275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtüme
r-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtü
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
tümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275I
rrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-27
5Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtümer-
275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtüme
r-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtü
mer-275Irrmer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275I
rrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-27
5Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-
275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtüme
r-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtü
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275I
rrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-27
5Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-
275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtüme
r-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtü
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irr
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrmer-275I
rrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-27
5Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-
275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtüme
r-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtü
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275I
rrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-27
5Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-
275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrme
r-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
tümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275I
rrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-27
5Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-
275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtüme
r-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
tümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtümer-275I
rrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-27
5Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-
275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtüme
r-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtü
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
tümer-275Irrmer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275I
rrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-27
5Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-
275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrme
r-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtü
mer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
tümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275I
rrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-27
5Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-
275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtüme
r-275Irrmer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtü
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275I
rrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-27
5Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-
275Irrtümer-275Irrmer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtüme
r-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtü
mer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irrtümer-275Irr



Aale verbringen ihr ganzes Leben im Fluss.

Der Aal hat die Zoologen lange genarrt. Jahrhunderte

brauchten sie, um herauszufinden, wo Aale ihre Kinder kriegen.

In den Flüssen jedenfalls nicht, denn dort fanden sich weder

ganz junge Aale noch erwachsene mit entwickelten

Geschlechtsorganen. Der Lösung des Rätsels etwas näher kam

man, als es gelang, ein schon länger bekanntes, im Mittelmeer

aufgegriffenes Fischchen, dessen Körperumriss einem

Weidenblatt ähnelte, längere Zeit im Aquarium zu halten. Und

siehe da, es wandelte sich zum Aal. Trotzdem sollte es noch

Jahrzehnte dauern, bis die Kinderstube des Europäischen Aals

entdeckt war. Sie liegt in der Sargassosee vor der Küste

Amerikas. Mit dem Golfstrom driften die winzigen Larven 6000

Kilometer, bis sie Europa erreichen. Drei Jahre brauchen sie

dazu. Vor dem Aufstieg in die Flüsse wird die Weidenblatt-

Larve innerhalb eines Tages zum noch durchsichtigen Mini-Aal

von sechs Zentimeter Größe. Etwa zehn Jahre bleiben die Aale

im Süßwasser. Dann schlägt der Geschlechtstrieb zu. Die

Nahrungsaufnahme wird eingestellt, der Darm verkümmert. Die

letzte Reise beginnt, eine Reise ohne Wiederkehr. Nach

anderthalb Jahren sind die Aale wieder dort, wo sie geboren

wurden, in der Sargassosee. Der Laichakt selbst bleibt bis heute

ihr Geheimnis. Keiner hat ihn je beobachtet.

Große Adler verschleppen kleine Kinder.

Rein technisch gesehen wäre es denkbar. Ein Steinadler wiegt

durchschnittlich 3700 Gramm (wenn es ein Männchen ist) bis

5000 Gramm (wenn es ein Weibchen ist) und ist durchaus in der

Lage, Beute zu schleppen, die seinem Eigengewicht entspricht.

Das ist auch notwendig, denn das Lieblingsessen vieler Adler in

den Alpen ist das Murmeltier. Fünf bis sechs Kilogramm kann

so ein Murmel wiegen. Dann wird es allerdings nicht sehr weit

transportiert, es sei denn, starke Aufwinde greifen dem

Greifvogel hilfreich unter die Schwingen. Zudem liegt der

Adlerhorst meist unterhalb seines Jagdgebiets, so dass er seine

Beute nur noch abwärts zu tragen braucht. Wie gesagt: Einen

Säugling von fünf, sechs Pfund zu tragen wäre für den Adler ein

Kinderspiel. Trotzdem scheint Kinderraub durch Adler in

keinem einzigen Fall wirklich belegt zu sein, zahlreichen

entsprechenden Legenden zum Trotz. Die entstanden wohl eher

durch den in vielen Menschen tief verwurzelten Hass auf alles,

was spitze Krallen oder krumme Schnäbel hat.

Alle Affen können sich mit dem Schwanz festhalten.

Erst mal gilt festzustellen: Nicht alle Affen haben einen

Schwanz und folglich können sich auch nicht alle mit einem

solchen festhalten. Die Menschenaffen, zu denen auch wir

zählen, sind das beste Beispiel. Ansonsten gehört aber zu einem

ordentlichen Affen auch ein richtiger Schwanz. Nur eine

Minderheit kann ihn jedoch wirklich als "fünfte Hand"

einsetzen. Für die meisten ist der Schwanz das, was er für

andere Kletterer auch ist: eine Balancierstange. Unter den Affen

der Alten Welt - also denen aus Afrika, Asien und Europa - gibt

es keinen einzigen, der sich am Schwanz baumelnd festhalten

kann. Um einen solchen zu sehen, muss man in die Wälder

Südamerikas reisen. Dort benutzen Kapuzineraffen, Brüllaffen

und Klammeraffen den Schwanz bei ihren Drahtseilakten im

Geäst als Sicherheitsanker. Bei den beiden Letzteren weist die

Schwanzspitze unterseits sogar eine haarlose Tastfläche auf. Das

macht aus einem reinen Greifschwanz einen mit Gefühl.

Klammeraffen haben dort sogar Hautleisten, die bei jedem Tier

anders aussehen - ein Kriminalist könnte deshalb jeden

einzelnen Klammeraffen statt am Fingerabdruck am

Schwanzspitzenabdruck sicher identifizieren.

Algen gibt es nur im Wasser.

Zwar lebt die weit überwiegende Mehrzahl der Algen im

Wasser, manche fühlen sich aber auch an Land wohl. Dort gilt

natürlich: Je nässer, desto besser - weshalb es auch sicher

niemanden wundert, dass die tropischen Regenwälder an

landlebenden Algen ungleich reicher sind als unsere Breiten.

Trotzdem sind auch jedem aufmerksamen Beobachter

heimischer Lebensräume solche Algen vertraut. Grünalgen der

Gattung Pleurococcus bilden oft auffällige grüne Überzüge auf

Baumstämmen. Sie fühlen sich selbst dort noch wohl, wo

verschmutzte Luft Flechten und Moose zum Absterben gebracht

hat. Auch im Boden sind Algen überaus zahlreich; zusammen

mit Bakterien und Pilzen gehören sie dort zu den häufigsten

Lebewesen. Neben Grünalgen dominieren hier die Kieselalgen.

Nicht mehr zu den Algen gezählt werden seit einiger Zeit die

Blaualgen. Zwar betreiben sie Fotosynthese, stehen aber als

kernlose Organismen den Bakterien doch näher als den

Pflanzen. Sie wurden deshalb umgetauft und laufen nun unter

dem Namen Cyanobakterien. Als "Extremisten des Lebens"

werden sie bezeichnet, weil sie noch dort existieren können, wo

andere längst kapitulieren. Die "Tintenstriche" an nassen Felsen

zum Beispiel sind Überzüge von solchen "Blaualgen".

Cyanobakterien sind auch die grünlichen Gallerthäufchen, die

man gelegentlich am Wegesrand findet und die der Volksmund

so anschaulich als "Engelsschnauze" bezeichnet. Auch der

grünliche Schimmer im Fell, dem Faultiere einen guten Teil

ihrer hervorragenden Tarnung verdanken, stammt von solchen

"Algen".

Bei der Algenblüte blühen die Algen.

Wie war's mal mit einem Strauß Algenblüten statt der immer

gleichen Rosen? Wer auf der Suche nach einem originellen

Blumengruß auf diese Idee verfällt, wird leider enttäuscht.

Algen gehören nun mal nicht zu den Blütenpflanzen. Ihre

Fortpflanzungsorgane sind wesentlich weniger attraktiv verpackt

als die der Tulpen, Rosen oder Nelken. Schließlich müssen sie ja

auch keine Bestäuber auf sich aufmerksam machen wie die

bunten, duftenden und mit Nährstoffen lockenden Blumen.

Algenblüte hat dagegen nicht unbedingt etwas mit Fortpflanzung

zu tun, wohl aber mit Vermehrung. Diese ist nämlich

bei zahlreichen Algenarten, anders als bei uns Menschen, nicht

mit Sex gekoppelt. Der einfachste Fall der Vermehrung, die

Teilung in zwei Nachkommen, funktioniert ganz ohne Partner.

Eine "Algenblüte" ist schlicht und ergreifend die Massenvermehrung

von Plankton-Algen, die im Frühjahr klares Wasser

innerhalb weniger Tage in eine grüne Brühe verwandeln kann

und für getrübte Badefreuden in heimischen Teichen und Seen

sorgt.

Algenblüten gibt es aber nicht nur in nährstoffreichem

Süßwasser, sondern auch im Meer. Berühmt und berüchtigt sind

vor allem die "red tides", die ihre rote Farbe einzelligen

Panzeralgen verdanken. Deren giftige Inhaltsstoffe können sich

in den Nahrungsketten so anreichern, dass sich auch Menschen

nach Muschel- oder Fischkonsum vergiften. So forderten Algenblüten

sogar schon Todesopfer.

Ameisen können niemals fliegen.

So denkt man beim Anblick dieser kleinen emsigen

Bodenarbeiter. Doch dann geschieht es an einem schwülwarmen

Sommernachmittag: Aus allen Ausgängen des großen Ameisenhaufens

quellen geflügelte Insekten, krabbeln emsig hin und her,

starten und verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Es sind

Ameisenköniginnen auf dem Jungfernflug. Und Männchen, die

danach trachten, aus dem Jungfernflug so bald wie möglich eine

Hochzeitsreise zu machen. Die Paarung findet manchmal noch

in der Luft statt. Nach der Landung ist Schluss mit den

Höhenflügen. Die Flügel fallen an einer Sollbruchstelle ab und

die Ameise sieht endlich so aus, wie sie uns vertraut ist: ein

kleiner, sechsbeiniger, flügelloser Krabbler mit dünner

Wespentaille. Die Königin sucht sich nun ein gutes Plätzchen

zur Gründung eines neuen Staates. Dank Samenspeicherung

kann sie fortan auf ihren Gatten oder anderen Männerbesuch

verzichten.

Ein Ameisenstaat besteht aus Arbeitern und

Arbeiterinnen.

Machen wir uns auf eine kleine Reise durch ein Nest der

Roten Waldameise. Gut eine halbe Million Einwohner sind hier

ständig am Werkeln, reparieren den Ameisenhaufen und bauen

ihn aus, öffnen oder schließen die Pforten, um die Temperatur

zu regulieren, kümmern sich um die Aufzucht der Jungen und

ziehen in Kolonnen hinaus in die Umgebung zur Nahrungssuche

oder zum Läuse melken. Viele Aufgaben, die Parallelen zur

Menschenwelt erkennen lassen, und unwillkürlich unterstellt

mancher eine ähnliche Arbeitsteilung: Kinder und Küche ist

Frauensache, während Männer bauen und sich zum Kampf

rüsten, wenn's gefährlich wird. Ganz falsch! Das Sagen (und die

Arbeit) in diesem Staat haben allein die Frauen, und auch die

Regierung ist weiblich: die Ameisenkönigin. Bei manchen Arten

sind auch mehrere Königinnen im Nest; hier hat dann jede ihren

eigenen Bereich, vergleichbar einem föderalistischen System,

einer Ameisen-Bundesrepublik also. Die Königin hat das

Eierlegemonopol. Die Arbeiterinnen, bedeutend kleiner als ihre

Chefin und mit nur schwach entwickelten Keimdrüsen, machen

alle Arbeit und können sich nur fortpflanzen, wenn die Königin

ausfällt. Wo aber bleiben die Männer? Sie spielen nur eine Rolle

als Samenspender. Bald nach dem Schlüpfen starten sie

gemeinsam mit den jungen Königinnen zum Hochzeitsflug.

Damit haben sie ihre Schuldigkeit getan. Bei den Rossameisen,

mit Arbeiterinnen von fast eineinhalb Zentimetern Länge die

größten einheimischen Ameisen, dürfen die Männer etwas

länger bleiben. Nützlich machen sie sich aber trotzdem nicht.

Eine Ameisenjungfer ist eine jungfräuliche Ameise.

Ein Ameisenstaat besteht gewöhnlich fast ausschließlich aus

Jungfrauen, den arbeitenden Weibchen nämlich. Das Fortpflanzungsmonopol

hat die Königin, die während des

Hochzeitsflugs so viel Sperma tankt, dass es fürs ganze Leben

reicht. Männer sind also fortan überflüssig. Die jungfräulichen

Ameisen werden aber nicht Ameisenjungfern genannt, sondern,

weniger poetisch, Arbeiterinnen. Ameisenjungfern gibt es

allerdings wirklich. Sie sind nur keine Ameisen, sondern große

Netzflügler. Auf den ersten Blick gleichen sie ein bisschen einer

Libelle, haben jedoch längere Fühler und legen ihre Flügel im

Sitzen dachförmig über den Körper. Völlig anders sehen sie als

Larve aus, und sie heißen sogar anders: Ameisenlöwe. Den

Löwen trifft man an warmen, regengeschützten Orten im Sand,

fast vollständig eingegraben am Grund eines kleinen Trichters

von einigen Zentimetern Durchmesser und Tiefe. Hier liegt er

auf der Lauer. Kommt ein argloses Insekt (eine Ameise zum

Beispiel) des Weges, bewirft der Löwe es so lange mit Sand, bis

es in den Trichter rutscht. An dessen steilen Wänden gibt es kein

Halten mehr. Schließlich packen zwei riesige Saugzangen zu

und vergiften das sich immer schwächer wehrende Opfer, um es

anschließend auszusaugen. Wer den Ameisenlöwen ausgräbt,

hat einen unscheinbar graubraunen, zentimetergroßen, borstigen

Körper in der Hand, der mit hektischen Bewegungen versucht,

sich wieder einzugraben. Wohl fühlt er sich erst wieder, wenn

außer den gefährlichen Zangen am Trichtergrund nichts von ihm

zu sehen ist. Also: Die Ameisenjungfer ist keine Ameise, isst

aber in ihrer Jugendzeit welche.

Ammoniten sind versteinerte Schnecken.

Nicht alles, was eine gewundene Schale hat, ist eine

Schnecke. Die Ammoniten zum Beispiel sind keine. Ihren

Namen verdanken sie dem gewundenen Gehörn des schafsköpfigen

ägyptischen Gottes Ammon. Viele Ammoniten sind

nämlich nicht nur gewunden, sondern gerippt wie ein

Schafsgehörn. Ganz kla r wird im Längsschnitt, dass die

ausgestorbenen Tiere, deren versteinerte Spiralschalen in großer

Zahl und Vielfalt in Ablagerungsgesteinen der ganzen Erde

gefunden werden können, mit den Schnecken nicht näher

verwandt sind. Die geschliffene Oberfläche eines solchen

Schnitts offenbart, dass das Gehäuse, anders als bei jeder

Schnecke, innen gekammert ist. Dabei wohnte das Tier in der

vorderen, sich zur Mündung öffnenden größten Kammer. Die

kleineren hinteren Kammern waren Kinderzimmer, die während

des Wachstums benutzt und später durch Querwände abgeteilt

wurden. Schneidet man das Gehäuse genau in der Mitte durch,

trifft man zusätzlich einen Kanal, der diese Kammern

miteinander verbindet. Durch ihn wurden die kleinen Kammern

entwässert und mit einem Gasgemisch gefüllt, um beim

Schwimmen oder Treiben im Wasser Auftrieb zu erzeugen.

Noch heute gibt es Tiere, die ähnlich aussehen und ähnlich

leben: die Perlboote (Nautilus), lebende Fossilien aus der

Südsee. Sie sind allerdings keine Nachfahren der Ammoniten.

Fossile Nautilus-Verwandte lebten schon lange, bevor die

Ammoniten entstanden. Beide sind aber miteinander verwandt.

Sie gehören zu den Kopffüßern (Cephalopoda), die auch als

Tintenfische bezeichnet werden. Und da die Kopffüßer ein Teil

des großen Stammes der Weichtiere oder Mollusken sind,

gehören sie damit doch wenigstens in die weiteste

Verwandtschaft der Schnecken. Und der Kreis schließt sich

wenigstens etwas.

Amsel und Drossel sind verschiedene Vögel.

"Amsel, Drossel, Fink und Star" - wer kennt sie nicht, die

Aufzählung aus dem klassischen Kinderlied? Vier heimische

Vogel-Arten? Mitnichten. Nur mit Amsel und Star werden zwei

Arten eindeutig benannt. Drosseln und Finken dagegen sind

ganze Vogelfamilien mit jeweils vielen Arten. Und die Familie

der Drosseln schließt nicht nur die Sing-, Mistel- und

Wacholderdrossel, sondern eben auch die Amsel oder

Schwarzdrossel mit ein. Also: Mit Amsel und Drossel können

zwei verschiedene Arten gemeint sein, müssen aber nicht.

In der Antarktis wachsen keine Blumen.

Ein kilometerdicker Eispanzer, allenfalls bevölkert von ein

paar im heulenden Sturm brütenden Pinguinen - das ist die

Antarktis. Kein Platz, an dem Blumen blühen. Und doch gibt es

sie: Wer antarktische Blumen pflücken will, muss nach

Grahamsland. So heißt der nördliche Landzipfel, den die

Antarktis in Richtung Südamerika streckt. Hier wachsen die

beiden einzigen Blütenpflanzen, die der Südkontinent zu bieten

hat: das Gras Deschampsia antarctica und das Nelkengewächs

Colobanthus guiterris. Erst jüngst kamen im Gefolge der

Menschen, die sich selber erst im Lauf der letzten Jahrzehnte auf

den unwirtlichen Erdteil wagten, noch einige Neuankömmlinge,

darunter das Einjährige Rispengras und die Vogelmiere, beide

auch bei uns nahezu allgegenwärtige Kulturfolger. Ansonsten ist

Grahamsland ein Land der Flechten, von denen über 350 Arten

nachgewiesen sind, und der Moose (75 Arten). Abseits der

klimatisch begünstigten Halbinsel aber ist die Antarktis

tatsächlich eine zu 99 Prozent von Eis bedeckte Wüste. Die

wenigen eisfreien Gebiete sind so trocken, dass hier außer

wenigen Flechten und Moosen allenfalls Eisblumen gedeihen.

Nachzutragen bleibt, dass Antarctica nicht immer so

lebensfeindlich war. Fossilien belegen, dass es einst auch hier

üppig grünte. Erst als der Erdteil sich durch die Kontinentaldrift

Richtung Südpol schob, war es aus mit dem blühenden Leben.

Äpfel und Zwetschgen werden von Würmern bewohnt.

Einen echten Wurm wird man im Apfel höchstens finden,

wenn er faulig auf dem Boden liegt und einen willkommenen

Nachtisch für die Regenwürmer abgibt. Ein "wurmiger" Apfel

dagegen ist die Kinderstube eines kleinen Schmetterlings, des

Apfelwicklers. Dessen Weibchen stehen auf junge Früchtchen

und legen ihre Eier im Frühling und Frühsommer einzeln an die

unreifen Äpfel und anderes Kernobst. In der Pflaume wohnt

gewöhnlich ein naher Verwandter mit gleichen Vorlieben, der

Pflaumenwickler. Das schlüpfende Räuplein, der vermeintliche

"Wurm", nagt sich zum Kernhaus vor. Wer genau hinschaut,

erkennt am Vorderende deutlich den dunkleren Kopf, gefolgt

von drei Segmenten, die jeweils zwei kurze Beinchen tragen.

Damit ist klar, dass es sich hier um eine Insektenlarve handelt.

Wie die sprichwörtliche Made im Speck lebt sie inmitten ihrer

Nahrung. Ihr Fraßgang ist mit Kotkrümeln gefüllt. Die

erwachsene Raupe seilt sich am seidenen Faden ab und

überwintert unter der Baumrinde. Der Schaden für den

Obstgärtner kann groß sein: Viele Apfelwickler fressen sich

durch mehrere Früchte und sehr viele befallene Äpfel fallen

schon unreif vom Baum.

Asseln sind Insekten.

Kleine vielbeinige Krabbeltiere mit harter Oberfläche sind

Insekten. Wer nach dieser Faustregel Tiere bestimmt, hat oft

Recht, aber eben nicht immer. Wir brauchen eine kleine

Zusatzregel: Ein Insekt hat immer sechs Beine. Und alles, was

mehr als sechs Beine hat, ist auf keinen Fall ein Insekt, sondern

ein Spinnentier, ein Tausendfüßer oder wie bei der Assel - ein

Krebs. Wer eine Kellerassel auf den Rücken dreht, sieht nicht

drei, sondern sieben strampelnde Laufbeinpaare. Nun leben die

meisten Krebse im Wasser und auch viele Asseln bleiben der

Ur-Heimat aller Krebstiere treu. Einige erstaunliche

Anpassungen ermöglichen den Landasseln aber das Überleben

auf dem Trockenen. Zusätzlich zu den Kiemen haben sie

nämlich Lungen (und zwar an ungewöhnlicher Stelle, nämlich in

Höhlungen der Hinterbeine). Ihre Eier tragen sie in einer

bewässerten Bruttasche am Bauch mit sich herum, bis die

Jungen schlüpfen.

Alle Bakterien machen krank.

Natürlich gibt es einige Arten krank machender Bakterien.

Pest und Cholera, bis in die Neuzeit hinein schlimme Geißeln

der Menschheit, sind bakterielle Erkrankungen ebenso wie

Diphtherie, Milzbrand, Syphilis und viele andere. Ihren

Schrecken als Krankheitserreger haben Bakterien erst seit der

Entdeckung des Penicillins und anderer Antibiotika verloren.

Übersehen wird aber bei der allgemeinen Bazillen-Schelte

meist, dass nur wenige Arten Krankheiten erregen. Den meisten

Bakterien sind wir Menschen ganz egal. Sie brauchen uns nicht.

Wohl aber wir sie! Wenn in Zusammenhang mit einer

Behandlung mit Antibiotika auch die Darmflora leidet, kann das

sehr unangenehm werden. Und diese bei der Verdauung

helfende Darmflora besteht trotz ihres blumigen Namens nicht

etwa aus schönen Blüten, sondern überwiegend aus Bakterien.

Über vierhundert Arten leben in uns, oft in Milliardenzahl.

Abbau und Entsorgung ist das Geschäft vieler Bakterien nicht

nur im Darm, sondern auch in der freien Natur. Sie stellen aus

organischem Abfall wieder pflanzenverwertbare Nährstoffe her.

Beeindruckend ist ihre Zahl, ihre Vielfalt und ihre Widerstands-

fähigkeit. Es gibt keine bakterienfreien Lebensräume auf der

Erde. Ob Totes Meer, heiße Geysire oder Felsklüfte Hunderte

von Metern tief in der Erde: Die ganze Erde ist Bakterienland,

und nicht erst seit gestern, denn bakterienähnliche Lebewesen

waren die wohl ersten, die vor etwa dreieinhalb Milliarden

Jahren entstanden sind.

Bananen wachsen auf Bäumen.

Trotz stattlicher Höhe von fünf bis neun Metern sind Bananen

keine Bäume. Es ist nämlich nicht die Größe, die eine Pflanze

dazu berechtigt, den Titel "Baum" zu führen. Weil ihre

oberirdischen Teile nicht ausdauernd sind wie die der Bäume,

gehören Bananen zu den Stauden. Die riesigen Blätter - sie

können über fünf Meter lang und bis zu einen Meter breit

werden - bilden mit ihren steifen Blattscheiden einen hohlen

Scheinstamm. Etwa ein Jahr nach den Blättern erscheint der

gewaltige Blütenstand. Er schiebt sich durch den Scheinstamm

hindurch und entfaltet seine Blüten in den Achseln rotbrauner

Tragblätter, die später abfallen. Drei Monate später sind die

Bananen reif. Anschließend sterben die oberirdischen Teile der

Bananenstaude ab. Die knolligen unterirdischen Sprosse

(Rhizome) haben dann aber schon neue Triebe gebildet. Die

Banane liefert noch eine weitere botanische Merkwürdigkeit:

Obwohl ihre leckeren Früchte nicht der landläufigen Vorstellung

von einer Beere entsprechen, sind sie welche. Botaniker haben

eben eine andere Beeren-Definition als Obsthändler (siehe Seite

20). Die schwärzlichen Pünktchen im gelben Fruchtfleisch sind

die Reste der Samenanlagen. Die Pflanze selbst vermehrt sich

vegetativ, also durch Ableger.

Bären halten Winterschlaf.

Zwar verschwinden Bären im Winter mitunter wochen- oder

gar monatelang in ihren Unterschlüpfen und schlafen die meiste

Zeit. Gefressen oder getrunken wird dann nicht mehr. Die

Körpertemperatur überwinternder Bären ist um wenige Grad

abgesenkt, das Herz schlägt sehr viel langsamer als im Sommer.

Richtige Winterschläfer sind sie deshalb noch lange nicht. Dann

nämlich müssten sie ihre innere Heizung ganz abschalten (es sei

denn, es droht Tod durch Einfrieren) und den gesamten

Stoffwechsel noch viel weiter herunterfahren (siehe Seite 214).

Das aber scheint nur für kleine Tiere bis zur Größe eines

Murmeltiers sinnvoll. Um ihren gewaltigen Körper im Frühjahr

wieder aufzuheizen, brauchten Bären nämlich enorme

Energiereserven. Der Spareffekt des Winterschlafs wäre damit

dahin. Bären halten also keinen Winterschlaf, sondern

Winterruhe. Sie bringen während der Winterruhe sogar ihre

Jungen zur Welt. Undenkbar für einen echten Winterschläfer,

der die kalte Jahreszeit in fast völliger Apathie übersteht. Und

wehe dem, der einen Bären während seiner Winterruhe stört.

Ohne Aufwärmzeit steht einem dann ein gefährlicher Gegner

gegenüber.

Beeren sind kleine saftige Kugelfrüchte.

Nicht Form und Größe einer Frucht legen fest, ob sie sich

Beere nennen darf oder nicht. Die botanische Definition ist

streng: Eine Beere ist eine Schließfrucht, die die Samen erst

beim Verrotten oder Verzehr der Fruchtwand freigibt. Die

Fruchtwand einer Beere ist, von der äußersten Schicht

abgesehen, fleischig und saftig. Demnach tragen nicht nur

Johannis-, Stachel- und Blaubeersträucher Beerenfrüchte. Auch

Tomaten, Bananen, Gurken, Kürbisse und Melonen sind Beeren.

Ihrer sehr harten äußersten Fruchtschale wegen werden letztere

auch als Panzerbeeren bezeichnet. Keine Beeren sind hingegen

Him- und Brombeeren. Bei ihnen ist die innerste Schicht der

Fruchtwände verholzt, weshalb man von Sammelsteinfrüchten

spricht. Und selbst eine scheinbar so typische Beere wie die

Erdbeere ist keine, sondern eine Sammelnussfrucht

Alle Beuteltiere haben einen Beutel.

Dass das Känguru einen Beutel hat, weiß nun wirklich jedes

Kind. Und weil das Känguru das Beuteltier schlechthin ist,

schließt man daraus (vor)schnell: Alle Beuteltiere haben einen

Beutel. Aber stimmt das wirklich? Hier hilft eine kleine

Überlegung zur Aufgabe dieser merkwürdigen Bauchtasche

weiter: Ein Beutel ist nichts anderes als ein Brutkasten für

vorprogrammierte Frühgeburten. Die Jungen der Beuteltiere

werden nämlich nach sehr kurzer Tragzeit winzig klein und weit

gehend hilflos geboren. Der zweite, längere Teil der

Schwangerschaft ist gleichsam ausgelagert. Im Beutel, den die

Winzlinge krabbelnd erreichen, finden die Jungen Schutz,

Wärme und Nahrung, denn hier befinden sich auch die Milch

spendenden Zitzen. Sobald das Junge eine Zitze findet und sich

festsaugt, schwillt deren Spitze im Mund so stark an, dass es

kaum mehr zu lösen ist. Logisch und wenig erstaunlich also,

dass alle Beuteltier-Männchen keinen Beutel haben. Ohne sind

aber auch - und das verblüfft nun wirklich - die Weibchen

mancher Raubbeutler- und Beutelratten-Arten. Bei letzteren

umgibt allenfalls ein kleiner Hautwall das Zitzenfeld. Hier

hängen die Jungen anfangs frei an den Zitzen. Erst später

können sie sich am Flanken- oder Rückenfell der Mutter

festhalten. Natürlich sind hier die Verluste viel größer als bei

geschützt im Beutel aufwachsenden Jungtieren. Zum Ausgleich

dafür haben die Nicht-Beutler unter den Beuteltieren einfach

mehr Junge.

Biber essen Fische.

Überaus hartnäckigen Vorurteilen zum Trotz: Biber sind

Vegetarier und rühren keinen Fisch an. Ein ausgewachsener

Biber, mit 25 Kilogramm das größte Nagetier Europas, benötigt

etwa fünf Kilogramm Pflanzen am Tag. Im Sommer ist die

Versorgung mit Wasser- und Uferpflanzen kein größeres

Problem. Im Winter dagegen wird Nahrung knapper. Mithilfe

seiner gewaltigen, zeitlebens nachwachsenden Nagezähne sorgt

der Biber für Nachschub. Scheinbar mühelos fällt er selbst dicke

Bäume, um an die nahrhafte Rinde der Zweige zu kommen.

Äste braucht er auch, um seine Wohnung und die

Knüppeldämme zu bauen, mit denen er Teiche anstaut und so

seinen eigenen Lebensraum gestaltet. Zum Fällen nagen Biber

den Stamm von allen Seiten an, bis er einer Eieruhr gleicht.

Wohin der Baum fällt, kann der Nager nicht berechnen, obwohl

ihm das oft unterstellt wird. Dass der Baum meist zum Wasser

fallt, liegt einfach daran, dass am Ufer stehende Bäume oft

leicht zum Wasser geneigt sind oder mehr Äste dorthin strecken,

sodass sie dann in diese Richtung stürzen. Gelegentlich wird

sogar ein Biber vom selbst gefällten Baum erschlagen.

Bienen können nur einmal stechen und sterben dann.

Bienenstiche sind für den Menschen sehr schmerzhaft, für die

Biene aber tödlich. Aus unserer elastischen, faserigen Haut lässt

sich der mit Widerhaken bewehrte Bienenstachel (anders als der

glatte Stachel der Wespen) nicht mehr lösen. Beim panischen

Versuch, die Bienen-Attacke abzuwehren, reißen wir meist den

ganzen Stechapparat aus ihrem Hinterleib. Anders ist das, wenn

eine Biene den Bienenstock gegen andere Insekten verteidigt

und dabei zusticht. Aus dem harten, aus Chitin bestehenden

Insektenpanzer kann die Biene ihren Stachel problemlos wieder

herausziehen. Und den nächsten Angreifer damit stechen.

Übrigens wird der Stachel nicht nur zur Verteidigung eingesetzt,

sondern auch zur Lösung innerstaatlicher Probleme, sei es mit

überzähligen Königinnen oder mit nach der Paarung überflüssig

gewordenen Drohnen.

Alle Bienen stechen.

Fürchten muss man sich nur vor den weiblichen Tieren. Der

Stechapparat hat sich nämlich aus dem Eilegeapparat entwickelt,

den natürlich nur die Weibchen haben. Bienenmännchen,

Drohnen genannt, haben keinen Stachel und sind völlig harmlos.

Das gilt nicht nur für die Honigbiene, sondern für die ganze,

allein in Mitteleuropa mehrere hundert Arten umfassende

Familie der Bienen. Bei Honigbienen sind die stachellosen

Drohnen leicht zu erkennen. Sie sind größer und plumper als die

Arbeiterinnen und haben größere, sich oben auf dem Kopf

berührende Facettenaugen. Auch fehlen die Pollensammel-

Körbchen an den Hinterbeinen.

Aber, wie so oft in der Biologie: Keine Regel ohne

Ausnahme. Vor allem in Südamerika, weniger artenreich auch

in Afrika, Asien und Australien, gibt es Stachellose Bienen, die

zum Teil ebenfalls als Honig- und Wachslieferanten genutzt

werden. In Europa scheiterten Ansiedlungsversuche aus

klimatischen Gründen. Zwar ist der Stachel bei den Weibchen

dieser Stachellosen Bienen verkümmert, das erleichtert den

Umgang mit ihnen jedoch keineswegs. Sie verteidigen sich

nämlich mit wütenden Bissen. Haben sie sich einmal

festgebissen, lassen sie nicht mehr los - eher reißt sogar ihr Kopf

ab.

Biotop ist der Fachausdruck für Gartenteiche.

Wörtlich übersetzt ist der (nicht das!) Biotop ein Lebensort

(griechisch bios = Leben, topos = Ort). Die Ökologie definiert

den Begriff als mehr oder weniger einheitlich ausgestatteten

Lebensraum, der dann von einer bestimmten Biozönose, einer

Lebensgemeinschaft aus Pflanzen, Tieren und Pilzen, Einzellern

und Bakterien, genutzt wird. Ein Biotop kann ebenso gut ein

vom Menschen völlig unbeeinflusster Steilhang in den Alpen

sein wie ein Blumenkübel in der Fußgängerzone oder eine von

Staubläusen besiedelte Wohnungsecke. Wie so oft, machte der

wissenschaftliche Begriff beim Übergang in die Umgangssprache

einen Bedeutungswandel durch. Weil es die Tümpel

grabenden Amphibienschützer waren, die dieses Wort in den

1970er Jahren durch inflationäre Verwendung zum

Allgemeingut machten, steht "das Biotop" seitdem für jedes

Wasserloch, in dem ein Frosch quakt.

Blindschleichen sind blind.

Blindschleichen sind nicht blind. Dieser Irrtum beruht auf

einer falschen Deutung ihres ursprünglichen Namens. Ihre

metallisch glänzende Haut nämlich verschaffte ihnen vor vielen

hundert Jahren den Namen "Plintslicho", was so viel heißt wie

Blendender Schleicher. Später wurde daraus unsere

Blindschleiche. Ihre Nahrung suchen die Echsen aber trotzdem

weniger mit dem Auge als mit ihrem Geruchssinn. Ständiges

Züngeln hilft, Duftstoffe einzufangen. Nacktschnecken,

Regenwürmer und Insekten werden so geortet und erbeutet.

Blindschleichen sind Schlangen.

Schau mir in die Augen, Kleines - wer sich darauf einlässt,

sieht die Blindschleiche vielleicht blinzeln. Schlangen dagegen

haben einen typischen, starren Blick. Augenlider fehlen ihnen,

weshalb sie auch nicht blinzeln können. Das "freundliche"

Gesicht enttarnt die Schleiche als beinlose Eidechsenverwandte.

Nicht jedes beinlose Reptil also ist eine Schlange. Auch

innerhalb der Echsen sind die Blindschleichen nicht die einzigen

"Scheinschlangen". Fußlosigkeit entstand im Lauf der

Stammesgeschichte mehrmals unabhängig voneinander. Arten

mit zurückgebildeten Beinen finden sich unter sechs der

siebzehn Echsenfamilien. Bei vielen sind äußerlich noch

winzige Beinstummel zu sehen (bei der südeuropäischen

Erzschleiche zum Beispiel). Bei der Blindschleiche braucht man

dagegen einen Röntgenblick, um die von außen nicht mehr

sichtbaren Reste des Schulter- und Beckengürtels nachzuweisen.

Wann lohnt es sich, auf Beine zu verzichten? Bei unterirdisch

lebenden Echsen scheint die Schlangenform ebenso vorteilhaft

zu sein wie bei solchen, die sich durch dichten Unterwuchs

winden. Und genau das tut unsere Blindschleiche.

Blumensträuße verzehren Sauerstoff, und müssen deshalb

nachts aus dem Krankenzimmer entfernt werden. Tatsächlich

verbrauchen Pflanzen nächtens Sauerstoff, statt welchen zu

produzieren (siehe Seite 132). Allerdings sind das, verglichen

mit dem Sauerstoffkonsum eines Menschen, so geringe Mengen,

dass die Luft deshalb nicht knapp wird. Der wahre Grund, den

Blumenschmuck (nicht nur nachts) aus den Krankenzimmern zu

verbannen, ist ein hygienischer. Das Wasser in der

Schnittblumenvase wie auch die Erde von Topfblumen wimmelt

von Kleinlebewesen. Auch wenn die meisten der dort hausenden

Bakterien, Einzeller oder Schimmelpilze harmlos sind, ist eine

Gesundheitsgefährdung schwer Kranker oder frisch Operierter

nicht immer auszuschließen. Also wird dieses Einfallstor für

Keime lieber geschlossen: Die Blumen müssen draußen bleiben.

Aber selbst früher, als man es mit der Hygiene noch nicht so

genau nahm und Blumen im Krankenhaus noch gerne gesehen

wurden, hat man die Sträuße abends auf den Gang gestellt. Dort

war es gewöhnlich einfach kühler als in den Krankenzimmern,

weshalb die Sträuße länger hielten.

BLUT ist immer rot.

Rot ist das Blut des gemeinen Volkes. Der Adel aber ist

blaublütig. Diese Unterscheidung stammt aus alter Zeit, in der

die arbeitende Bevölkerung wettergegerbte Haut hatte, während

durch die zarte weiße Haut der holden Maiden in den

Kemenaten der Burgen und Schlösser bläulich die Adern

schimmerten. Stach sich eine beim Sticken in den Finger, floss

aber auch hier rotes Blut. Rot ist die Farbe des Hämoglobins,

das, in roten Blutkörperchen konzentriert, den Gastransport im

Wirbeltierkörper besorgt. Ausnahmsweise kann es aber fehlen.

Die antarktischen Eisfische haben weißes Blut. Bei Insekten ist

das sogar die Regel. Hier wird der Gasaustausch auch nicht

durch das Blut, sondern über das sich immer feiner verästelnde

Luftröhrensystem der Tracheen geregelt. Allerdings gibt es auch

manche Wirbellosen, die den bewährten roten Blutfarbstoff

einsetzen. Er tritt zum Beispiel im Regenwurm und in der bei

Aquarianern als Futtertier beliebten knallrot gefärbten roten

Larve mancher Zuckmücken auf. Andere Wirbellose nutzen als

Sauerstofftransporter statt des eisenhaltigen Hämoglobins das

kupferhaltige Hämocyanin, und die haben nun wirklich blaues

Blut. Zum blaublütigen "Adel" der Tierwelt gehören unter

anderem Tintenfische, die meisten Schnecken, viele Krebse,

Schwertschwänze, Skorpione und Spinnen.

Blüten locken Bestäuber meist mit Honig an.

Blüten kennen zwei gängige Währungen als Lohn für fleißige

Bestäuber: Pollen und Nektar. Bezahlt werden damit

Schmetterlinge und Bienen, Käfer und Fliegen, in tropischen

Ländern auch Vögel und Fledermäuse, als Gegenleistung für

den Pollentransport von Blüte zu Blüte. (Dass es auch zahlreiche

Betrüger unter den Blüten gibt, die unter Vorspiegelung falscher

Tatsachen Bestäuber anlocken, aber keinen Lohn bezahlen, sei

nicht verschwiegen). Honig dagegen ist kein Blütenlohn,

sondern wird erst von den Honigbienen hergestellt. Grundstoff

ist nicht nur Nektar, der je nach Pflanzenart zwischen acht

Prozent und 76 Prozent Zucker enthält, sondern auch Honigtau.

Diesen scheiden die Pflanzensaft saugenden Blatt- und

Rindenläuse aus; aus dieser etwas unappetitlichen Grundlage

machen die Bienen den besonders geschätzten Wald- und

Tannenhonig. Im Bienenstock werden Nektar und Honigtau von

der Sammlerin an andere Bienen weitergeleitet, die ihn dann mit

Fermenten versetzen, eindicken und schließlich in luftdicht

verschlossenen Waben als Reserve für schlechte Zeiten

aufbewahren. Hierzulande stellen nur Honigbienen Honig her.

