer meint, die
ersten im Frühjahr fliegenden Wespen seien besonders groß, hat
übrigens Recht. Die Wespenköniginnen sind tatsächlich viel
größer als die Arbeiterinnen.
Winterschläfer erwachen erst im Frühjahr.
Heizung kostet Energie. Und Energie ist kostbar. Winterschlaf
ist Energiesparschlaf. Durch eine gezielte und kontrollierte
Absenkung der Körpertemperatur lässt sich lange Zeit
durchhalten, ohne Nahrung aufnehmen zu müssen. Für unsere
heimischen Fledermäuse, allesamt Winterschläfer, liegt der
Vorteil auf der Hand : Als Insektenfresser haben sie im Winter
kaum etwas zu beißen. Sie können aber von ihrem im Herbst
angesammelten Fettdepot (einem vollen Öltank vergleichbar)
zehren, bis wieder Nahrung herumschwirrt. Wenn auch der
Winterschlaf den ganzen Winter über dauert, wird er doch
immer wieder unterbrochen. Zum Beispiel, wenn es zu kalt
wird. Dann droht Einfrieren. Die Alarmglocken läuten, die
Heizung springt an und das Tier sucht sich einen sichereren
Platz. Andere Winterschläfer erwachen routinemäßig. Wozu
hätte der Feldhamster seine Vorräte gehamstert, wenn er sie
nicht brauchte? Alle paar Tage unterbricht er seinen
Winterschlaf, um seiner wohl gefüllten Speisekammer einen
Besuch abzustatten. Ein anderer Nager, der Siebenschläfer,
sammelt keine Vorräte, sondern frisst sich, ähnlich wie die
Fledermäuse, einen "Ranzen" an. 120 Gramm wiegt er im
Herbst. Ein Drittel seines Gewichts hat er bis zum Frühjahr
verloren. Er erwacht wesentlich seltener als der Hamster;
schließlich kostet jedes Aufheizen Energie. Am fettesten mästen
sich die Murmeltiere, die im Herbst so dick sind, dass sie kaum
mehr laufen können. Sie brauchen das auch, denn der Winter ist
in den Hochlagen der Alpen lang und streng. Dann schlafen sie
wie die Murmeltiere, von Oktober bis Mai. Aber auch sie
erwachen zwischendrin etwa alle vierzehn Tage, um sich zu
entleeren, ein wenig Körperpflege zu betreiben und ihr Heubett
wieder aufzuschütteln.
Wölfe greifen Menschen an.
Gruselgeschichten über Wölfe, die Kinder rauben, russische
Schlittenfahrer zu Tode hetzen oder den einsamen Trapper am
Feuer in der Wildnis immer enger umkreisen sind Legion. Fast
unglaublich, dass es trotz umfangreicher Recherchen
anscheinend keinen einzigen gut dokumentierten Fall einer
solchen Menschenjagd gibt. Das Angst erregende nächtliche
Wolfsgeheul, ihr im Schutz der Dunkelheit (wenn wir uns
draußen sowieso nicht mehr richtig wohlfühlen) geringer
werdender Respekt vor Menschen oder die Jagd im Rudel haben
vermutlich ebenso zur Legendenbildung beigetragen wie ihre
manchmal wirklich verheerenden Überfälle auf Weidetiere.
Trotzdem haben die Wolfsgeschichten sicher auch einen wahren
Kern. Vor allem in Kriegs- und Seuchenzeiten im Mittelalter
dürften Wölfe auf Beutesuche "frech" bis in kleine Dörfer
vorgedrungen sein und sich vielleicht gar als Leichenfledderer
betätigt haben.
Zecken lassen sich von Bäumen herunter auf Mensch und
Tiere fallen.
Nicht von oben, von unten droht die Gefahr. Schließlich legen
die Zeckenweibchen ihre ein- bis dreitausend Eier am Erdboden.
Die Zeckenkinder krabbeln nicht gleich auf Bäume, sondern
meist nur auf Grasspitzen. Dort warten sie mit ausgebreiteten
Beinen auf eine Gelegenheit. Geduld ist die große Stärke der
Zecken. Ein Jahr zu hungern macht ihnen wenig aus. Auch
wenn sie einen Wirt gefunden haben, bohren sie nicht gleich
ihren Rüssel in die nächstbeste Stelle. Nicht selten wandern sie
noch stundenlang herum und entscheiden sich dann oft für eine
behaarte Hautpartie. Also: Zur Zeckenbissprävention beginne
man die Nachsuche nach einem Waldspaziergang an den Beinen
und arbeite sich dann langsam nach oben. Nur selten findet man
tatsächlich einmal eine Zecke auf dem Kopf. Die kam dann aber
in den wenigsten Fällen von oben, sondern hat meist schon
einen weiten Weg zurückgelegt.