Die Hummeln füllen ihre "Honigtöpfe" mit Nektar

verschiedener Blüten.

Blütenpflanzen erzeugen mithilfe der Sonne Nährstoffe.

Pflanzen verfügen über eine ausgefeilte Solartechnik, um die

wir Menschen sie nur beneiden können. Sie erzeugen in einem

Fotosynthese genannten Vorgang aus den überall verfügbaren

Rohstoffen Kohlendioxid und Wasser mithilfe von Sonnenlicht

energiereiche Zuckerverbindungen. Eine zentrale Rolle beim

"Einfangen" der Sonnenenergie spielt dabei der grüne

Blattfarbstoff, das Chlorophyll. Das heißt: ohne Chlorophyll

auch keine Fotosynthese. Wenn eine Pflanze also ganz bleich

dasteht, wie die Nestwurz (eine Orchidee), der Fichtenspargel

oder die Sommerwurz-Arten, kann sie sich nicht von "Licht und

Luft" ernähren. Sie besorgt sich die nötigen Nährstoffe, indem

sie mit ihren Wurzeln andere Pflanzen anzapft, ist also ein

Parasit. Volkstümliche Namen wie Kleewürger und Hanftod für

zwei Sommerwurz-Arten deuten schon an, dass dieser Aderlass

für den unfreiwilligen Wirt nicht immer leicht zu verkraften ist.

Bockbier hat etwas mit dem Ziegenbock zu tun.

Der Bocksbeutel, eine bauchigbreite Weißweinflasche aus

dem Fränkischen, verdankt seinen Namen tatsächlich dem

Ziegenbock bzw. der Form seines Hodensacks. Beim Bockbier

sind dagegen keinerlei derart anrüchige Assoziationen

angebracht. Das Starkbier heißt nach der berühmten Bierstadt

Einbeck, die früher als Aimbock oder Oambock bekannt war.

Bohnen sind ungiftig.

Lassen sich Bohnen wirklich unbedenklich verspeisen?

Zunächst: Bohne ist nicht gleich Bohne. Im Hausgarten werden

mit Gartenbohne und Feuerbohne schon zwei verschiedene

Arten angebaut, Saubohne und Sojabohne gehören ebenfalls in

die nähere Verwandtschaft. Dazu gesellen sich noch zahlreiche

weitere Bohnen-Arten auf der ganzen Welt. Sie alle gehören zur

Familie der Schmetterlingsblütler. Manches, was Bohne heißt,

ist dagegen keine, sondern hat nur die Form eines

Bohnensamens: Kakaobohnen, Kaffeebohnen, Blaue Bohnen...

Sind Bohnen nun giftig oder nicht? Eine pauschale Antwort

lässt sich nicht geben, weil nicht alle Arten dieselben

Inhaltsstoffe aufweisen. Für die häufig angebaute Garten- und

die Feuerbohne gilt: Ja und nein. Sie enthalten den Giftstoff

Phasin, der die Blutgerinnung stört. Bei 75 Grad Celsius wird

Phasin zerstört. Ro he Bohnen sind also tatsächlich giftig und

auch Trocknen hilft nicht, den Giftstoff abzubauen. Es gilt: Erst

kochen, dann genießen. Eine nahe Verwandte, die in warmen

Ländern angebaute Mond- oder Limabohne, verliert ihre durch

eine Blausäureverbindung hervorgerufene Giftigkeit gar erst,

wenn sie ein bis zwei Tage eingeweicht und dann gekocht wird,

wobei das Kochwasser weggeschüttet werden muss.

Dagegen sind Sojabohnen und die bei uns häufig als

Viehfutter angebaute und gelegentlich auch als Gemüse genutzte

Saubohne ungiftig. Letztere, auch als Dicke Bohne oder

Puffbohne bekannt, kann allerdings heftige Allergien

hervorrufen. Vor allem Menschen aus Mittelmeerländern

scheinen von dieser ererbten Gefährdung besonders betroffen zu

sein.

Bremsen stechen.

Während eine Stechmücke mit ihrem dünnen Stechrüssel

Präzisionsarbeit leistet und dabei, wenn sie Glück hat, nicht

einmal auf Nerven trifft, gehen Bremsen richtig grob vor. Mit

ihren messerförmigen Mundwerkzeugen schneiden sie die Haut

ihrer Opfer auf - das Resultat ist also eigentlich kein Stich,

sondern ein Schnitt. Und anders als Stechmücken, die ihre

Blutnahrung durch ihren eingebauten Trinkhalm einsaugen,

nehmen Bremsen das durch gerinnungshemmenden Speichel

dünnflüssig gemachte austretende Blut mit ihrem Tupfrüssel

auf. Die Wunden bluten oft noch, nachdem die Bremse gesättigt

davongeflogen ist. Bei Menschen kommt es aber meist nicht so

weit. Zwar verstehen die Bremsen es, sich schnell und

unauffällig zu nähern, dem schmerzhaften Schnitt in die Haut

folgt aber dann sehr schnell die zuschlagende Hand.

Brennesseln sind nutzloses Unkraut.

Unsere Vorfahren sahen das ganz anders. Aus den Stängeln

der Nesseln haben sie lange Fasern gewonnen, die zu Fäden

zusammengedreht und dann weiter verarbeitet wurden. Ganz

einfach ist es allerdings nicht, die vor allem in den

Stängelkanten verlaufenden Fasern zu isolieren. Meist wurden

die Pflanzen dazu gekocht. Jedenfalls stand mit der Nessel

schon vor dem ebenfalls bereits aus der Jungsteinzeit

nachgewiesenen Anbau des Leins, aus dem Flachs und dann

Leinen hergestellt wird, ein Faserlieferant zur Verfügung.

Allerdings gibt es nur wenige direkte Hinweise auf solche

frühen Nesselprodukte, Textilien etwa. Sie zersetzen sich

einfach zu schnell und sind deshalb kaum erhalten.

Brennnesseln waren in der Steinzeit übrigens ganz sicher noch

nicht das Allerweltsgewächs, als das wir sie heute kennen und

fürchten. Die Pflanzen sind nämlich auf sehr nährstoffreiche

Standorte angewiesen, die im Zeitalter der Massentierhaltung

und des Kunstdüngers überall zu finden sind. Damals jedoch

dürften sie allenfalls in den Auwäldern der großen Flüsse und

rund um die wenigen Wohnplätze der Menschen ausgedehntere

Bestände gebildet haben.

Bis etwa ins Jahr 1720 wurden Brennnesseln sogar noch in

größerem Ausmaß angebaut. Vor allem für robuste Kleidung,

Bettlaken und Zeltbahnen wurde der stabile, durch anhaftende

Rindenteile stets etwas raue Nesselstoff genutzt. Mit der

beginnenden Industrialisierung wurden Nesselprodukte dann

sehr rasch von Baumwolle verdrängt. Baumwolle, der heute

weltweit wichtigste Rohstoff für pflanzliche Gewebe, ist

ebenfalls eine uralte Kulturpflanze, die schon vor 5000 Jahren

im Industal und wenig später in Peru angebaut wurde. In

unseren Breiten erhielt sie erst mit der Entwicklung der

weltweiten Massenguttransporte durch Schiffe Bedeutung.

Heutzutage kann man zwar noch einen als "Nesseltuch"

bezeichneten Stoff kaufen - er wird aber aus Baumwolle

hergestellt. Bleibt noch der kulinarische Aspekt: Junge

Nesselblätter lassen sich im Frühjahr wie Spinat zubereiten oder

als Salat anrichten. Wenn sie leicht anwelken, was schon bei der

Verarbeitung geschieht, brennen sie auch nicht mehr auf der

Zunge.

Außerdem sollte sich die Schaden-Nutzen-Analyse, die über

Kraut oder Unkraut entscheidet, auch nicht nur auf uns

Menschen beschränken. Denn dann zeigt sich sehr schnell, dass

wir die Nessel nicht bedenkenlos der zweiten Kategorie

zuschlagen dürfen. Einige unserer schönsten Tagfalter, das

Tagpfauenauge, der Kleine Fuchs und der Admiral, sind auf

Gedeih und Verderb von ihrem Vorkommen abhängig. Ihre

Raupen fressen Brennnesselblätter, und nur das. Wer sich weiter

an den schönen Faltern erfreuen will, darf der Brennnessel also

nicht den Garaus machen.

Buchweizen ist ein Getreide.

Alle Getreide, ob Weizen, Roggen, Hafer, Mais oder Reis,

sind Gräser. Der Buchweizen nicht, weshalb er weder Getreide

im Allgemeinen noch Weizen im Speziellen ist. Er gehört zu

den Knöterichgewächsen, einer Pflanzenfamilie, zu der

beispielsweise auch der Sauerampfer zählt. Seinen Namen

verdankt der Buchweizen den rotbraunen, dreikantigen

Nussfrüchten, die an Bucheckern erinnern. Sein Zweitname

Heidenkorn hat eine doppelte Bedeutung: Einerseits brachten

ihn die "Heiden" nach Europa: Die Mongolen führten ihn im 14.

Jahrhundert aus seiner Heimat, dem Amurgebiet, ein.

Andererseits wurde der genügsame Buchweizen bevorzugt auf

den nährstoffarmen Sandböden der Heidegebiete Norddeutschlands

angebaut und als Grütze gegessen. Inzwischen sieht man

ihn auch dort kaum noch. Dank Kunstdünger können selbst auf

solchen von Natur aus kargen Böden jetzt die anspruchsvolleren

Getreidearten gesät werden.

Das Chamäleon passt seine Farbe der Umgebung an.

Ob ein raffiniert geschminkter Mund, ein jähes Erbleichen

oder ein puterrot anlaufender Wüterich - in allen drei Fällen

senden Farben Botschaften aus, die vom Gegenüber verstanden

werden. Nicht nur beim Menschen dienen Farben der

Kommunikation, sondern auch bei sehr vielen Tieren, nicht

zuletzt beim Chamäleon. Ein entspanntes Chamäleon trägt in

vielen Fällen ein Tarnkleid. Frappierend, wie es dann mit dem

Untergrund zu verschmelzen scheint. Der Tarneffekt wird durch

die bizzare Form und die zeitlupenhaften Bewegungen noch

verstärkt. Schwankende Stimmungen allerdings schlagen sofort

auf das Erscheinungsbild durch - Tarnung hin oder her. Man

fühlt sich an bekannte Situationen erinnert, wenn bei

Auseinandersetzungen zwischen zwei Männchen das sich

überlegen fühlende in prangenden Farben einhergockelt,

während der Verlierer zur grauen Maus wird. Außerdem ist die

Färbung auch noch temperaturabhängig. In der Kühle der Nacht

erbleichen viele Chamäleons. Und schließlich müssen wir noch

die Feinheiten der Formulierung auf die Goldwaage legen.

Falsch ist die Aussage in der Überschrift. Sie unterstellt dem

Chamäleon die Fähigkeit zur aktiven Farbveränderung nach dem

Motto: Was kann ich jetzt mal anziehen, damit's auch zu dem

Blatt passt, auf dem ich grade sitze. Der Farbwechsel ist aber

unwillkürlich, also nicht steuerbar, ähnlich wie wir in peinlichen

Situationen erröten, ob wir wollen oder nicht. So stoisch sich

das Chamäleon auch verhält, seine jeweilige Färbung gibt

immer Auskunft über seine augenblickliche Gemütsverfassung.

Der Christusdorn ist ein Kaktus.

Die beliebte Zimmerpflanze stammt aus dem Hochland

Madagaskars und kann schon deshalb kein Kaktus sein. Kakteen

sind nämlich alle Amerikaner (siehe Seite 92). Die Blüte verrät

die wahre Verwandtschaft: Die winzigen, von roten

Hochblättern umgebenen Blütenstände des Christusdorns sind

ganz typisch für die Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae). Zu

diesen gehört zum Beispiel auch ein anderer häufiger

Zimmerschmuck, der Weihnachtsstern (siehe Seite 209). Aber

nicht nur in tropischen Gefilden, sondern auch am heimischen

Feldrain wachsen Wolfsmilchgewächse. Besonders bekannt ist

die Zypressen-Wolfsmilch mit ihren zunächst auffällig gelben,

später dann rötlich werdenden Hüllblättern.

Delfine leben nur im Meer.

Delfine gehören zu den Walen und Wale schwimmen im

Meer. Das stimmt - mit ganz wenigen Ausnahmen allerdings. In

den großen Flusssystemen von Amazonas, Ganges, Indus und

Jangtsekiang leben die eigenartigen Flussdelfine. Sie haben

typische Fischfresser-Gebisse. In den langen, schmalen

Schnauzen stehen dicht an dicht die spitzen Zähne. Die Augen

sind zurückgebildet, dem Gangesdelfin fehlt sogar die Linse. In

den trüben, schlammigen Tieflandflüssen ist aber sowieso nichts

zu sehen. Hier sind andere Sinnesorgane gefragt. Der Ganges-

und der Indusdelfin schwimmen meist auf der Seite und fahren

mit einer Vorderflosse am Untergrund entlang. Beim Fischfang

hilft eine hoch entwickelte Ultraschall-Ortung. Fünf Arten von

Flussdelfinen unterscheiden die Zoologen, von denen allerdings

einer, der La-Plata-Delin, die Gewässer der südamerikanischen

Atlantikküste bewohnt und das Süßwasser meidet.

Neben den Flussdelfinen gibt es nur noch eine Walart, die

regelmäßig im Süßwasser vorkommt. Der Amazonas-Sotalia,

der in die Familie der eigentlichen Delfine gehört, lebt sowohl

an Küstengewässern als auch im Amazonas Tausende Kilometer

stromaufwärts. Nur sehr selten verirren sich auch andere Wale

in Flüsse. Besonders bekannt wurde ein Weißwal, der sich im

Frühjahr 1966 einen Monat im Rhein aufhielt und dabei

immerhin Bad Honnef südlich von Bonn erreichte, bevor er

kehrtmachte und wieder flussabwärts schwamm. Was die

eigentlichen Flussdelfine angeht: Lange werden diese merkwürdigen

Wale vermutlich nicht mehr existieren. Wasserverschmutzung

und Staudämme machen ihnen das Leben

schwer. Der Chinesische Flussdelfin gilt als eines der seltensten

Säugetiere der Erde und steht wegen der gewaltigen

Dammprojekte am Jangtse vermutlich kurz vor dem Aussterben.

Lediglich der Amazonasdelfin scheint noch ungefährdet.

Delfine sind Fische.

Delfine gehören zu den Walen, sind also keine Fische,

sondern Säugetiere im strömungsgünstigen Fischdesign. Wie

alle Säugetiere atmen sie durch Lungen, wie (fast) alle

bekommen sie lebende Junge, die sie (wieder wie alle) zunächst

mit Muttermilch säugen. Einfachstes Erkennungsmerkmal der

Wale (und damit auch der zu ihnen gehörenden Delfine): die

waagerechte Schwanzfluke. Die Schwanzflosse der Fische steht

dagegen senkrecht.

Alle Dinosaurier starben mit einem Schlag aus.

Wie konnten die Saurier vor 65 Millionen Jahren, als mit der

Kreidezeit das Erdmittelalter zu Ende ging, so einfach

verschwinden? Nach immerhin 150 Millionen Jahren erfolgreicher

Existenz und nachdem noch kurz vorher so viele

Gattungen wie nie zuvor gelebt hatten! Abenteuerliche Theorien

ranken sich um den mysteriösen Untergang der Dinosaurier und

Flugsaurier, der Paddelechsen und Mosasaurier, vieler Pflanzen

und Wirbellosen (wie Ammoniten und Belemniten) und der

überwiegenden Zahl des einzelligen Meeresplanktons. Seitdem

an der erdgeschichtlichen Grenze zwischen Kreide- und

Tertiärzeit weltweit an vielen Fundorten eine dünne Schicht

entdeckt wurde, in der das auf der Erdoberfläche seltene, im

Meteoritenstaub aber mehrere tausendmal häufigere Element

Iridium angereichert ist, haben wir eine Lieblingstheorie zur

Erklärung des Massensterbens. Danach hat ein Himmelskörper

die Erde getroffen. Die gewaltige Katastrophe wirbelte so viel

Staub auf, dass der Himmel wohl monatelang verdunkelt war -

und damit änderten sich die Lebensbedingungen so radikal, dass

nicht nur die Dinosaurier, sondern auch sehr viele andere

Lebewesen quasi von heute auf morgen ausstarben. Allerdings

hat der Meteorit leider nicht alle Saurier-Probleme auf einen

Schlag erledigt. Während das Meeresplankton tatsächlich mehr

oder weniger schlagartig verschwand, gibt es nämlich auch

Hinweise darauf, dass sich das Sterben der Riesen über einen

langen Zeitraum hinzog. Die Ichthyosaurier, die Erfolgsmodelle

im Meer, waren zum Beispiel schon viele Millionen Jahre vor

dem big bang verschwunden, andere Formen schon selten

geworden. Und an verwandten Reptilien schien das Ganze völlig

vorbeigegangen zu sein: Krokodile, Schildkröten und Eidechsen

zeigten sich von dem Untergang der Saurier wenig beeindruckt.

Also: Die Katastrophen-Theorie ist zwar nach wie vor die beste,

die wir haben. Im Detail bedarf sie jedoch der Nachbesserung.

Dinosaurier lebten zeitgleich mit Steinzeitmenschen.

Trotz Fred Feuerstein, Arthur Canon Doyles bekanntem

Roman "Verlorene Welt" oder Steven Spielbergs Jurassic Park:

Menschen und Dinosaurier haben sich - leider oder Gott sei

Dank - nie Auge in Auge gegenübergestanden. Für die

Dinosaurier war am Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen

Jahren Schluss (siehe Seite 35). An den Menschen dachte

damals noch keiner. Es ist gerade mal etwa fünf Millionen Jahre

her, seit unsere noch sehr affenähnlichen Vorfahren begannen,

auf zwei Beinen zu laufen. Verschiedene Arten von

Australopithecus und Paranthropus lebten dann, teils zeitgleich,

teils einander folgend in Afrika. Der Übergang zu unserer

eigenen Gattung Homo erfolgte (ebenfalls in Afrika) vor über

zwei Millionen Jahren. Lässt man als Menschen erst den gelten,

der sich selbst Homo sapiens nennt und heute die ganze Erde

besiedelt, beginnt unsere Geschichte (vermutlich schon wieder

in Afrika) vor nur wenig mehr als 100.000 Jahren.

Dinosaurier waren die schwersten Tiere der Erde.

In der Tat reicht an die Riesen des Erdmittelalters kein

heutiges Landtier heran. Neben Brachiosaurus, dem mit 26

Meter Länge und zwölf Meter Höhe größten und mit fünfzig

Tonnen Gewicht auch schwersten vollständig ausgegrabenen

Dinosaurier, wirkt selbst der mächtigste Afrikanische

Elefantenbulle zierlich. Er erreicht "nur" 3,7 Meter Höhe und

eine Masse von siebeneinhalb Tonnen. Im Meer liegen die

Dinge allerdings anders. Lange sah es so aus, als könne dem

Blauwal keiner das Wasser reichen. Mit bis zu 33 Metern

maximaler Länge galt er als das größte Tier, das je auf Erden

gelebt hat. In den letzten Jahren lassen neue Saurierfunde aber

zunehmend daran zweifeln. Paralititan, Supersaurus,

Ultrasaurus, Seismosaurus - schon die Namengebung scheint

keine Grenzen zu kennen. Längen bis zu fünfzig Meter, Höhen

bis zu zwanzig Meter, Massen bis zu achtzig Tonnen werden

genannt. Sie beruhen allerdings nur auf Schätzungen und

Hochrechnungen, denn mehr als einige gewaltige Knochen hat

man von diesen Mega-Sauriern (noch) nicht gefunden.

Ungefährdet scheint die Rekordstellung des Blauwals

einstweilen in puncto Masse: Mit hundert bis 130 Tonnen wiegt

er mehr als die Riesensaurier, die ihn dank langer Hälse und

Schwänze an Größe womöglich übertrafen.

Übrigens: Über der Jagd nach Rekorden wird oft übersehen,

dass beileibe nicht alle Dinosaurier groß waren. Die kleinsten

Arten hatten gerade mal Hühnerformat.

Dinosaurier lassen sich aus Erbgutresten wieder

herstellen.

Sie erinnern sich: Im "Jurassic Park", dem durch

atemberaubende Saurierauftritte trotz wenig überzeugender

Handlung unvergesslichen Film, gewannen Wissenschaftler die

Erbsubstanz der riesigen Echsen aus dem Blut, das eine

Stechmücke einem Saurier abgezapft hatte, kurz bevor sie in

Harz eingeschlossen und in Bernstein konserviert wurde.

Science oder Sciencefiction? Inzwischen traut man den Bio- und

Gentechnikern ja fast alles zu. Aber die Erbsubstanz DNA ist

ein höchst kompliziertes und überaus empfindliches

Riesenmolekül. Es ist schon erstaunlich genug, dass es gelang,

aus etwa 50.000 Jahre alten Neandertaler-Knochen genügend

Spuren zu finden, um sie mit dem Erbgut des heutigen

Menschen vergleichen zu können. Um ins Zeitalter von

Tyrannosaurus rex zu kommen, müssen wir aber etwa siebzig

Millionen Jahre überbrücken. Das hält kein DNA-Stück aus,

selbst nicht unter hervorragenden Erhaltungsbedingungen.

Zudem genügen zwar zum Vergleich verschiedener Arten

Erbgut-Schnipsel. Aber ohne sein komplettes Erbgut wird T. rex

nie wieder auferstehen. Schade!?

Dinosaurier sind ausgestorben.

Es scheint eine Binsenweisheit zu sein: Vor 65 Millionen

Jahren war Schluss mit der Herrschaft der Riesenreptilien - oder

vielleicht doch nicht? Zwar sind die Zeiten von Tyrannosaurus,

Brachiosaurus, Triceratops und wie sie alle heißen endgültig

dahin. Ein kleiner Seitenast der Dinosaurier scheint sich aber bis

in die Neuzeit gerettet zu haben: die Vögel. Ausgerechnet diese

fragilen Leichtgewichte als Nachfahren der Giganten des

Erdmittelalters? Allzu oft vergessen wir, dass es durchaus auch

kleine Dinos gab. Der früheste bekannte Vogel, der Urvogel

Archaeopteryx, hat ein Skelett, das dem eines kleinen

Dinosauriers bis ins Detail verblüffend ähnelt. Irritierend nur,

dass Schlüsselbeine bei allen in Frage kommenden Verwandten

zu fehlen scheinen. Vögel dagegen haben welche. Sie sind zum

Gabelbein verwachsen, dem v-förmigen Knochen in der

Vorderbrust. Allerdings taugen Negativ-Nachweise nicht viel. In

der Paläontologie beweist jeder Knochen- oder Spurenfund, dass

hier etwas existiert hat. Aber wer will belegen, dass etwas nicht

existiert hat? Die fossilen Befunde sind so lückenhaft, dass man

immer wieder mit Überraschungen rechnen muss. Eine solche

waren die Funde kleiner Dinosaurier mit Schlüsselbein, durch

die viele Zweifel an dieser merkwürdigen Abstammung

ausgeräumt wurden.

Ganz unumstritten ist sie allerdings immer noch nicht. Vor

allem Ornithologen haben Vorbehalte gegen die Vorstellung, die

Vögel stammten von einem bodenlebenden Saurier ab, der

Federn bekam und abhob. Sowohl der Bau der Füße des

Urvogels als auch seine schmalen, gebogenen, spitzen Krallen

sprechen nämlich dafür, dass sich die frühesten bekannten Vögel

auf Bäumen bewegten und der erste Flug eher von oben nach

unten gleitend als von unten nach oben hopsend stattfand.

Außerdem besteht ein kleines Zeitproblem: Die vogelähnlichen

Dinos sind allesamt viele Millionen Jahre jünger als

Archaeopteryx, können also unmöglich selbst seine Vorfahren

sein.

Und so ist die spannende Verwandtschafts- und Abstammungsdiskussion

bis heute nicht abgeschlossen und flammt bei

jedem neuen Fossilfund wieder auf. Die Frage, ob Vögel

befiederte Dinosaurier sind, wird die Wissenschaftler noch eine

Weile beschäftigen.

Dinosaurier waren Reptilien, also wechselwarm.

Die erste Aussage stimmt, die zweite ist ein - wie wir sehen

werden - vermutlich voreiliger Schluss von heute lebenden

Kriechtieren auf die Saurier. Aber lassen sich solche Fragen

überhaupt noch beantworten, 65 Millionen Jahre nach dem Tod

des letzten Sauriers, dessen Körpertemperatur in Abhängigkeit

zur Außentemperatur wir hätten messen können? Die

Paläontologen haben kriminalistischen Spürsinn entwickelt, um

Indizien zusammenzutragen. Zum Beispiel haben sie

festgestellt, dass die Knochen kaltblütiger Tiere im warmen

Sommer schneller wachsen als im kalten Winter. Dadurch

entstehen Jahresringe in den Knochen, die den bekannten

Warmblütern ebenso fehlen wie den Dinos. Auch in der

intensiven Versorgung der Knochen mit Blutgefäßen ähneln die

Dinosaurier eher den Säugetieren. Außerdem lebten manche

Dinosaurier so weit nördlich oder südlich, dass sie als

Wechselwarme den Winter in Kältestarre hätten verbringen

müssen, was wir uns nur schlecht vorstellen können. Auch heute

dringen nur wenige, kleine Reptilien weit nach Norden vor,

während sich die großen Arten in den Tropen tummeln. Diese

und weitere Argumente untermauern die Vorstellung vieler

heutiger Wissenschaftler von den Dinosauriern als höchst

beweglichen Warmblütern gegenüber älteren Rekonstruktionen,

die äußerst träge Kaltblüter zeigen.

Das Dromedar hat zwei Höcker.

Um es gleich vorwegzunehmen: Ein Dromedar hat nur einen

Höcker. Wer zwei Höcker trägt, heißt Kamel. Verwirrung

entsteht allerdings immer wieder durch die doppelte

Verwendung des Begriffs "Kamel". Im engeren Sinn ist ein

Kamel das zweihöckerige Trampeltier der innerasiatischen

Trockengebiete. Als Kamele im weiteren Sinn bezeichnen die

Zoologen aber auch die ganze Familie. Sie besteht aus

insgesamt vier Arten, die weit über den Erdball verstreut leben.

In Zentralasien werden die zweihöckerigen Kamele oder

Trampeltiere als Haustiere gehalten. Wild lebende Trampeltiere

sind nahezu oder gar völlig ausgestorben, ein Schicksal, das die

Vorfahren der einhöckerigen, langbeinigen, schlanken

Dromedare Arabiens schon hinter sich haben. Dromedare gibt es

nur noch als Haustiere oder, wie zum Beispiel in Australien, als

verwilderte Nachkommen domestizierter Vorfahren. Wer nun

endlich gelernt hat, das einhöckerige Dromedar und das

zweihöckerige Kamel zweifelsfrei auseinander zu halten, wird

verblüfft darüber sein, dass die Kamele selbst es mit dem

kleinen Unterschied gar nicht so ernst nehmen. Ein brünftiger

Dromedarhengst besteigt auch ohne zu zögern eine Kameldame

(und das Kamel eine Dromedarstute) - und aus diesen

unstatthaften Verbindungen entspringen Fohlen, die ihrerseits

wieder durchaus fruchtbar sind: Für Biologen ein Indiz dafür,

dass hier noch keine deutliche Trennung in verschiedene Arten

stattgefunden hat, und Anlass zur Überlegung, ob denn das

Dromedar überhaupt eine eige nständige Art oder nicht doch ein

durch Zuchtwahl entstandener Abkömmling der Trampeltiere

ist. So verschieden sind die beiden ja doch nicht und schließlich

brauchen wir nur die Hunde anzusehen, um eine leise Ahnung

davon zu bekommen, wie stark sich das Erscheinungsbild von

Tieren durch gezielte Züchtung innerhalb kurzer Zeit verändern

lässt. Bleibt nachzutragen, dass die Nachkommen von Kamel

und Dromedar nicht eineinhalb Höcker haben, sondern nur einen

einzigen, allerdings ziemlich langgezogenen. Völlig ohne sind

übrigens die Kleinkamele Südamerikas, das zierliche Vikunja

und das etwas robustere Guanako, von dem die beiden

Haustierformen Lama und Alpaka abstammen.

Vor Eichen muss man weichen, Buchen muss man suchen.

"Vor den Eichen sollst Du weichen, und die Fichten wähl'

mitnichten, auch die Weiden musst Du meiden, aber Buchen

sollst Du suchen", mahnten schon unsere Großeltern, wenn ein

Gewitter drohte. Um es gleich vorneweg zu sagen: Trotz der

weiten Verbreitung solcher Merksprüche ist nichts dran. Dem

Blitz ist die Botanik nämlich völlig egal. Ausschlag- (oder

vielmehr einschlag-) gebend ist nicht die Baumart, sondern der

Standort. Steht ein Baum allein in der Feldmark oder überragt er

andere, ist er stärker gefährdet. Aber auch in unserer

Bauernregel steckt ein Fünkchen Wahrheit. Eichen weisen

tatsächlich häufiger Blitzschäden auf als Buchen. Nicht weil sie

öfter getroffen werden, sondern weil ihre zerklüftete, flechten-

und moosbewachsene Borke mit Regenwasser getränkt ist. Beim

Einschlag verdampft es explosionsartig, dabei zerreißt die

Rinde. An der glatten Buchenborke dagegen läuft das

Regenwasser außen ab. Der Blitz wird in den Boden geleitet,

ohne dass der Baum sichtlichen Schaden erleidet.

Eichenholz ist das härteste heimische Holz.

Das härteste Holz im deutschen Wald? Das kann nur von der

deutschen Eiche stammen, Sinnbild für Härte, Widerstandsfähigkeit

und Langlebigkeit. Aber die Wissenschaft ist

unbestechlich und verweist die Eiche auf die Ränge.

Spitzenreiter sind die Buche und die Hain- oder Weißbuche.

Wie Härte gemessen wird, hat sich ein Ingenieur namens Brinell

ausgedacht. Zum Dank wurde die Härte-Einheit nach ihm

getauft. Und so funktioniert's: Eine Stahlkugel mit zehn

Millimeter Durchmesser wird mit einer Kraft von fünfhundert

Newton fünfzehn Sekunden lang ins gut getrocknete Holz

gedrückt, dreißig Sekunden dort belassen und innerhalb von

fünfzehn Sekunden wieder entfernt. Danach wird der Eindruck

gemessen und über eine etwas komplizierte Formel daraus die

Brinellhärte berechnet. Ein paar Werte gefällig, sortiert von hart

nach weich, vielleicht als kleine Hilfe beim nächsten Möbelkauf

oder der Parkettauswahl? Buche 72/34 Newton pro

Quadratmillimeter, Hainbuche 71/32, Walnuss 70/52, Esche

65/40, Eiche 64/41, Bergahorn 62/27, Apfelbaum 56/30, Birke

49/23, Kiefer 40/19, Schwarzerle 35/17, Fichte 32/12 (erster

Wert: Druckfestigkeit längs zur Faser, zweiter Wert quer dazu).

Hainbuche ist übrigens nicht nur härter, sondern mit 598

Kilogramm/Kubikmeter auch schwerer als Eiche (577

Kilogramm pro Kubikmeter). Aber Härte, Gewicht und

Zähigkeit sind eben nicht alles. Hainbuche ist sehr schwer zu

verarbeiten und reißt beim Trocknen leicht. Um für die Ewigkeit

zu bauen, bleiben wir da doch lieber bei der deutschen Eiche.

Etwas außer Konkurrenz (weil keine "richtigen" Bäume) sind

zwei andere einheimische Holzgewächse die Sieger aller

Klassen: Der bis zu zwölf Meter hohe Buchsbaum (112/58), der

in mitteleuropäischen Gefilden aber eher klein bleibt, und ein

Strauch, die Kornelkirsche. Beide haben extrem hartes Holz, das

gerne zum Drechseln verwendet wird.

Eichhörnchen sammeln vor strengen Wintern mehr

Vorräte.

Auch Eichhörnchen sind keine Wetterpropheten. Wie groß

ihre Wintervorräte ausfallen, hängt in erster Linie vom Angebot

ab. Viele Nüsse, Bucheckern und Eicheln können sie dann

einbunkern, wenn es viele gibt, in so genannten Mastjahren also.

Wenn die Bäume wenig angesetzt haben, muss sich der kleine

Nager mehr anstrengen. Gelingt es nicht, genügend Vorsorge für

schlechte Zeiten zu treffen, bleiben im Winter wenigstens die

Zapfen der Nadelbäume, die auch in der kalten Jahreszeit noch

Futterquellen bieten. Reich bestückte Vorratskammern

erleichtern aber das Überleben bis weit ins zunächst noch karge

Frühjahr hinein erheblich. Dann ist der Nahrungsbedarf mit 80

Gramm pro Tag nämlich sehr viel höher als im Winter. Da

kommt das Eichhörnchen mit 35 Gramm Nahrung pro Tag aus.

Aber auch die will erst gesammelt sein. Mehrere tausend Nüsse,

Bucheckern, Eicheln und Zapfen kann ein einziges

Eichhörnchen im Herbst einlagern, eine Arbeit, die einen

erheblichen Teil seiner Zeit in Anspruch nimmt. Nicht ganz

unberechtigt, der alte Spruch: "Mühsam ernährt sich das

Eichhörnchen...".

Einhörner hat es wirklich gegeben.

Angesichts der fast weltweiten Verbreitung der Einhornsagen

in vielen Kulturkreisen ist man geneigt, einen gewissen

Wahrheitsgehalt zu unterstellen. Die frühesten Berichte

stammen aus China und sind 4700 Jahre alt. Im Mittelalter und

der frühen Neuzeit erlangte das Einhorn bei uns als

Symbolgestalt die verschiedensten Bedeutungen. Häufig wird es

als wildes Tier dargestellt, das beim Anblick einer Jungfrau

zahm wird und sich in ihren Schoß bettet. Und schließlich

begegnen wir dem zauberhaften weißen Pferd mit dem langen

Horn auf der Stirn reichlich in Märchen, in der modischen

Fantasy-Literatur und natürlich auch bei Harry Potter.

Tatsächlich hat die Einhornsage nicht nur einen, sondern sogar

zwei wahre Kerne. Es gibt sie nämlich wirklich, die langen,

geraden, spiralig gedrehten Hörner. Nur sind es keine Hörner,

sondern Zähne. Genauer: der bis 2,7 Meter lange, im linken

Oberkiefer verankerte, linksgewundene Stoßzahn der Bullen des

arktischen Narwals. Nach Europa gelangten die ersten

Narwalzähne wohl im Anschluss an die Besiedlung Grönlands

durch die Wikinger ums Jahr 1000. Als Hörnern des sagenhaften

Einhorns maß man den Zähnen einen ungeheuren Wert bei: das

Zehnfache ihres Gewichts in Gold. Magische Kräfte sollte das

"Horn" haben. Es half bei allen möglichen Krankheiten, heilte

Hühneraugen und Sodbrennen, machte Gift unschädlich und

Frauen gefügig. Erste Versuche des Mediziners Ambroise Paré

(1510 bis 1590), der einen pulverisierten Narwalzahn mit Arsen

mischte und an Tauben verfütterte (worauf die leider den Geist

aufgaben), erschütterten den Glauben an die Zauberkräfte des

"Horns" schon bevor der Däne Ole Worm im Jahr 1638 den

Narwal als Unicomu marinum (Meer-Einhorn) erstmals

abbildete. Die zweite Quelle der Einhornlegende nannte sich

Unicornu fossile (Erd-Einhorn). Meist waren es Stoßzähne

ausgestorbener Elefanten, die dem Fabelwesen an die Stirn

gedichtet wurden.

Eintagsfliegen leben nur einen Tag.

Das eigentliche Leben der Eintagsfliegen ist die Kindheit.

Meist ein, bei manchen Arten aber auch zwei oder gar drei Jahre

dauert ihre Larvenzeit, die sie im Wasser verbringen.

Schließlich schlüpft eine flugfähige Form, die sich wenig später

- einmalig bei Insekten - nochmals häutet. Die nunmehr

erwachsene Eintagsfliege ähnelt trotz ihres Namens einer Fliege

nicht. Sie hat einen langen, schlanken Körper mit meist drei

langen Schwanzfäden und vier durchsichtige, reich geäderte

Flügel, die beim ruhenden Insekt über dem Körper

zusammengeklappt sind. Tatsächlich leben Eintagsfliegen jetzt

nur noch wenige Stunden oder allenfalls Tage - Zeit genug, um

nächtlich schwärmend den Partner für den kurzen Lebensabend

zu finden und für den Fortbestand der Art zu sorgen. Nicht mal

fürs Fressen bleibt Muße. Nahrungsaufnahme ist nicht mehr

vorgesehen, klar ersichtlich an den verkümmerten

Mundwerkzeugen und dem luftgefüllten Darm, der das Gewicht

verringert und dadurch den Hochzeitsflug erleichtert. Nimmt

man die "Eintagsfliegen" ganz wörtlich, hat man recht:

Tatsächlich fliegen sie nur einen Tag. Aber angesichts ihrer

langen Kindheit lässt sich nun wirklich nicht behaupten,

Eintagsfliegen hätten nur ein kurzes Leben.

Eisbären und Pinguine leben gemeinsam an den kalten

Polen.

Auch wenn sie beide ein Faible für die unwirtlichen

Eiskappen der Erde haben: In freier Wildbahn werden sie sich

nie begegnen. Eisbären und Pinguine treffen sich allenfalls im

Zoo. Während die Bären die Gebiete rund um den Nordpol

unsicher machen, ist die Antarktis Pinguin-Land. Wer in der

Schule (oder im späteren Leben) mit Griechisch traktiert wurde,

braucht keine Eselsbrücke, um sich zu merken, an welchem Pol

der Bär los ist. Denn das griechische Wort "arktos" heißt nichts

anderes als Bär.

Der Eisvogel fühlt sich besonders wohl in Eis und Schnee.

Im Gegenteil: Sind Bäche und Seen über längere Zeit vereist,

wird die Nahrung für die spezialisierten Fischjäger knapp. In

sehr harten Wintern verhungern sogar zahlreiche Eisvögel.

Eigentlich müsste der in tropischer Farbenpracht prangende

Vogel "Eisenvogel" heißen, seiner leuchtend stahlblauen

Oberseite wegen.

Elefanten gehen zum Sterben auf einen Friedhof.

Die geheimnisumwitterten Elefantenfriedhöfe in versteckten,

unzugänglichen Sümpfen, in die sich die Dickhäuter zum

Sterben zurückziehen sollen, haben die Fantasie immer wieder

beflügelt. Vielleicht, weil ein würdevoller Tod im Stillen zu den

respektheischenden grauen Riesen passt. Vielleicht auch, weil

die Gier nach Elfenbein dort eine wahre Goldgrube vermutet.

Wie dem auch sei: Elefanten sterben meist unterwegs, auf einer

ihrer oft über weite Strecken führenden Wanderungen. Der

wahre Kern der Legende: Uralte Elefanten trennen sich

manchmal von ihrer Herde und fressen ihr einsames Gnadenbrot

in großen Sumpfgebieten. Dort wachsen weichere Pflanzen, die

sie mit ihren abgekauten Zähnen (siehe nächster Abschnitt)

leichter zermahlen können. Kein Wunder, wenn dann in der

Umgebung eines solchen "Elefantenaltersheims" mehr Elefanten

sterben als anderswo.

Elefanten werden hundert Jahre alt.

Große Tiere werden im Allgemeinen älter als kleinere. Für

den mächtigsten Säuger des Landes scheinen hundert Jahre

demnach noch kein Alter, und doch sind Elefanten mit sechzig

Jahren schon an der Schwelle zum Greisenalter. 69 Jahre alt

wurde der älteste Asiatische Elefant - im Zoo allerdings.

Im Freiland dürfte ein solches Alter kaum erreicht werden.

Das hängt nicht zuletzt mit den Zähnen zusammen. Ein Elefant

hat in jeder Kieferhälfte sechs Backenzähne, allerdings nicht

gleichzeitig, sondern nacheinander. Während am Vorderrand der

Zähne durch Abnutzung immer wieder scheibchenartige

Lamellen abbrechen und der Zahn dadurch allmählich immer

kleiner wird, schiebt sich der folgende Zahn von hinten nach.

Die ersten drei Zähne sind Milchzähne und werden im Lauf der

ersten neun Lebensjahre verbraucht. Der vierte Zahn ist dann bis

zum Alter von zwanzig bis 25 Jahren im Dienst, der sechste und

letzte erscheint, groß wie ein Ziegelstein, wenn der Elefant etwa

45 Jahre alt ist, und hält ungefähr zwanzig Jahre. Dann ist

Schluss mit Zähnen. Bei 150 Kilogramm Nahrung, die täglich

durchgekaut werden müssen, geht das nicht lange gut, sodass die

zahnlos gewordenen Elefanten körperlich meist schnell

verfallen.

Elefantenweibchen haben keine Stoßzähne.

Das stimmt nur, wenn man den Blickwinkel auf den Indischen

oder Asiatischen Elefanten verengt. Bei ihnen sind die

Weibchen stoßzahnlos oder haben allenfalls winzige Ansätze.

Beim größeren und schwereren Afrikanischen Elefanten tragen

beide Geschlechter Stoßzähne, wenn auch die der Bullen länger

und dicker werden als die der Kühe.

Elektrische Fische töten ihre Beute mit einem Stromstoß.

Zitteraal, Zitterrochen und Zitterwels haben das Image der

elektrischen Fische nachhaltig geprägt. Entgegen der

landläufigen Meinung töten alle drei Hochspannungs-Fische

ihre Beute aber nicht per Stromstoß, sondern betäuben sie nur.

Danach lässt sie sich bequem einsammeln. Hochspannung ist

dabei durchaus wörtlich zu verstehen: Beim südamerikanischen

Zitteraal, der auf den schönen wissenschaftlichen Namen

Electrophorus electricus hört, können das über achthundert Volt

sein. Dabei werden Stromstärken von einem Ampere erzeugt.

Klar, dass man sich damit aber auch gut verteidigen kann.

Zitteraal-Schläge sind zwar für Menschen nicht tödlich, setzen

uns aber erst mal sehr wirkungsvoll außer Gefecht.

Neben den wenigen Fisch-Arten, die Elektroschocks

verteilen, gibt es eine größere Zahl, die Strom sanft einsetzt.

Nilhechte zum Beispiel senden dauernd schwache elektrische

Impulse und bauen damit ein elektrisches Feld um sich auf.

Hindernisse stören dieses, was der Nilhecht mithilfe spezieller

Sinnesorgane am Kopf wahrnehmen kann. So kann sich der

Fisch auch in trüben Gewässern gut orientieren und sich

überdies mit seinesgleichen unterhalten, höchst modern mittels

drahtloser Technik. Viele andere Fische wie zum Beispiel

zahlreiche Haie haben einen sehr feinen Elektro-Sinn, ohne

selbst unter Strom zu stehen. Sie erhalten darüber wichtige

Informationen über ihre Umgebung.

Nur Elefantenstoßzähne bestehen aus Elfenbein.

Kunstvolle Elfenbeinschnitzereien am Rande des Eismeers?

In den Iglus der arktischen Jäger wurde damit natürlich keine

erfolgreiche Elefantenjagd gefeiert, sondern der Tod eines

Walrosses, dessen lange Hauer ebenfalls aus Elfenbein bestehen.

Vielleicht ist es ihnen auch gelungen, einen Narwal zu erlegen

und dessen einzigen Zahn, den bis zu 2,7 Meter langen, links

gewundenen Stoßzahn im linken Oberkiefer des Bullen, zu

verarbeiten. Es könnte aber auch sein, dass die Inuit bei einem

Landausflug ein tiefgefrorenes Mammut entdeckt haben oder

wenigstens ein paar Stoßzähne der ausgestorbenen Riesen des

Eiszeitalters. Seit der Handel mit Elefanten-Elfenbein streng

reglementiert ist, wird immer mehr fossiles Elfenbein

verarbeitet, das im nördlichen Sibirien zum Teil in großen

Mengen zu finden ist. Der vierte im Bunde der unfreiwilligen

Lieferanten des "weißen Goldes" ist das Flusspferd. Hier sind es

die gewaltigen Eckzähne der Bullen, die hoch geschätzt werden,

weil sie (sobald man den harten Schmelzüberzug mittels Säure

entfernt) weicher und leichter zu bearbeiten sind als Elefanten-

Elfenbein und überdies nicht vergilben.

Und schließlich gibt es noch pflanzliches "Elfenbein": Die in

den amerikanischen Tropen wachsende Elfenbeinpalme

Phytelephas macrocarpa, was ungefähr mit "großfrüchtiger

Pflanzenelefant" zu übersetzen wäre, bildet steinharte Früchte

von ungefähr vier Zentimeter Durchmesser, aus denen

überwiegend Knöpfe hergestellt werden.

Seinen Namen verdankt das begehrte Material übrigens nicht

seiner elfenhaft weißen Farbe. Das althochdeutsche Wort

helfantbein bedeutet nichts anderes als Elefantenknochen - ein

deutlicher Hinweis darauf, dass schon damals die

Elefantenstoßzähne als das "eigentliche" Elfenbein betrachtet

wurden.

Elstern im Garten vernichten alle Brutvögel.

Spektakel im Garten:

Je lauter das Amselpaar zetert, desto neugieriger durchsucht

die Elster das Gebüsch. Schließlich wird sie fündig. Das

Amselnest wird geplündert.... Nachdem der Sperber endlich

seine Rolle als "Vogelmörder" losgeworden ist, haben wir einen

neuen Feind. Selbst manche Naturschützer wollen der Elster

endlich zu Leibe rücken. Tatsache ist: Elstern, eigentlich Vögel

der offenen, mit Gehölzen durchsetzten Landschaft, sind im

Lauf der letzten Jahrzehnte immer mehr in die Siedlungen

eingewandert. Außerhalb der Ortschaften nehmen die Bestände

dagegen nicht etwa zu, sondern oft sogar ab. Tatsache ist auch,

dass Elstern, was das Fressen angeht, Opportunisten sind. Eier

und Jungvögel bereichern im Frühjahr ihren Speisezettel, wenn

auch nicht als Hauptgang, so doch als Dessert. Damit können

Elstern in einigen Gebieten ganz schön abräumen. Besonders die

Amseln leiden unter ihnen. Aber ge rade sie gehören ja in den

Siedlungen nicht zu den seltenen und abnehmenden Arten - ganz

im Gegenteil! Bevor Entscheidungen über Leben oder Tod der

Elster getroffen werden, sollte man die Emotionen beiseite

packen, die in solchen Fällen äußerst schlechte Ratgeber sind,

und sich stattdessen auf die Wissenschaft verlassen.

Volkszählungen, über viele Jahre in einer norddeutschen Stadt

durchgeführt, haben ergeben, dass bei stetig wachsendem

Elsterbestand die Singvogeldichte keineswegs zurückging,

sondern sogar ebenfalls zunahm.

Dass mancher Vogelfreund einen Rückgang beklagt, liegt

wohl meistens einfach daran, dass viele Singvögel nicht mehr

offen auf der Platte brüten, sondern es ein bisschen heimlicher

tun. Fazit: Kein Grund zur Panik und zum Elstern-Mobbing.

Der Enzian blüht in kräftigem Blau.

Aus den alpenländischen Brotzeithütten ist er nicht

wegzudenken, der berühmte Enzian-Schnaps. Schon das Etikett

mit den tiefblauen Blütenkelchen zeigt, was drin ist. Und doch

ist es eine Mogelpackung. Denn die Grundlage des Schnapses

ist nicht der auf den Flaschen prangende Stängellose Enzian,

sondern sein viel unbekannterer Verwandter, der Gelbe Enzian.

Mit über einem Meter Höhe ist er bei weitem der größte

heimische Vertreter seiner Gattung. Seine gelben Blüten aber

sind klein und damit wenig werbewirksam - Fernwirkung für

bestäubende Insekten erhalten sie nur durch die Zusammenfassung

in Blütenständen. Überdies haben Enzianblüten sowieso

nichts mit dem Schnaps zu tun. Der wird nämlich aus dem

Wurzelstock gewonnen.

Erbsen und Bohnen haben Schoten.

Eines der zahlreichen Beispiele dafür, dass der

wissenschaftliche Jargon von dem der Marktleute abweicht.

Bohnen und Erbsen haben per definitionem wie alle anderen

Schmetterlingsblütler keine Schoten, sondern Hülsenfrüchte.

Ganz klar wird das spätestens, wenn's ans Enthülsen geht.

Schließlich hat noch niemand Erbsen "entschotet". Schoten

werden die Früchte der Kreuzblütler genannt. Dazu zählen zum

Beispiel Raps, Senf und Rettich. Was für den Laien ganz

ähnlich aussieht - eine langgezogene Frucht, die innen eine

Reihe von Samen enthält - stellt sich dem Botaniker ganz anders

dar. Hülsen entstehen aus einem einzigen Fruchtblatt. Öffnet

man eine Hülse, findet man die Samen in einer Reihe liegend

und auf einer Seite angewachsen. Schoten dagegen werden aus

vier Fruchtblättern gebildet. Sie öffnen sich (wie auch viele

Hülsen) oft von alleine. Dann klappt beiderseits ein Fruchtblatt

ab; stehen bleibt ein von zwei weiteren Fruchtblättern gebildeter

"Rahmen", in dem beiderseits Samen angewachsen sind.

Erdbeeren sind Beeren.

Bei einer Beere umschließt ein mehr oder weniger saftiges

Fruchtfleisch die Samen. Klassische Beispiele sind Stachel-,

Johannis- oder Heidelbeere, aber auch Gurke, Kürbis und

Banane sind Beeren. Die Erdbeere dagegen trägt ihren Namen

zu Unrecht. Hier gilt unsere Begierde gar nicht der Frucht selbst,

sondern dem nach der Blüte saftigrot anschwellenden Blütenboden.

Die eigentlichen Früchtchen sitzen als kleine grüne

Körnchen außen drauf. Eine Erd"beere" ist also keine einzelne

Frucht, sondern eine Sammelfrucht, genauer: eine Sammelnussfrucht,

weil die Botaniker die Erdbeer-Früchtchen wegen ihrer

harten, miteinander verwachsenen Fruchtschalen als Nüsschen

bezeichnen.

Der Erlkönig verdankt seinen Namen der Erle.

Der Dichter und Philosoph Johann Gottfried Herder (1744 bis

1803) ist der Vater des Erlkönigs. Bei der Übertragung des

Gedichtes "Herr Oluf" aus dem Dänischen ins Deutsche machte

er aus dem Elfenkönig (dänisch elverkonge, ellerkonge) einen

Erlenkönig. Glatter Fehler oder dichterische Freiheit? Ein Irrtum

jedenfalls lag nahe, denn die Erle heißt im Niederdeutschen

Eller. Und so könnte aus dem Ellerkonge ganz einfach ein

Erlkönig entstanden sein. Richtig populär wurde die Herdersche

Wortschöpfung dann durch seinen Dichterfreund und Kollegen

Johann Wolfgang von Goethe mit seiner unheimlichen Ballade

vom Erlkönig: "Wer reitet so spät durch Nacht und Wind...?".

Esel sind dumm.

Dummer Esel, dummer Hund, dumme Gans - solche

Beschimpfungen sind wohlfeil, solange niemand sagen kann,

wie Dummheit oder Klugheit eigentlich zu messen sind. Was ist

schon Intelligenz? Nach einer halb ernst gemeinten Definition

das, was Intelligenztests messen. Nur: Wer entwickelt einen

solchen Test für Esel und Gans? Wenn nur intelligent ist, wer

vorausschauend handeln und verschiedene Möglichkeiten

gegeneinander abwägen kann, dürfte man allenfalls Menschenaffen

Anflüge von Intelligenz zubilligen. Tiere verhalten sich

überwiegend nicht überlegend, sondern instinktgesteuert.

Manchen ist etwas mehr Flexibilität angeboren, den neugierigen

Ratten etwa. Andere sind, wie Pferde, Gewohnheitstiere, die

ungewohnten Situationen mit Misstrauen begegnen und sich

ihnen notfalls durch Flucht entziehen. Natürlich gibt es

Unmengen von Anekdoten, die Tieren einsichtiges Verhalten

unterstellen. Ganze Fernsehserien von Lassie bis Flipper leben

davon. Insgesamt aber gilt: An Tiere ähnliche Maßstäbe anzulegen

wie an Menschen, ist nicht besonders klug. Um auf die

Esel zurückzukommen: Das eseltypische Beharrungsvermögen,

von wütenden Eseltreibern als Sturheit beschimpft, dürfte mit

ein Grund sein, warum Esel für dumm und unflexibel gelten.

Dabei gibt es oftmals gute Gründe dafür. Wer ist klüger: Einer,

der wie befohlen über den schwankenden Steg marschiert, oder

einer, der trotz aller Schläge lieber abwartet, bis jemand anderer

vorausgeht?

Eulen sind am Tag blind, sehen aber in stockdunkler

Nacht.

Wie bei unseren stehen auch in der Netzhaut der Vogelaugen

verschiedene Typen von Sinneszellen. Zapfenförmige sind für

das Farbsehen zuständig. Weil sie einzeln verschaltet sind,

ergeben sie ein sehr scharfes Bild. Ihr Nachteil: Sie arbeiten nur

bei genügend Helligkeit. Wenn's dunkelt, versagt die

Farbwahrnehmung, wie jeder aus eigener Erfahrung weiß. In der

Dämmerung übernehmen stäbchenförmige Sinneszellen das

Sehen. Weil hier oft sehr viele (bis über tausend)

zusammengeschaltet werden, arbeiten sie wie ein Restlichtverstärker,

was aber natürlich auf Kosten der Schärfe geht.

Während überwiegend dämmerungs- und tagaktive Eulen wie

der vogeljagende Sperlingskauz (siehe Seite 57) auch Zapfenzellen

haben und damit Farben sehen können, setzen die nachtaktiven

wie der Waldkauz oder die Waldohreule auf Stäbchen.

Diese echten Nachteulen, die in ihrer Netzhaut überwiegend

Stäbchen besitzen, sind aber bei Tag mitnichten blind. Sie

können allerdings, auch wenn es hell ist, kaum vom eher etwas

unscharfen Schwarzweißbild zum schärferen Farbbild umschalten.

Eulenaugen verbessern die Lichtausbeute zusätzlich durch

eine stark vergrößerte, gekrümmte Hornhaut und eine große

Linse. Das Auge des Waldkauzes ist damit wenigstens zweieinhalbmal

lichtempfindlicher als unseres. Nachtaktive Eulen

kommen sogar auf eine drei- bis zehnfach bessere Dämmerungssehleistung

als der Mensch. Für den nächtlichen Beutefang

spielt der Gesichtssinn aber trotz dieser Anpassungen eine

untergeordnete Rolle. Ist es zappendüster, ist nämlich auch für

die Eule Schluss mit Sehen. Hier ist dann vor allem ihr

unglaublich scharfes Ohr gefragt.

Eulen fliegen nur nachts.

Nicht alle Eulen gehen tagsüber schlafen. Unter den

einheimischen Arten ist es die Sumpfohreule, der man in

ausgedehnten Feuchtwiesen oder Dünenlandschaften bei Tag

begegnen kann. Sie jagt bevorzugt abends und am frühen

Morgen, ist die Nahrung knapp aber selbst am helllichten Tag.

Auch die kleinste europäische Eule, der Sperlingskauz, liebt die

Dämmerung. Er ist auch mitten am Tag unterwegs, während er

nachts oft schläft - vielleicht eine Vorsichtsmaßnahme, denn

Sperlingskäuze stehen auf dem Speisezettel anderer Eulen.

Lediglich in mondhellen Nächten hält es auch den

Sperlingskauz nicht. Dann lässt er nächtens seinen Gesang

erschallen. In den Wäldern des hohen Nordens schließlich späht

die Sperbereule tagsüber von Baumwipfeln nach Beute. Der

Schnee-Eule, die noch weiter nördlich lebt, bleibt oft gar nichts

anderes übrig, als am Tage zu jagen. In ihrem polaren

Brutgebiet geht die Sonne im Sommer lange Zeit überhaupt

nicht unter.

Evolution: Durch Anpassung entstehen vollkommene

Lebewesen.

In Amerika, wo der Kreationismus (die schlichte Verleugnung

der Tatsache der Evolution also) fröhliche Urstände feiert,

sinnierte der Evolutionsbiologe Stephen J. Gould, die Existenz

der Evolution könne man gerade daran erkennen, dass eben

keine vollkommenen Lebewesen entstünden (und unterstellt

dabei, Gott hätte in einem evolutionslosen Schöpfungsakt

sicherlich für absolut perfekte Anpassung gesorgt). Hintergrund

dieses Gedanken ist, dass Evolutionsprozesse durch natürliche

Auslese gekennzeichnet sind, bei der die besser Angepassten

überleben und sich wieder fortpflanzen. "Survival of the fittest",

das Überleben des Bestangepassten, nannte das Charles Darwin,

der Vater der Evolutionstheorie und sorgte mit diesem

Superlativ für ein kleines Missverständnis. Denn man muss

nicht der Bestangepasste sein, sondern nur der besser

Angepasste. Außerdem machte Gould darauf aufmerksam, dass

kein Lebewesen sich immer neu erfinden kann. Jeder schleppt

seine Geschichte mit sich herum, die in neuen Lebenssituationen

zum Ballast werden kann: Der Wal die Lunge, obwohl er mit

Kiemen nicht dauernd auftauchen müsste. Und wir die

Bandscheibenschäden, weil unser Körper eigentlich auf einer

Grundkonstruktion beruht, die nicht für unsere aufrecht gehende

und sitzende Lebensweise gemacht wurde.

Faultiere sind die faulsten Tiere der Welt.

Die Faulheit der Faultiere ist so provozierend, dass der Spott

nur so auf sie herabprasselt. Ein unvollendetes Werk sei das

Faultier, ein Spaß der Natur gar, bei der sie versucht habe, etwas

möglichst Unvollkommenes und Groteskes zustande zu bringen.

Der Urwaldforscher Beebe meinte vor knapp hundert Jahren,

das Faultier sei besser auf dem Mars aufgehoben, wo das Jahr

sechshundert Tage habe... Und so weiter.

Hier soll ausnahmsweise kein Irrtum aufgeklärt werden.

Faultiere sind wirklich sagenhaft faul. Aber die Faulheit hat

Methode, denn auch das Leben im tropischen Regenwald

Südamerikas ist nur scheinbar üppig und strotzend. In

Wirklichkeit sind Nährstoffe knapp und der haushälterische

Umgang mit ihnen ist sinnvoll. Das Faultier erweist sich als

wahres Energiespar-Tier, denn nicht nur die Bewegung, sondern

auch die Verdauung und damit der gesamte Stoffwechsel laufen

in Zeitlupe ab. Auch an der Heizung wird gespart. Die

Körpertemperatur liegt bei 24 bis 33 Grad Celsius. Wer selbst

bei Lebensgefahr nur Zentimeter für Zentimeter fortkommt,

braucht allerdings gute Tarnung. Die liegt zum Teil in der

Faulheit selbst. Wer sich nicht bewegt, wird auch schlecht

gesehen. Den anderen Teil besorgen in kleinen Haar-Rissen und

-Hohlräumen lebende winzige Cyanobakterien (Blaualgen), die

dem Fell einen grünlichen Farbton verleihen. Und der Erfolg

gibt den Faultieren Recht: In Amazonien zählen sie zu den

häufigsten Säugern ihrer Größenklasse. Noch ein anderes Tier

mit ähnlicher Strategie wird der Faulheit geziehen: der Koala.

Bevor er zum Symbol der Niedlichkeit wurde, nannte man ihn

auch Beutelfaultier oder australisches Faultier, weil er fast den

ganzen Tag zusammengekauert in seiner Astgabel sitzt.

Feuersalamander löschen die Glut, wenn sie ins Feuer

geworfen werden. "Der Salamander, ein Tier von

Eidechsengestalt..., lässt sich nur bei starkem Regen sehen und

kommt bei trockenem Wetter nie zum Vorschein. Er ist so kalt,

dass er wie Eis durch bloße Berührung Feuer auslöscht. Der

Schleim, welcher ihm wie Milch aus dem Maule läuft, frisst die

Haare am ganzen menschlichen Körper weg; die befeuchtete

Stelle verliert die Farbe und wird zum Male. Unter allen giftigen

Tieren sind die Salamander die boshaftesten... Wenn er auf

einen Baum kriecht, vergiftet er alle Früchte, und wer davon

genießt, stirbt vor Frost; ja wenn von einem Holze, welches er

nur mit dem Fuß berührt hat, Brot gebacken wird, so ist auch

dieses vergiftet, und fällt er in einen Brunnen, das Wasser nicht

minder." Der römische Schriftsteller Plinius vermischt hier

munter Dichtung und Wahrheit. Wahr ist, dass die Lurche gern

im Regen spazieren gehen, während sie allerdings nie auf einen

Baum steigen, und wie alle Amphibien eine feuchtkühle Haut

haben. Es stimmt auch, dass Salamander giftig sind. Die

Giftdrüsen sitzen in dicken Schwellungen hinter dem Auge.

Fressfeinde werden durch das Gift sehr wirkungsvoll

abgeschreckt. Ein dreißig Gramm schwerer Salamander enthält

über zwanzig Milligramm des Salamandergiftes Samandarin.

Die Aufnahme von 0,3 Milligramm pro Kilogramm

Körpergewicht genügt, um mit fünfzigprozentiger

Wahrscheinlichkeit zu sterben. Anders ausgedrückt: Die

zwanzig Milligramm Gift reichen, um 66 Kilogramm Feind weit

gehend außer Gefecht zu setzen. Angesichts dessen ist vom

Salamanderverzehr dringend abzuraten. Solange das Gift nicht

mit Schleimhäuten oder Wunden in Berührung kommt, ist es

aber ziemlich harmlos. Bei ihrer doch erheblichen Giftigkeit ist

es den ansonsten völlig wehrlosen Salamandern hoch anzurechnen,

dass sie mit ihrer schwarzgelben Signalfarbe jeden

davor warnen, sie zu belästigen. Vermutlich sind die feuergelben

Streifen oder Flecken auch der Grund, weshalb sie mit

dem Feuer in Verbindung gebracht wurden, dessen trockene

Hitze Amphibien meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Fischbein stammt von Fischen.

Im Vor-Plastik-Zeitalter war Fischbein ein begehrtes Material.

Es ist sowohl sehr stabil als auch äußerst elastisch, eine seltene

Kombination unter Naturstoffen. Jahrhundertelang hielt Fischein,

in Korsagen eingearbeitet, die Damenwelt in Form. Die

Bezeichnung "Fischbein" ist doppelt falsch. Weder stammt es

vom Fisch noch besteht es aus Bein (einer altertümlichen

Bezeichnung für Knochen). In Wirklichkeit handelt es sich um

die Barten von Walen, Säugetieren also (siehe Seite 198). Diese

Hornplatten, bei Glattwalen bis zu vier Meter lang, hängen

beiderseits dicht an dicht am Oberkiefer der Bartenwale und

dienen dazu, Plankton aus dem Wasser zu filtern.

Fische sind taub und stumm.

Im alten China wurden die Goldfische schon mit Glöckchen

an die Futterstellen gelockt, als hierzulande noch jeder davon

ausging, dass Fische nicht hören könnten. Die Wissenschaft ließ

sich dann von dem Verhaltensforscher Karl von Frisch vom

Gegenteil überzeugen: Sein Zwergwels gehorchte auf Pfiff.

Zwar fehlt den Fischen eine äußere Ohröffnung. Trotzdem ist es

aber auch bei ihnen wie bei allen Wirbeltieren das Innenohr, das

die Töne wahrnimmt. Bei zahlreichen Arten arbeitet die

Schwimmblase, deren Hauptaufgabe die Regulation des

Auftriebs ist, als Schallverstärker. Sie wird von den Tönen zu

Schwingungen angeregt, bildet also eine Art inneres

Trommelfell. Entweder werden diese Schwingungen durch

Membranen und Flüssigkeiten auf das Innenohr übertragen,

oder, wesentlich effektiver, über eine Reihe kleiner

Knöchelchen.

Und wie steht es mit der Lauterzeugung? Mehrere hundert

Fisch-Arten sind nicht "stumm wie der Fisch". Der Knurrhahn

etwa trägt seinen Namen nicht umsonst. Sein Knurren erzeugt er

mithilfe der Schwimmblase, die von Muskeln in schnelle

Schwingungen versetzt wird. Ähnlich machen das auch viele

Adlerfische oder Trommler, bei denen die Männchen erstaunlich

laute schnarchende, grunzende, trommelnde oder quakende

Geräusche hervorbringen. Noch ungewöhnlicher sind die

Grunzer, die mit den Zähnen knirschen, was wieder durch die

Schwimmblase zu einem deutlich hörbaren Gegrunze verstärkt

wird.

Fische sind tot, wenn sie bauchoben schwimmen.

Der Rückenschwimmende Kongowels ist eine Ausnahme von

dieser Regel: Er frisst Algen und kleine Wirbellose, die auf der

Unterseite der Blätter von Wasserpflanzen leben, oder Insekten,

die auf der Wasseroberfläche notgelandet sind. Dazu schwimmt

er - sein Name sagt es schon - meist auf dem Rücken. Während

Fische gewöhnlich aus Gründen der Tarnung oben dunkel und

unten hell sind, hat der Kongowels (aus demselben Grund) einen

dunklen Bauch.

Fische gibt es nur im Wasser.

Natürlich ist das Wasser das eigentliche Element der Fische.

Manche machen aber auch Landausflüge. Dem Aal kann man

zum Beispiel auch mal nächtens auf nassen Steinen oder in der

feuchten Wiese begegnen, wenn er bei seiner Wanderung

flussaufwärts (siehe Seite 7) auf zu Wasser nicht überwindbare

Hindernisse stößt, wie etwa den Rheinfall. Die südamerikanischen

Kiemenschlitzaale kriechen weite Strecken durch den

Regenwald Amazoniens, um von einem Gewässer ins andere zu

gelangen. Der aus Südasien stammende Froschwels kann auch

an der Luft atmen. So entkamen in Florida in Fischteichen für

Aquarien gezüchtete Froschwelse ihrem übervölkerten Gefängnis,

gestützt auf Dornen in den Brustflossen, über Land und

breiteten sich auf eigene Faust aus. Und schließlich kann man

selbst dort auf Fische stoßen, wo weit und breit kein Wasser ist.

Der Afrikanische Lungenfisch gräbt sich, wenn sein sumpfiger

Lebensraum austrocknet, in den Schlamm ein und überdauert

hier vier bis sechs Monate, von einer verdunstungshemmenden

Schleimhülle geschützt, die nur den atmenden Mund freilässt.

Die einsetzende Regenzeit befreit ihn aus seiner engen

Schutzhaft. Im Labor saßen Lungenfische auch schon ein ganzes

Jahr auf dem Trockenen.

Bleibt zu erwähnen, dass man Fischen sogar in der Luft

begegnen kann. Die Luftsprünge der berühmten Fliegenden

Fische sind aber keine besonderen Höhenflüge. Sie führen nur

wenige Meter über den Meeresspiegel und enden meist schon

vor der Hundert-Meter-Marke (der Rekord liegt bei vierhundert

Metern). Dazu beschleunigt der Fisch im Wasser auf etwa

siebzig Kilometer/Stunde und gleitet dann auf seinen

ausgebreiteten Brust- und Bauchflossen durch die Luft.

Alle Fische sind wechselwarme Kaltblüter.

Nur Vögel und Säugetiere sind warmblütig. Für alle anderen

gilt: Ihre Körpertemperatur hängt von der Temperatur der

Umgebung ab. Allenfalls besteht die Möglichkeit, sich gezielt

der Sonne auszusetzen, um Wärme zu sammeln. So machen es

viele Schlangen und Echsen. Auch Fische sind wechselwarm

und haben im Prinzip dieselbe Temperatur wie das Wasser, in

dem sie schwimmen. Einige Ausnahmen gibt es aber von dieser

Regel. Große aktive Schwimmer wie der Thunfisch, der

Schwertfisch oder der Weißhai produzieren so viel Bewegungswärme,

dass ihnen tatsächlich richtig warm wird. Ihre Kerntemperatur

übersteigt die des Wassers um mehr als zehn Grad.

Das ist natürlich eine großer Vorteil, denn ein warmer Körper ist

sehr viel reaktionsschneller und leistungsfähiger als ein kalter.

Um möglichst wenig Wärme ans Wasser zu verlieren, wird das

in den Kiemen stark abgekühlte Blut zunächst nach dem

Gegenstromprinzip unter der Haut vorgewärmt, bevor es ins

Körperinnere gelangt. Dabei gibt warmes Blut, das Richtung

Kiemen unterwegs ist, um wieder Sauerstoff zu tanken, seine

Wärme an das kühle sauerstoffreiche Blut ab.

Flechte sind eigenständige Pflanzen.

Flechten sind ein gutes Beispiel dafür, dass enge Kooperation

etwas völlig Neues schafft. Die Flechte ist nämlich gar keine

Pflanze, sondern eine Partnerschaft zwischen einem Pilz und

mindestens einer Alge. Symbiose nennt man solche festen

Beziehungen, von der beide Partner profitieren. Der Vorteil ist

bei den Flechten offensichtlich. Über 20 000 verschiedene Arten

sind in der Lage, äußerst unwirtliche Gegenden in großen

Beständen zu besiedeln, in denen keiner der Partner alleine

existieren könnte. Die arktischen Kältewüsten und Tundren sind

ebenso Flechtenhochburgen wie die Gipfel der Alpen oder die

tropischen Nebelwälder. Die grünen Algen bringen ihre

Fotosynthese-Produkte in die Beziehung ein. Der Pilzpartner

holt sich die Zuckerverbindungen durch Saugfäden, mit denen er

in die Algenzellen dringt. Er ist für die äußere Form zuständig

und vermindert die Austrocknungsgefahr. Vermutlich unterstützt

er die Alge auch mit Wasser und anorganischen Mineralstoffen.

Fledermäuse fliegen in die Haare.

Besonders in der 1950er Jahren, als Fledermäuse noch häufig

waren und die Frisurenmode abenteuerlich hoch getürmte

Haargebilde empfahl, grassierte die Angst vor der unheimlichen

nächtlichen Begegnung. Ein berechtigter Albtraum? Schon im

Jahr 1793 hatte der italienische Naturforscher Spallanzani

bemerkt, dass sich auch geblendete Fledermäuse mühelos

orientieren können. Die Vermutung, das Gehör spiele dabei eine

überragende Rolle, wurde erst wieder nach der Erfindung des

Echolots im 20. Jahrhundert aufgegriffen. Seither versucht man,

mit immer genaueren Messmethoden und ausgeklügelten

Versuchen die Echoortung der Fledermäuse zu enträtseln. Früh

schon hat man mit quer durch dunkle Flugräume gespannten

Fäden experimentiert. Viele Arten können problemlos 0,08

Millimeter dicke Fäden als Hindernis erkennen und elegant

umfliegen. Damit liegen wir schon im Bereich der Haaresbreite

von 0,05 bis 0,1 Millimeter. Wenn man bedenkt, dass eine

Frisur normalerweise nicht aus einzelnen Haaren, sondern aus

vielen Haarsträhnen besteht, sollte ihre Vermeidung für

Fledermäuse kein Problem darstellen. Zwar gibt es Beispiele

von Fledermäusen, die auf vertrauten Wegen einfach den Sonar

ausgestellt haben, so wie unsereiner den Weg nach Hause blind

findet, und dann mit Hindernissen zusammenprallten, die sie

eigentlich hätten orten können. Vermutlich aber befanden sich

die Angst auslösenden Fledermäuse einfach auf der Jagd, die sie

manchmal bedenklich nahe um die Köpfe der Menschen

schwirren lässt, wenn dort ein leckerer Brummer unterwegs ist.

Fledermäuse sind blutsaugende Vampire.

Fast tausend Arten von Fiedertieren flattern durch die Lüfte

aller Kontinente (die eiskalte Antarktis natürlich ausgenommen).

Bei uns braucht man sich vor keiner Fledermaus zu fürchten, die

einheimischen Arten haben es nur auf Schmetterlinge, Käfer und

Mücken abgesehen. In den immerfeuchten Tropen, wo Früchte

und Nektar ganzjährig verfügbar sind, haben sich Fledermäuse

und Flughunde auch auf solche Nahrungsquellen spezialisiert.

Manche sind sogar unter die Raubtiere gegangen und erbeuten

Frösche, andere ergreifen mit ihren scharf bekrallten Füßen im

Tiefflug Fische, wieder andere fangen sogar Mäuse. Und, fast

hätten wir's vergessen, ganze drei südamerikanische Arten

haben mit ihrem Blutdurst das Negativ-Image der ganzen

Gruppe geprägt (siehe Seite 193).

Fledermäuse fliegen nur in der Nacht.

Fledermäuse gelten als Nachtgespenster. Manche fliegen in

der Dämmerung los, andere erst in tiefster Nacht. Zumindest

einer ist aber auch am helllichten Tag unterwegs. Der Abendsegler,

eine unserer größten heimischen Arten, jagt vor allem im

Herbst schon am Tag. Dann kann man ihn in schönstem

Sonnenschein, manchmal zusammen mit den Schwalben, hoch

in der Luft fliegen sehen. Nur der typische Fledermaus-Flugstil,

sehr schnell flatternd mit abrupten Richtungswechseln, verrät

ihn sofort.

Fliegen und Mücken sind das Gleiche.

In der Umgangssprache wird nicht sauber unterschieden. Was

landläufig als "Fliegen" bezeichnet wird - Prototyp ist die

Stubenfliege -, läuft in Süddeutschland unter dem Namen

"Mücken". Und was sagen die Entomologen dazu? Zunächst

einmal, dass Fliegen und Mücken tatsächlich Verwandte sind.

Gemeinsam bilden sie die Insektenordnung der Diptera, zu

deutsch: Zweiflügler. Sie haben nämlich im Gegensatz zu fast

allen anderen Insekten nicht vier, sondern nur zwei Flügel. Das

hintere Flügelpaar wurde zu kleinen keulenförmigen

Schwingkölbchen umgebildet, die während des Fluges

mitschwingen und ihn stabilisieren. Ansonsten aber wird

säuberlich geschieden zwischen Mücken und Fliegen.

Die Mücken werden wissenschaftlich als Nematocera

bezeichnet. Das heißt "Fadenfühler" und nennt damit ein

wichtiges Merkmal, die lang ausgezogenen, dünnen Antennen

nämlich. Viele Mücken sind eher ätherische Gestalten. Erinnert

sei nur an die Stechmücken und Schnaken. Mit 35 mm Körperlänge

ist die einheimische Riesenschnake sogar der größte

Vertreter der Zweiflügler weltweit. Nun zu den Fliegen, den

Brachycera oder "Kurzfühlern". Sie sind oft wesentlich kompakter

gebaut. Bekannte Vertreter sind Stubenfliegen, Schmeißfliegen

oder Schwebfliegen. Auch die Essigfliege Drosophila,

beliebtes Versuchsobjekt der Genetiker, gehört zu dieser

Gruppe.

Fliegende Fische fliegen übers Meer.

Zum richtigen Fliegen gehört mehr, als ein paar Meter durch

die Luft zu sausen. Ein Flieger muss sich aus eigener Kraft in

der Luft halten können. Vögel, Fledermäuse oder Insekten

können das, Fliegende Fische nicht. Sie holen Schwung, indem

sie unter Wasser enorm beschleunigen, dann mit hoher

Geschwindigkeit (etwa fünfzig bis siebzig Kilometer pro

Stunde) die Wasseroberfläche durchbrechen und anschließend

auf ihren flügelartig ausgebreiteten Brustflossen - manche Arten

nehmen zusätzlich auch noch die Bauchflossen zu Hilfe - durch

die Luft gleiten. Geht der Schwung aus, landet der Fisch wieder

in den Wellen: kein Flieger also, sondern ein Gleiter. Dreißig bis

vierzig Meter weit führen solche Gleitsprünge über die

Meeresoberfläche meist; ausnahmsweise wurden auch schon

einmal vierhundert Meter gemessen.

Echte fliegende Fische gibt es dagegen im Süßwasser. Die

südamerikanischen Beilbäuche, nur wenige Zentimeter lange

Fischchen aus der Verwandtschaft der Salmler, haben einen

stark vorgewölbten Bauch. Er birgt einen riesigen Knochenkamm.

An diesem sitzt eine enorm starke Brustmuskulatur, mit

der die langen, schmalen Brustflossen bewegt werden. Zum

Schwimmen brauchen sie diese Ausrüstung kaum. Im Wasser

zeigen sich die Beilbäuche nämlich wenig dynamisch; sie

pflegen weitgehend bewegungslos knapp unter der Oberfläche

zu lauern und anfliegende Insekten zu erbeuten. Damit sie aber

nicht selbst zur Beute werden, gehen sie bei Gefahr in die Luft.

Mit deutlichem Schwirrgeräusch starten sie, heftig mit den

Brustflossen schlagend, zum Höhenflug. Mit dem Bauch das

Wasser pflügend schießen die kleinen fliegenden Fische davon;

manche Arten schaffen es tatsächlich sogar, von der

Wasseroberfläche abzuheben. Auch wenn sie so nur wenige

Meter zurücklegen, um aus der Gefahrenzone zu flüchten, sind

Beilbäuche echte Flieger. Ihren Schwung verdanken sie nicht

einem gewaltigen Anlauf wie die "Fliegenden" Fische der

Meere, sondern dem "Flügelschlag" ihrer Brustflossen. Sie

zahlen allerdings dafür einen hohen Preis: Der Flugapparat mit

kräftigen Muskeln macht ein Viertel ihres Körpergewichts aus.

Fliegenpilze locken Fliegen an.

Nicht Fliegen haben eine besondere Vorliebe für den

allbekannten roten Pilz mit den weißen Punkten, sondern

fliegende Hexen. Fliegerpilz wäre deshalb vielleicht der

passendere Name, obwohl die Fliege (lat. Musca) sogar im

wissenschaftlichen Namen Amanita muscaria verewigt ist,

wohl, weil frühe Kräuterbücher den Pilz als Fliegentöter

anpreisen. Fliegenpilze enthalten einen Giftcocktail, bei dem

weniger das Muscarin als die Ibotensäure eine wichtige Rolle

spielt, ein Stoff, der Halluzinationen hervorruft. Mit anderen

Worten: Der Fliegenpilz kann als Droge ge- oder missbraucht

werden und spielt als solche schon seit langer Zeit eine

gewichtige Rolle. In Sibirien wurde er in vielen Gegenden von

den Schamanen benutzt und manche kräuterkundige "Hexe" des

dunklen Mittelalters verschaffte sich wohl per Fliegenpilz einen

rauschhaften "Ausflug". Wenn sie auc h nicht mit dem Besen aus

dem Kamin fuhr, so sorgte die Pilzdroge doch für psychische

Höhenflüge. Immer wieder wird auch gemunkelt, die sprichwörtliche

Wut der Berserker, eines skandinavischen Volksstammes,

sei aus dem Konsum von Fliegenpilzen erwachsen und

Folge eines kollektiven Drogentrips. Im Zeitalter der Kriminalisierung

der meisten psychoaktiven Drogen hat sich heute wieder

mancher auf legale Alternativen besonnen und mit dem

Fliegenpilz experimentiert. Hier wird der Konsum getrockneter

Fliegenpilze empfohlen, wahlweise das Rauchen der

abgezogenen Huthaut oder das Trinken von Urin einer Person,

die gerade einen waschechten Fliegenpilzrausch überlebt hat.