Zecken muss man aus der Haut herausdrehen.
Linksrum oder rechtsrum? Unterm Mikroskop zeigt der
Zeckenrüssel kein Gewinde. Eher gleicht seine Oberfläche einer
groben Raspel mit vielen nach rückwärts gerichteten Zähnchen.
Diese Widerhaken muss man mit sanfter Gewalt vorsichtig
ziehend aus der Haut lösen. Bricht der Rüssel ab, kann sich die
Stichstelle böse entzünden. Um das zu verhindern, kursieren
allerlei Hausrezepte. Alle sollen sie die Zecke zu freiwilligem
Verzicht bewegen. Oft wird ein Tröpfchen Öl oder Klebstoff
empfohlen. Damit soll der Zecke die Luftzufuhr abgeschnitten
werden. Weil es aber stundenlang dauert, bis der Holzbock in
Atemnot gerät und dann vielleicht loslässt, raten Mediziner
davon ab. Je länger die Zecke saugt (und je mehr Stress man ihr
macht), desto größer die Gefahr einer Infektion mit
Krankheitserregern, die sich in ihrem Speichel tummeln.
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine lebens bedrohende
Hirnhautentzündung, oder die von Bakterien hervorgerufene
Lyme-Borreliose werden durch Zecken übertragen.
Erstere künd igt sich durch heftige Kopfschmerzen an, Letztere
durch eine sich ringförmig ausdehnende Rötung um die
Stichstelle. Diese Wanderröte sollte einen auf jeden Fall zum
Arzt wandern lassen. Wie so oft bei Blutsaugern ist also die
Zecke selbst das kleinste Problem.
Zellen sind winzig klein.
Erst die Erfindung von Mikroskopen erschloss den neugierigen
Naturwissenschaftlern den Mikrokosmos. Eine ihrer wichtigsten
Erkenntnisse war, dass alles Lebendige in Zellen organi-
siert ist: Die Zelle ist die Einheit des Lebens. Schon eine Einzelzelle
kann ein vollständiger Organismus sein. Am unteren Ende
der Größenskala stehen die Mycoplasmen, mit einem
Durchmesser von 0,1 bis ein Mikrometer echte Bakterien-
Zwerge (ein Mikrometer ist 1/1000 Millimeter). Normale
Bakterienzellen sind mit ein bis zehn Mikrometer schon eine
Zehnerpotenz größer. Und noch zehnmal länger, nämlich meist
zehn bis hundert Mikrometer, sind die Zellen von Eukaryoten
(allen Einzellern, Pilzen, Pflanzen und Tieren also), was
bedeutet, dass sie den tausendfachen Inhalt eines Bakteriums
haben. Große Einzeller wie Pantoffeltierchen sind mit bloßem
Auge immerhin schon deutlich sichtbar. Und bei den größten
Einzellern ist das vollends kein Problem mehr. Die im
Mittelmeer lebende Schirmchenalge Acetabularia - sie ähnelt
einem zarten langstängeligen Hutpilz mit einem Hut-
Durchmesser von über einem Zentimeter- besteht zum Beispiel
nur aus einer einzigen Zelle. Noch größer mit bis zu 7
Zentimeter Länge ist die Schlauchalge Caulerpa
aus dem Mittelmeer. Sie steuert den Stoffwechsel ihrer
Riesenzelle aber mit vielen Kernen. Funktioniell ist sie damit
eher ein Vielzeller, denn jeder Zellkern regiert seine Umgebung,
sodass es nicht zu einem Informationswirrwarr kommen kann.
Auch in Vielzellern gibt es unterschiedlich große Zellen.
Nehmen wir einfach uns selbst als Beispiel. Menschenzellen
sind gewöhnlich fünf bis zwanzig Mikrometer groß, je nach
Gewebeart. Besonders groß ist die Eizelle mit gut 0,1
Millimeter. Das ist allerdings gar nichts gegen die la ngen,
dünnen Fortsätze der Nervenzellen, die fast einen Meter lang
werden können. Das größte Volumen haben aber die Eizellen
von Vögeln und Haien. Selbst beim Vogel Strauß entspricht der
Eidotter einer einzigen Zelle!
Alle Zellen haben einen Zellkern.