Erlebnisberichte lassen aber vermuten, dass es sinnvoller ist, die

Finger vom Fliegenpilz zu lassen - wie von allen Drogen.

Flusspferde schwitzen Blut.

Eine fünf Zentimeter dicke Schwarte sorgt dafür, dass ein

Flusspferd im Wasser nicht friert und in der Sonne nicht zu heiß

wird. Wenn die afrikanische Sonne dem riesigen Paarhufer doch

mal zu heftig auf die nackte Haut brennt, sondert er zur

Abkühlung aus Drüsen ein klebriges, salzhaltiges, rotbraunes

Sekret ab. Zwar wurde dieses anscheinend noch nie im

Reagenzglas aufgefangen und chemisch analysiert. Wer traut

sich schon an schwitzende Flusspferde heran - sie haben

immerhin mehr Tote auf dem Gewissen als Löwen, Elefanten

und Büffel zusammen? Soviel ist aber klar: Die rötliche Farbe

stammt nicht von Blut. Wenn einer "Blut und Wasser schwitzt",

dann also bestimmt nicht das Flusspferd. Hat es auch gar nicht

nötig, schließlich haben erwachsene Flusspferde keine Feinde,

wie immer vom Menschen mal abgesehen.

Flusspferde sind mit den Pferden verwandt.

Auch wenn der deutsche Name "Flusspferd" eine genaue

Übersetzung des wissenschaftlichen Namens Hippopotamus ist,

landet man auf der Suche nach den nächsten Verwandten der

wasserliebenden Dickhäuter nicht bei den Pferden, sondern bei

den Schweinen. Beide gehören zur Ordnung der Paarhufer -

Flusspferde haben vier behufte Zehen an jedem Fuß - und bilden

innerhalb dieser umfangreichen Verwandtschaft die kleine

Gruppe der Nichtwiederkäuer.

Die Pferde stehen dagegen nur auf einem Huf (dem des

Mittelfingers), sind also unzweifelhaft Unpaarhufer, ebenso wie

die (wenigstens hinten) dreizehigen Tapire und die Nashörner.

Frösche können zur Wettervorhersage benutzt werden.

Nichts scheint uns Menschen mehr zu fuchsen als die

Unberechenbarkeit des Wetters. Das lässt uns nicht in Ruhe.

Wenigstens ein kleines bisschen in die Zukunft wollen wir sehen

können. Deshalb die Fernsehgemeinde, die sich allabendlich vor

dem Bildschirm trifft, um den blumigen Ausführungen des

Dienst habenden Meteorologen zu lauschen. Wetterfrösche

nennt man dieselben, und tatsächlich sind ihre Vorhersagen oft

kaum zuverlässiger als die der klassischen Wetterfrösche. Die

Laubfrösche, die in kleinen Einmachgläsern auf Holzleitern

sitzend ein trauriges Leben fristeten, wussten es auch nicht

besser. Kletterten sie nach oben, taten sie das nicht, weil sich ein

Hochdruckgebiet näherte, sondern weil der Sauerstoff im engen,

warmen Behälter knapp wurde. Überdies steigen Laubfrösche

auch in freier Wildbahn im Gezweig umher, wenn sie auf Beute

aus sind, ganz egal wie das Wetter ist. Quakten sie, dann nicht,

weil sie Regen vorhersagten, sondern weil sie trotz mieser

Umstände in Balzstimmung gerieten. Besonders intensiv rufen

Frösche nämlich, wenn es zu regnen beginnt. Wer die Zeichen

der Natur zu deuten versteht, findet draußen weit bessere

Wetterpropheten als den armen Frosch: tief fliegende Schwalben

zum Beispiel, schwärmende Ameisen oder die Farbe des

Abendhimmels.

Gamsen tragen am Kinn den Gamsbart.

Den Gamsbart, den sich die zünftigen Jäger an den

alpenländischen Hut stecken, tragen die Gämsen nicht am Kinn,

sondern auf dem Rücken. Für einen besonders prächtigen

Gamsbart müssen sogar mehrere Gämsen herhalten. Den frisch

erlegten Tieren werden die Haare dafür nicht abrasiert (wie man

das bei einem Bart eigentlich annehmen sollte, selbst wenn er

am Rücken wächst), sondern ausgezupft. Schließlich gilt: Je

länger die Mannespracht, desto besser, und da wird auf kein

Millimeterchen verzichtet. Gehobene Ansprüche werden auch

an die Farbe gestellt. Möglichst dunkel müssen die Haare sein.

Die Spitzen dagegen, der "Reif", sind hell.

Das Gehirn des Menschen ist das schwerste unter allen

Tieren.

"Das Denken sollte man den Pferden überlassen." Das alte

Sprichwort basiert auf einer einfachen Gleichung: großer Kopf =

großes Hirn. Trotz aller Ironie gar nicht so falsch. Die größten

Gehirne haben wirklich die Großkopfeten. Der Blauwal kommt

auf eine Hirnmasse von 4.700 Gramm, der Elefant sogar auf fast

fünf Kilo. Da nehmen sich die durchschnittlich 1.500 Gramm

des Menschen fast bescheiden aus. (Das Pferd hat übrigens 590

Gramm - vergessen wir also das Sprichwort!) Etwas anders sieht

es aus, wenn man Hirn- und Körpermasse in Relation setzt. Hier

schneidet der Blauwal, dessen Hirn nur 0,007 Prozent des

Körpergewichts ausmacht, so schlecht ab, dass man geneigt ist,

über "viel Muskeln und wenig Hirn" zu spotten. Der Elefant

liegt mit 0,08 Prozent schon besser.

Menschen könnten auf ihre zwei bis zweieinhalb Prozent stolz

sein, gäbe es nicht die Maus, die auf 3,2 Prozent kommt. Zum

Glück haben wir aber noch den Cerebralisationsindex, der einen

Wert liefert, der unserer Ausnahmestellung endlich gerecht

wird. Dabei wird die Masse des "modernsten" der fünf Teile des

Wirbeltierhirns, des Großhirns, mit der der anderen vier Teile

verglichen. In der Großhirnrinde sitzt, sehr grob vereinfacht, der

Grips. Und hier sind wir endlich einsame Spitze. Mit einem

Cerebralisationsindex von 170 lassen wir Delfin (121), Elefant

(104) und Eichhörnchen (6,2) weit hinter uns. Allzu weit sollten

wir den Gewichts- und Volumenfetischismus aber nicht treiben.

Im 19. Jahrhundert beschäftigten sich namhafte Anatomen

damit, aus Messwerten beim Menschen die Überlegenheit der

Weißen über die Farbigen und der Männer über die Frauen

wissenschaftlich zu belegen. Aber schon wer die Entwicklung

der Computer in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß, dass

schiere Größe mit Leistungsfähigkeit nicht unbedingt zu tun hat.

Dank immer kleinerer Bauelemente und besserer Verschaltung

steckt heute schon in einem Taschenrechner die Potenz eines

zimmerfüllenden Großcomputers der 1870er Jahre.

Alle Geier fressen Aas.

Der Prototyp eines Geiers, der Gänsegeier, frisst nichts als

Aas. Andere nehmen auch mal was Lebendiges, wenn es sich

bietet, sei es einen vorwitzigen, vom Kadavergeruch

angelockten Aaskäfer wie den Totengräber oder auch eine

Schildkröte. Ganz ungeiermäßig ernährt sich nur der kleinste

aller Geier, der plumpe, kurzhalsige Palmgeier: Er ist Vegetarier

und liebt besonders die Früchte der Ölpalmen. Nur nebenher

frisst er auch Fleisch, wie sich das für einen Greifvögel gehört:

Fische, Krabben oder Schnecken. Auch sein einziges Junges

füttert er mit den Früchten der Öl- oder Raphiapalme.

Das Geschlecht wird bei der Befruchtung festgelegt.

An diese Regel halten sich fast alle Tiere. Die Krokodile

allerdings fallen aus der Rolle. Hier entscheidet die Temperatur

im Nest über das Geschlecht. Die meisten Krokodile häufen

Hügel aus Pflanzen und Erde auf, in die sie ihre Eier legen.

Sechzig bis hundert Tage vergehen, bis die jungen Krokodile

schlüpfen. Weitgehend unabhängig von der Außenwelt beträgt

die Temperatur in einem solchen Bruthügel immer etwa dreißig

Grad Celsius. Dafür sorgen einerseits verrottende Pflanzen, die

Wärme erzeugen, andererseits die Brutpflege der Weibchen. Die

Krokodilmutter muss sicherstellen, dass die Temperatur nie

längere Zeit unter 27 Grad Celsius sinkt oder über 34 Grad

Celsius steigt, da sonst die Embryonen absterben. Aber die

Temperatur im Nesthügel hat noch viel weiter gehende

Auswirkungen. Beim Mississippi-Alligator ebenso wie bei

einigen anderen daraufhin untersuchten Arten entstehen bei

Nesttemperaturen unter 31 Grad Celsius in den ersten Wochen

der Ei-Entwicklung lauter Weibchen, bei Temperaturen über 32

Grad Celsius Männchen. Liegt die Temperatur dazwischen,

schlüpfen beide Geschlechter. Bei einigen anderen Krokodil-

Arten werden die Babys unter 31 Grad Celsius und über 33 Grad

Celsius weiblich, bei Zwischentemperaturen ist auch mit

Männchen zu rechnen.

Welcher biologische Sinn hinter diesem merkwürdigen

Phänomen steckt, ist noch unklar. Vermutet wird ein

Zusammenhang mit dem Paarungssystem der Krokodile. Bei

vielen Arten gelangen durch eine strenge soziale Rangordnung

nur die größten Männchen zur Paarung, während die Weibchen

alle eine Fortpflanzungschance haben. Vielleicht entstehen

Männchen vor allem dann, wenn optimale Temperaturen auch

eine Chance zu optimalem Wachstum geben. Mickrige

Männchen sind nämlich vom familienplanerischen Standpunkt

aus eine Fehlinvestition, kleiner gewachsene Weibchen dagegen

nicht.

Das Geschlecht kann nicht gewechselt werden.

Unser Geschlecht ist unser Schicksal. Im Augenblick der

Befruchtung wird festgelegt, ob wir unser weiteres Dasein als

Mädchen oder als Knäbchen fristen dürfen. So ist das bei den

meisten Tieren. Zwitter oder Hermaphroditen sind aber gar nicht

so selten, bei den Schnecken etwa oder bei vielen parasitischen

Würmern. Hermaphroditos war der Sohn der griechischen

Götter Hermes und Aphrodite, der, als er eine in ihn verliebte

Nymphe abblitzen ließ, von den Göttern mit ihr zu einem

Doppelwesen - halb männlich, halb weiblich - zwangsvereinigt

wurde. Hermaphroditen produzieren sowohl Ei- als auch

Spermazellen.

Noch ungewöhnlicher ist es, wenn einer im Lauf des Lebens

vom Männchen zum Weibchen (oder andersrum) mutiert. So

machen das die Pantoffelschnecken (die nach ihrer Form so

genannt werden). Seit 1934 kommt die ursprünglich

amerikanische Art auch an der deutschen Nordseeküste vor. Oft

bilden mehrere Schnecken übereinander sitzend eine Paarungskette.

Wer bei den Pantoffelschnecken unter dem Pantoffel

steht, ist klar: Die unteren, größeren Tiere sind Weibchen, oben

sitzen kleine Männchen und dazwischen mittelgroße Schnecken,

die sich mitten in der Umwandlung von Letzteren zu Ersteren

befinden. Konsekutivzwitter nennen die Biologen solche

Transvestiten. Auch bei manchen Fischen gibt es das. Blaukopf-

Lippfische werden überwiegend als Weibchen geboren (dann

sind sie gelb) und wachsen später zu blauen Männchen heran.

Ein Verwandter, der Lippfisch Labroides dimidiatus, bekannt

als Betreiber von Putzerstationen im Riff, lebt in Harems aus

einem Männchen und mehreren Weibchen. Verschwindet das

Männchen, übernimmt entweder ein anderes die herrenlosen

Weibchen oder eine der Haremsdamen wandelt sich innerhalb

weniger Tage zum neuen Boss.

Getreidekörner sind Grassamen.

Bei der erfolgreichsten Pflanzengruppe der Welt, den

Bedecktsamern, sind die Samen in Früchte verpackt. Diese

dienen einerseits dem Schutz der empfindlichen Samenanlage,

andererseits helfen sie später oft bei einer effektiven

Verbreitung durch leckeres, Tiere anlockendes Fruchtfleisch,

durch Flugeinrichtungen, Klett- oder Schleudermechanismen

und Ähnliches mehr. Dabei geben sie die Samen frei. Bei

Gräsern allerdings (und dazu gehören die Getreide-Arten) sind

Samen und Fruchtwände untrennbar miteinander verwachsen.

Das Getreidekorn ist also kein nackter Samen, sondern eine

(Achäne genannte) Frucht. Als Schutz dienen die nicht zur

Frucht gehörenden Spelzen, die mit ihren oft langen Grannen

auch bei der Verbreitung der Achänen helfen.

Gewürznelken sind die Samen umgezüchteter

Gartennelken.

Wenn man sie riecht, denkt man sofort an Weihnachten.

Lebkuchen oder Glühwein sind ohne sie nicht denkbar. Auch

bei der Likör- und Parfümherstellung werden sie verwendet.

Aber im heimischen Garten lassen sich Gewürznelken nicht

anbauen. Mit unseren Nelken haben sie nur den Namen gemein,

den sie ihrer Form verdanken. Sie gleichen einem kleinen Nagel

(= Nägelin = Nelke). Dabei bilden die vier zu einer kleinen

Kugel aufgewölbten und von den Kelchblättern gesäumten

Blütenblätter den Kopf, der Fruchtknoten die Spitze des Nagels.

Das Ganze wächst auf einem zehn bis zwölf Meter hohen,

immergrünen tropischen Baum, dem Gewürznelkenbaum, und

ist eine getrocknete Blütenknospe. Blühen die Bäume, ist es zur

Ernte zu spät, denn der Gehalt an ätherischen Ölen

(überwiegend Nelkenöl) geht dann stark zurück.

Giraffen haben von allen Säugetieren die meisten

Halswirbel.

Was bei anderen Tiergruppen stimmt - je länger der Hals,

desto mehr Wirbel - gilt für Säugetiere nicht. Hier haben fast

alle Arten sieben Halswirbel, vom gedrungenen Maulwurf bis

zur langhalsigen Giraffe. So sind der Beweglichkeit des

Giraffenhalses Grenzen gesetzt. Die schlangenhafte Eleganz

eines wirbelreichen Schwanenhalses wird er nie erreichen. Ganz

wenige Ausnahmen von der Siebener-Regel gibt es übrigens

doch: Die zu den Seekühen gehörenden Manatis haben sechs

Halswirbel, ebenso wie das Zweifinger-Faultier. Dafür hat das

Dreifinger-Faultier neun.

Glühwürmchen sind Würmer.

Wie so oft sind auch diese "Würmchen" Insekten. Anders als

die "Würmer" im Apfel (siehe Seite 16) sind sie aber keine

Larven, sondern erwachsene Tiere. Die Weibchen der drei

heimischen Leuchtkäfer-Arten sehen nicht so aus, wie es sich

für einen ordentlichen Käfer gehört - die Männchen dagegen

schon. Die Weibchen gleichen auch erwachsen noch den

flügellosen Larven. Abends stellen sie ihre Lichter an.

Grüne Laternen sollen Männchen anlocken. Bei den drei

heimischen Glühwürmchen geben sie ein Dauerlicht ab,

während viele tropische Leuchtkäfer arttypische Morsesignale

aussenden. Bei manchen Arten leuchten auch die Männchen, die

Larven und selbst die Eier. Erzeugt wird das Licht in einer

kalten chemischen Reaktion, bei der 95 Prozent, also fast die

gesamte frei werdende Energie, als Licht abgestrahlt wird - ein

Wirkungsgrad, von dem Ingenieure nur träumen können. Bei der

konventionellen Glühbirne dienen gerade mal fünf Prozent der

eingesetzten Energie der Erleuchtung.

Gorillas sind besonders gefährliche Affen.

Schon die schiere Größe ist beeindruckend. Fast zwei Meter

groß und zweihundert Kilo schwer wird ein erwachsener

Gorillamann. Furchteinflößend sind seine Drohgebärden. Wenn

der Gorilla sich aufrichtet und mit beiden Händen auf die Brust

trommelt oder wenn er gar laut schreiend auf einen Widersacher

(oder einen Menschen) zuprescht, kann man schon nervös

werden, selbst wenn man weiß, dass der Gorilla nicht angreifen,

sondern Eindruck schinden will. Dieses Ziel erreicht er fast

immer, und mehr ist auch nicht nötig. Nachdem Jahrhunderte

lang das Bild des angriffslustigen, des schrecklichen, des

grausamen Gorillas die Vorstellung von diesen größten

Menschenaffen geprägt hat - King Kong lässt grüßen -, werden

sie inzwischen oft sentimental verklärt, gelten als die sanften

Riesen, als die besseren Menschen gar. Tatsächlich regeln

Gorillas ihre Konflikte gewöhnlich friedlich und benehmen sich

auch gegenüber Menschen meist so. Auf der anderen Seite

stehen aber durchaus auch Menschen, die Gorilla-Angriffen zum

Opfer gefallen sind. Beides zeigt: Weder die Stilisierung zum

Monster noch die zum vorbildlich friedlichen Kuschelaffen wird

dem Gorilla gerecht.

Gottesanbeterinnen fressen ihre Männchen während der

Paarung.

Sex and crime üben seit jeher eine enorme Faszination aus.

Kein Wunder, dass das Liebesgebaren der Gottesanbeterin

immer wieder mit lüsternem Grusel in allen Einzelheiten

ausgebreitet wird. Wie das große Weibchen, sphinxhaft

unbeweglich und dadurch ebenso wie durch seine grüne

Färbung hervorragend getarnt, auf Beute lauert, die es

blitzschnell mit seinen lang bedornten Fangarmen zuschlagend

erbeutet. Wie sich das viel kleinere Männchen langsam von

hinten anpirscht, um schließlich schnell auf den Rücken seiner

Partnerin zu springen, sich dort festzuklammern und sie mit den

Fühlern zu streicheln. Wie sich die Enden der Hinterleiber

finden. Und wie, grausiger Höhepunkt, nach stundenlanger

Paarung die Fresslust des Weibchens die Oberhand über die

geschlechtliche gewinnt (falls Insekten dergleichen empfinden)

und es, mit dem Kopf beginnend, den Ehepartner noch während

der Vereinigung zu verspeisen anfangt...

Dergleichen kommt vor, doch lange nicht so regelmäßig, wie

früher angenommen. Wenig Chancen haben die Männchen

allerdings im kleinen Beobachtungsterrarium des Insektenforschers.

Hier lassen sie ihr Leben ungleich häufiger als in

freier Wildbahn, wo sie sich nach vollzogenem Akt besser in die

Büsche schlagen können.

Gräser sind immer klein.

Verkehrte Welt: In Bambuswäldern wandelt man nicht auf

dem Rasen, sondern käfergleich zwischen den Gräsern.

Ansonsten gleichen die bis zu 25 Meter hohen, über hundert

verschiedenen Bambus-Arten ihren kleinen Verwandten sehr.

Ihre Stängel sind zwar aus Stabilitätsgründen stark verholzt,

aber ebenso durch Knoten gegliedert wie die der Gräser unserer

Wiesen. Auch die Blätter sind typische Grasblätter, lang und

schlank, mit parallel verlaufenden Blattadern. Selbst die

Eigenart mancher Bambusse, in Monokulturen zu wachsen,

erinnert an einen englischen Rasen. Wer nicht nach Asien reisen

will, um Riesengräser zu sehen, kann sich ein Pampasgras in

den Garten pflanzen. Oder in einem Schilfmeer untertauchen -

auch hier wachsen einem die Gräser über den Kopf.

Grasmücken sind im Gras lebende Insekten.

Dass sich hinter diesem Namen kein Insekt, sondern ein

Vogel verbirgt, bringt erst die linguistische Feinanalyse an den

Tag. Nicht von Gras und Mücke leitet sich die Bezeichnung ab,

sondern von gra (= grau) und dem mittelhochdeutschen Wort

smucka (= schmiegen). Und schon haben wir den kleinen grauen

Singvogel, der sich unauffällig durchs heimische Gebüsch

drückt. Aber gar so schlecht passt auch die Mücke nicht zur

Grasmücke. Schließlich ernähren sich die meisten Grasmücken-

Arten ganz überwiegend von Insekten.

Haie greifen gern Menschen an.

Als blutrünstiges Monster geistert vor allem der Weißhai oder

Menschenhai durch Fantasie und Film. Die Wirklichkeit sieht

dagegen anders aus. Zwar steht der bis sechs Meter lange

Weißhai (zusammen mit dem Schwertwal, der einen ähnlich

schlechten Ruf hat) an der Spitze der Nahrungsketten im Meer.

Er jagt nicht nur Fische, sondern auch Robben und Delfine.

Angriffe auf Menschen sind aber selten. Sie gehen vielleicht

einfach darauf zurück, dass man dem Hai zu nahe getreten ist,

was er auch bei Artgenossen recht übel nimmt. Möglich auch,

dass Schwimmer und Surfer im Umriss seiner Meeressäuger-

Beute etwas ähneln und ganz respektlos als Appetithappen

betrachtet werden. Viele angegriffene Menschen zeigen aber

eher Verletzungen, die auf eine etwas ruppige Neugierde

zurückgehen. Haie untersuchen interessante Gegenstände

nämlich oft mit geöffnetem Maul. Ihre rasiermesserscharfen

Zähne hinterlassen allerdings auch bei diesem feinfühligen

Vorgehen schwere Wunden.

Inzwischen ist aus dem Jäger ein Gejagter geworden. Zwar

haben Weißhaie ein riesiges Verbreitungsgebiet. Sie leben

weltweit in den wärmeren Meeren (auch im Mittelmeer), sind

aber überall selten. Da sie erst mit bis zu zwölf Jahren

geschlechtsreif werden und jeweils nur wenige, weit entwickelte

Junge zur Welt bringen, sind sie durch Fischerei und

Andenkenjäger gefährdet. Für die mit furchterregenden Zahnreihen

bestückten Kiefer ausgewachsener Tiere werden hohe

Summen bezahlt. In manchen Ländern steht der Weißhai

deshalb schon unter Schutz.

Bleibt anzumerken, dass es nur ganz wenige Hai- Arten sind,

auf deren Konto die jährlich etwa dreißig Angriffe mit

tödlichem Ausgang gehen. Neben dem Weißhai ist es vor allem

der Sandtiger, der dem Menschen gefährlich werden kann.

Die meisten der etwa 340 Hai-Arten sind aber völlig harmlos.

Viele kleine Haie machen auf der Schwanzspitze kehrt, sobald

sie einen Menschen sehen. Und der riesige Walhai (mit bis

achtzehn Meter Länge der größte Fisch überhaupt) ist ebenso

wie der bis elfeinhalb Meter lange Riesenhai ein friedlicher

Planktonfresser.

Hasen schlafen mit offenen Augen.

Abwarten bis die Gefahr vorübergeht, heißt die bewährteste

Hasentaktik. Bewegungslos in die Sasse gekauert, scheint der

Hase mit offenen Augen zu schlafen. Das aber täuscht: Er hat

die Situation genau im Rundumblick. Die seitlich am Kopf

sitzenden Augen garantieren, dass sich auch von hinten niemand

heimlich anschleichen kann. Erst wenn klar ist, dass Flucht

wirklich der einzige Ausweg ist, sprintet der Hase los. Schon

vorher hat er den Motor auf Touren gebracht, der Puls steigt auf

den doppelten Ruhewert. Bereits sein Blitzstart - in kürzester

Zeit von null auf achtzig Kilometer pro Stunde - verblüfft den

Verfolger und bringt wertvolle, vielleicht lebensrettende

Sekunden. Übrigens: Wenn Hasen wirklich schlafen, machen sie

die Augen zu. Sollte sich dann jemand in böser Absicht nähern,

wird's gefährlich. Viel Chancen hat er aber nicht: Ein paar

Minuten Tiefschlaf am Tag reichen dem Hasen.

Hauswurz auf das Dach gepflanzt wehrt den Blitz ab.

Jupiters Bart, Donars- oder Thorsbart wurde die Hauswurz im

Mittelalter genannt und allerorten auf die Dächer gepflanzt. Zu

den Fähigkeiten der namengebenden Gottheiten gehörte das

Schleudern von Blitzen. Die Hauswurz sollte dieselben abhalten.

Der Ursprung dieses Glaubens liegt im Dunkeln; möglicherweise

wurzelt er in germanischen Vorstellungen. Leider hat er

keinerlei naturwissenschaftlichen Hintergrund und auch

Technikskeptikern, die hier einen ökologische Ersatz für den

metallenen Blitzableiter wittern, muss abgeraten werden. Eine

Funktion erfüllten die dichten Rosetten und das verfilzte

Wurzelwerk der Kälte, Hitze und Trockenheit trotzenden

Hauswurz vielleicht aber doch: als Befestigung des Lehmfirstes

auf soden- oder strohgedeckten Dächern.

Der Heringskönig ist der König der Heringe.

Heringe leben in riesigen Schwärmen, in denen alle

gleichberechtigt sind. Einen König brauchen sie nicht. Der

Heringskönig, ein bis knapp siebzig Zentimeter langer,

hochrückiger, aber extrem schlanker Fisch, heißt so, weil er sich

gerne in der Nähe von Herings- oder Sardinenschwärmen

aufhält. Dort wirkt er durch seine eindrucksvolle Größe, als sei

er der Herrscher der kleinen Fische, die sich aber nicht weiter

um ihn kümmern - wenn er sie nicht gerade jagt, denn er frisst

Sardinen! Ein auffallendes Merkmal des Heringskönigs sind

zwei schwarze Flecken, einer auf jeder Seite. Nach der Legende

sind das die Fingerabdrücke des Heiligen Petrus, der, bevor er

ein Jünger Jesu wurde, im ersten Beruf Fischer war. Er

hinterließ sie, als er den Fisch mit Daumen und Zeigefinger aus

dem See Genezareth zog (wo er allerdings nicht vorkommt).

Daher auch der Zweitname Petersfisch.

Ein Hirsch ist so alt wie die Zahl seiner Geweihspitzen.

Um es gleich vorab zu klären: Geweihe wachsen im

Gegensatz zu Hörnern (eines Steinbocks etwa) nicht

lebenslänglich. Schon das macht unwahrscheinlich, dass die

Spitzenzahl das Alter genau widerspiegelt. Das Geweih der

männlichen Hirsche - nur bei den Rentieren tragen auch die

Damen Kopfschmuck - wird Jahr für Jahr neu gebildet. Solange

es noch mit Haut und Haaren, dem Bast, überzogen ist, lebt und

wächst es. Funktionsfähig wird das Geweih aber erst, wenn es

tot ist. Dann wird der Bast gefegt und der blanke Knochen

kommt zum Vorschein. Hat das Geweih nach der

Paarungssaison seine Schuldigkeit getan, fallen die beiden

verzweigten Stangen ab. Zur nächsten Hochzeit gibt's wieder

neue.

Sein erstes Geweih schiebt der Junghirsch im Jahr nach seiner

Geburt. Er beginnt seine Karriere als "Spießer" mit zwei

einfachen Stangen. Dann wächst ihm meist von Jahr zu Jahr ein

größeres Geweih. Im zweiten Jahr wird er zum Gabler (mit zwei

Enden pro Geweihstange) oder gar schon zum Sechsender. Wie

schnell er zulegt, hängt von seiner genetischen Ausstattung und

seiner Konstitution ab. Das Geweih zeigt nicht zuletzt die

Fitness seines Besitzers und ist so ein wichtiges Mittel der

sexuellen Selektion. Erst im Alter von fünf Jahren beginnen sich

die Junghirsche bei der Brunft zu engagieren. Nur die

tüchtigsten Hirsche schaffen es, gekrönt von bis zu 24

Geweihspitzen (einer Last, die fünfzehn Kilogramm wiegen

kann), zum Platzhirsch mit dem alleinigen Paarungsrecht mit

allen Hirschkühen seines Rudels aufzusteigen. Die endlosen

Auseinandersetzungen mit Rivalen, die sich damit nicht

abfinden wollen, machen gegen Ende der Saison aus einem

kraftstrotzenden Hirsch einen völlig ausgepumpten, der es oft

kaum schafft, den Winter zu überleben, und seinen Rang im

nächsten Jahr meist nicht wieder erkämpfen kann. Er zählt nun

zum alten Eisen, was auch deutlich an den kleineren Geweihen

der Greise ablesbar ist.

Höckerschwäne ernähren sich von Fischen.

Der Höckerschwan reiht sich in die lange Liste der zu Unrecht

als Fischereischädlinge verunglimpften Arten ein. Er ist

ziemlich strikter Vegetarier, dem - wie auch einem menschlichen

Salatesser - höchstens mal aus Versehen eine kleine

Schnecke oder ein Wurm in den Schnabel kommt. Nur

ausnahmsweise wird auch mal eine Kaulquappe oder ein (vorher

schon toter?) kleiner Fisch gefressen. Ansonsten bilden Wasser-

und Uferpflanzen die Hauptnahrung. Zum Grasen verlassen die

Schwäne oft sogar das Wasser.

Der Holzwurm ist ein Wurm.

Sobald ein Tier keine ordentliche n Beine hat, wird es in der

Umgangssprache zur Schlange oder zum Wurm. Auch den

Holzwürmern erging es so, den nur wenige Millimeter langen

Larven mancher Pochkäfer, die mit ihren kurzen Beinchen

kleinen Engerlingen ähneln. Sie leben in Bohrgängen in altem

Holz und machen auch vor wertvollen Antiquitäten nicht Halt.

Winzige Eingangslöcher, aus denen gelegentlich ein kleines

Häufchen Holzmehl rieselt, verraten ihre zerstörerische

Anwesenheit. Auch die fertigen Käfer leben in Holzgängen. Sie

unterhalten sich wie Häftlinge im Knast: über Klopfsignale.

Diesen verdanken sie auch ihren deutschen Namen, Poch- oder

Klopfkäfer. Besonders regelmäßig tickt eine deshalb "Totenuhr"

genannte Art. Am häufigsten ist der drei bis fünf Millimeter

große Gemeine Holzwurm.

Drei Hornissenstiche töten einen Menschen, sieben ein

Pferd. Imponierend ist schon ihre schiere Größe: Eine Hornisse

wird doppelt so groß wie eine "normale" Wespe. Mit bis zu

dreieinhalb Zentimeter Länge ist sie ein sehr beeindruckendes

Flugzeug. Einen Wespenstich hat beinahe jeder schon einmal

kassiert und kennt den jähen Schmerz, der darauf folgt. Man

kann sich leicht ausmalen, wie viel schlimmer der Stich einer

Hornisse schmerzen muss. Auf dieser Vorstellung und nicht auf

konkreter Erfahrung gründen sich die Märchen von der

Gefährlichkeit eines Hornissenstichs. Die Probe aufs Exempel

haben nur wenige gemacht. Hornissen sind nämlich viel weniger

angriffslustig als manche andere Wespen-Arten und stechen

erst, wenn sie sich sehr bedrängt fühlen. Tun sie's doch, tut's

auch nicht mehr weh als bei einer normalen Wespe. Angst haben

müssen nur Allergiker; ansonsten kann man sehr viele Stiche

verkraften, bevor es gefährlich wird.

Hummeln können nicht Stechen.

Hummeln gehören zur Familie der Bienen und für die gilt:

Weibchen können stechen, Männchen nicht. Da auch bei

Hummeln die Frauen die ganze Arbeit tun, während die

Männchen ihr kurzes Dasein als "Lustknaben" verbringen, ist

die emsig auf der Blüte Nahrung sammelnde Hummel fast

immer ein Weibchen. Erkennbar ist das auch an den

Blutenstaub-Höschen an den Hinterbeinen (und auch daran

sehen wir, dass bei Hummels die Frauen die Hosen anhaben...).

Dass Hummeln als harmlos und ungiftig gelten, liegt vor allem

an ihrer gutmütigen Veranlagung. Sie stechen meist nur im

äußersten Notfall.

Hund und Katze vertragen sich nicht.

"Sie sind wie Katz und Hund" - alles klar, hier sind zwei

gemeint, die sich überhaupt nicht verstehen. Und das ist hier

ganz wörtlich zu nehmen, denn Katz und Hund sprechen

tatsächlich verschiedene Gesten-Sprachen. Ein Hund hebt die

Pfote und wedelt mit dem Schwanz. Er ist guter Laune, will

Kontakt aufnehmen und spielen - nur kommt das bei der Katze

ganz anders an. In ihrer Sprache bedeutet die gleiche Geste

nämlich: Komm mir nicht zu nahe oder du riskierst einen Schlag

ins Gesicht. Fühlt sich die Katze dagegen wohl und schnurrt,

hört der Hund ein drohendes Knurren. Keine angeborene

Erbfeindschaft also, sondern lediglich Kommunikationsschwierigkeiten.

Hund und Katz, die zusammen aufwachsen,

lernen die Gesten des anderen richtig zu deuten und können gute

Freunde werden.

Hunde, die bellen, beißen nicht.

Darauf sollte man sich lieber nicht verlassen. Natürlich gibt es

Hunde, die den Briefträger mit mächtigem Lärm empfangen und

im nächsten Augenblick mit eingezo genem Schwanz das Weite

suchen - aber genauso viele verstehen das Gebell als letzte

Warnung, bevor es losgeht. Auch als Lebensweisheit taugt das

Sprichwort nicht. Natürlich trifft man gelegentlich auf ein

Großmaul, das kneift, wenn es zur Sache geht. Aber wie oft

folgt der Brüllerei die handfeste Prügelei!

Hunde laufen auf den Füßen.

Wer laufen wollte wie ein Hund, müsste sich auf die Zehen

stellen. Denn Sohlengänger, die wie wir Menschen oder Bären

beim Gehen die gesamte Fußsohle von den Zehen bis zur Ferse

aufsetzen, sind unter den Säugetieren eher selten. Viele treten

wie Katzen und Hunde nur mit den Zehen auf. Mittelhand- und

Mittelfußknochen berühren den Boden nicht. Was wir am

Hinterlauf der Raubtiere spontan als "Knie" bezeichnen, ist das

Gelenk zwischen Fersen und Unterschenkel - leicht daran zu

erkennen, dass es andersrum knickt als das Knie. Dieses liegt

weiter oben, nur wenig unterhalb des Körpers. Der

Oberschenkel ist vergleichsweise kurz. Wie Balletteusen auf den

Zehenspitzen kommen die Huftiere daher. Kühe und Pferde sind

nämlich Zehenspitzengänger. Letztere laufen sogar nur auf den

Spitzen der Mittelfinger. Und selbst bei den Schwergewichten

unter den Landtieren, den Elefanten, berühren nur die mit

kleinen Hufen versehenen Zehenspitzen den Boden. Die runde

Fläche, mit der die Dickhäuter auftreten, besteht aus einem

keilförmigen Bindegewebspolster, das unter das schräg stehende

Fußskelett geschoben ist und für gleichmäßige Druckverteilung

sorgt.

"Vor die Hunde gehen".

Ein langsamer sozialer Abstieg ohne größere Chancen, noch

mal im Leben Tritt zu fassen: Einer geht vor die Hunde - oder

eigentlich vor den Hund (oder Hunt), denn so hieß der

vierrädrige Förderwagen, den ein Bergmann zur Strafe ziehen

musste, wenn er nicht ordentlich gearbeitet hatte. Mit Hunden,

wie oft angenommen, hat der Ausdruck nichts zu tun.

Hundstage heißen so, weil es dann selbst Hunden zu heiß ist.

Es gibt Tage, da möchte man wirklich keinen Hund vor die Tür

jagen, und vielleicht gehören manchmal auch die Hundstage in

der heißesten Zeit des Jahres dazu. Ihren Namen verdanken Sie

aber nicht den Hunden, sondern einem fernen Stern, dem Sirius

(zu deutsch Hundsstern) im Sternbild Großer Hund. Wenn der

Hundsstern, der hellste Fixstern am Firmament, morgens

zusammen mit der Sonne aufgeht, beginnen die Hundstage. Zur

Blütezeit der ägyptischen Hochkultur vor etwa 4000 Jahren

kündigte der Beginn der Hundstage am 19. Juli nicht nur die

Zeit der größten Sommerhitze an, sondern auch die

lebensspendenden Überschwemmungen des Nils. Am 24.

August war dann das gesamte Sternbild des großen Hundes am

Morgenhimmel zu sehen und die Hundstage zu Ende.

Inzwischen haben sich die Aufgangszeiten einen ganzen Monat

verschoben und die Hundstage beginnen mit dem Aufgang des

Sirius erst am 19. August, also normalerweise kurz nach der

größten Sommerhitze. In 10 000 Jahren fallen sie dann in den

Januar. Wenn dann einer seinen Hund nicht mehr vor die Tür

jagen will, dann bestimmt nicht wegen der Hitze.

Hyänen sind feige Aasfresser.

Ihr Ruf könnte schlechter kaum sein. Als kriecherisch feige

Aasfresser werden sie gemeinhin angesehen, die sich

erschleichen, was mutigere Jäger wie der königliche Löwe

(siehe Seite 107) erbeutet haben. Als besonders verwerflich wird

in alten Berichten immer wieder geschildert, dass sie auch

Gräber öffneten. Dies zu verhindern ist vielleicht der

ursprüngliche Grund, ein Grab mit Steinen zu bedecken. In der

Tat sammeln Hyänen alles ein, was sich an Fressbarem bietet.

Neben Aas gehören dazu auch Früchte, Eier und allerlei

Kleintiere. Aber Hyänen gehen auch selbst auf die Jagd. Die

häufigste Hyänenart, die Tüpfelhyäne, ernährt sich sogar

überwiegend von selbst erlegter Beute bis hin zu Zebragröße.

Und von wegen feige: Das Hyänenrudel, das zähneknirschend

dabei zusehen muss, wie sich die Löwen ihr frisch getötetes Gnu

unter den Nagel reißen, handelt "klug". Trotz ihrer mächtigen

Kiefer sind Hyänen nämlich dem Löwen unterlegen, und das

Risiko, bei Auseinandersetzungen verletzt zu werden, ist zu

groß. Das kann natürlich aber auch mal andersrum

funktionieren. Schließt sich ein Ring von zwanzig knurrenden

Hyänen um ein oder zwei Löwen, verzichten sie für dieses Mal

lieber aufs Fressen.

Jungfernzeugung gibt es nicht.

Männer sind nicht immer so wichtig, wie sie sich manchmal

nehmen, jedenfalls nicht bei den Wasserflöhen. Die Weibchen

dieser kleinen Planktonkrebse legen ohne männliches Zutun

Eier, aus denen wieder Weibchen schlüpfen. Auf diese Weise

wächst die Population sehr schnell. Erst gegen Ende der Saison,

oder wenn die Umweltbedingungen schlechter werden, entstehen

auch Männchen. Die befruchteten Eier sind dickschaliger

und überstehen sowohl den Winter als auch Trockenperioden

gut. Rädertiere, ebenfalls häufig im Süßwasserplankton, haben

die gleiche Strategie. Hier gibt es sogar Arten, bei denen

Männchen völlig unbekannt sind. Um ein letztes Beispiel zu

nennen (es gibt noch viel mehr): Auch die Blattläuse, die in

dichten Kolonien an Pflanzenstängeln saugen, sind männerlose

Gesellschaften. Im Frühjahr schlüpft die Stammmutter einer

neuen Kolonie aus dem Ei, die lauter Töchter in die Welt setzt.

Söhne und Sex gibt es nur im Herbst. Bei Wirbeltieren

allerdings ist Jungfernzeugung (Parthenogenese) sehr selten.

Eines der wenigen Beispiele ist die Blumentopfschlange, mit

fünfzehn Zentimeter Länge eine der kleinsten Schlangen. Von

ihr sind nur Weibchen bekannt, die einen dreifachen

Chromosomensatz haben (normal ist bei Wirbeltieren ein

doppelter) und ebensolche Töchter bekommen. Auch bei

fünfzehn amerikanischen Rennechsen-Arten gibt es nur

Weibchen. Ohne ordentliche Balz kommen die Echsen aber

nicht recht in Stimmung. Deshalb spielt eines der Weibchen den

Männerpart beim Werbungs- und Paarungsverhalten und

stimuliert so bei der Partnerin den hormonell gesteuerten

Eisprung. Dabei werden die Rollen mehrmals getauscht, damit

jede zum Zug kommt. Zur Beruhigung für alle Männer, die ihre

Rolle bedroht sehen: Bei Säugetieren läuft ohne Männer nichts.

Aber vielleicht macht die moderne Reproduktionsmedizin sie

bald überflüssig...

Kakteen wachsen in Afrika.

Inzwischen stimmt das tatsächlich, weil einige Kakteen-Arten

durch den Menschen weltweit verschleppt wurden. Wer die

Mittelmeerländer bereist und überall die großen Opuntienhecken

sieht, kann sich kaum vorstellen, dass der Feigenkaktus dort

keine einheimische Pflanze ist. Und doch stammt er, wie alle

Kakteengewächse, aus Amerika. Allerdings gibt es in Afrika

durchaus auch heimische Pflanzen, die wie Kakteen aussehen.

Sobald sie blühen, enttarnen sie sich aber als

Wolfsmilchgewächse. Ihren Kaktus-Habitus verdanken sie

ähnlichen Lebensbedingungen in Trockengebieten. Die amerikanischen

Kakteen und die Wolfsmilchgewächse der Alten Welt

haben im Lauf der Stammesgeschichte unabhängig voneinander

gleiche Anpassungen entwickelt, um Wasser zu sparen.

Kamele und Dromedare speichern Wasser im Höcker.

Irgendwie müssen es die Kamele und Dromedare doch

schaffen, in den heißesten und trockensten Gegenden der Erde

tagelang ohne Wasser auszukommen. Und wer eine erschöpfte

Karawane in die Oase einziehen sieht, jedes Tier mit schlappem,

eingefallenem Höcker, glaubt die Geschichte vom Wasser

speichernden "Rucksack" sofort. Tatsächlich haben Kamele und

Dromedare viele Wasserspar-Strategien - alle aber sind viel

raffinierter als die einfache Vorstellung vom Wassertank im

Höcker. Ein stark konzentrierter Urin und ein knochentrockener

Kot gehören ebenso dazu wie eine veränderte Regulation der

Körpertemperatur: Das Kamel beginnt erst bei einer

Körpertemperatur von vierzig bis 42 Grad Celsius zu schwitzen

(und damit Flüssigkeit zu verlieren). In der Nacht kühlt es

seinen Körper dann bis auf 34 Grad Celsius ab. Außerdem

überlebt ein Kamel selbst einen Wasserverlust von vierzig

Prozent seines Körpergewichts - unsereins stirbt schon bei

vierzehn Prozent. Und der (oder die) Höcker? Er besteht aus Fett

und ist kein Wasser-, sondern ein Energiespeicher. Dadurch,

dass das Reservefett im Höcker konzentriert und nicht um den

ganzen Körper verteilt ist, wärmt es das Tier nicht selber. Im

Gegenteil: Auf dem Rücken kann es sogar dazu beitragen, das

Kamel vor starker Strahlung zu schützen.

Die Kartoffel ist eine Bodenfrucht.

Natürlich trägt auch die Kartoffelpflanze Früchte - aber nicht

unter der Erde. Früchte gehen aus Blüten hervor, wachsen also

oberirdisch. Die roten Beeren der Kartoffel, groß wie

Sauerkirschen, enthalten Solanin und sind giftig. Die essbaren

Kartoffelknollen haben mit den Blüten nichts zu tun und sind

folglich auch keine Früchte. Mit den Wurzeln übrigens auch

nicht, obwohl sie in der Erde wachsen. Die Knollen entstehen an

der Spitze austreibender Sprosse und heißen deswegen

Sprossknollen. Jede Kartoffel wird im Frühjahr zu einer neuen,

eigenständigen Pflanze, indem einerseits Wurzeln, andererseits

aus den "Augen" neue Triebe wachsen. Die Kartoffelpflanze

fährt vermehrungstechnisch also zweigleisig: Sexuell über

Blüten und Samen, ungeschlechtlich über Klone, die

Sprossknollen.

Der Kartoffelkäfer wurde zur Kriegführung verwendet.

Immer wenn Kartoffelkäfer-Plagen die Ernte des lange Zeit

wichtigsten Volksnahrungsmittels bedrohten, war der böse

Feind daran schuld. Die Nationalsozialisten unterstellten den

Alliierten, sie hätten ihre Truppen durch die auffällig gelb und

schwarz längsgestreiften Flieger verstärkt. Der "Kartoffelabwehrdienst

des Reichsnährstandes" rückte aus, um der Plage

Herr zu werden. Kleine Ironie der Geschichte, dass auch das

Propagandaministerium der DDR im Jahr 1950 eine Broschüre

mit dem Titel "Halt, Amikäfer" herausgab und die alte Mär vom

Abwurf der Käfer durch die Amerikaner (dieses Mal über der

DDR) wieder aufwärmte. Dabei brauchte der gefürchtete

Schädling keine menschliche Hilfe, um sich auszubreiten. Der

"Amikäfer" stammt wie die Kartoffel selbst aus der Neuen Welt

und folgte ihr auf ihrem weltweiten Siegeszug. Seine eigentliche

Heimat sind die südlichen Rocky Mountains, daher sein

Zweitname Colorado-Käfer. Dort übersiedelte der schicke

Krabbler eines Tages von wild wachsenden Nachtschattengewächsen

auf die nahe verwandte Kartoffel. In der zweiten

Hälfte des 19. Jahrhunderts, als es in Amerika noch allenthalben

"Go West" hieß, verfuhr der Käfer nach der Devise "Go East".

Trotz des Einsatzes heftiger Gifte (wie Arsenik, das großzügig

über befallene Felder verteilt wurde) hatte er nach wenigen

Jahren schon die Ostküste erreicht. Dann war es nur noch eine

Frage der Zeit, bis der massenhaft auftretende Käfer sich

einschiffte und als blinder Passagier Richtung Europa aufbrach.

1874 war es dann so weit: Der Kartoffelkäfer setzte seine sechs

Beinchen auf europäischen Boden. Das im Jahr darauf von der

deutschen Reichsregierung erlassene Embargo gegen

amerikanische Kartoffeln beachtete er nicht. Und die diversen

Bekämpfungsaktionen waren wie in seinem amerikanischen

Herkunftsland seiner Fruchtbarkeit und Ausbreitungsfähigkeit

auf Dauer nicht gewachsen.

Katzen sind wassers cheu.

Unsere Hauskatzen lassen sich zwar gelegentlich auch mit

heimischen Wildkatzen ein, stammen aber von der Falbkatze

Afrikas und des Nahen Ostens ab. Falbkatzen streifen durch

trockenwarme Busch- und Savannengebiete. Vielleicht erklärt

dies das große Wärmebedürfnis und die Wasserscheu der

Hauskatze. Anscheinend gibt es nur eine einzige Hauskatzenrasse,

die freiwillig ins Wasser geht. Die Van-Katze aus der

Umgebung des Van-Sees im Osten der Türkei schwimmt so

gerne, dass sie auch als Türkische Schwimmkatze bezeichnet

wird. Im Jahr 1955 wurden solche Katzen erstmals nach

England exportiert, seit 1969 sind sie in Züchterkreisen als

Rasse anerkannt. Nach einer Legende verdanken die überwiegend

weißen Katzen mit dem rot schimmernden Schwanz

die beiden rotbraunen Flecken über den Augen Gottvater selbst.

Nach der Strandung der Arche Noah am Ararat ganz in der Nähe

des Van-Sees habe sein Segen diese feurigen Zeichen

hinterlassen.

Aber man sollte die Betrachtung von Katzen und Wasser nicht

auf die Hauskatzen beschränken. Schließlich umfasst die

Familie der Katzen etwa vierzig Arten, von denen manche

durchaus nicht wasserscheu sind. Die südostasiatische Fischkatze

watet ganz selbstverständlich durch flaches Wasser und

soll auch schwimmend und tauchend nach Fische n jagen. Tiger

schwimmen gut und gerne und auch der Jaguar scheut das

Wasser nicht.

Das Alter der Klapperschlangen lässt sich an der Länge

ihrer Klapper ablesen.

Um zu wachsen, müssen sich Schlangen wie alle Reptilien

häuten. Bei den Klapperschlangen, dreißig nordamerikanischen

Grubenottern-Arten, lässt sich die Zahl der Häutungen am

Schwanz ablesen. Die charakteristische Rassel an ihrem

Schwanz wächst nämlich mit jeder Häutung um ein Glied. Je

länger die Klapper, desto öfter hat sich die Schlange gehäutet.

Insofern gibt sie tatsächlich Hinweise auf das Alter der

Schlange, wenn auch keine genauen. Denn wie schnell eine

Schlange wächst und wie oft sie sich häutet, hängt von

verschiedenen Einflüssen ab und spiegelt nicht allein das

Lebensalter wider. Die Klapper dient der Warnung: Zittert die

Schlange mit dem Schwanz, ertönt ein mehrere Meter weit

hörbares zischendraschelndes Geräusch. Man tut gut daran, dies

ernst zu nehmen: Klapperschlangen sind hoch giftig.

Klone sind unnatürlich.

In der (zugegeben äußerst komplizierten und vielschichtigen)

Diskussion um die Fortpflanzungsbiologie der Menschen taucht

immer wieder das Gespenst des Klons auf. Sind genetisch

identische Lebewesen wirklich widernatürlich? Natürlich nicht:

Jeder eineiige Zwilling besteht aus zwei Individuen mit

gleichem Erbgut, einem Klon also. Bei Pflanzen ist Klonen eine

gängige Sache. Die Vervielfachung über Stecklinge, wie sie der

Gärtner betreibt, bringt ebenso gengleiche Sprösslinge hervor

wie die Vermehrung durch Teilung, über Ausläufer, Brutknospen,

Tochterzwiebeln und unzählige andere Methoden, die

Pflanzen neben der Samenbildung (und nicht selten sogar anstatt

derselben) betreiben. Und auch manche Tiere bedienen sich der

Vorteile des Klonens. Wenn sich weibliche Wasserflöhe oder

Blattläuse innerhalb kurzer Zeit unglaublich vermehren können,

so nicht zuletzt deshalb, weil sie auf zeitraubenden Sex

verzichten und statt dessen lauter Töchter hervorbringen,

genetische Kopien ihrer selbst (siehe Seite 91). Selbst bei

manchen Säugetieren steht Klonen regelmäßig auf dem

Programm: Das Neunbindengürteltier wirft stets eineiige

Vierlinge, zwei andere Weichgürteltier-Arten sogar genetisch

identische Acht- oder Zwölflinge.

Koalabären sind Bären.

Noch ist der Streit, wer denn das Vorbild des weltberühmten

Teddybären sei, unentschieden. Ist es der niedliche Koala, der

Schwarzbär oder der Braunbär? Vermutlich doch eher einer der

Letzteren. Schließlich verdanken die Schmusetiere ihren Namen

dem amerikanischen Präsidenten Theodore "Teddy" Roosevelt,

der, obwohl leidenschaftlicher Jäger, einmal einen verwundeten

Bären verschonte, was im Präsidentschafts-Wahlkampf weidlich

ausgeschlachtet wurde. Entschieden ist dagegen die Frage, wer

nun Bär sei und wer nicht. Der Koala ist keiner, obwohl er den

Bären sogar in seinem wissenschaftlichen Namen führt:

Phascolarctos cinereus heißt zu deutsch grauer Beutelbär. Der

Eukalyptus fressende Beutel-"Bär" ist aber wie fast alle

Säugetiere Australiens ein Beuteltier, ein Verwandter des

Kängurus mithin. Die echten Bären dage gen bilden eine Familie

innerhalb der zu den Placentatieren zählenden Raubtieren.

Korallen sind Pflanzen.

Selbst ihr wissenschaftlicher Name Anthozoa (übersetzt

Blumentiere) spielt auf die große Ähnlichkeit der Korallen mit

Pflanzen an. Sie gehören zu der sehr ursprünglichen Tiergruppe

der Hohltiere, der die spiegelbildliche Symmetrie der meisten

anderen Tiere noch fehlt. Die aus einem sackförmigen Körper

bestehenden Polypen haben eine Mundöffnung, die von

Tentakeln umgeben ist, mit denen sie ihre Beute fa ngen. Bei den

meisten Korallen sind die einzelnen Polypentiere sehr klein.

Beeindruckende Größe erreichen sie durch den Zusammenschluss

sehr vieler Polypen, die ein gemeinsames Skelett aus

Kalk oder hornartigem Material ausscheiden. Die von ihnen

gebildeten Riffe sind die größten Bauwerke, die Lebewesen je

schufen. Ein überzeugender Beweis dafür, dass enge

Kooperation es auch den Kleinen ermöglicht, ihre Umwelt zu

gestalten und zu prägen.

Der KORMORAN richtet große ökologische Schäden an.

Nur wenige Vogel-Arten sind in Europa so systematisch an

den Rand des Aussterbens gedrängt worden wie der Kormoran.

Der große schwarze Vogel mit den grünen Augen fischt besser

als die Fischer und zieht dadurch ihren geballten Zorn auf sich.

Seit konsequenter Schutz für eine Zunahme der Brut- und

Rastbestände gesorgt hat, kommt ein Kormoran selten allein.

Wenn ein größerer Trupp in perfekter Reihenformation

schwimmend ein Kesseltreiben im Fischteich veranstaltet,

können einem wirklich die Tränen kommen (wenn man der

 

Teichwirt ist). Der Ruf nach erneuter Verfolgung des

Fischräubers wurde laut und lauter. Geführt wird die Diskussion

sehr emotional und oft mit den falschen Argumenten. Ob

Kormorane wirklich ökologische Schäden anrichten, wenn sie

von Anglern vorher ausgesetzte Fische vor denselben wieder

herausfischen? Oder doch eher ökonomische? Wie dem auch

sei: Inzwischen heißt es tatsächlich "Feuer frei" auf den eben

erst der Roten Liste Entkommenen.

Krebse können nur im "Krebsgang", also rückwärts

gehen.

Der sprichwörtliche Krebsgang ist der Rückwärtsgang. Nun

können sich viele Krebse nicht nur rückwärts, sondern auch

vorwärts oder seitwärts mit teils großer Geschwindigkeit

fortbewegen. "Dwarslöper", Querläufer also, heißt die

Strandkrabbe der Nordseeküste im Plattdeutschen. Der

Krebsgang wurde wohl dem Flusskrebs abgeguckt, der im

Mittelalter als Fastenspeise hoch begehrt und inzwischen in

Mitteleuropa stark gefährdet ist. Schüttete man die gefangenen

Krebse auf den Küchentisch, versuchten sie, sich rückwärts

kriechend davonzumachen. Wenn es in freier Wildbahn brenzlig

wird, bringt der Krebs sich mit ein paar kräftigen Schlägen

seines Schwanzfächers im Rückwärtsgang in Sicherheit -

schwimmend, nicht gehend! In Ruhe gelassen zieht er die

Fortbewegung auf acht Beinen und vorwärts vor.

Alle Krebse leben im Wasser.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen in den Keller und es begegnet

Ihnen ein Krebs. Was, kann nicht sein? Krebse gehören ins

Wasser? Die meisten schon, aber einige aus der äußerst

vielfältigen Krebsverwandtschaft sind an La nd gegangen. Die

Landasseln zum Beispiel (siehe Seite 16), zu denen die

Kellerassel gehört, die höchstens in einem knochentrockenen

Neubau-Betonkeller fehlt. Manch anderer Krebs verlässt das

Wasser wenigstens zu längeren Expeditionen. Die Strandkrabbe

der Nordsee wartet in feuchtem Sand eingegraben oder im Tang

auf die nächste Flut. Tropische Küsten wimmeln oft vor

Krebsen, die sich an Land ebenso wohl fühlen wie im Wasser.

Manche gehen nur noch ins Wasser, um dort Eier abzulegen. So

wie ein menschlicher Taucher seinen Unterwasser-Aufenthalt

mithilfe von Sauerstoffflaschen verlängert, haben Landkrabben

kleine Wasservorräte dabei, mit denen sie ihre in Atemhöhlen

eingesenkte Kiemen immer feucht halten. So funktioniert die

Atmung auch außerhalb des Wassers. Und dann gibt es noch den

Palmendieb, der so heißt, weil er tatsächlich auf zwanzig Meter

hohe Palmen klettert, um dort Kokosnüsse abzuschneiden, die er

dann am Boden verspeist. Bei ihm ist die Wandung der

Atemhöhle zur Sauerstoff aufnehmenden Lunge geworden,

während die eigentlichen Kiemen verkümmert sind - ein Krebs,

der im Wasser ertrinkt!

Krokodile sind träge und langsam.

Diese Fehleinschätzung hat schon manchen das Leben

gekostet, der sich leichtfertig in die Nähe eines scheinbar

unbeweglich im Wasser treibenden Reptils gewagt hat. Mit

Hilfe des kräftigen Ruderschwanzes können Krokodile nicht nur

schnell beschleunigen, sondern sich auch erstaunlich weit aus

dem Wasser schnellen. Unter den gruseligen Augenzeugenberichten

über Menschen, die Krokodilen zum Opfer fielen, gibt

es einige, die belegen, dass die riesigen Panzerechsen sogar

noch Geflüchtete, die sich mit knapper Not auf Felsen oder Äste

in trügerische Sicherheit gebracht zu haben glaubten, mit

gewaltigen Sprüngen erreichten und ins Wasser zogen. Das

funktioniert auch auf Land, wie ein großes Leistenkrokodil im

Zoologischen Garten in Stuttgart bewies, das beinahe auf die

Besucherbrücke sprang. Die Panzerglasscheibe, die das

verhindern sollte, ging dabei zu Bruch. Gewöhnlich starten

Krokodile ihre Angriffe aber vom Wasser aus. Das Land

besuchen sie meist nur, um sich dort zu sonnen. Aber auch hier

kriechen sie nicht nur, sondern können ihren schweren Körper

vom Boden abheben und dann so schnell rennen, dass man

rechtzeitig die Beine in die Hand nehmen sollte.

Der Kuckuck macht sich ein leichtes Leben.

Einerseits freut sich jeder, wenn im Frühling der Kuckuck

ruft, andererseits ist sein Ruf nicht der beste: Seine

"betrügerische" Art, sich fortzupflanzen, gilt als anrüchig.

Was auch immer die Vorfahren unseres Kuckucks dazu

bewogen hat, die eigene Kinderstube aufzugeben, die schiere

Faulheit dürfte es nicht gewesen sein. Während andere Vögel ihr

Eigenheim im Frühjahr in wenigen Tagen errichten und mit der

Brut beginnen, ist der Kuckuck ständig auf Achse. Schließlich

gilt es, geeignete Wirtsnester zu finden. Weil im Erbgut jeder

Kuckucksdame festgelegt ist, welche Färbung ihre Eier haben

werden, muss sie Nester derselben Vogelart suchen, die sie

selbst einst großgezogen hatte. Weicht die Farbe des

untergeschobenen Eies nämlich zu stark von der Eifarbe der

vorgesehenen Stiefeltern ab, könnten diese misstrauisch werden.

Werfen sie das Kuckucksei aus dem Nest, war die Mühe für den

Kuckuck umsonst.

Ein Kuckuck kann über zwanzig Eier legen. Für jedes muss er

ein anderes Nest finden - und das nicht irgendwann, sondern

während die Wirtsvögel noch bauen oder Eier legen. Längere

Beobachtung ist nötig, um möglichst gleichzeitig mit der

Stiefmutter ein reifes Ei im Eileiter zu haben. Dann geht es

blitzschnell: Gelegentlich unterstützt vom Männchen, das die

vorgesehenen Ersatzeltern ablenkt, stibitzt die Kuckuckin eins

der Wirtsvogel-Eier und lässt eines ihrer eigenen Eier ins Nest

fallen.

Die meisten Wirtsvögel des Kuckucks sind viel kleiner als er

selbst. Er legt deshalb, verglichen mit anderen Vogel-Arten

seiner Größe, sehr kleine Eier. Im Fressen ist er weniger

bescheiden: Die Jungen brauchen alles Futter und können nicht

mit Stiefgeschwistern teilen. Sobald er sich von seinen

Eischalen befreit hat, wirft der Wechselbalg deshalb, von

Reflexen auf Berührungen seines Rückens und seiner Seiten

gesteuert, alle möglichen Konkurrenten über Bord. Damit wird

auch klar, warum Kuckucke nur in Nester legen, die noch keine

vollständigen Gelege enthalten. Nur dann nämlich können sie

sicher sein, dass ihr Sprössling zuerst schlüpft und Mitesser

effektiv beseitigen kann.

Kuckucksspeichel ist der Speichel des Kuckucks.

Inmitten des weißen Schaumklümpchens, das am Stängel

klebt, sitzt eine kleine Insektenlarve und saugt durch ihren

Stechrüssel Pflanzensaft. Sie ist nicht zufällig in die

Kuckucksspucke geraten, sondern hat sie selbst erzeugt. Dazu

scheidet sie eine eiweißhaltige Flüssigkeit aus, die mit Luft aus

der am Bauch liegenden Atemhöhle schaumig aufgeblasen wird.

Der Zweck: Schutz vor Trockenheit und Feinden wer vermutet

schon einen nahrhaften Kern in der schaumigen Hülle? Die

erwachsenen Schaumzikaden, wie zum Beispiel die bekannten

schwarzen, rot gefleckten Blutzikaden, haben weder einen

Schutz vor Austrocknung noch solche Tarnung nötig. Wenn's

brenzlig wird, springen sie ab und fliegen los.

Lämmergeier fressen Lämmer.

Diese unfromme Legende hat den Lämmergeier (heute wegen

seines kleinen schwarzen Kinnbarts wegen meist Bartgeier

genannt) in weiten Teilen seines von den Hochländern

Innerasiens bis in die europäischen Gebirge reichenden

Verbreitungsgebietes das Leben gekostet. Am Anfang des 20.

Jahrhunderts war er in den Alpen vollständig ausgerottet. Heute

scheint er rehabilitiert und wird mit großem finanziellen und

ideellen Aufwand wieder angesiedelt. Inzwischen haben die

ersten Bartgeier wieder in den Alpen gebrütet, eine kleine

Bestandstütze für den nach wie vor europaweit extrem seltenen

Riesenvogel (Spannweite bis 285 Zentimeter!). Der Bartgeier ist

ein Nahrungsspezialist, nur heißt seine Lieblingsnahrung nicht

Lamm, sondern Knochen, den er restlos verdaut. Ansonsten

frisst er, wie alle Geier, überwiegend das Aas tot gefundener

Tiere. Eine Ausnahme machen Schildkröten, die er ganz einfach

knackt, indem er sie aus größerer Hö he fallen lässt.

Lebende Fossilien: Unverändert seit vielen Jahrmillionen.

Seit es diesen Begriff gibt, gibt es auch Streit darum. Das liegt

in der Natur der Sache. Schließlich birgt das "lebende Fossil"

einen Widerspruch in sich. Denn ein Fossil pflegt eben nicht zu

leben, sondern mausetot in Sedimenten zu schlummern.

Lebende Fossilien sind Tiere oder Pflanzen, die ihr

Erscheinungsbild seit Urzeiten kaum verändert haben. In "seit

Urzeiten" und "kaum" liegt die Wurzel der wissenschaftlichen

Auseinandersetzungen. Ist schon das Eichhörnchen ein lebendes

Fossil, dessen Vorfahren vor einigen Millionen Jahren bereits

ganz ähnlich aussahen, oder verdient erst das Perlboot, der

bescheidene Rest einer bereits im Erdaltertum blühenden

Verwandtschaft beschälter Kopffüßer, diesen Titel? Und was

heißt "kaum"? Kritiker stoßen reihenweise lebende Fossilien

vom Sockel, indem sie nachweisen, dass in diesem oder jenem

Merkmal eben doch größere Veränderungen stattgefunden

haben. Wen wundert das, halten Verteidiger dagegen,

schließlich stehe die Evolution niemals still, es sei aber gerade

die außerordentlich geringe Geschwindigkeit der Entwicklung,

die das lebende Fossil ausmache. Wie auch immer - mit ein

bisschen Vorsicht interpretiert sind der berühmte Quastenflosser

Latimeria, das Perlboot Nautilus, der Pfeilschwanz Limulus oder

der Palmfarn Cycas hervorragende Modelle für vorzeitliche

Lebensformen.

Lemminge sind Selbstmörder und stürzen sich ins Meer.

Nicht Selbstmordgedanken sind es, die einen Lemming ins

Wasser treiben, sondern, ganz im Gegenteil, der Überlebenstrieb.

Unter günstigen Bedingungen können sich die bunten

Wühlmäuse des hohen Nordens sehr schnell vermehren. Bei drei

Geburten mit jeweils durchschnittlich sechs Jungen pro Jahr und

Weibchen, die schon im zarten Alter von drei Wochen

geschlechtsreif werden, sind alle paar Jahre Bestandsexplosionen

vorprogrammiert. Wenn sich auf einem Hektar

dann einhundert bis 250 Lemminge tummeln, wird es eng und

Nahrung knapp, zumal jeder Lemming seinen Grund und Boden

gegen Artgenossen erbittert verteidigt. Grund genug, umzuziehen

oder auszuwandern, was dann auch viele tun. Nun

wandert natürlich jeder Lemming für sich; See- oder Flussufer

halten sie aber zunächst auf, sodass es dort zu Massenansammlungen

kommen kann. Hier huschen dann überall

Lemminge und mancher traut sich schließlich auch ins Wasser,

um das Hindernis schwimmend zu überwinden. Das schaffen sie

ganz gut, solange keine Wellen aufkommen. Bei Seegang

allerdings ertrinken viele Lemminge. Wenn später ihre Kadaver

das Ufer säumen, hat man einen weiteren Beleg für den

"rätselhaften Todestrieb" der kleinen Nager.

Lianen gibt es nur im Dschungel.

Um Tarzan zu spielen muss man nur bis zum nächsten

Waldrand reisen. Dort wächst unsere häufigste heimische Liane,

die Waldrebe. Ihre mehrere Zentimeter dicken und viele Meter

langen holzigen Stängel sind so stabil, dass man ruhig daran

schaukeln kann - falls die Verankerung an den Trägerbäumen

fest genug ist, denn die Waldrebe verfügt wie alle Lianen nicht

über eigene Standfestigkeit. Weit weniger auffällig und reißfest

ist der Hopfen, der sich mit einem wesentlich dünneren Stängel

an anderen Pflanzen hocharbeitet. Oder an den hohen

Hopfenstangen in den Hopfengärten, in denen die Pflanze, die

dem Bier seine Würze gibt, kultiviert wird.

Libellen können stechen.

Teufelsnadeln oder Satansbolzen nennt der Volksmund sie.

Stechen könnten die großen Insekten oder gar arglosen

Schläfern die Augenlider zunähen. Sind es die manchmal sehr

schrillen Farben, die riesigen Augen, der lange und bewegliche

Hinterleib oder der rasante, unberechenbare Flug, die diese

besonders hartnäckigen Vorurteile speisen? Wie auch immer:

An ihnen ist nichts dran - es sei denn, man ist ein anderes Insekt.

Für diese gibt es tatsächlich kaum eine schlimmere Begegnung

als die mit dem schnellen Jäger mit den langen Fangbeinen und

den kräftigen Kiefern. Letztere sind das Einzige, mit denen

festgehaltene Libellen versuchen, sich zu wehren. Für Fliegen

tödlich, für uns Menschen nur ein kräftiges Zwicken.

An der Spitze des langen und überaus beweglichen

Hinterleibs tragen Libellen keinen Stachel. Weibchen haben dort

einen Legeapparat, Männchen eine Zange, mit der sie ihre

Auserwählte bei der Paarung am Kragen packen.

Der Löwe ist der König der Wüste.

Wüsten sind auch für Löwen wüst. Allenfalls bis in die

Halbwüsten (wie die Kalahari im südwestlichen Afrika) dehnen

sie ihre Streifzüge aus. Dort fallt noch jährlich Regen, wenn

auch die Regenzeit kurz ist. Während der Trockenzeit sorgen

Oasen für den nötigen Schluck Wasser. Das eigentliche Löwenparadies

aber ist die Savanne, wo in ausgedehnten Grasländern

zwischen einzelnen Baumgruppen riesige Tierherden weiden.

Löwen sind die mutigsten Tiere.

Tierverhalten mit menschlichen Maßstäben zu messen hat

sich immer wieder als wenig sinnvoll herausgestellt. Was ist

schon Mut und was Feigheit? Die Evolution "belohnt"

schließlich nur ein Verhalten, das der Verbreitung der eigenen

Gene dient. Wer sich todesmutig ins Getümmel wirft und damit

Verletzungen riskiert, hat als Beutegreifer oft ausgespielt. Klar,

dass sich die paar Hyänen "feige" zurückziehen, wenn sich ein

Löwenrudel nähert, um ihnen die eben geschlagene Beute

abzunehmen (siehe Seite 90).

Ebenso klar, dass sich der Löwe in die Büsche schlägt, wenn

er allein ist und die Hyänen weit in der Überzahl. Als weitaus

größeres, stärkeres und meist auch noch im Rudel auftretendes

Tier hat der Löwe natürlich aber oft die besseren Karten - da ist

es leicht, mutig zu sein.

Löwen gibt es nur in Afrika.

Im Eiszeitalter konnte man auch hierzulande noch Löwen

begegnen, Höhlenlöwen genannt, weil ihre Überreste meist in

Höhlen gefunden werden. Und wenn der griechische Held

Herakles einen Löwen erschlug oder in der Bibel von Löwen in

Palästina berichtet wird, deckt sich das mit naturwissenschaftlichen

Erkenntnissen. Heute ist der einstmals so weit

verbreitete Löwe auf Afrika beschränkt. Mit einer kleinen

Ausnahme: Im indischen Reservat Girwald leben bis heute noch

etwa 250 Exemplare der asiatischen Unterart des Löwen.

Malaria kommt von schlechter Luft.

Diese Deutung steckt schon im Namen der Krankheit: Malaria

heißt "schlechte Luft". Und so falsch ist die alte Vorstellung von

den krank machenden Ausdünstungen der Sümpfe gar nicht.

Denn nur im Wasser können sich die Larven der Fiebermücke

Anopheles entwickeln. Und diese ist es, die uns Menschen die

schwere, nicht selten sogar todbringende Krankheit einimpft.

Eigentlich ist die Mücke nur an einem Tröpfchen Blut

interessiert. Dabei überträgt sie aber parasitische Einzeller der

Gattung Plasmodium, die die Krankheit auslösen. Ein

folgenreicher Zusammenhang: Als "Mutter aller Fieber"

beschrieben chinesische Ärzte die Malaria schon vor 5000

Jahren. Die typischen Fieberschübe des "Wechselfiebers"

entstehen, wenn die Parasiten auf einen Schlag die roten

Blutkörperchen verlassen, in denen sie sich, für die körpereigene

Abwehr unangreifbar, versteckt und vermehrt haben. Beim

Zerfall der roten Blutkörperchen werden Abbauprodukte frei,

die extremes, oft tödliches Fieber auslösen. Währenddessen sind

die Parasiten schon wieder in gesunde Blutkörperchen

eingedrungen. Nach 48 oder 72 Stunden (je nach Malaria-Art)

folgt die nächste Attacke.

Die Malaria hat Folgen weit über das Einzelschicksal hinaus.

Die malerische Lage vieler Toskanadörfer auf moskitofreien

Bergrücke verdanken wir der Krankheit ebenso wie zahlreiche

unerwartete Wendungen der Weltgeschichte, wenn mal wieder

ein ganzes im Freien lagerndes Heer nicht vom Feind

geschlagen, sondern von Moskitos besiegt wurde und den

Angriffen von Plasmodium erlag.

Mammuts hatten ein rotbraunes Fell.

Von Fossilien bleiben gewöhnlich nur ein paar Knochen oder

Schalen. Die Erhaltung von Weichteilen ist selten, und dass ein

Tier mit Haut und Haar überliefert wird, eine absolute

Ausnahme. Mammuts sind erst seit wenigen tausend Jahren

ausgestorben. Sie lebten in Kältesteppen und Tundren, die,

wenigstens soweit sie hoch im Norden liegen, seither nicht

wärmer geworden sind. Im Tiefkühlschrank der Natur,

eingeschlossen in seit der Eiszeit nie aufgetaute Dauerfrostböden,

sind einige (fast) vollständige Kadaver bis heute erhalten

geblieben. Daher weiß man über Mammuts ziemlich gut

Bescheid. Anders als die Dinosaurier, bei denen Farbe und meist

auch Oberflächenstruktur Spekulation bleiben muss, können wir

Mammuts lebensecht und wissenschaftlich exakt rekonstruieren.

Wir wissen, dass sie ein langes Fell hatten, das sie gegen Kälte

schützte. Etwa dreißig Zentimeter lang und einen halben

Millimeter stark waren die groben Deckhaare, die an den

Flanken weit herabhängend sogar neunzig Zentimeter Länge

erreichten. Die wärmende Unterwolle war dagegen viel kürzer

und feiner. An zahlreichen sibirischen Kadavern wurden solche

Haare oder ganze Fellstücke gefunden, und meist waren sie

orangebraun, weshalb auch die meisten Mammut-Rekonstruktionen

in Museen ein rotbraunes Fell tragen. Vermutlich aber

haben sie diese Farbe erst während der langen Einbettungszeit

angenommen - viele Farbpigmente sind einfach nicht stabil

genug, um Jahrtausende unverändert zu überdauern. Für diese

Deutung spricht auch, dass gefundene Fellstücke von Blond

über Braun bis nahezu Schwarz variieren können,

wahrscheinlich eine Folge unterschiedlicher Erhaltungsbedingungen.

Vermutlich hatten Mammuts ein dunkelbraunes

Fell, ähnlich dem des Moschusochsen, der dem Mammut in

puncto Fellstruktur und Lebensraum nahe steht.

Mammuts waren Riesenelefanten.

In unserer Vorstellungswelt rangieren die vorzeitlichen

Elefanten gleich nach den Dinosauriern. Die nackten Zahlen

bestätigen das nicht. Das Mammut schlechthin, das Eiszeit-

Mammut Mammuthus primigenius, entsprach mit einer Höhe

von 2,75 bis 3,4 Metern ungefähr der des Afrikanischen

Elefanten, der meist 3 bis 3,4 Meter erreicht. Im Durchschnitt

etwas kleiner sind die Indischen Elefanten mit einer

Rückenhöhe von 2,4 bis 2,9 Meter. Allerdings ist die

Variabilität beträchtlich. Erwachsene Afrikanische Elefanten

können im Regenwald einerseits kaum höher als 2 Meter sein,

die kräftigsten Bullen der offenen Savannen maßen aber 3,7

Meter. Ähnlich war das natürlich auch bei den Mammuts. Die

letzten Mammuts, die ihre Artgenossen um mehr als 6000 Jahre

überlebten, waren besonders klein und erreichten gerade noch

eine Größe von 1,8 Metern.

Sie stammen von der Wrangel-Insel, die im arktischen Ozean

vor dem äußersten Nordosten Russlands nahe der Beringstraße

liegt. Hier lebten vor 12.000 Jahren noch ganz normale

Eiszeitelefanten, ein Teil der sibirischen Population, denn die

Wrangel-Insel hatte damals noch Verbindung zum Festland. Mit

dem Inseldasein setzte die Verzwergung ein, die 5000 Jahre

später zu den Mini-Mammuts führte. Ähnliche Evolutionstrends

kennen wir übrigens auch von Inseln im Mittelmeer, wo im

Eiszeitalter kaum metergroße Elefantchen vorkamen.

Vermutlich lösten knappe Nahrungsgrundlagen und fehlender

Feinddruck solche Entwicklungen aus.

Der Marienkäfer ist so alt wie die Zahl der Punkte.

"Den" Marienkäfer gibt es nicht. Allein in Deutschland

kommen etwa achtzig Marienkäfer-Arten vor, alle mit

unterschiedlichem Muster. Der bekannteste ist der Siebenpunkt

mit seinen sieben schwarzen Punkten auf den roten

Flügeldecken. Es gibt aber auch einen Zweipunkt-Marienkäfer

(ebenfalls mit schwarzen Punkten auf rotem Grund, oder auch

andersrum, schwarz mit roten Punkten) und einen

Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer (gelb mit 22 schwarzen

Punkten). Mit dem Alter haben die Flecken nichts zu tun. Zwar

überwintern viele Marienkäfer erfolgreich und werden damit

älter als viele andere Insekten, die nur einen Sommer tanzen.

Aber sieben oder gar 22 Jahre schaffen sie nicht. Und es gilt bei

Marienkäfern dasselbe wie bei allen anderen Insekten: Wer

erwachsen ist, verändert sein Aussehen nicht mehr wesentlich.

Mauersegler sind Turmschwalben.

Wenn zwei sich sehr ähneln, müssen sie wohl eng verwandt

sein - und flugs werden die Mauersegler, die an warmen

Sommerabenden mit lauten schrillen Schreien durch die

Straßenschluchten fegen, in die Familie der Schwalben

eingemeindet: Turmschwalben eben. Nur wer genauer

nachforscht, wird herausfinden, dass Segler, die eine eigene

Vogel-Ordnung bilden, und Schwalben, die zu den Singvögeln

gehören, keineswegs wie Brüder und Schwestern daherkommen.

Ihre Ähnlichkeit ist eine höchst oberflächliche, entstanden durch

ähnliche Anpassungen an eine ähnliche Lebensweise. Für

Insektenfresser, die ihre oft blattlauskleine Beute in rasantem

Flug mit dem Schnabel aus der Luft erhaschen, gibt es einige

konstruktive Zwänge. Lange schmale Flügel gehören ebenso

dazu wie ein kurzer Schnabel und eine breite Maulspalte, die

wie ein Käscher funktioniert. "Konvergenz" nennen Biologen

solche oft verblüffenden Anpassungsähnlichkeiten, die

Verwandtschaft vortäuschen, wo keine besteht.

Der Maulwurf wirft die Erde mit dem Maul auf.

Der Maulwurf ist eigentlich ein Haufenwerfer. Das jedenfalls

wäre die moderne Version des althochdeutschen "muwurf", dem

der Maulwurf seinen Namen verdankt. Seine rüsselförmig

ausgezogene Schnüffelnase dient, wie schon die Altvorderen

wussten, nicht als Erdbohrer, sondern ist, zusammen mit den sie

umstehenden langen Spürhaaren, ein empfindliches Tastorgan.