Dass es auch ganz ohne geht, zeigen die Prokaryoten,
Lebewesen ohne Zellkern. Zu ihnen gehören mit den Bakterien
und den Blau"algen" echte Erfolgsmodelle der Evolution. Alle
anderen Lebewesen, ob Einzeller oder Pflanze, Tier oder Pilz,
werden als Eukaryoten bezeichnet. Bei ihnen ist der
überwiegende Teil der genetischen Information (Informationsträger
ist die Erbsubstanz DNA) von einer Doppelhülle
umgeben. Der dadurch gebildete Zellkern birgt also die zentrale
Steuereinheit der Zelle. Vom Normalfall - einem Zellkern pro
Zelle - gibt es allerdings zahlreiche Abweichungen. Schleimpilze
zum Beispiel kriechen als mehrere Zentimeter große
Plasma-Masse durch die Wälder, in der zahlreiche Kerne ohne
trennende Zellwände eingebettet sind. Auch unter Grünalgen
gibt es ähnliche Fälle mit vielkernigen Riesenzellen. Dazu
gehört etwa die Schlauchalge Caulerpa mit ihrer meterlang
kriechenden Hauptachse, der zehn bis zwanzig Zentimeter hohe
grüne "Blattlappen" entsprießen - das ganze vielkernig ohne
eine einzige Zwischenwand. Einen Spezialfall haben wir bei den
einzelligen Wimpertierchen, deren bekanntestes das
Pantoffeltierchen ist. Es hat zwei verschiedene Sorten von
Zellkernen. Ein großer Kern, der zahlreiche Kopien des Erbguts
enthält, steuert den gesamten Stoffwechsel, ein oder viele kleine
Kerne die sexuelle Fortpflanzung.
Ziegenmelker melken Ziegen.
Dieser Anschauung frönten schon die alten Römer. Plinius,
dessen Biologiebücher (Historia naturalis) von skurrilen
Geschichten nur so strotzen, schildert, wie dieser Vogel
nächtens die Ziegen aufsuche, um ihnen die Milch auszusaugen,
wovon die Haustiere blind würden. Caprimulgus nennt Plinius
den Missetäter, was nichts anderes als Ziegenmelker heißt.
Noch heute hört die Gattung auf diesen wissenschaftlichen
Namen. Sicher fördert das geheime Leben des Ziegenmelkers
die Legendenbildung. Tagsüber bekommt man den hervorragend
getarnten Vogel mit dem rindenfarbenen Gefieder fast nie zu
Gesicht. Nachts ist er unterwegs, um mit seinem riesigen
Keschermaul fliegende Insekten zu erbeut en. Wenn er wie ein
Nachtgeist um draußen weidende Herden flog, schien es wohl
manchem übernächtigten Hirten, er suche hier mehr als vom
Vieh aufgescheuchte Käfer und Falter.
Zitronen enthalten das meiste Vitamin C.
Zitrusfrüchte gelten als Vitaminbomben, täglicher Genuss als
sicherer Schutz vor Erkältung und Arztbesuch. Tatsächlich
enthält das Fruchtfleisch einer Apfelsine fünfzig Milligramm
Vitamin C auf hundert Gramm, eine Grapefruit kommt auf 44
Milligramm, eine Zitrone auf 53 Milligramm, während die
Mandarine mit dreißig Milligramm nicht ganz so gut
abschneidet. Übertroffen werden die sauren Früchte aber von
einer süßen, der man den hohen Gehalt an Ascorbinsäure (=
Vitamin C) gar nicht zutraut: Mit hundert Gramm Erdbeeren hat
man 64 Milligramm Vitamin C und damit fast schon die von
vielen Ernährungswissenschaftlern empfohlene Tagesration von
75 Milligramm zu sich genommen. Mit einigen anderen
Früchten läuft man sogar schon Gefahr einer kräftigen
Überdosierung (wie sie von immer mehr Ärzten inzwischen
sogar verschrieben wird). 177 Milligramm enthalten Schwarze
Johannisbeeren, 300 Milligramm Vitamin C verspeist man mit
einer hundert Gramm wiegenden Kiwifrucht. Spitzenreiter sind
aber zwei einheimische Wildpflanzen: der Sanddorn mit
einhundert bis eintausendzweihundert Milligramm und die
Hagebutten, die (je nach Rosenart, deren Früchte sie sind)
zwischen 250 und sagenhaften 2900 Milligramm enthalten -
kein Wunder, dass sie so sauer schmecken! Nebenbei bemerkt:
Vitamin C ist nicht nur in leckeren Früchten versteckt, sondern
auch in (zumindest von Kindern meist weniger geschätztem)
Gemüse. Spinat zum Beispiel (52 Milligramm pro hundert
Gramm) kann durchaus mit der Orange mithalten. Und die Inuit,
arktische Jäger, kauten die Haut des Narwals durch, um ihren
Bedarf an Vitamin C zu decken.