Die grobe Arbeit erledigt der Maulwurf mit seinen

Vorderbeinen, seitlich stehenden, breiten Grabschaufeln mit

kräftigen Krallen. Um sie zu effektiven Grabwerkzeugen zu

gestalten, ist der Schultergürtel verstärkt und der Oberarm

extrem kräftig ausgebildet. Elle und Speiche sind im unteren

Abschnitt miteinander verwachsen. Die ohnehin schon große

Handfläche wird durch einen zusätzlichen Knochen noch

erheblich verbreitert. Er steht als "sechster Finger" neben dem

Daumen. Andere unterirdische Buddler haben zum Teil

abweichende Grabetechniken entwickelt. Der Strandgräber, ein

gut meerschweinchengroßes Nagetier aus Südafrika, beißt sich

mit langen, weit vorstehenden Nagezähnen durch den

Untergrund. Der Goldmull, ebenfalls ein Afrikaner, benutzt

seine kräftigen Krallen zum Lockern der Erde und schafft sie

dann mit seiner durch ein Hornschild geschützten Schnauze

beiseite. Und die in Steppengebieten Osteuropas und

Vorderasiens heimische Blindmaus gräbt mithilfe ihres

keilförmigen Kopfes.

Maulwürfe fressen die Wurzeln des Salats.

An Vegetarischem ist der Maulwurf nicht interessiert. Er ist

Fleischfresser. Auf den Patrouillen durch sein unterirdisches

Revier erbeutet er alles, was ihm vor sein aus 44 nadelspitzen

Zähnen bestehendes Gebiss kommt. Nicht zufällig heißt die

Ordnung der Säugetiere, zu denen Maulwürfe ebenso wie

Spitzmäuse und Igel gehören, Insektenfresser. Insekten(larven)

gehören tatsächlich zur Lieblingsbeute des Maulwurfs.

Ansonsten steht er vor allem auf Würmer. Warum also wird dem

Maulwurf hartnäckig das Etikett "Schädling" angeheftet?

Vielleicht welkt tatsächlich mal der Salat, wenn der Minenbauer

ohne Rücksicht auf Verluste einen neuen Gang genau unter den

Setzlingen gebuddelt hat. Maulwurfshügel im englischen Rasen

sind eher ein ästhetisches Problem. Ansonsten ist die Bilanz

ausgeglichen. Zwar müssen manche nützlichen Regenwürmer

dran glauben, aber dafür bleiben auch Maulwurfsgrillen,

Schnecken und andere - nun ja: Schädlinge - auf der Strecke.

Maulwürfe sind blind.

Wenn einer blind wie ein Maulwurf ist, dann lassen ihn seine

Augen noch nicht ganz im Stich. Fast völlig unterm plüschigen

Fell verborgen hat der Tiefbauer zwei winzige Knopfäuglein.

Das dürfte genügen, um Hell und Dunkel zu unterscheiden, zu

viel mehr aber nicht. Farben sehen Maulwürfe ohnehin nicht, da

ihre Netzhaut nur stäbchenförmige Sinneszellen enthält, die

zwar wesentlich lichtempfindlicher sind als die für die

Farbwahrnehmung zuständigen zapfenförmigen Sinneszellen,

aber nur die Helligkeit messen. Wie gut ein Maulwurf Formen

erkennen kann, ist nicht bekannt. Einen genauen Maulwurf-

Sehtest hat anscheinend noch niemand durchgeführt. Wer den

größten Teil seines Lebens in ewiger Nacht verbringt, ist mit

anderen Sinnesorganen ohnehin besser bedient als mit den

Augen. Tasthaare und Nase funktionieren auch, wenn es

zappendüster ist.

Das Meeresleuchten stammt vom Widerschein des

Mondes.

Wer das zauberhafte Leuchten des Meeres je gesehen hat,

wird es nie wieder vergessen. Vor allem dort, wo sich Wellen

brechen oder ein Schiffskiel das Wasser durchschneidet, funkelt

und glitzert es hellbläulich oder grünlich. Ein Schauspiel, das

wir einem Einzeller verdanken. Noctiluca miliaris - frei

übersetzt: der millionenfach die Nacht Erleuchtende - gehört zu

den Panzergeißlern, trägt aber im Gegensatz zu den meisten

dieser kleinen Algen keinen Panzer. Für Einzeller sind sie mit

gut einem Millimeter Durchmesser recht groß. Man kann die

leuchtenden Punkte leicht mit bloßem Auge durchs Wasser

flitzen sehen. Angetrieben werden sie von einer kurzen Geißel.

Ein zweiter Tentakel dient dazu, noch kleinere Lebewesen als

Nahrung heranzustrudeln: Noctiluca ist ein gefürchteter Räuber

unter den Einzellern. Meeresleuchten kann man nahezu weltweit

antreffen. Noctiluca mag's aber gerne etwas wärmer. An der

Nordseeküste zum Beispiel lässt sich das Phänome n vor allem in

lauen Sommernächten beobachten. Zum Leuchten werden die

Einzeller stimuliert, wenn sie einen Schubs zum Beispiel durch

sich brechende Wellen kriegen. Dann wird in einer höchst

effektiven Reaktion, bei der die eingesetzte Energie praktisch

vollständig zur Erleuchtung verwendet wird, kaltes Licht

ausgestrahlt. Biolumineszenz nennen die Biologen es, wenn

Lebewesen Licht erzeugen, was so selten gar nicht ist. Während

sich uns bei Glühwürmchen (siehe Seite 77) oder Tiefseefischen

der Sinn und Zweck des Leuchtens oft erschließt, tappen wir bei

Noctiluca noch im Dunkeln. Kein Mensch kennt den

eigentlichen Grund des wunderbaren Schauspiels.

Mehltau hat etwas mit Mehl zu tun.

Das feine weiße "Mehl", das die Stachelbeerfrüchte überzieht

oder auf den jungen Blättern von Eichen liegt, ist ein Pilz. Die

Echten Mehltaupilze spinnen die Pflanzen mit dünnen Fäden

ein, aus denen Sporen tragende Fortsätze sprossen. Diese

verstärken den Mehleindruck, weil sie richtig wegstäuben, wenn

man die befallene Pflanze schüttelt. Mehltaupilze sind Parasiten.

Mit speziellen Fortsätzen dringen sie in Zellen ihrer

Wirtspflanze ein und "saugen" sie leer. Dabei sind sie

wirtsspezifisch, das heißt, sie wachsen nicht irgendwo, sondern

nur auf einer bestimmten Wirtspflanze. Berüchtigt ist zum

Beispiel der Rebenmehltau, der den Winzern das Leben schwer

macht. Uncinula necator heißt er: Den Namen Necator = Killer

trägt er zu Recht. Kaum von Amerika nach Europa gelangt,

sorgte er vor 150 Jahren zum Beispiel für das komplette Aus für

den Weinbau auf Madeira und Teneriffa. Noch heute wird er als

wichtigster natürlicher Gegenspieler des Weingärtners Jahr für

Jahr mit zahlreichen aufeinander abgestimmten Spritzungen

bekämpft. Im Kleingarten lässt der Rosenmehltau die Gärtner

zur Giftspritze greifen. Der nah verwandte, seit 1905 auch bei

uns heimische Amerikanische Stachelbeermehltau befällt die

Stachelbeere. Auch hier ist der wissenschaftliche Name

entlarvend: Sphaerotheca morsuvae, wobei letzteres "Tod der

Stachelbeere" bedeutet. Ganz so drastisch geht's im Hausgarten

aber meist nicht zu. Die Ernte kann man bei starkem Befall aber

vergessen. Das Beschneiden der Triebspitzen, in denen der

Mehltau überwintert, hilft. Auch durch die Zucht weniger

anfälliger Sorten versucht man, dem Parasiten zu begegnen, der

sich im Sinne des Wortes "wie Mehltau" über die leckeren

Beeren legt.

Neandertaler sind die Vorfahren des heutigen Menschen.

Vor fünfzig Jahren war die Welt noch in Ordnung. Die

wenigen menschlichen Fossilfunde, darunter die der Neandertaler

(manchmal auch Neanderthaler geschrieben, wie 1856, als

man sie bei Steinbrucharbeiten in dem idyllischen Talchen bei

Düsseldorf fand) ließen sich problemlos als zeitliche Folge

deuten. Die Rolle des Neandertalers war die des kräftig

gebauten und leicht dumpfbackig einhertrottenden eiszeitlichen

Vorfahren des heutigen Menschen. Inzwischen haben viele

weitere Funde und Datierungen die Sache schwer

verkompliziert. Wir wissen jetzt, dass die modernen Menschen

fast gleichzeitig mit dem hauptsächlich auf Europa und das

Mittelmeergebiet beschränkten Neandertaler entstanden, aber

ganz woanders, nämlich in Afrika. Erst später, kurz bevor sich

die Neandertaler endgültig aus der Geschichte verabschiedeten,

breiteten sich moderne Menschen nach Europa aus. Damit

scheidet der Neandertaler als unser Vorfahr aus. Ob wir

wenigstens ein bisschen Neandertalerblut in uns haben, wird

seither eifrig diskutiert. Haben sie oder haben sie nicht? Fast

30.000 Jahre nach dem Verschwinden des Neandertalers ist

diese zentrale Frage nach einer eventuellen Kreuzung beider

Menschenformen und Mischung ihrer Gene natürlich nicht mehr

so leicht zu beantworten. In Palästina, wo beide über viele

Jahrtausende gemeinsam vorkamen, sprechen die Fossilien

keine ganz eindeutige Sprache. Erbgutuntersuchungen längst

verblichener Neandertaler deuten wie manch andere Indizien

aber darauf hin, dass kein genetischer Austausch mehr stattfand,

dass also Neandertaler und heutiger Mensch tatsächlich zwei

verschiedenen Arten angehörten.

Menschen stammen von Schimpansen ab.

Richtig ist: Der Mensch stammt von Affen ab, ja er ist in

mehr als einer Hinsicht selber einer. Falsch ist: Der Mensch

stammt von irgendeinem heute lebenden Affen ab. Schimpansen

sind zwar die nächsten Verwandten der Menschen. Das ist an

zahlreichen Merkmalen des Körperbaus, des Verhaltens und

auch an den zu nahezu 99 Prozent identischen Genen ablesbar.

Genau wie der Mensch hat sich aber auch der Schimpanse im

Lauf der Zeit verändert, und was vor sechs bis sieben Millionen

Jahren als ein Menschenaffe unter vielen in Afrika lebte, war

weder Mensch noch Schimpanse, sondern die gemeinsame Ur-

Ur-Ur-Ur... großmutter beider. Nach der Aufspaltung in eine

"Menschenlinie" und eine "Schimpansenlinie" folgte keine

zielgerichtete Entwicklung schnurstracks zu den heutigen Arten.

Die Geschichte ging auch hier verschlungene Wege. Die

Schimpansen spalteten sich später nochmals in zwei Arten auf,

den eigentlichen Schimpansen und den Bonobo .

Bei uns Menschen scheint es noch etwas komplizierter

zugegangen zu sein. Mehrere verschiedene Arten lösten

einander ab oder existierten gar zeitgleich. Bis heute ist es nicht

gelungen, die teils sehr verwirrenden Wege (und Umwege) der

menschlichen Stammesgeschichte widerspruchsfrei zu

rekonstruieren. Selbst neue Fossilfunde tragen nicht immer zur

Klärung bei, sondern werfen manchmal mehr Fragen auf als sie

beantworten. Wer wann wo mit wem und warum das sind die

Fragen, über die sich die Urmenschen-Forscher deshalb sicher

noch eine ganze Weile die Köpfe heiß reden werden.

Motten fressen Löcher in Stoffe und Gewebe.

Nein und ja. Nein, wenn man den kleinen Schmetterling selbst

für den Missetäter hält, der das Loch in den Wollmantel

gefressen hat. Bei ihm sind Mundwerkzeuge und Darm weit

gehend verkümmert und er frisst gar nichts. Er lebt kurz und von

der Substanz. Und da kommen wir dem Übeltäter auf die Spur.

Die Substanz sammeln nämlich die Raupen an. Auf Tierhaare

spezialisiert fressen sie sich durch Wolle aller Art, nicht aber

durch Baumwolle und andere Pflanzenfasern. Wolle ist eine

trockene Kost. Die Larven spinnen sich zum Schutz gegen

Wasserverlust eine seidene Wohnung, die außen mit

abgebissenen Haaren getarnt wird. Da sie nicht gerne umziehen,

ist der Fraßschaden einer Larve meist auf ein Loch begrenzt.

Läuft es gut, werden zwei bis drei Wochen Haut und Haar

gefressen. Ist Futter knapp oder von schlechter Qualität, dauert's

länger. Schließlich verpuppt sich die Raupe, um ihr Leben

frühestens zwei Wochen später als Falter weiterzuführen. Hier

könnte man den verhängnisvollen Zyklus natürlich unterbrechen,

indem man alle Motten abklatscht, denen man

begegnet. Leider bewegen sich aber fast nur die Männchen im

Flugraum. Die eischweren Weibchen fliegen ungern und bleiben

 

versteckt. Durch eifriges Klatschen erledigen wir also meist nur

einen kleinen Teil des Männchen-Überschusses. Die Weibchen,

von denen jedes an die hundert Eier legt, bleiben unversehrt.

Mücken belästigen uns im Sommer beim Essen.

Mücken sind nicht an unserem Essen interessiert, sondern an

uns selbst. Sie sind, wenn es sich um die besonderen Spezies der

Stechmücken handelt, Blutsauger (siehe Seite 182), die sich uns

bevorzugt nachts oder tagsüber bei hoher Luftfeuchtigkeit

nähern. Was vor allem im Süddeutschen als lästige "Mücken"

vom Teller gewedelt wird, sind Fliegen, deren hartnäckigste die

weltweit verbreitete Stubenfliege ist. Sie ist, anders als ihr Name

vermuten lässt, nicht nur in der guten Stube, sondern auch

"outdoor" unterwegs.

Am Strand gefundene Schalen sind immer Muscheln.

Nichts schöner, als am Strand entlangzubummeln und im

Spülsaum nach Muschelschalen zu suchen. Von den Muscheln

stammen allerdings nur die zweiklappigen Schalen. Zwar lösen

sich die beiden Hälften nach dem Tod der Muschel meist recht

schnell. Oft lässt sich aber noch das Scharnier entdecken, mit

dem die beiden Schalen verbunden waren. Gewundene

Häuschen, manchmal eng wie Wendeltreppen, manchmal nur

mit wenigen Umgängen, sind dagegen Schneckenwohnungen.

Soweit das Prinzip, das fast in allen Fällen weiterhilft.

Schwierig wird die Entscheidung vor allem bei Schnecken wie

dem Meerohr, das statt einem engen Haus-Ausgang eine sehr

weite Mündung zeigt oder bei den Napfschnecken, bei denen

auch mit viel Fantasie keine Windung mehr zu entdecken ist.

Und schließlich gibt es neben Schnecken und Muscheln auch

noch ein paar andere Tiergruppen im Meer, die im Eigenheim

wohnen, zahlreiche Wurm-Arten etwa oder die zu den

Kopffüßern gehörenden Kahnfüßer. Auch ihre Gehäuse findet

man am Meeresstrand.

Muscheln gibt es nur im Meer.

Um Perlen zu finden, brauchte man in alten Zeiten nicht

unbedingt in ferne Meere tauchen. Es genügte, den nächsten

sauberen Mittelgebirgsbach aufzusuchen. Inzwischen gehört die

Flussperlmuschel aber leider zu den größten Raritäten der

heimischen Tierwelt. Die Verschmutzung der Gewässer hat das

bis fast fünfzehn Zentimeter große und über hundert Jahre alt

werdende Weichtier an den Rand der Ausrottung gebracht. Am

besten mit solchen Umweltbedingungen kommt eine

ursprünglich hier gar nicht heimische Muschel klar, die

Dreikant- oder Wandermuschel. Sie stammt aus den Zuflüssen

des Schwarzen und des Kaspischen Meeres. An Schiffe geheftet

und über frei schwimmende Larven gelang es ihr, im Lauf der

letzten 160 Jahre fast ganz Europa zu kolonisieren. Aber auch

die größte heimische Süßwassermuschel, die bis zwanzig

Zentimeter große Teichmuschel, ist noch häufig.

Mutterkorn ist das Beste im Korn.

Gelegentlich steht in Kornähren (besonders des Roggens)

zwischen lauter normalen Körnern ein großes, dunkles: ein

Mutterkorn. Es entsteht durch den Befall mit einem

parasitischen Pilz. Beim Mutterkorn liegen, wie so oft, Fluch

und Segen nahe beisammen. Zahlreiche Medikamente enthalten

Wirkstoffe aus dem Mutterkorn. Seit alters werden sie in der

Gynäkologie eingesetzt, zum Beispiel bei der Einleitung der

Geburt. Daher auch der Name. Aber - alte Apotheker-Weisheit -

die Dosis macht's! Gelangt Mutterkorn in größeren Mengen ins

Mehl, sind Fehlgeburten bei Mensch und Vieh zu befürchten.

Chronische Vergiftungen beginnen mit Kopfschmerzen,

Übelkeit und Fieber, meist gefolgt von Ameisen-Kribbeln in

Fingern und Zehen ("Sankt-Antonius-Feuer"). Schließlich

können Durchblutungsstörungen dazu führen, dass ganze

Gliedmaßen unter brennenden Schmerzen abfallen, ein

Krankheitsbild, das als Ergotismus bezeichnet wurde. Berichtet

wird auch von unglaublichen Halluzinationen und geistiger

Zerrüttung, kein Wunder, denn einige der Mutterkorn-Gifte

ähneln der synthetischen Droge LSD. Erst im Jahr 1676 wurde

das Mutterkorn als Ursache des Ergotismus enttarnt. Seitdem

wird es vor dem Mahlen ausgelesen. Wer sein Getreide direkt

beim Bauern kauft, sollte es also sorgfältig durchsehen, bevor es

in der Mühle landet. Dem Genuss selbst gebackenen Brotes

könnte sonst das verhängnisvolle Kribbeln folgen...

Nachtfalter fliegen nur nachts.

Als Nachtfalter fassen die Sammler die Schmetterlingsgruppen

der Schwärmer, Spinner, Eulenfalter und Spanner

zusammen. Anders formuliert: Alles, was kein an den

keulenförmigen Fühlern deutlich erkennbarer Tagfalter ist,

gehört zu den Nachtfaltern - eine Unterscheidung, die auch im

angelsächsischen Sprachraum durch die Unterscheidung

zwischen "butterfly" und "moth" getroffen wird. Die natürlichen

Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Schmetterlinge

spiegelt diese allzu einfache Einteilung nicht wider. Und sie sagt

auch wenig darüber aus, wann die Tiere aktiv sind. Unter den

Nachtfaltern gibt es nämlich gar nicht so wenige, die am

helllichten Tage unterwegs sind. Die auffällig grün,

schwarzweiß oder schwarzrot gefärbten Widderchen zum

Beispiel sind fast reine Tagtiere. Oder das Taubenschwänzchen

aus der Gruppe der überaus flugtüchtigen Schwärmer, das einem

Kolibri gleich vor Blüten schwirrend in der Luft steht und mit

seinem langen dünnen Rüssel im Flug Nektar aus den

Blütenkelchen saugt. Oder die bis auf das weiße griechische

Gamma-Zeichen auf den Flügeln tarnfarbig braune Gammaeule.

Die Nachtigall singt nur nachts.

Ob die Nachtigall wirklich der beste heimische Sänger ist?

Obwohl vor allem das berühmte "Schluchzen" sehr zu Herzen

geht, hat sie einige Konkurrenten, die ihr an Lautstärke,

Klangfarbe und Einfallsreichtum nicht nachstehen. Aber über

Musikgeschmack lässt sich bekanntlich nicht (oder ewig)

streiten. Dass der Gesang der Nachtigall einen Gutteil seiner

zauberhaften Wirkung der besonderen Atmosphäre der Nacht

verdankt, merkt man spätestens, wenn es hell wird. Auch am

Tag verstummt die Nachtigall nämlich keineswegs, nur ist sie

dann eben keine andächtig belauschte Solistin mehr, sondern

fügt sich in den Chor vieler anderer guter Sänger ein.

Alle Nadelbäume sind immergrün.

Kaum eine Regel ohne Ausnahme. Zwar sind die Laub

werfenden Arten unter den Nadelbäumen eindeutig in der

Minderzahl, aber es gibt sie. Das bekannteste Beispiel ist die

Lärche, deren Nadeln sich im Herbst herrlich golden färben und

dann abfallen. Im Frühjahr erscheinen dann hellgrün die neuen

Nadeln. Ein zweites Beispiel ist der Urwelt-Mammutbaum

Metasequioa glyptostroboides, ein lebendes Fossil, das in

vergangenen Zeiten weit verbreitet war. Die Art hat eine sehr

ungewöhnliche Entdeckungsgeschichte: Nachdem sie im Jahr

1941 zunächst an Fossilien aus Japan beschrieben wurde, merkte

man fünf Jahre später, dass sie mit dem merkwürdigen

Nadelbaum identisch war, der 1944 in einem entlegenden

Winkel Chinas entdeckt worden war. Inzwischen muss man

nicht mehr ganz so weit fahren. In vielen Parks und Gärten

werden die urzeitlichen sommergrünen Nadelbäume auch bei

uns kultiviert.

Das Horn des Nashorns steigert die Potenz.

Wer an die potenzsteigernde Wirkung des Nasenhorns glaubt,

kann ebenso gut Fingernägel kauen. Chemisch sind keine

größeren Unterschiede festzustellen. Beide bestehen aus

Hornsubstanz (Keratin). Aber vielleicht ist es ja der Placebo-

Effekt, der hier nachhilft? Auch andere Nashorn-Körperteile -

Hufe, Haut und Knochen, Harn und Nasenschleim - wurden

(und werden?) zu magischen Mittelchen verarbeitet, um sich die

gewaltigen Kräfte des urtümlich wirkenden und nach dem

Elefanten mächtigsten Landsäugetiers zu eigen zu machen.

Übrigens wird Nasenhorn in der fernöstlichen Medizin gegen

alle möglichen Zipperlein eingenommen, als Potenzmittel

scheint es dort aber (wenn überhaupt) eine geringe Rolle zu

spielen. Die Hoffnung der Tierschützer, entsprechende

Erzeugnisse der Pharmaindustrie könnten helfen, die Rhinos zu

retten, ist deshalb leider vergebens. Auf jeden Fall zeigt im

Jemen, nach Fernost der Hauptabnehmer von Nasenhorn, der

Besitz des traditionellen Krummdolchs mit einem Griff aus dem

Nasenhorn eine andere Art von Potenz, ökonomische nämlich.

Denn Nasenhorn ist knapp und nur illegal zu erwerben. Trotz

absoluten Handelverbots wurden zwischen 1994 und 1996 noch

jährlich fünfzig bis einhundert Kilo ins Land geschmuggelt und

für horrende Summen verscherbelt. Nur konsequenter Schutz in

politisch stabilen Ländern kann die durch solche abenteuerlichen

Schwarzmarktpreise gefährdeten Nashörner noch retten.

Aus dem Nest gefallene Vögel darf man nicht mehr

zurücksetzen, weil die Altvögel den Menschengeruch nicht

ertragen und die Jungen dann verlassen. Was tun mit der kleinen

Flaumkugel, die kläglich piepsend unter dem Busch sitzt? So

grausam es klingt: Sitzen lassen ist meist die weiseste

Entscheidung. Oft verlassen Jungvögel schon vor dem

Flüggewerden das gar nicht so sichere Nest und treiben sich

noch ein paar Tage halb hüpfend, halb flatternd in der Gegend

herum, bevor es mit dem Start richtig klappt. Lautes Geschrei

verrät den rastlosen Eltern, wo sie ihre Futterration loswerden

können. Anders ist das mit ganz hilflosen Küken, bei denen

überall noch die nackte Haut durch den Babyflaum schimmert.

Sie überleben tatsächlich nicht. Oft ist das aber geplant.

Vogeleltern verhalten sich da ganz unsentimental. Wer sich

merkwürdig verhält oder schlapp macht, fliegt raus. Stellt man

menschliche Wertvorstellungen mal hintan ("Kindsmord!"), ist

das eigentlich ganz vernünftig. Denn ein krankes Küken kann

den ganzen Bruterfolg gefährden, wenn es seine Geschwister

ansteckt. Es gibt also gute Gründe für uns Menschen, uns völlig

herauszuhalten, wenn wir auf einen solchen Fall treffen. Falsch

ist aber die in der Überschrift vertretene Meinung. Vögel sind

"Augentiere" wie wir Menschen. Der Geruchssinn spielt, anders

als bei vielen Säugetieren, keine wichtige Rolle bei den Eltern-

Kind-Beziehungen. Zwar geben manche Vögel ihr Nest auf,

wenn sie sich zu Beginn der Brut stark gestört fühlen. Um Futter

bettelnde Jungvögel sind aber ein sehr starker Reiz für ihre

Eltern. Ihm können sie kaum widerstehen, und so muss man bei

den meisten Vogel-Arten kaum befürchten, dass sie ihre Brut

wegen einer kleinen Störung oder gar wegen eines nach

Menschen duftenden Nestlings sitzen lassen.

Neunaugen haben neun Augen.

Wirbeltiere haben zwei Augen. Da machen auch die

Neunaugen keine Ausnahme, die von den ältesten bekannten

Wirbeltieren abstammen und wie diese keine Kieferknochen

haben. Zusammen mit den Schleimfischen sind sie die letzten

Überlebenden der Kieferlosen Fische. Zu ihrem Namen kamen

sie, weil sie hinter dem Auge sieben kleine, runde Kiemen-

öffnungen haben. Vor den Augen liegt die Nasenöffnung. Also:

eine Nase plus ein Auge plus sieben Kiemen = neun "Augen".

Neuntöter fangen neun Beutetiere, bevor sie fressen.

Seine Angewohnheit, Beutetiere auf Dornen aufzuspießen, hat

dem Rotrückenwürger im Volksmund eine ganze Reihe übler

Namen eingebracht: Neuntöter, Neunmörder, Würgengel,

Dorndreher, Spatzenstecher oder Finkenbeißer. Im Gegensatz zu

seinem großen Verwandten, dem Raubwürger, sind Vögel aber

eher selten in der Speisekammer des Neuntöters zu finden. Er

steht eher auf große Insekten; in ausgesprochenen Mäusejahren

hängt er allerdings auch viele Mäuse auf. Weil große Käfer,

Hummeln und Heuschrecken bei schlechtem Wetter kaum

unterwegs sind, mindern Kälte und Regen seinen Jagderfolg

erheblich. Da erweist es sich als äußerst vorteilhafte Strategie,

bei gutem Fang einen Teil der Strecke auf Dornen aufgespießt

aufzubewahren. Wenn's regnet oder auch morgendliche Kühle

und Tau noch keine erfolgreiche Jagd ermöglichen, wird darauf

zurückgegriffen. In schlechten Zeiten wird die Speisekammer

restlos geplündert. Die Vorratshaltung der Neuntöter richtet sich

also nicht nach der Mathematik, sondern nach Angebot und

Nachfrage. Aufgespießt wird übrigens nicht nur für später,

sondern auch, um besser fressen zu können. "Käfer am Spieß"

ist leichter handzuhaben als "Käfer aus der Hand".

Tiere mit großen Ohren hören besonders gut.

Große Ohrmuscheln sind eine nicht zu unterschätzende

Hörhilfe. Das lässt sich leicht testen, indem man die eigenen

Ohren durch die gewölbten Handflächen vergrößert, wodurch

leise Töne besser wahrgenommen werden und auch das

Richtungshören wesentlich verbessert wird. Gute Hörer haben

deshalb tatsächlich oft große Ohrmuscheln, die Fledermäuse

etwa, die sich über ein raffiniertes Echoortungssystem orientieren.

Dabei werden Laute ausgestoßen, deren Echo aufgefangen

und daraus sehr genaue Schlüsse auf die Umgebung

(oder die Art der Beute) gezogen. Genau so machen es auch die

Delfine. Ihr Ohr zu finden, ist aber gar nicht so einfach. Eine

Ohrmuschel fehlt bei allen Walen nämlich vollständig. Sie

wurde der perfekten Stromlinienform geopfert. Vermutlich

spielt der äußere Gehörgang bei den Delfinen auch keine wichtige

Rolle. Der Schall scheint auf anderem Wege zum Innenohr

zu gelangen, möglicherweise über den Unterkieferknochen.

Auch die Großohren gehören keineswegs alle zu den besten

Hörern. Das Tier mit den größten Ohren, der Afrikanische

Elefant, benutzt die riesigen Ohrwascheln nicht als Schalltrichter,

sondern als Kühler. Mit schwenkenden Segelohren steht

er unter der sengenden Sonne Afrikas. Um einen Hitzschlag zu

vermeiden, leitet er große Mengen Blut durch die weiten Gefäße

auf der Rückseite der Ohren, wo sie etwas abgekühlt werden,

bevor sie in den Körper zurückfließen.

Ohrwürmer krabbeln gern ins menschliche Ohr.

Räumen wir zunächst die erste Fehldiagnose aus dem Weg:

Ohrwürmer sind keine Würmer. Wer zwei Fühler, zwei Facettenaugen,

sechs Beine und einen gegliederten, von einem harten

Chitinpanzer geschützten Leib hat, ist ein Insekt. Und wie steht's

mit den Ohren? Da Ohrwürmer nachtaktiv sind und tatsächlich

ein Faible für enge Ritzen und dunkle Löcher haben, ist es nicht

völlig auszuschließen, dass sich tatsächlich mal einer in das Ohr

eines Schläfers verirrt. Falls so etwas wirklich einmal passieren

sollte, wird er es jedoch wenig später enttäuscht verlassen. Das,

was er auf seinen nächtlichen Streifzügen sucht, leckere

Blattläuse zum Beispiel oder wenigstens einen Partner, findet er

dort nämlich nicht. Vielleicht beruht der Name des Ohrwurms

aber auf einer ganz anderen Tatsache als seiner Vorliebe für

enge Verstecke: In der Spätantike wurde aus pulverisierten

Ohrenkneifern eine Arznei gegen Ohrenleiden hergestellt.

Vermutlich sind es die Furcht erregenden Zangen am

Hinterleibsende, die den kleinen Ohrwurm zum Angstgegner

vieler Menschen machen. Sie spielen eine wichtige Rolle im

Leben dieser Insekten. Drohend werden sie erhoben, wenn der

Ohrwurm sich beunruhigt fühlt. Sie helfen beim Beutefang

ebenso wie bei der Entfaltung der kompliziert unter den

winzigen Vorderflügeln zusammengefalteten Hinterflüge l. Und

- das ist vielleicht das Wichtigste - die an den größeren Zangen

leicht kenntlichen Männchen bringen die Weibchen damit vor

und während der Paarung in die richtige Stellung.

Der Panda hat sechs Finger.

Im Bambusbergwald Chinas sitzt der schwarzweiße Pandabär

auf dem Hintern und gibt sich seiner Hauptbeschäftigung hin.

Etwa sechzehn Stunden am Tag verbringt er mit dem Verspeisen

von Bambus. Dabei geht er systematisch vor. Bevor er sie frisst,

entblättert er die Rohre, indem er sie zwischen seinem

beweglichen Daumen und den übrigen fünf Fingern durchzieht.

Sechs Finger? Die Grundkonstruktion eines Landwirbeltiers

sieht je fünf Finger oder fünf Zehen pro Pfote vor. Im Lauf der

Evolution haben viele Tiere mehr oder weniger viele Finger

verloren. Nashörner zum Beispiel stehen auf drei Zehen, Kühe

auf zwei, Pferde auf einem. Das Hinzufügen von Fingern aber

lässt sich mit den Gepflogenheiten der Evolution schlecht

vereinbaren. Des Rätsels Lösung offenbart sich, wenn der Panda

seine Pfote unters Röntgengerät schiebt. Jetzt erweist sich, dass

sein "Daumen" kein Finger, sondern ein stark vergrößertes,

gelenkig verbundenes und durch Muskeln bewegliches

Sesambein ist (Sesambeine sind neu entwickelte Knochen im

Verlauf von Sehnen - ein Beispiel ist unsere Kniescheibe). Die

eigentlichen fünf Finger bilden, wie es sich für Raubtiere gehört,

eine Pfote. Der Trick mit dem "Extra-Daumen" ermöglicht dem

Großen Panda etwas, was mit einer Pfote eigentlich nicht geht:

das gezielte Greifen.

Pantoffeltierchen entstehen aus Heu,

das man ins Wasser legt. Die Legende, in Wasser entstünde

Leben durch Urzeugung ganz von alleine, hat erst Louis Pasteur

im Jahr 1862 überzeugend widerlegt. Er sterilisierte mit

Nährstoffen angereichertes Wasser durch Erhitzen und füllte es

in verschiedene Gefäße. Einige ließ er offen stehen, andere

versiegelte er luftdicht. Und siehe da: Wo in den offenen

Gefäßen schon nach kurzer Zeit eine von Bakterien gebildete

Kahmhaut das Wasser überzog, passierte in den anderen gar

nichts. Wo die Bakterien herkommen? Sie sind ganz einfach

überall. Die winzigen Leichtgewichte können auf jedem noch so

geringen Luftzug reisen. Wer den Prozess der Wasserbelebung

etwas in Schwung bringen will, begnügt sich nicht mit einer

Nährlösung, sondern macht einen Heuaufguss. Dazu wird

einfach ein bisschen trockenes Gras ins Wasser gelegt. Damit

bringt man sowohl Dauerstadien zahlreicher Einzeller als auch

genügend Nährstoffe in Wasser - das ist schon das ganze

Geheimnis der Pantoffeltierzucht.

Parasiten bringen ihre Wirte um.

Mit Parasiten geht es den meisten Menschen wie mit dem

Geld: Man hat es, aber man spricht nicht darüber. Wenige Lebewesen

werden als so eklig empfunden, wenige mit der Empörung

des Gerechten so diskriminiert wie die Schmarotzer. Dabei

müssten wir eigentlich Respekt haben vor der Leistung, unter

dermaßen widrigen Umständen zu überleben. Ja, wir können

von Parasiten sogar lernen. Spätestens seit der Umweltkonferenz

von Rio 1992 ist "sustainable development", zu deutsch: nachhaltige

Entwicklung, das Schlagwort derer, die Ökologie und

Ökonomie versöhnen wollen. Für Parasiten ist das ein alter Hut.

Ein guter Parasit nämlich ist einer, der genau nach diesem

Prinzip vorgeht. Er nutzt seinen Wirt, ohne ihn so zu strapazieren,

dass er zu sehr leidet. Der Tod des Wirts entzieht dem

"Gast" nämlich seine Lebensgrundlage. Leben und leben lassen

heißt die Devise. Beispiele sind die Haarbalgmilben, die selbst

die Talgdrüsen des attraktivsten Models besiedeln, die

Madenwürmer, die im Darm leben, ohne wesentlich zu schaden,

oder manche Bandwürmer. Richtig nützlich ist sogar eine

gelegentliche Infektion mit dem zentimeterlangen Madenwurm

Enterobius vermicularis. Mediziner haben festgestellt, dass der

harmlose Parasit ein guter Trainingspartner für unser

Immunsystem ist, das seine Schlagkraft während der Kindheit

erst nach und nach in der Auseinandersetzung mit allerlei

ungebetenen Eindringlingen erwirbt. Deshalb: Keine Panik,

wenn die Sprösslinge aus dem Kindergarten (oder Sie selbst aus

dem Urlaub) mal Würmer als Souvenir mitbringen.

Wir wollen aber nicht verschweigen, dass es zahllose Ausnahmen

von der Regel gibt, seinen Wirt pfleglich zu behandeln.

Der Malaria, einer auf parasitische Einzeller zurückgehenden

Tropenkrankheit, fallen jedes Jahr Millionen Menschen zum

Opfer. Stirbt der Mensch, sind viele der Erreger über ihre

Flugzeuge, die Fiebermücken, schon wieder unterwegs zu neuen

Opfern. Bei uns sind dergleichen schwere Parasitenerkrankungen

seit dem durch amtliche Fleischbeschau bewirkten

Aus für die Trichinen, parasitische Fadenwürmer, selten.

Infektionen mit dem gefürchteten Fuchsbandwurm erweisen

sich als eher seltene "Fehler der Natur". Dieser Parasit pendelt

normalerweise zwischen der Maus, in der die Larve lebt, und

dem Fuchs, der die Maus frisst und in dem die Ba ndwurmkinder

dann erwachsen werden. Gelangen Bandwurmeier in Menschen

statt in Mäuse, kann das tödliche Folgen haben. Das krebsartig

wuchernde Larvengewebe verursacht eine sehr schwere Krankheit.

Für den Bandwurm erweist sich die Beziehung als ebenso

verhängnisvoll. Für ihn ist der Mensch eine Sackgasse.

Pflanzen atmen Sauerstoff aus und Kohlendioxid ein.

Nachts benehmen sich die Pflanzen wie die Tiere: Sie atmen

und verbrauchen dabei Sauerstoff und stellen Kohlendioxid her.

Tagsüber wird die Pflanzenatmung aber überlagert von der

Fotosynthese, dem Aufbau energiereicher Zuckerverbindungen

mithilfe von Sonnenlicht, wobei Kohlendioxid verbraucht wird

und Sauerstoff entsteht. Weil der aufbauende Prozess der

Fotosynthese einen sehr viel größeren Stoffumsatz hat als der

abbauende der Atmung, bleibt unterm Strich, trotz nächtlicher

Fotosynthesepause, ein kräftiges Plus. Gott sei Dank, denn ohne

den Sauerstoffüberschuss der Pflanzen sähe es schlecht aus für

Tier und Mensch.

Pferde dienen den Indianern schon seit Jahrtausenden als

Reittiere.

Kein ordentlicher Western kommt ohne Indianer aus, und wo

Indianer sind, sind auch Pferde. Kaum zu glauben, dass die

amerikanischen Ureinwohner vor der Ankunft der europäischen

Eroberer Fußgänger waren. Das Pferd hat zwar den weitaus

größten Teil seiner stammesgeschichtlichen Entwicklung in

Amerika durchlaufen, starb dort aber gegen Ende des

Eiszeitalters aus. Überlebt haben die Pferde nur in der Alten

Welt, wo es neben dem fast ausgestorbenen Wildpferd noch

einige Esel- und Zebra-Arten gibt. Die Spanier brachten im 16.

Jahrhundert die ersten Hauspferde zurück in die Heimat ihrer

Vorfahren. Nachkommen verwilderter Pferde, entlaufene,

gestohlene oder eingehandelte Tiere bildeten seit dem 17.

Jahrhundert den Grundstock der Pferdenutzung, später auch

Zucht, durch die Indianer. Natürlich waren es vor allem die

Prärie-Indianer, die in den endlosen Grasländern der Great

Plains Pferde zu Jagd und Transport nutzten, und die

ruhmreichen Stämme der Apachen, Komantschen, Shoshonen

und Sioux (die diesen Lebensraum zum Teil erst besiedelten, um

den vorstoßenden Weißen auszuweichen) prägen unser höchst

einseitiges und unvollständiges Bild von "dem Indianer" bis

heute.

Pilze sind in erster Linie Pflanzenschädlinge.

Parasitische Pilze machen nicht nur dem Hobbygärtner Sorge,

der seine wertvollen Rosen vom Mehltau befallen dahinsiechen

sieht. Sie verursachen alljährlich Milliardenschäden an den paar

Pflanzen-Arten, an denen die Welternährung hängt (und sorgen

für Milliardengewinne bei den Herstellern von Fungiziden, den

chemischen Pilzvernichtungsmitteln). Auf das Konto eines

parasitischen Pilzes, der Kartoffelfäule, geht die letzte große

Hungersnot in Europa, die in den Jahren 1845 bis 1847 eine

Million Iren das Leben kostete und zwei Millionen zur

Auswanderung in die USA zwangen, wo aus irischen Familien

später Präsidenten wie Kennedy oder Reagan hervorgingen -

eine späte Auswirkung der Kartoffelfäule. Auch der Mensch

selbst wird nicht verschont. Auf Fußpilz und Candida-

Infektionen würde man liebend gern verzichten.

Die andere Seite der Medaille wird oft übersehen: Die

Spezialität vieler Pilze ist der Abbau abgestorbener Stoffe wie

Fallholz oder Herbstlaub. Im Haushalt der Natur spielen sie

dadurch eine kaum zu überschätzende Rolle als Recycler. Pilze

kooperieren auch gerne mit anderen Organismen. Zum Beispiel

mit Grünalgen oder Cyanobakterien. Was dabei herauskommt,

nennt man Flechte (siehe Seite 64). Oder mit Pflanzen, dann

nennt man das Ergebnis Mykorrhiza ("Pilzwurzel"). 95 Prozent

der Gefäßpflanzen arbeiten mit einem Pilz zusammen, der ihnen

bei der Wasser- und Nährstoffaufnahme hilft und im Gegenzug

Fotosynthese-Produkte erhält. Symbiose heißt eine solche

Kooperation zu beiderseitigem Vorteil. Schließlich die kulinarischen

Aspekte. Es müssen ja nicht immer die mit Gold aufgewogenen

Trüffeln sein, vielleicht tut's auch das Champignon-

Omelett. Oder der Käse mit Blauschimmel. Oder ein Stück

Hefezopf. Oder ein Pils - denn ohne Hefepilze gibt's auch kein

Bier.

Pinguine fallen rückwärts um,

wenn ein von vorne kommendes Flugzeug sie überfliegt.

Dieses Gerücht scheint ein skurriles Nebenprodukt des nicht

minder skurrilen Falkland kriegs zu sein: Wenn ein Flugzeug

über Pinguine hinwegfliege, so behaupteten britische Piloten,

legten die Vögel ihren Kopf immer weiter in den Nacken, bis sie

schließlich umkippten. Wissenschaftlicher Überprüfung hielt

das Pinguin-Domino leider nicht stand. Zur Probe kreuz und

quer überflogene Pinguine wurden durch die lärmenden

Flugmaschinen in Angst und Schrecken versetzt, worauf sie zu

flüchten begannen. Rückwärts umgekippt ist bei den Versuchen

kein einziger.

Pinguine leben nur in der Antarktis.

Wahr ist, daß Pinguine nur auf der Südhalbkugel leben und

das Nordpolarmeer pinguinfreie Zone ist. Wahr ist auch, dass

kaum ein Vogel dem extremen Klima der Antarktis derart

angepasst ist wie die größte Art, der Kaiserpinguin, bei dem die

Männchen in dicht gedrängten Brutkolonien während des bitter

kalten, dunklen Winters brüten und dabei etwa ein Vierteljahr

ohne Nahrung auskommen. Falsch dagegen ist, dass sich

Pinguine nur in solch extremen Klimaten wohlfühlen. Die

meisten der siebzehn Arten ziehen das weniger harte Leben auf

den Inselgruppen rund um den antarktischen Kontinent und im

Süden Australiens, Afrikas und Südamerikas durchaus vor. Der

Brillenpinguin überschreitet an Südafrikas Küsten sogar die

Wendekreise und der südamerikanische Humboldtpinguin stößt

noch viel weiter in die Tropen vor. Selbst unmittelbar unter der

Äquatorsonne lebt noch ein Pinguin, der Galapagospinguin. Das

geht, weil weniger die Temperaturen als das Fressen die

Verbreitung der Pinguine bestimmen. An der südamerikanischen

Westküste sorgen der kalte Humboldtstrom und aufdringendes

Tiefenwasser für nährstoffreiche Verhältnisse. Die dortigen

Gewässer sind ungewöhnlich plankton- und fischreich. Das ist

die Grundlage großer Seevogelkolonien, die eben auch Pinguine

mit einschließen. In manchen Jahren schiebt sich warmes

Oberflächenwasser über den kalten Strom. Das als "El Nino"

("das Kind", weil um die Weihnachtszeit auftretend) bekannte

Klimaphänomen ist für die Seevögel eine Katastrophe. Sie

verhungern massenweise. Der Galapagos-Pinguin war dadurch

schon nahe am Aussterben, bevor sich seine Bestände wieder

erholt haben.

Piranhas sind extrem gefährlich.

Wer kennt sie nicht, die Geschichten von den Reitern, die den

Fluss überqueren wollten und samt ihren Pferden in

Sekundenschnelle von rasiermesserscharfen Zähnen skelettiert

wurden? Wie bei den Wölfen (siehe Seite 215) übertreffen die

Schauermärchen die Wirklichkeit bei weitem. Dass ein Mensch

durch Piranhas zu Tode kam, scheint nirgends wirklich

zweifelsfrei nachgewiesen. Piranhas ziehen Fisch bei weitem

vor, weshalb die Anwohner der südamerikanischen Urwaldflüsse

ungefährdet ins Wasser steigen. Allerdings hüten sie sich,

in der Trockenzeit in abgeschnittenen, langsam eintrocknenden

Seitenarmen zu baden. Ist hier ein größerer Schwärm in immer

drangvollerer Enge gefangen, machen Stress und Hunger die

Piranhas sehr aggressiv. Dann fressen sie tatsächlich fast alles,

was sich in ihre Reichweite begibt.

Präriehunde sind Hunde.

Zwar gibt es in der Prärie, der großen amerikanischen Steppe,

auch Hunde, die Kojoten nämlich. Die Präriehunde aber sind

Nagetiere, nahe Verwandte von Murmeltier und Ziesel. Bei

Beunruhigung bellen sie wie Hunde, daher der Name. Sie leben

in riesigen unterirdischen Kolonien, regelrechten "Städten" mit

Tausenden von Eingängen und kilometerlangen Straßen. Früher

besiedelten Präriehunde riesige Gebiete im amerikanischen

Mittelwesten, eben dort, wo sich die ausgedehnten natürlichen

Grasländer erstrecken. Heute ist die Prärie weit gehend unter

den Pflug genommen. Große Flächen sind auch von heftiger

Bodenerosion betroffen - schlechte Zeiten für die geselligen

Nager!

Quallen sind giftig und dürfen nicht berührt werden.

Hier müssen wir ein bisschen ausholen und auch die

Verwandtschaft der Quallen ein wenig beleuchten. Also: Die

Quallen gehören zum Stamm der Nesseltiere, so genannt, weil

sie zu Verteidigung und/oder Beutefang Nesselzellen in zahlreichen

verschiedenen Ausführungen haben. Genau 27 verschiedene

Typen von Nesselzellen lassen sich unterscheiden. Sie

bestehen aus einer doppelwandigen, durch einen Deckel verschlossenen

Blase. Stößt jemand gegen den Auslöser, eine

kleine Borste, explodiert die Nesselzelle in atemberaubender

Geschwindigkeit. Dabei stülpt sich die Nesselkapsel um und

erledigt ihre Aufgabe, zum Beispiel die Injektion von Gift.

Einmal abgeschossen, ist sie nicht wieder aufladbar und wird

durch neu gebildete ersetzt. Das Nesselgift, ein Eiweiß- und

Aminosäurenmix, lahmt kleine Beutetiere des Zooplanktons

schlagartig. Wir Menschen haben eine etwas größere Körpermasse

als eine Krebslarve und reagieren entsprechend

schwächer. Die meisten Nesseltier-Arten rufen (wenn

überhaupt) allenfalls eine schwache Reizung der Haut hervor,

verbunden mit Rötung und leichtem Brennen. Aber Ausnahmen

bestätigen die Regel. Die gelbe Haarqualle oder Feuerqualle

Cyanea capillata trägt ihren Namen zu Recht. Diese größte aller

Quallen (in der Arktis schwimmen Exemplare mit 2,25 Meter

Durchmesser) kann stark nesseln. Überdies gehört sie zur

heimischen Fauna in Nord- und Ostsee, wo sie allerdings kaum

über einen halben Meter Durchmesser erreicht. Die hierzulande

viel häufigeren Ohren-, Blumenkohl- und Kompassquallen sind

aber allesamt harmlos.

Nahe Verwandte der eigentlichen Quallen sind die ebenfalls

zu den Nesseltieren gehörenden Würfelquallen und Staatsquallen.

Einige der Ersteren sind unter dem Namen Seewespe

berühmt und berüchtigt (siehe Seite 173). Die Le tzteren

bestehen aus einer ganzen Tierkolonie. Ein Teil der Tiere bildet

eine gasgefüllte Blase, die vom Wind über den Ozean getrieben

wird und lange Tentakel hinter sich herzieht. Bei der

Portugiesischen Galeere können diese bis zu fünfzig Meter lang

sein. Da die Galeeren in tropischen Meeren als ganze Flotte

daherzukommen pflegen, ist Flucht geboten, wenn sie sich

nähern. Zwar sind Todesfälle nicht verbürgt, ein Kontakt mit

den Galeerententakeln ist aber auf jeden Fall äußerst

schmerzhaft.

Raben sind schlechte Eltern.

Im Rabennest geht es gemütlich zu. Die Jungen schlüpfen

schon gegen Ende des Winters, aber unter den wärmenden

Eltern und im kuschelig ausgepolsterten Nest sind auch strenge

Fröste kein Problem. Wenn's richtig kalt ist, steht das Weibchen

selbst bei der Fütterung kaum auf und vergräbt ihre Küken

regelrecht in der überwiegend aus gesammelten Haaren und

Fellfetzen bestehenden, peinlich sauber gehaltenen Polsterung.

Ist es dagegen sehr heiß, sorgt die Rabenmutter für Kühlung. Sie

badet und erfrischt ihre Brut mit einem klatschnassen

Bauchgefieder. Drei Monate bleibt die Rabenfamilie zusammen,

ehe die Jungen selbstständig werden und so lange dauert auch

die gegen Ende natürlich etwas nachlassende Fürsorge der

Eltern für ihren Nachwuchs. Rabeneltern? Richtig verstanden,

ist das ein Kompliment!

Raben sind Unglücksvögel.

Raben lassen niemanden kalt. Die rabenschwarze Farbe, das

unheimliche Krächzen und ihre Vorliebe für Aas haben den Ruf

der Raben (die meist mit den nahe verwandten Krähen in einen

Topf geworfen werden) nachhaltig geprägt. Im Volksglauben

spielen sie eine große Rolle. Über kaum einen Vogel gibt es seit

der Antike so viele Geschichten, Sagen und Legenden wie über

die Raben und Krähen. Egal ob Griechen, Römer oder

Germanen: Raben geistern durch die Mythen aller Kulturen. Bei

der Vogelschau, im alten Rom zur Weissagung der Zukunft

betrieben, bedeuteten Raben von links stets Unglück, ein Omen,

das sich mancherorts bis in die Neuzeit gehalten hat. Der

germanische Obergott Wotan wurde immer von zwei Raben

begleitet, Hugin und Kunin, die auf seinen Schultern saßen und

von ihm alle Tage als Kundschafter ausgesandt wurden. Ihnen

oblag auch, gemeinsam mit den Wölfen, die Bestattung der in

der Schlacht Gefallenen. Legion sind die Wetter-, Schlachten-

und Unglücksvorhersagen, die Schilderungen von Raben als

Hexen- und Teufelsaccessoire in tausend lokalen Varianten.

Natürlich bringen Raben kein Unglück. Aber sie sind oft

Begleiter des Unglücks, ob großer Naturkatastrophen oder

menschlicher Tragödien. Die Aasfresser wurden als Vögel der

Richtplätze, Friedhöfe und Schlachtfelder, als Galgenvögel und

Leichenfledderer eben, meist mit schlechten Zeiten in

Verbindung gebracht. Zu Recht. Nur hat man wie so oft Ursache

und Folge verwechselt.

Der Rattenkönig ist der Anführer einer Rattenschar.

Dass eine Ratte selten allein kommt und die intelligenten,

anpassungsfähigen Nagetiere ausgesprochen sozial sind, ist

allgemein bekannt. Die Monarchie wurde bei Ratten allerdings

nie eingeführt. Ein Rattenkönig ist kein absoluter Herrscher über

sein Volk, sondern ein armer Teufel. Genauer gesagt: Viele

arme Teufel. Denn als "Rattenkönig" werden an den Schwänzen

anscheinend unauflösbar miteinander verknotete Ratten

bezeichnet. Zu den Knoten kommen später auch noch durch

Wundheilung verursachte Verwachsungen. Gäbe es keine

Belege für dieses äußerst merkwürdige Phänomen, würden wir

es sofort ins Reich der Fabeln und Ammenmärchen verbannen.

So aber belehren uns Museumspräparate eines Besseren. Dass in

Deutschland nach vielen Jahrhunderten des Sammelns wohl nur

vier Rattenkönige existieren, belegt immerhin, dass die

kollektive Schwanzverknotung ein äußerst seltener Unfall ist.

Der größte Rattenkönig der Welt wird in Altenburg aufbewahrt:

32 an den Schwänzen und zum Teil auch noch an den

Hinterfüßen fest verknotete, zu einer skurrilen Mumie vereinigte

Hausratten.

Raubtieraugen leuchten im Dunkeln.

Viele Raubtiere jagen im Dunkeln und da wären ein paar

Lichter natürlich schon erhellend. Und weil jeder bei einer

nächtlichen Autofahrt schon Augen im Scheinwerferlicht hat

funkeln sehen, scheint es klar: Nachttiere haben leuchtende

Augen. Dass das so nicht stimmen kann, erweist sich bei

völliger Dunkelheit. Dann sind auch Nachttieraugen schwarz.

Tiere, die in der Dämmerung aktiv sind oder in der Tiefsee

leben, haben verschiedene Anpassungen, um aus den geringen

Lichtmengen noch ein Maximum an Informationen zu holen.

Farbensehen ist ein Luxus, auf den Nachttiere weit gehend oder

gar völlig verzichten. Die fürs Farbsehen zuständigen

zapfenförmigen Sinneszellen in der Netzhaut arbeiten nämlich

nur bei guter Beleuchtung. Bei schwindendem Licht

übernehmen die wesentlich empfindlicheren Stäbchenzellen die

Wahrnehmung. Mit ihnen können allerdings keine Farben

gesehen werden. Im Auge des Menschen sind beide Typen von

Sinneszellen vertreten. Das ist der Grund, weshalb die Farben in

der Dämmerung scheinbar schwinden: Für unsere Zäpfchen

wird es dann zu dunkel und unsere Stäbchen übernehmen die

Wahrnehmung. Bei Nachttieren sind fast ausschließlich

Stäbchenzellen vorhanden. Um jedes Photon einzufangen, sind

sie oft sehr dicht gepackt. Bei manchen Tiefseefischen stehen

zwanzig Millionen Sehzellen auf einem Quadratmillimeter

Netzhaut. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass Nachttiere

auch extrem scharf sehen. Meist sind nämlich viele Sehzellen

miteinander verschaltet und geben die Information nur

gebündelt ans Gehirn weiter. Noch effektiver wird das

Nachttierauge durch schiere Größe - je größer, desto mehr Licht

wird eingefangen - und schließlich durch eine reflektierende

Schicht, die hinter der Netzhaut eingezogen ist. Dieses

"Tapetum lucidum", wie der Fachausdruck lautet, wirft das

Licht wieder zurück, so dass es die Netzhaut ein zweites Mal

passieren muss und dabei die Sinneszellen erneut erregt. Hinter

dem Geheimnis der scheinbar leuchtenden Augen verbirgt sich

also nichts anderes als ein effektiver Restlichtverstärker. Den

Eulen fehlt ein solches reflektierendes Tapetum übrigens - ihre

Augen funkeln im Licht nicht.

Raubtiere haben die größten Krallen.

Es ist schon sehr beeindruckend, wenn ein Löwe die Krallen

ausfährt, die dann fast neun Zentimeter lang und nadelspitz aus

den weichen Tatzen stehen, und auch die bis zu zehn Zentimeter

langen Krallen eines Grizzlybären sind nicht zu verachten. Die

größten Krallen unter den heute lebenden Tieren - die

Dinosaurier lassen wir mal außen vor - hat aber das

südamerikanische Riesengürteltier. Einen Meter misst dieses

Tier (plus ein halber Meter Schwanz) und ist fünfzig Kilogramm

schwer. Fünf Krallen hat es an jedem Fuß. Deren größte ist die

sichelförmig gekrümmte dritte Kralle der Vorderfüße. Bis

zwanzig Zentimeter lang, ist sie ein nützliches Werkzeug, um

die steinharten Baue der Termiten aufzuhebeln, von denen sich

Riesengürteltiere überwiegend ernähren. Der Große Ameisenbär

steht vor dem gleichen Problem. Auch er hat Termiten zum

Fressen gern und muss dazu ihre Baue aufbrechen und auch er

tut das mit Riesenkrallen. Seine zweite und dritte Vorderkralle

sind zehn bis fünfzehn Zentimeter lang. Sie helfen auch bei der

Verteidigung. Ein bedrohter Ameisenbär richtet sich auf die

Hinterbeine auf und versucht, seinem Gegner in inniger

Umarmung die äußerst scharfen Krallen in den Rücken zu

drücken Auf diese Weise soll er sich sogar des Jaguars erwehren

können.

Alle Raubtiere sind Fleischfresser.

Raubtiere sind eine Ordnung der Säugetiere, die sich an ihrem

ziemlich einheitlichen Schädelbau leicht erkennen lässt. Ob

einhundert Gramm leichtes Mauswiesel oder eintausend

Kilogramm schwerer Kodiakbär - typisch für Raubtiere sind die

stark vergrößerten, spitzen Eckzähne und die weiter hinten im

Maul von den Backenzähnen gebildeten Reißzähne, die wie eine

Brechschere arbeiten. Im lateinischen Namen Carnivora =

Fleischfresser spiegelt sich ihre kulinarische Vorliebe wider.

Tatsächlich essen zahlreiche Raubtiere nur Fleisch. Der Eisbär

etwa, der in den arktischen Eiswüsten auch Probleme hätte, sich

anders zu ernähren. Viele Raubtiere sind aber pflanzlichen

Ballaststoffen nicht gänzlich abgeneigt. Hunde und Katzen

nagen oft mit unbeholfenen Bewegungen Gras ab. Bei anderen

stellen Pflanzen sogar einen erheblichen Teil der Nahrung.

Dachs und Braunbär haben in Anpassung daran breite Backenzähne,

die helfen, Pflanzen zu zerkleinern. Und schließlich gibt

es noch einen echten Vegetarier unter den Raubtieren, den

Bambusbären oder Großen Panda. Seinem Gebiss sieht man das

Raubtier nur noch an den etwas vergrößerten Eckzähnen an.

Der Große Panda zahlt einen hohen Preis für seine Fleisch-

Abstinenz. Spezialisierte Pflanzenfresser haben normalerweise

lange Därme und Gärkammern, in denen die schlecht

verdauliche Pflanzennahrung mithilfe von Bakterien und

Einzellern aufgeschlossen wird. Das alles fehlt dem Großen

Panda. Er hat den kurzen Darm seiner Fleisch fressenden

Verwandtschaft. Damit kann er nur siebzehn Prozent seiner

Nahrung verwerten (zum Vergleich: eine Kuh kommt auf

achtzig Prozent). So bleibt ihm nichts anderes übrig, als

gewaltige Mengen zu verdrücken: fast vierzig Kilogramm

wässrige Bambussprossen oder fünfzehn Kilogramm Blätter und

Stängel, und das bei einem Körpergewicht, das mit 75 bis 110

Kilogramm nur wenig über dem des Menschen liegt. Kein

Wunder, dass der Bambusbär jeden Tag etwa sechzehn Stunden

mit Fressen beschäftigt ist. Und mit der Ausscheidung des

Unverdaulichen: 95 Kothaufen pro Tag (oder vier pro Stunde)

zählten eifrige Pandaforscher, die einem wild lebenden

Bambusbären in den Bergwäldern Chinas fünf Tage lang

nachschlichen.

Wenn man einen Regenwurm teilt, ergibt das zwei neue.

Regenwürmer sind äußerst nützliche Tiere. Sie spielen sowohl

bei der Humusbildung eine wichtige Rolle als auch bei der

Durchlüftung und Lockerung der Bodenkrume. Bei Gärtnern

sind sie deshalb gern gesehene Mitarbeiter. Die Versuchung ist

groß, ihren Bestand auf einfache Weise zu vergrößern, indem

man sie mit dem Spaten teilt und auf das bekannt große

Regenerationsvermögen der Würmer baut. Aber so einfach

geht's leider nicht. Zwar wächst dem Vorderende ein neues

Hinterende, vorausgesetzt, eine bestimmte Mindestlänge von

ungefähr vierzig der bis etwa 150 Segmente ist übrig. Das

einsame Hinterende aber tut sich schwerer. Nur unter

besonderen Bedingungen entsteht ein vollständiges neues

Vorderende. Beim gewöhnlichen Regenwurm Lumbricus

terrestris sieht das so aus (man traut sich kaum vorzustellen, auf

welche Weise die folgenden Daten gewonnen wurden): Wenn

man höchstens das Prostomium - das ist die vor der

Mundöffnung liegende Spitze des Wurms - samt den nächsten

vier Ringelsegmenten abschneidet, bildet der Wurm einen

vollständig neuen "Kopf". Werden fünf bis sechzehn vordere

Segmente abgetrennt, kann er nur drei bis vier Ringe samt

Prostomium regenerieren. Der Mistwurm Eisenia foetida,

überaus häufig zum Beispiel in Komposthaufen, kann noch den

Verlust der ersten acht Segmente vollständig ausgleichen. Neun

bis 23 abgeschnittene Ringe ersetzt er durch höchstens acht

neue. Größere Verluste machen den Wurm endgültig kopflos.

Fazit: Aus eins mach zwei funktioniert nicht. Der Normalfall ist

das Überleben des Vorderendes, das wieder zum ganzen, wenn

auch meist etwas kürzeren Wurm heranwächst. Erwischt man

den armen Wurm ganz unglücklich, nämlich etwa dreißig Ringe

hinter dem Kopf, bringt man ihn sogar ganz um. Das trotzdem

ganz erstaunliche Regenerationsvermögen hängt damit

zusammen, dass das Tier aus lauter fast gleichartigen Segmenten

besteht (vom Prostomium und den Geschlechtssegmenten

abgesehen). Jedes dieser Segmente hat einen vollständigen Satz

innerer Organe. Der Nervenknoten im Kopf - das Gehirn also,

falls man Regenwürmern ein solches zubilligt - scheint bei der

Neubildung von Segmenten eine besonders große Bedeutung zu

haben. Das dürfte der Grund sein, warum sich der Verlust des

Hinterendes leichter verschmerzen lässt als der des Vorderteils.

Regenwürmer lieben Regen.

In Maßen stimmt das, denn Regen sorgt für die

Durchfeuchtung des Erdreichs und Regenwürmer lieben

Feuchtigkeit. Sonnenlicht und Trockenheit meiden sie wie der

Teufel das Weihwasser. Dass sie bei starkem Regen ihren Bau

verlassen und sich ungeschützt den unzähligen Regenwurm-

Liebhabern ausliefern, ist aber nicht ihrer großen Begeisterung

über so viel Wasser zuzuschreiben. Das Gegenteil ist der Fall.

Regenwürmer verlassen ihre unterirdischen Wohnröhren bei

heftigem Regen, weil sie Gefahr laufen, in ihren sich mit Wasser

füllenden Gängen zu ertrinken.

Rehe sind weibliche Hirsche.

Hirsche haben ein Geweih, ihre Weibchen, die Rehe, keins.

Klingt gut, ist aber leider falsch. Rothirsche wie Rehe sind zwei

ganz verschiedene Arten der Familie der Hirsche, zu der auch

Elch und Rentier zählen. Bei Hirschen gilt: Männer tragen ein

Geweih, Weibchen keins (ein paar Ausnahmen wie das Rentier

bestätigen diese Regel). Das ist auch beim heimischen Rothirsch

so. Seine geweihlosen Weibchen werden Hirschkuh genannt.

Beide unterscheiden sich von Rehen durch bedeutende Größe,

lang gezogenes Gesicht mit großen Ohren und einen kleinen

Schwanzwedel. Dem mächtigen Geweih des männlichen

Hirschs kann der Rehbock nur ein schmächtiges entgegensetzen.

Meist hat es nur drei Spitzen pro Stange. Ein stattlicher Hirsch

kommt leicht auf acht, zehn oder gar zwölf. Letzterer läuft bei

den Waidmännern als Vierundzwanzigender, denn sie zählen die

Spitzen beider Stangen zusammen.

Rosen haben Dornen.

Dass "keine Rose ohne Dornen" sei, gehört zum allgemeinen

Sprichwort- und Erfahrungsschatz. Nur vor den strengen Augen

des Botanikers kann diese Weisheit nicht bestehen. Für ihn trägt

die Rose keine Dornen, sondern Stacheln. Der Unterschied?

Dornen sind verholzte, kurz zugespitzte Seitenzweige, Stacheln

dagegen nur Auswüchse der Rinde. Probieren Sie's aus: Ein

Rosenstachel lässt sich einfach abbrechen, ohne das Holz zu

beschädigen. Bei einem echten Dorn, wie ihn etwa Weißdorn

und Schlehe tragen, geht das nicht. Übrigens: Auch der

"stachelige" Kaktus trägt Dornen, entstanden aus umgebildeten

Blättern oder Seitensprossen.

Nur Säugetiere bekommen lebende Junge.

Für Säugetiere ist dies der normale Weg der Fortpflanzung.

Die Jungen wachsen geschützt und mit allem Lebensnotwendigen

versorgt im Mutterleib heran und werden dann

geboren. Wenn nur Säugetiere lebende Junge gebären, dann

lautet der Umkehrschluss: Alle anderen Tiere tun das nicht und

sind Eierleger. Für Vögel gilt das tatsächlich ohne

Einschränkung. Aber bei den übrigen Wirbeltieren gibt es

zahlreiche Ausnahmen von diesem Prinzip. "Regelwidrig" sind

sie lebend gebärend!

Um das zu verstehen, kommt man ohne ein paar Fachwörter

nicht aus. Werden die Eier erst kurz vor dem Schlüpfen gelegt

und ernähren sich die Embryonen bis dahin ausschließlich vom

Dottervorrat im Ei, bezeichnet man das als Ovoviviparie (von

ovum = das Ei und vivipar = "lebendige" Junge gebärend).

Zahlreiche Haie und manche Fische pflanzen sich auf diese Art

fort, darunter auch der altertümliche Quastenflosser Latimeria,

ein lebendes Fossil. Der einheimische Feuersalamander bewahrt

seine Eier zehn Monate im Körper auf, bevor die Larven

schlüpfen und kurz darauf in einer geeigneten Wasserstelle,

meist einer kleinen Quelle, geboren werden. Bei der

Blindschleiche zerreißen die Jungtiere ihre dünnen Eihäute

unmittelbar nach der Geburt.

Werden die Embryonen im Mutterleib nicht nur aufbewahrt,

sondern auch versorgt, spricht man von Viviparie, also

lebendige Junge gebärend. Der Unterschied zur Ovoviviparie ist

nach dieser Definition ganz klar. Leider ist die Realität aber sehr

viel komplizierter und es gibt zahlreiche Übergänge zwischen

beiden Methoden, Kinder zu bekommen.

Viviparie ist uns von Säugetieren vertraut: Bei den meisten

werden die Embryonen über ein eigens gebildetes Nährorgan,

die Plazenta, versorgt. Weit gehend unbekannt ist, dass es auch

einige Nicht-Säugetiere gibt, die sich solcher oder ähnlicher

Methoden bedienen. Bei manchen Haien werden die Embryonen

mit unreifen Eiern oder milchartigen Uterussekreten ernährt.

Besonders spektakulär sind die Verhältnisse beim Sandhai:

Wenn die Nährstoffe des eigenen Dottersacks verbraucht sind,

fressen die Jungen zunächst andere Eier, dann aber beginnen sie,

einander nachzustellen. Nach knapp einem Jahr Tragzeit sind

nur noch zwei Junge (jedes in einem Uterus) übrig. Mit einem

Meter haben sie bei der Geburt schon ein Drittel der Länge ihrer

Eltern. Bei Mustelus laevis, dem "Glatthai des Aristoteles", der

so heißt, weil schon der geniale Wissenschaftler der

griechischen Antike ihn untersucht und seine spezielle Art der

Fortpflanzung beschrieben hat, entsteht wie bei einigen anderen

Hai-Arten durch den Kontakt von embryonalem und mütterlichem

Gewebe eine echte Plazenta, die den Stoffaustausch

zwischen Mutter und Kind übernimmt. Der kleine Hai ist mit

dieser Plazenta durch eine Nabelschnur verbunden. Bei

Amphibien gibt es ebenfalls einige wenige vivipare Arten. Das

bekannteste Beispiel ist der Alpensalamander, der nach drei- bis

vierjähriger Tragzeit keine Larven, sondern fertige Jungtiere zur

Welt bringt. Häufiger lebend gebärend sind Reptilien. Auch hier

werden Embryonen zum Teil über eine Plazenta ernährt.

Insgesamt also statt einfacher Verhältnisse zahlreiche

Ausnahmen und Besonderheiten. Noch verwirrender wäre es,

wenn wir auch die zahllosen Formen von lebend gebärenden

Wirbellosen hier würdigen wollten. Aber das würde diesen

kleinen Überblick vollends sprengen. Auf jeden Fall bleibt

festzuhalten: So einmalig ist die Methode der Säugetiere gar

nicht.

Säugetiere legen keine Eier.

Die Zoologen des British Museum of Natural History in

London staunten nicht schlecht, als sie im Jahr 1798 unter

einigen aus dem jüngst entdeckten Australien gelieferten Tieren

eines mit Fell und Schnabel entdeckten. Das Fell machte es

unzweifelhaft zum Säugetier, wozu der merkwürdige Schnabel

aber ganz und gar nicht passte. Eine Fälschung also, ein von

kundiger Hand mit heißer Nadel zusammengeflickter

Wechselbalg? Doch bei näherer Untersuchung wurde schnell

deutlich, dass hier kein Wolpertinger vorlag. Kaum hatte man

sich mit der Existenz eines flossenfüßigen geschnäbelten

Säugers abgefunden, kam es noch dicker: Das Schnabeltier

bringt keine lebenden Jungen zur Welt, sondern legt Eier.

Brütend wärmt das Weibchen in seiner an einem Flussufer

mündenden Erdhöhle die beiden Eier sieben bis vierzehn Tage

lang, ehe die nur 25 Millimeter großen Jungen die Schale

mithilfe ihres Eizahns öffnen. Dann aber erweisen sich die

Schnabeltiere als echte Säugetiere. Ihre Babynahrung ist Milch,

die bei Schnabeltieren nicht in Zitzen, sondern in einem

Milchdrüsenfeld flächig austritt - ganz praktisch, denn so lässt

sie sich auch mit einem Schnabel aufnehmen.

Auch die Schnabeligel Australiens und Neuguineas, die

nächsten Verwandten des Schnabeltiers, legen Eier. Sie tragen

ihr einziges Ei in einer Felltasche am Bauch mit sich herum.

Dort bleibt auch das zunächst nur fünfzehn Millimeter große

Junge, bis es nach sechs bis acht Wochen zu groß und zu

stachelig wird. Die Erklärung? Säugetiere stammen, wie

zahlreiche Fossilien belegen, von Reptilien ab. Und Reptilien

legen Eier. "Die Natur macht keine Sprünge" lautet eine alte

Erkenntnis der Evolutionsbiologen. Das heißt: Vom Reptil zum

Säuger war der Weg weit und der Umbau erfolgte

schrittchenweise. Und irgendwann, nachdem Fell, Säugen und

zahlreiche andere Säugermerkmale schon "erfunden" waren,

nicht aber die Geburt lebender Kinder, klinkten sich die

Vorfahren der Schnabeltiere und -igel aus dem "mainstream"

der Säugerevolution aus und gingen ihre eigenen Wege. Nun

präsentieren sie sich uns als seltsames und auf den ersten Blick

äußerst verwirrendes Mosaik aus uralten Reptilienmerkmalen

(wie dem Eierlegen), typischen Säugetiermerkmalen (wie dem

Fell) und eigenen, nur bei ihnen vorkommenden neuen

Merkmalen (wie dem Schnabel).

Säugetiere sind den Sauriern überlegen und haben sich

deshalb in der Evolution durchgesetzt. 150 Millionen Jahre lang

beherrschten die Saurier die Erde, bis vor 65 Millionen Jahre das

ziemlich plötzliche Ende kam. Vermutlich war es ein Meteorit,

der die Lebensverhältnisse auf unserem Planeten mit einem

Schlag so umkrempelte, dass die Dinosaurier (und mit ihnen

viele anderen Tier- und Pflanzengruppen) ausstarben .

Die kleinen und wenig spezialisierten Säugetiere

haben die Katastrophe überlebt, ohne die sie nicht geworden

wären, was sie nun sind: die ökologisch dominierende

Wirbeltiergruppe des Festlands. Wären sie den Sauriern wirklich

grundsätzlich überlegen gewesen, hätten sie schon vorher lange

Zeit gehabt, dies zu beweisen. Schließlich sind die ersten

Säugetiere ziemlich gleichzeitig mit den frühesten Dinosauriern

vor über zweihundert Millionen Jahren entstanden. Also: Wir

Säugetiere haben keinen Grund, uns überlegen zu fühlen. Und

angesichts der grade mal fünf Millionen Jahre, die vergangen

sind, seit sich unsere eigenen noch sehr affenähnlichen

Vorfahren auf zwei Beine stellten, sollte man sich mal

überlegen, ob das Schimpfwort "Dinosaurier" für den

unflexiblen Chef nicht eher ein Kompliment ist.

Schimmelpferde sind Albinos.

Wären sie welche, hätten sie rote Augen, denn einem Albino

fehlen sämtliche Farbstoffe, auch die der Iris. Dass Schimmel

nicht an Pigmentmangel leiden, zeigen ihre Fohlen ganz

deutlich: Sie sind schwarz und erbleichen erst im Lauf der Zeit.

Schimmel sind also schlichtweg weiße Pferde.

Schimmelpilze sind äußerst ungesund und verursachen

Krebs. Hier wird wieder mal das Kind mit dem Bade

ausgeschüttet. Ja, es gibt Schimmelpilze, die des Teufels sind.

Manche Aspergillus-Arten bilden Aflatoxine, die Krebs

verursachen können. Sie können damit unsachgemäß gelagertes

Getreide verseuchen. Das die Nieren schädigende und ebenfalls

unter Krebserregungsverdacht stehende Ochratoxin wurde in

schlecht behandeltem Kaffee gefunden. Auch angeschimmelte

Walnüsse sollte man lieber wegwerfen. Andererseits haben

Schimmelpilze auch Millionen von Menschenleben gerettet.

Dem Schimmelpilz Penicillium verdanken wir das erste

Antibiotikum, nach ihm Penicillin genannt. Und welcher Käse-

Liebhaber möchte schon Camembert und Roquefort missen,

hergestellt mithilfe anderer Penicillium-Arten, die sich dafür

prompt mit dem Titel "Edelschimmel" schmücken dürfen?

Die Schlange hört die Flötentöne des Schlangenbeschwörers.

Wenn sich die Schlange vor ihrem "Beschwörer" aufrichtet

und hin und her bewegt, hat das nichts mit der Faszination der

Musik zu tun. Schlangen sind nämlich vermutlich stocktaub.

Weder eine Ohröffnung ist vorhanden noch ein Trommelfell

oder eine Paukenhöhle. Dafür können Schlangen feinste

Erschütterungen des Bodens wahrnehmen. Vielleicht dadurch,

dass niederfrequente Schallwellen vom Untergrund über den

Unterkiefer auf das durchaus funktionsfähige Innenohr

übertragen werden - eine sehr eigenartige Form des "Hörens".

Außerdem sehen sie meist gut. Die Kobra des

Schlangenbeschwörers richtet sich auf, weil sie das immer tut,

wenn sie gestört oder erregt ist und sie folgt seinen wiegenden

Bewegungen und dem Kreisen seiner Flöte mit ihrem eigenen

Körper, um die mögliche Gefahr im Auge zu behalten.

Schlangen drohen durch ihr Züngeln.

Für Schlangen besteht die Welt nicht nur aus Formen und

Farben, sondern vor allem aus Düften. Chemische Reize (wozu

ja auch die Düfte zählen) nimmt die Schlange weniger über die

Nase als über das Jacobsonsche Organ wahr, zwei Sinnesgruben

im Gaumen. Das ist der Grund fürs ständige Züngeln. In der

feuchten Zungenschleimhaut lösen sich Duftstoffe. Die

gespaltene Zunge wird abwechselnd herausgestreckt und

eingezogen und dabei in die beiden Teile des Jacobsonschen

Organs eingefädelt. Liegt die tote Maus eher links oder rechts?

Die verschiedene Konzentration von "Tote-Maus-Geruch" auf

den beiden Zungenspitzen gibt die Antwort. Züngeln bedeutet

also nicht Drohen, sondern Umweltwahrnehmung. Und ganz

nebenbei entpuppt sich auch die gespaltene Zunge, Sinnbild für

die sprichwörtliche "Falschheit" der Schlangen (ihre

Doppelzüngigkeit eben), als äußerst praktische Einrichtung.

Schlangen hypnotisieren ihre Opfer.

Angesichts einer tödlichen Gefahr sitzen nicht nur Kaninchen

vor der sich nähernden Schlange da wie ausgestopft, scheinbar

hypnotisiert auf das sichere Ende wartend, statt sich zu wehren

oder ihr Heil in der Flucht zu suchen. Auch Menschen können in

lebensbedrohlichen Situationen nicht nur angesichts einer

Schlange vor Schreck erstarren, unfähig sich zu regen oder auch

nur zu schreien. Die Angststarre hat also nichts mit der Schlange

als solcher zu tun, sondern mit der plötzlichen Konfrontation mit

großer Gefahr. Manchmal hilft sie sogar. Schlangen stoßen

nämlich oft erst in dem Augenblick blitzschnell zu, in dem sich

ihr Opfer regt. Wer sich nicht bewegt, hat vielleicht noch eine

kleine Chance.

Allen Schlangen fehlen die Beine.

Das stimmt im Prinzip. Ein Schlangenskelett besteht aus dem

Schädel, einer endlosen Wirbelsäule und Rippen. Ein

rudimentäres Becken und sogar von außen sichtbare Gliedmaßen-

Stummel haben lediglich die besonders ursprünglichen

Rollschlangen und die Riesenschlangen. Die winzigen Beinchen

haben keine Funktion, sind aber wenigstens eine kleine

Erinnerung daran, dass die Schlangen von vierbeinigen

Reptilien-Vorfahren abstammen.

Schlangen sind glitschig.

Glatt und glänzend sind viele Schlangen, nicht aber feucht

und schleimig. Glitschig ist die drüsenreiche Haut der

Amphibien (zum Beispiel von Fröschen, Molchen und

Salamandern), während die Reptilien, zu denen außer den

Schlangen noch die Krokodile, die Schildkröten und die Echsen

gehören, ein trockenes Schuppenkleid tragen. Schlangen sind

auch nicht immer kalt. Haben sie ein Sonnenbad genommen,

fühlen sie sich sogar angenehm warm an.

Alle Schlangen sind giftig.

Lassen wir die trockene Statistik sprechen: Bisher sind etwa

2800 Schlangen-Arten bekannt, von denen nur etwa 480 einen

wirksamen Giftapparat haben. Dazu gehört neben dem Gift

selbst, das in Drüsen produziert wird, eine Injektionskanüle. Die

Giftspritze besteht meist aus einem gefurchten oder

röhrenförmig hohlen Giftzahn, über den das Gift wirkungsvoll

eingesetzt werden kann. Manche eigentlich als ungiftig geltende

Schlange hat durchaus giftigen Speichel, aber keine

Möglichkeit, ihn gezielt zu injizieren. Übrigens ist Schlangengift

nicht gleich Schlangengift. Manche wirken als Nervengifte,

manche als Blutgifte. Viele Gifte haben sich bei genauerer

Untersuchung überdies als komplizierte Wirkstoff-Cocktails

erwiesen. Kaum Angst haben muss man in einheimischen

Gefilden. Die wenigen Schlangen-Arten, die in Mitteleuropa

vorkommen, sind überwiegend harmlos. Lediglich die seltene

Kreuzotter kann gefährlich werden. Wie schlimm ein

Kreuzotterbiss wirkt, hängt davon ab, ob sie nur eine oder beide

Giftdrüsen entleert, ob sie kurz zuvor vielleicht Beute gemacht

hat und die Gifttanks deshalb halb leer sind und ob sie ihr Gift

direkt in eine größere Ader oder nur ins Gewebe spritzt.