Zunder ist trockenes Holz zum Feuer machen.
Als Feuer noch nicht per Zündholz oder Feuerzeug auf Abruf
stand, war Feuer machen eine mühevolle Angelegenheit.
Entweder schlug man Funken mittels Feuersteinen und
Pyritknollen oder man erzeugte mit dem Feuerbohrer
Reibungswärme. In beiden Fällen musste der Funke auf etwas
äußerst leicht Brennbares überspringen, bevor dann an einem
kleinen Glutherd zunächst trockenes Gras und später Holzspäne
angezündet werden konnten. Was da "brennt wie Zunder" und
anschließend lange glüht ist kein Holz, sondern ein Pilz. Der
Echte Zunderschwamm ist ein Porling, der in großen Konsolen
an geschwächten Laubbäumen wächst, wobei er Buchen
bevorzugt. Zur Zundergewinnung wird sowohl die unten
liegende Röhrenschicht als auch die harte Huthaut entfernt.
Dann wird die wergartige Substanz des Hutes so lange geklopft,
bis sie weich ist. Zunder führte schon der legendäre
Steinzeitmensch "Ötzi" mit, um aus winzigen Funken Glut
erzeugen zu können - und vielleicht auc h als Erste Hilfe, denn
Zunder diente auch zum Blutstillen.
Zwerghasen sind Hasen.
Mehr über die wahre Natur dieser beliebten Haus- und
Schmusetiere finden Sie unter dem Stichwort Stallhase.
Zwergschimpansen sind zwergwüchsige Schimpansen.
Tatsächlich wurde die heute als Bonobo bekannte dritte
afrikanische Menschenaffen-Art (neben Schimpanse und
Gorilla) im Jahr 1929 zunächst als ebendas beschrieben, als
besonders kleinwüchsige Unterart des Schimpansen nämlich.
Schon vier Jahre später wurde klar, dass die im Regenwald
südlich des Kongoflusses lebenden Bonobos weder Zwerg noch
Schimpanse sind. Die erste Beschreibung der Art basierte
einfach auf sehr kleinen Individuen. Bonobos sind zwar
zierlicher gebaut als Schimpansen, aber im Allgemeinen nicht
wesentlich kleiner. Sie sind etwas schlanker und haben längere
Arme und Beine. Sie verlassen die Bäume seltener, sind aber auf
dem Boden mehr auf zwei Beinen unterwegs. Ihr Kopf ist
rundlicher, die Schnauze steht weniger weit vor; Bonobos
machen dadurch einen etwas kindlicheren Eindruck und wirken
noch menschenähnlicher als die Schimpansen. Besonders stark
unterscheiden sie sich aber im Sozialverhalten. Anders als bei
ihren nahen Verwandten bestehen Bonobo-Trupps fast immer
aus Männchen und Weibchen. Besondere Aufmerksamkeit (bis
hinein in die Regenbogenpresse, die sich um biologische
Themen sonst nicht zu kümmern pflegt) haben die scheinbar
unbekümmerten sexuellen Aktivitäten dieser Menschenaffen
erregt. Dazu gehören häufiger und promisker Geschlechtsverkehr
ebenso wie gleichgeschlechtliche Aktivitäten; beides
scheint dazu beizutragen, soziale Spannungen abzubauen, die
unter anderen Menschenaffen zum Teil beträchtlich sind.
Schimpansen zum Beispiel können regelrechte Bandenkriege
führen und schrecken dabei auch vor Mord nicht zurück.
Zwillinge sind völlig identisch.
Der Fingerabdruck bringt die Wahrheit an den Tag, die
Schuld ist bewiesen - doch plötzlich präsentiert der Täter seinen
Zwilling: Er wär's. Schließlich sind eineiige Zwillinge Klone.
Sie entstanden aus ein und derselben befruchteten Eizelle, die
sich später regelwidrig in zwei Individuen teilte. Beide tragen
die gleichen Gene. Der "genetische Fingerabdruck", der
Vergleich von Teilen des Erbguts, wie er zur Identifizierung von
Personen inzwischen zum Handwerk der Kriminalisten gehört,
ergibt deshalb keinen Unterschied. Aber auch Zwillinge haben
ihre individuellen Merkmale, und dazu gehört ausgerechnet der
Fingerabdruck. Das unverwechselbare Hautleistenmuster entsteht
während der ersten vier Lebensmonate im Mutterleib.
Auch ein Zwilling sollte also Handschuhe anziehen, bevor er
krumme Touren dreht.