Außerdem spielt die Konstitution des gebissenen Menschen eine

entscheidende Rolle. Während manche schon bei dem Gedanken

an einen Schlangenbiss in Ohnmacht fallen, lässt er andere

ziemlich kalt. Auch allergische Reaktionen müssen bedacht

werden. Schließlich wissen wir, dass für Allergiker schon ein

Bienenstich lebensbedrohend sein kann. So wundert es nicht,

dass manche Gebissene den Otterbiss mit dem schmerzhaften,

aber nicht weiter gefährlichen Stich einer Wespe oder Hornisse

vergleichen, während andere schwerer leiden. Der letzte der

Kreuzotter angelastete Todesfall in Deutschland ereignete sich

im Jahr 1959. Etwas mehr Vorsicht ist in Südeuropa angebracht.

Hier gibt es weitere fünf giftige Viper-Arten.

Ob eine Schlange giftig oder ungiftig ist, sieht man ihr nicht

so ohne weiteres an. Manche harmlose tropische Schlange legt

es sogar darauf an, mit einer ihrer giftigen Verwandten

verwechselt zu werden. Gleicht ein solcher harmloser Nachahmer

dem giftigen Vorbild in Färbung oder Verhalten, trägt das

zu seinem eigenen Schutz bei eine im Tierreich weit verbreitete,

als Mimikry bekannte Mogelei.

Mungos und Igel sind immun gegen Schlangengift.

Die indischen Mungos schrecken vor Schlangen nicht zurück.

Die kleinen Raubtiere betrachten selbst Giftschlangen einfach

als Nahrung. Wer Auseinandersetzungen zwischen Mungo und

Schlange verfolgt, bei denen sich der Mungo immer wieder

vorsichtig nähert und von der blitzschnell zubeißenden Schlange

genauso oft zurückgetrieben wird, bis diese schließlich ermüdet

und mit einem Nackenbiss ins Jenseits befördert wird, glaubt

gerne, dass Schlangengift den Mungos überhaupt nichts anhaben

kann. Ganz so ist es nicht. Zwar sind Mungos tatsächlich

unempfindlicher als Menschen. Obwohl sie nur fünf Kilogramm

wiegen, verkraften sie die vierfache Dosis, die einen Menschen

umbringen würde. Der Rest ist aber gewiefte Taktik. Dabei wird

die Schlange zu Angriffen provoziert, die ins Leere gehen. Vie le

Bisse landen im dichten Fell, die Angriffe verpuffen

wirkungslos. Dabei entleeren sich die Vorratsbehälter der

Giftdrüsen allmählich, sodass selbst ein erfolgreicher Biss kaum

mehr Wirkung zeigt. Ganz ähnlich gehen unsere einheimischen

Igel vor, wenn sie einer Schlange begegnen. Auch hier beißt die

vorschnellende Schlange meist ins gesträubte Stachelkleid und

wird zur Strecke gebracht, sobald sie erschöpft ist.

Schmetterlinge saugen nur Blütennektar.

Wer in Afrika viele bunte Schmetterlinge auf engem Raum

beobachten will, sollte sich an eine Tränke begeben. Nicht weil

hier Schmetterlinge neben Elefanten ihre Rüssel ins Wasser

halten, sondern weil sich ganze Falterwolken auf dem Urin der

großen Säuger sammeln. Wo Mineralien knapp sind, muss man

sehen, wie man dazu kommt. Auch bei uns sieht man

Schmetterlinge nicht selten auf Hunde- oder Vogelkot oder

sogar auf Aas. Wenn schwitzende Menschen angeflogen

werden, haben die Falter es ebenfalls auf Salze abgesehen.

Nektar nämlich besteht fast nur aus einer wässrigen Zuckerlösung

und kann deshalb nicht alle Bedürfnisse befriedigen.

Schmetterlingsblütler werden von Schmetterlingen

besucht.

Wie der Name schon sagt: Die Blüte selbst ist der

"Schmetterling". Das oberste Blütenblatt ist stark vergrößert, die

beiden seitlichen stehen ab wie Flügel (und werden auch so

genannt) und die beiden unteren sind kielförmig miteinander

verbunden - fertig ist der Schmetterling! Zu den Schmetterlingsblütlern

gehören zum Beispiel Klee, Wicke, Lupine, Ginster und

Robinie. Letztere liefert den Akazienhonig und gibt damit einen

Hinweis darauf, dass es vor allem die Honigbienen und ihre

überaus artenreiche wilde Verwandtschaft sind, die Schmetter-

lingsblüten besuchen. Blüten, die überwiegend von Schmetterlingen

genutzt werden, gibt es auch; sie werden "Falterblumen"

genannt. Beispiele sind zahlreiche Nelken-Arten oder der in

vielen Gärten angepflanzte und an Bahndämmen verwilderte

Sommerflieder, der seinen Zweitnamen "Schmetterlingsstrauch"

zu Recht trägt.

Schnaken stechen.

Was landläufig als Schnake bezeichnet wird, die

berühmtberüchtigte Rheinschnake zum Beispiel, läuft bei den

Zoologen als Stechmücke. Die eigentlichen Schnaken sind

harmlos und können nicht stechen. Wer eine echte Schnake

sehen will, muss nur an lauen Abenden das Licht brennen und

die Fenster offen lassen. Schon tanzen die großen Zweiflügler

mit den schmalen, manchmal apart gefärbten Flügeln und den

endlos langen, dünnen Beinen um die Lichtquelle.

Schnecken erkennt man am Schneckenhäuschen.

Dass nicht alle Schnecken ein Häuschen haben, weiß

zumindest jeder Gärtner, zu dessen größten Feinden die

Nacktschnecken gehören, die sich mit erbarmungslos gründlicher

Gefräßigkeit über seine Setzlinge hermachen. Bei ihnen

ist die Schale ins Innere verlagert und weit gehend zurückgebildet

oder sogar vollständig verschwunden. Kein Problem für

Zoologen, denn Rückbildungen von Organen sind in der

Biologie an der Tagesordnung.

Viel verwirrender als die Nacktschnecken war die Entdeckung

von Schnecken mit zweiklappigen Schalen. Solche sind

eigentlich typisch für Muscheln und ein gutes Merkmal, um

Schnecken und Muscheln zu unterscheiden (siehe Seite 120).

Und so wundert es nicht, dass auch diese Schalen zunächst zu

den Muscheln gerechnet wurden, bis im Jahr 1959 das erste

lebende Tier gefunden wurde - und siehe da, es war eine

Schnecke, die mit den "Muschelschalen" einherkroch. Eine

genauere Analyse ihrer Jugendentwicklung offenbarte, dass die

linke Seite das eigentliche Schneckenhaus trägt, während die

rechte Schale zusätzlich hergestellt wird. Ein Schloss, mit der

die beiden Hälften verzahnt sind, wie das bei Muscheln der Fall

zu sein pflegt, fehlt aber. Wer solche Schnecken im Süßwasser

treffen will, muss nach Japan fahren. Im Meer sind sie in

warmen Gewässern weiter verbreitet, aber sehr schwer zu

finden, weil sie wegen ihrer hervorragenden Tarnfarbe auf den

Algen, von denen sie sich ernähren, kaum zu erkennen sind.

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass diese kuriosen

Schnecken bis heute noch keinen ordentlichen deutschen Namen

haben, sondern nur unter den klingenden Bezeichnungen

Berthelinia, Midorigai oder - noch schöner - Julia in den

Zoologiebüchern zu finden sind.

Was Schnecken fressen, ist ungiftig für den Menschen.

Spätestens wenn man die großen Löcher bewundert, die

Schnecken in einen Fliegenpilz gefressen haben, sollte man

stutzig werden: An dieser Regel kann offensichtlich etwas nicht

stimmen. Schließlich laufen nicht alle Stoffwechselvorgänge in

allen Tiere völlig identisch ab. Deshalb wirken auch nicht alle

Gifte auf alle gleich. So findet selbst die Tollkirsche ihre

Liebhaber unter den Tieren, ohne sie gleich umzubringen. Viele

Gifte wurden von Pflanzen als Fraßschutz entwickelt; andererseits

haben einzelne Tier-Arten später oft wieder Tricks

entwickelt, diesen Schutz auszuhebeln - eine Art natürliches

Wettrüsten. Wer herausfinden will, ob eine Pflanze oder ein Pilz

für uns Menschen genießbar ist, sollte sich also auf keinen Fall

auf Vorkoster wie die Schnecken verlassen.

Schneckenhäuser sind immer gleich gewunden.

Bevor man über links- oder rechts gewundene Schneckenhäuschen

diskutiert, sollte man sich auf eine Betrachtungsrichtung

einigen. Schneckenforscher begucken sich zur

Festlegung der Windungsrichtung die Schale von oben. Wer das

tut, stellt schnell fest, dass die meisten Schneckenhäuser im

Uhrzeigersinn drehen, also rechtsgewunden sind. Ausnahmen

sind zum Beispiel die Schließmundschnecken, eine artenreiche

Gruppe, deren Häuschen hohen, schmalen, eng gewendelten

Türmchen gleichen. Aber auch unter den normalen Rechtswindern

gibt es immer mal wieder spiegelbildliche Ausnahmen.

Als "Schneckenkönig" waren solche Häuschen früher sehr

begehrt. Erst im Jahr 1670 sei der erste Schneckenkönig unter

den Weinbergschnecken - in unseren Breiten die Schnecke

schlechthin - gefunden worden, schreibt ein Pastor Chemnitz aus

Kopenhagen im Jahr 1786 in einem Fachblatt und fährt fort:

"Man hält sie für außerordentliche Seltenheiten und glaubt, ihr

Besitz sei den Juwelen gleich zu achten und erhöhe am meisten

den Werth und Vorzug eines Conchyliencabinettes."

(Conchylien sind Schalen von Schnecken und Muscheln, die

sich schon damals einer hohen Beliebtheit als Sammelobjekte

erfreuten.) Chemnitz hielt die Linkswinder für eine andere Art

und bemühte sich, sie zu züchten. Er erhielt aber nur

rechtsdrehende Nachkommen, ebenso wie alle anderen, die

später ähnliche Versuche anstellten. Damit dürfte klar sein, dass

Schneckenkönige keine Folge von Erbgutveränderungen sind,

sondern auf Störungen während der individuellen Entwicklung

zurückgehen.

Schwalbennester kann man essen.

Wer in das Nest einer Schwalbe beißt, hat den Mund voller

Erde. Es ist nämlich überwiegend aus Lehm gebaut. Die

berühmten essbaren "Schwalben"-Nester werden nicht von

Schwalben, sondern von einigen südostasiatischen Segler-Arten,

den Salanganen, produziert. Ähnliche Anpassungen an ein

Leben, das in rasantem Flug vergeht, führen immer wieder zur

Verwechslung der beiden nicht näher verwandten Vogelgruppen

(siehe Seite 112). Zu Beginn der Brutzeit schwellen den

Salanganen die Speicheldrüsen. Aus dem zähen Schleim, der an

der Luft schnell erhärtet, werden kleine, flache Näpfe geformt.

Salanganen brüten meist in dichten Kolonien an Felsen, oft in

Höhlen. Hier werden die Nester seit alters regelrecht geerntet,

wobei frische weiße Näpfe einen höheren Preis erzielen als

schon länger bewohnte oder solche, in die der Vogel auch

Federn oder Pflanzenteile mit eingebaut hat.

Schwämme sind Pflanzen.

Schwammerln sind Pilze, wenn nicht alle, so doch die

essbaren. Außerhalb Bayerns werden nur einige Baumpilze als

Schwämme bezeichnet, der Zunderschwamm etwa (siehe Seite

220). So oder so: Pilze sind keine Pflanzen. Und die

eigentlichen Schwämme sind weder Pilze noch Pflanzen. Sie

gehören zu den Tieren, auch wenn sie weder echte Muskeln

noch Nerven, weder Fortbewegungs- noch Sinnesorgane haben.

Ihre Zellen aber lassen sich sicher als Tierzellen erkennen und

auch die Ernährung läuft nicht wie bei Pflanzen über

Fotosynthese, sondern über die Aufnahme von Plankton. Seine

Form erhält der Schwamm durch sein Skelett. Das kann aus

Kieselsäure, Kalk oder - beim Badeschwamm zum Beispiel -

aus Spongin, einer hornähnlichen Substanz, bestehen. Die

einzelnen Zellen eines Schwammes sind frei beweglich und

bilden nur an der Oberfläche ein echtes Gewebe. Sie sind wenig

spezialisiert. Deshalb ist selbst ein durchs Sieb passierter

Schwamm in der Lage, sich wieder zum Schwamm

zusammenzufinden. Der ganze Schwamm wird von einem

Kanalsystem durchzogen, in dem Zellen für einen steten

Wasserstrom sorgen, aus dem sie Nahrung filtern. Als lebende

Filter haben Schwämme eine große Bedeutung bei der

biologischen Gewässerreinigung. Durch einen Badeschwamm,

der einen Liter Wasser fasst, strömen stündlich 250 Liter. Ihre

größte Vielfalt erreichen Schwämme im Meer. Hier leben die

meisten der 5000 Arten. Oft überziehen sie in einem unglaublich

bunten Mosaik ganze Felsen.

Schwäne können singen.

Es gibt ihn tatsächlich, den Singschwan. Er brütet in der

nordischen Tundra und in den Wäldern der Taiga. Bei uns ist er

nur im Winter zu sehen. Die laut trompetenden Rufe fliegender

Singschwäne verschmelzen zu einer wohltönenden Melodie,

wenn ein ganzer Trupp vorüberzieht. Von unserem heimischen

Höckerschwan unterscheidet man den nordischen Sänger am

besten am Schnabel, der bei letzterem gelb mit schwarzer Spitze

ist. Der Höckerschwan hat einen roten Schnabel mit schwarzem

Stirnknubbel. Von ihm hört man meist nur ein paar leise

schnarchende und zischende Laute, wenn man seinem Nest am

Teich im Park zu nahe kommt. Musik macht der Höckerschwan

auf andere Weise. Sein laut pfeifendsausender Fluglärm ist auf

große Entfernung zu hören, während der Singschwan ein

Flüsterflieger ist. Bleibt noch zu klären, was es mit dem

sprichwörtlichen Schwanengesang auf sich hat. Ihn stimme der

Schwan jubelnd an, wenn es ans Sterben gehe, meinte Plato vor

2300 Jahren. Schließlich öffne der Tod die Tür zu einem neuen,

besseren Leben bei den Göttern. Noch in der Antike wurde die

Legende auf den Menschen übertragen. Sein Schwanengesang:

eine letzte bedeutende Rede vor dem jähen Tod, kluge Worte für

die Nachwelt.

Schweine sind "Dreckschweine".

Zugegeben, ein bisschen streng riechen Schweine schon,

besonders die Eber oder Keiler. Aber Gerüche bergen für viele

Säugetiere wichtige Informationen. Was uns Menschen

unangenehm in die Nase steigt, kann bei denen, die es eigentlich

angeht, allerliebste Empfindungen auslösen. Wie dem auch sei:

Mit der Hygiene nehmen Schweine es ernst. Statt der Dusche

ziehen sie allerdings die Suhle vor. Hier verpassen sie sich eine

ordentliche Fangopackung, was weder Stechmücken und andere

Plagegeister noch die zahlreichen im Fell hausenden Parasiten

wie Flöhe und Zecken mögen. Außerdem dient das Schlammbad

der Kühlung. An heißen Sommertagen geht's den Sauen so wie

den Schwimmbadfans unter den Menschen. Immer wieder

werfen sie sich ins kühlende Nass. Dem Handtuch der

menschlichen Wasserratte entspricht der meist harzverkrustete,

traditionelle Malbaum, an dem sich das Schwein schubbert, um

den mehr oder weniger angetrockneten Schlammpanzer wieder

abzurubbeln.

Der bestialische Gestank vieler Schweineställe ist eine Folge

viel zu intensiver und nicht artgerechter Haltung. Stellen Sie

sich mal vor, man würde Hunderte von Menschen ohne die

Möglichkeit zur Körperpflege auf ein paar Quadratmetern

zusammenpferchen...

Seeanemonen, -rosen und -nelken sind Pflanzen.

Meist lassen sich Pflanzen und Tiere ganz einfach an ihren

Symmetrieverhältnissen unterscheiden. Tiere sind gewöhnlich

bilateral symmetrisch, sie haben also eine linke und, spiegelbildlich

dazu, eine rechte Seite. Pflanzen scheinen die radiäre

Symmetrie zu bevorzugen. Eine Tulpen- oder Rosenblüte lässt

sich an beliebiger Stelle schneiden und spiegeln. Dass es ganz so

einfach nicht ist, wird spätestens beim Betrachten einer

komplizierten Orchideenblüte klar, die ebenfalls nur eine

einzige Schnittebene hat. Bei Löwenmäulchen, Klee oder Salbei

ist es nicht anders. Viel seltener sind die Ausnahmen bei den

Tieren. Und so ist es kein Wunder, dass viele radiär

symmetrischen Tiere mit Pflanzennamen bedacht wurden, sei es

nun die Seegurke (siehe Seite 166) aus der Verwandtschaft der

Stachelhäuter oder die hier genannten Arten, bei denen die

Pflanzenähnlichkeit noch dadurch verstärkt wird, dass sie

festgewachsen sind, einen "Stiel" haben und eine "Blütenkrone".

Für Nesseltiere ist das ein normaler Bauplan. Die Blütenkrone

besteht aus mit giftigen Nesselkapseln bewaffneten Tentakeln,

die Beute machen und sie zur zwischen ihnen liegenden

Mundöffnung führen. Im Stiel liegt der Magen. Unverdauliches

wird durch den Mund wieder ausgeschieden. Den Luxus der

später gebräuchlich gewordenen Trennung von Mund und After

gibt es bei den sehr ursprünglich gebauten und auf das

Wesentliche beschränkten Nesseltieren noch nicht.

Der Seebär ist mit den Bären verwandt.

Der Seebär vor unserem inneren Auge taucht ein muskelbepackter,

wettergegerbter und sturmerprobter Fahrensmann

auf. Zoologen verstehen unter einem Seebären allerdings nicht

das maritime Gegenteil der wasserscheuen Landratte. Hinter

dem Namen versteckt sich ein Tier. Wenn einer den Titel Seebär

wirklich verdiente, dann der Eisbär, der einen großen Teil seines

Lebens im nördlichen Packeisgürtel verbringt und hervorragend

schwimmt. Die echten Seebären allerdings sind keine Bären,

sondern Robben. Der Nördliche Seebär bewohnt die Strände des

Nordpazifik, die acht Arten der südlichen Seebären kommen

hauptsächlich auf der Südhalbkugel vor. Letztere gehören zur

Gattung Arctocephalus, zu deutsch Bärenkopf - und hier dürfte

der Schlüssel zur Erklärung der Bezeichnung "Seebär" liege n.

Tatsächlich haben die Seebären oder Pelzrobben einen dicken

Kopf, eine kurze Schnauze, eine steile Stirn und (wie es sich für

die Gruppe der Ohrenrobben gehört) kleine Ohrmuscheln.

Damit gleichen sie entfernt einem Bären, mit dem sie natürlich

nicht näher verwandt sind. Übrigens läuft ausgerechnet die

größte Art, der bis 2,3 Meter lange Seebär Südafrikas, unter dem

Namen Zwergseebär. Wie es dazu kam? Die Zoologen hatten

bei der ersten Beschreibung ein Jungtier vor sich.

Seegurken sind Pflanzen.

Dass die riesigen, dicken Würmern gleichenden Seegurken

kein Fall für die Botaniker sind, ist ziemlich offensichtlich:

Keine Wurzeln, keine Blätter, nicht grün. Ihre wahre

Verwandtbschaft sieht man der Seegurke oder Seewalze erst auf

den zweiten Blick an. Mit Würmern haben die bis zu zwei Meter

langen, meist ziemlich reglos am Meeresboden liegenden Tiere

trotz einiger Ähnlichkeiten nichts zu tun. Ihre Vettern und Basen

heißen Seestern und Seeigel; gemeinsam mit ihnen (und einigen

anderen) bilden sie den Stamm der Stachelhäuter. Das stabile

Skelett der Verwandtschaft lassen die Seegurken vermissen.

Hier liegen nur zahlreiche winzige Kalkkörperchen unter der

Haut. Die Fünfstrahligkeit der anderen Stachelhäuter, an vielen

Seesternen am leichtesten zu sehen, zeigen aber auch sie. Die

typischen Füßchen (siehe Seite 172) sind in fünf Längsreihen

angeordnet. Mit ihnen kriechen die Seegurken im Schneckentempo.

Mehr als ein Meter in der Viertelstunde ist nicht drin.

Aber größere Geschwindigkeiten sind bei der bevorzugten

Lebensweise als "Staubsauger" am Meeresboden auch gar nicht

nötig.

Seehasen gibt es nicht.

Hinter diesem Namen verbirgt sich nicht die Strandversion

des Skihasen, sondern ein Tier. Genau genommen sogar zwei.

Denn Seehasen gibt es als Fisch und als Schnecke. Der Fisch ist

aus zwei Gründen bemerkenswert. Seine Bauchflossen sind Teil

einer erstaunlich kräftigen Saugscheibe, mit der er sich an

Felsen festhält. Und er liefert Kaviar - falschen zwar, aber

erschwinglichen, denn der echte Kaviar des Störs wird mit

zunehmender Seltenheit des Lieferanten immer teurer. Die

Schnecke kommt ebenfalls im Meer vor. Ihren Namen verdankt

sie zwei lappigen Fortsätzen am Vorderende, die mit ein

bisschen Fantasie an Hasenohren erinnern. Mehr haben die bis

zu zweieinhalb Kilogramm schweren behäbigen Nacktschnecken

mit den schnellen Läufern aber nicht gemein.

Seekühe können singen.

"Auf grasigen Auen neben Haufen von faulenden

Menschenleibern, Knochen und schrumpfenden Häuten, mit

tönenden Liedern Zauber verbreitend" locken die Sirenen,

schöne Meeresfrauen, Seefahrer an Land, wo sie kläglich

umkommen. Dies erzählt der griechische Dichter Homer in

seiner vor 2700 Jahren entstandenen Beschreibung der Irrfahrten

des Odysseus. Schön und gut - aber was hat das mit den

Seekühen zu tun? Nun, die Seekühe, die ihren Namen ihrer

Lebensweise als Weidegänger in Algen- und Seegraswäldern

verdanken, haben noch einen zweiten Namen. Sirenen,

wissenschaftlich Sirenia, heißen sie, wie die verhängnisvollen

Sängerinnen der Antike. An ihrem berückenden Gesang kann's

nicht liegen. Mehr als ein schwaches Quieken scheinen sie nicht

hervorbringen zu können. Aufschlussreicher sind vielleicht

bildliche Darstellungen von Sirenen, die es von der Antike bis in

die Neuzeit zuhauf gibt. Schon bald wurden aus den bei den

alten Griechen ursprünglich mit einem Vogelunterleib

versehenen Fabelwesen Zwitter aus Mensch und Fisch,

vorzugsweise blühende Frauen mit schwellenden Brüsten und

einem Fischschwanz, die den arglosen Schiffer mit ihren

weiblichen Reizen locken, um ihn ins Verderben zu ziehen.

Auch hier fallt uns der Vergleich mit den nach landläufigen

Maßstäben eher unattraktiven Seekühen schwer. Aber stellen

wir uns vor: Wochenlang war das Schiff auf hoher See,

wochenlang weder Land noch Frau in Sicht. Es herrscht Fla ute.

Man dümpelt in der Abenddämmerung. Plötzlich taucht in

einiger Entfernung ein üppiger Körper aus dem Wasser, die

Umrisse scheinen menschlich. Als das Wesen wenig später

wieder abtaucht, lässt es einen breiten Fischschwanz erkennen

und ist spurlos verschwunden. Wundert es da, dass die Fantasie

ein bisschen mit den Seeleuten durchgeht? Seekühe stehen

tatsächlich oft senkrecht im Wasser und beobachten mit

herausragendem Oberkörper die Umgebung. Ihre Milchdrüsen,

bei säugenden Weibchen deutlich angeschwollen, sitzen

brustständig, die Vorderflossen, mit denen sie ihre Jungen

Kindern gleich an sich drücken können, ähneln Armen. Nur dass

sie singen können, ist echtes Seemannsgarn.

Seelilien sind unterseeische Blumen.

Zarte, von langen, dünnen Stielen getragene Blütenkelche

erscheinen unter der vorsichtigen Hand des Präparators auf der

dunklen Schieferplatte. Später hängen die Seelilien, filigranen

Blumen gleichend, im Museum, Zeugen einer längst

vergangenen Welt zur Zeit des Jurameeres vor zweihundert

Millionen Jahren. Noch heute leben ihre Verwandten in der

Tiefsee, wenn auch die frühere Formenvielfalt und Größe nicht

annähernd mehr erreicht wird. Immerhin gab es Seelilien mit 21

Meter langen Stielen und halbmeterlangen "Blütenblättern".

Heutige Formen haben höchstens zwanzig Zentimeter lange

Arme und viel kürzere Stiele. Sie sehen nicht nur sehr

zerbrechlich aus, sie sind es auch. Aufgewühlter See können sie

nicht standhalten. Sie leben deshalb im stillen Wasser der

Tiefsee. Oberhalb von einhundertfünfzig Meter Wassertiefe

braucht man gar nicht nach ihnen zu suchen. Der Tiefenrekord

liegt bei 8330 Metern.

Natürlich sind es keine Blumen, die da am Meeresgrund

blühen. Radiär symmetrische und deshalb an Pflanzen

erinnernde Formen kennen wir bei den Tieren vor allem von den

Stachelhäutern (Seesternen und Seeigeln zum Beispiel) und

genau um solche handelt es sich hier. Der Blütenkelch ist der

Körper des Tiers, die Blütenblätter die als Planktonfilter

arbeitenden Arme. Nächst verwandt sind die Haarsterne, die wie

eine vom Stiel gelöste Krone einer Seelilie erscheinen und frei

beweglich sind.

Die Seemaus ist eine küstenbewohnende Maus.

Weder ist die Seemaus eine küstenbewohnende Maus noch

ein kleiner Verwandter der Schiffsratte. Vielmehr handelt es

sich hier um einen im Meer lebenden Ringelwurm, der bis zu

zwanzig Zentimeter lang und sechs Zentimeter breit wird und

räuberisch in weichen Böden unterwegs ist. Eine dichte

Behaarung lässt den Namen Seemaus oder Filzwurm für dieses

Tier plausibel erscheinen. Wissenschaftlich ist das Tier dagegen

ausgerechnet nach der griechischen Schönheitsgöttin Aphrodite

benannt. Nur wer den wunderschön grün und golden

schillernden Haarborstenfilz an den Seiten der Seemaus einmal

selbst bewundern konnte, kann verstehen, warum Carl von

Linné, der schwedische Biologe, der in der Mitte des 18.

Jahrhunderts zahlreiche Tiere und Pflanzen benannte und

erstmals in einem übersichtlichen System ordnete, auf eine

solche Idee kam.

Seepocken sind Muscheln oder Schnecken.

Schnell wird alles, was am Meeresstrand lebt und eine harte

Schale hat, zur Muschel oder Schnecke erklärt. Wie so oft hilft

auch hier ein genauerer Blick weiter. Schneckenhäuschen

bestehen fast immer aus einer einzigen gewundenen Schale,

Muscheln aus zwei Klappen. Seepocken aber haben ein Wand

aus vier bis acht Kalkplatten und einen Deckel aus zwei

Plattenpaaren. Liegen sie trocken, ist dieser Deckel fest

verschlossen. Unter Wasser öffnet er sich und es erscheinen

feine, in regelmäßigem Takt nach Plankton schlagende, filigrane

Filterfüße. Also weder Muschel noch Schnecke - aber was

dann? Dass Seepocken Krebse sind, erscheint weniger

unglaublich, wenn man ihren Werdegang kennt. Als Kinder

gleichen sie nämlich anderen Krebslarven sehr und sind frei

beweglich. Erst nach dieser wild bewegten Jugend denken sie an

Sesshaftigkeit. Sie suchen sich eine Wohnstelle auf Felsen,

großen Walen oder ähnlichem, an der sie sich mit dem Kopf

anheften und die sie nach ihrer grundlegenden Umwandlung zur

erwachsenen Seepocke nie wieder wechseln können.

Seeschlangen sind Fabeltiere.

Nicht von Nessie soll hier die Rede sein, deren fragwürdige

Existenz im Loch Ness immer mal wieder für Gesprächsstoff

sorgt, wenn auf der Welt sonst nichts Besonderes los ist. Will

man echten Seeschlangen begegnen, sollte man sein Glück nicht

in schottischen Seen probieren, sondern an den warmen Küsten

des Indischen und des Pazifischen Ozeans baden gehen. Mit ein

bisschen Glück (oder - je nachdem - Pech, denn Seeschlangen

gehören zu den Giftnattern) sieht man dann eine der meist etwa

anderthalb bis maximal drei Meter langen Schlangen, die sich

mit ihrem seitlich zusammengedrückten Ruderschwanz

antreiben und 120 Meter tief tauchen können.

Einige Arten gehen noch regelmäßig an Land, um sich zu

sonnen oder Eier zu legen. Andere sind zu reinen Meerestieren

geworden, die lebende Junge in die Welt setzen und sich

dadurch den Landgang vollends ersparen.

Seesterne haben keine Füße.

Wer fünf oder sogar noch mehr Arme hat, braucht eigentlich

keine Füße, sollte man meinen. Tatsächlich benutzen manche

Seesterne ihre Arme zur Fortbewegung. Oft aber sieht man

einen Seestern scheinbar ohne jede Bewegung langsam über den

Boden gleiten. Hunderte von kleinen Füßchen schieben ihn

vorwärts. Sie funktionieren hydraulisch und werden über ein

kompliziertes Wassergefäßsystem in Körper und Armen des

Seesterns bedient. Als echte Multifunktions-Beine helfen sie

nicht nur bei der Fortbewegung, sondern dienen auch noch der

Atmung. Und schließlich spielen sie eine wichtige Rolle bei der

Nahrungsaufnahme. Mit den Saugfüßchen lassen sich selbst

hartnäckig Widerstand leistende Muscheln auseinanderziehen.

Die Kräfte, die ein Seestern dabei aufbringt, sind beträchtlich.

Ein Dauerzug von fünfzig Newton bricht den Widerstand auch

starker Muscheln. Ein Spalt von weniger als einem Millimeter

genügt. Durch ihn dringen die vorgestülpten Magenlappen des

Seesterns ein und beginnen bei lebendigem Leib mit der

Verdauung.

Seeteufel sind Fabelwesen.

Wassermann, Meerjungfrau und Seeteufel eine fabelhafte

Verwandtschaft aus Märchen und Mythos? Als real

existierender "Seeteufel" ließ sich mancher gnadenlose Korsar

vergangener Zeiten stolz bezeichnen. Der wahre Seeteufel aber

ist ein Fisch, der diesen Titel nicht weniger verdient. Fast zwei

Meter groß kann er werden, wobei die Hälfte davo n Kopf ist

und davon wieder ein großer Teil Maul (daher sein Zweitname

Froschfisch). Durch Farbe und seitliche Hautlappen gut getarnt

und deshalb kaum zu sehen, lockt er Beute mithilfe einer

dünnen, lang ausgezogenen ersten Rückenflosse, deren

wurmähnliche Spitze sich direkt vor seinem zähnestarrenden

Maul windet (daher sein Drittname Anglerfisch). Wer sich dem

Köder hungrig nähert, wird selbst zur Beute. Er wird in das sich

blitzschnell öffnende Maul gesaugt, selbst wenn er größer ist als

der "angelnde Frosch" selbst.

Die Seewespe ist ein Insekt.

Wespen werden mit einem schnellen Stich assoziiert, gefolgt

von jähem Schmerz. Insofern ist der Vergleich berechtigt, wenn

auch die Seewespen nicht zu den hoch komplexen Insekten,

sondern zu den mit am einfachsten gebauten Vielzellern

gehören, den Nesseltieren (siehe Seite 137). Sie wurden früher

mancher Übereinstimmungen wegen als Quallen betrachtet,

inzwischen aber als eigene Gruppe der Würfelquallen

abgetrennt. In hiesigen Gewässern braucht man die

Würfelquallen nicht zu fürchten, in subtropischen und

tropischen Meeren dagegen sehr wohl. Denn der Kontakt mit

den "sea wasps" kann tödlich enden. Zwei der nur sechzehn

Würfelquallen-Arten erzeugen ein so starkes Nervengift, dass

sie Kinder und Jugendliche sowie empfindlich reagierende

Erwachsene sofort umbringen können. Auch wer davonkommt,

wird noch lange an die Seewespen denken.

Wo die nesselnden Tentakel mit der Haut in Berührung

kommen, entstehen schwere und nur langsam heilende

Nekrosen, die tiefe Narben hinterlassen. Kein Wunder, dass bei

Seewespen-Alarm die Badestrände sofort gesperrt werden.

Sonnenblumen haben große Blüten.

Eigentlich ist jede Sonnenblume ein ganzer Blumenstrauß,

besteht sie doch aus vielen einzelnen kleinen Blüten, die jeweils

eine Frucht (den bekannten Sonnenblumenkern) bilden. Die

Zusammenfassung vieler kleiner Blüten zu einem großen

Blütenstand erhöht die Attraktivität für Bestäuber - überlebenswichtig

für die Pflanze. Gesteigert wird die Signalwirkung noch

durch die flammend gelben Randblüten. Sie machen Reklame

fürs große Ganze. Was für die Sonnenblume gilt, gilt auch für

die ganze übrige vielfältige Verwandtschaft der Korbblütler, zu

der unter anderem Aster, Kamille und Gänseblümchen zählen.

Ohne Sonnenlicht ist kein Leben möglich.

Sonne ist Leben. Diese einfache Gleichung gilt für fast alle

Lebewesen. Für die Pflanzen ist das offensichtlich. Sie stellen

mit Hilfe der vom Sonnenlicht gelieferten Energie in einem sehr

komplizierten chemischen Prozess, der Fotosynthese, aus

Wasser und Kohlendioxid Zucker her, der Grundlage vieler

weiterer Verbindungen ist. In völliger Dunkelheit sterben

Pflanzen nach kurzer Zeit ab. Und Tiere? Schließlich gibt es

viele Nacht- und Bodentiere, die nie ans Licht kommen. Ihre

Abhängigkeit ist indirekt. Denn alle Tiere müssen etwas fressen.

Sind es keine Pflanzen, dann sind es andere Tiere, die wiederum

von Pflanzen oder von pflanzenfressenden Tieren leben. Wie

man es auch dreht: Tiere brauchen Pflanzen und damit auch

Sonne. Nebenbei bemerkt nicht nur wegen des Fressens:

Während der Fotosynthese wird (unter anderem von Tieren

ausgeatmetes) Kohlendioxid verbraucht und es entsteht

Sauerstoff - für die Pflanze ein Abfallprodukt, für Tiere

lebensnotwendig.

Szenenwechsel. Langsam gleitet ein Tauchboot 2500 Meter

unter dem Meeresspiegel durchs ewige Dunkel, das nie ein

Sonnenstrahl erhellt. Plötzlich tauchen im Lichtkegel des

Scheinwerfers seltsame Kreaturen auf: Kolonien großer bleicher

Würmer mit roten "Köpfen", riesige Muscheln, weißliche

Krabben. Eine eigene, eine eigenartige Welt, die erst im Jahr

1977 entdeckt wurde. Ihre Bewohner sind vollständig

unabhängig vom Sonnenlicht. Ihre Lebensenergie beziehen sie

aus dem Inneren von Mutter Erde. Dort, wo an den Nähten der

auseinander weichenden Erdplatten Magma in geringer Tiefe

ansteht, speien extrem heiße Quellen mineralreiches Wasser. In

gebührender Entfernung gewinnen Bakterien aus der Oxidation

des darin gelösten Schwefelwasserstoffs Energie. Andere

ernähren sich von den Bakterien. Sie stehen damit am Anfang

einer Nahrungskette und sind Grundlage dieser außergewöhnlichen

Lebensgemeinschaft.

Die Spanische Fliege ist eine Fliege.

Mancher, der mit der Spanischen Fliege Bekanntschaft

gemacht hat, hat vorzeitig "die Fliege gemacht". Denn der Käfer

mit dem merkwürdigen Namen enthält einen hoch giftigen

Inhaltsstoff, das Cantharidin, das für alles Mögliche verwendet

wurde. Früher wurde es sowohl als Aphrodisiakum in

Liebestränke gemischt als auch zur Beseitigung der späteren

unliebsamen Folgen eingenommen, nämlich um die Leibesfrucht

abzutreiben. In der Antike (und sicher auch darüber

hinaus) war das Käfergift auch beliebt, um Widersacher um die

Ecke zu bringen. Dazu genügen schon dreißig Milligramm. Der

Vergiftete litt zunächst an einer Entzündung aller Schleimhäute,

dann an brennenden Schmerzen der ihre Funktion allmählich

einstellenden Harnorgane. Pharmazeutische Verwendung fand

Cantharidin äußerlich in blasenziehenden Pflastern (den

"Spanischen Pflastern"), innerlich zur Behandlung aller

möglichen Zipperlein. Der ein bis zwei Zentimeter lange und

apart grünmetallisch glänzende Giftlieferant gehört zu den

Ölkäfern, die durch eine sehr extravagante Kindheit bekannt

sind. Sie wachsen als Parasiten in Wildbienen-Nestern auf. Der

erwachsene Käfer ist in Südeuropa weit verbreitet und frisst

Eschen- und Ölbaumblätter.

Spinat enthält viel Eisen.

Generationen von Kindern wurden (und werden) mit Spinat

gequält, weil er enorm viel Eisen enthalte, was wiederum zur

Blutbildung beitrage. Letzteres stimmt, Ersteres nicht. Ein

Kommafehler in einer der ersten Lebensmitteltabellen, der

später immer wieder abgeschrieben wurde, ist an diesem

besonders hartnäckigen Vorurteil Schuld: Dreißig Milligramm

Eisen sollten in hundert Gramm Spinat enthalten sein. In

Wirklichkeit sind es gerade mal drei Milligramm. Um auf die

empfohlene tägliche Eisendosis von zehn bis fünfzehn

Milligramm zu kommen, muss man also ordentlich Spinat

spachteln...

Dagegen können sich die Spinat-Vitamine durchaus sehen

lassen. Weniger erfreulich ist aber der hohe Oxalatgehalt (der

die Eisenaufnahme in den Körper hemmt) und die besonders für

Kleinkinder nicht ungefährlichen Nitritmengen. Sie bilden sich

in stark nitratgedüngtem Spinat, wenn er nicht schnell nach der

Ernte gegessen oder eingefroren wird. Fazit: Ersparen Sie Ihren

Kindern das Gemüse, wenn sie's nicht mögen.

Spinnen sind Insekten.

Eine gewisse Ähnlichkeit ist schon da und wird auch von den

Zoologen bestätigt. Wie die Insekten gehören die Spinnentiere

zu den Gliederfüßern. Ein Außenskelett aus Chitin und Beine

mit mehreren Gelenken gehören zur Grundausstattung beider.

Ansonsten überwiegen die Unterschiede. Der Einfachheit halber

konzentrieren wir uns auf die eigentlichen Spinnen und lassen

Skorpione, Weberknechte, Milben und einige andere exotische

zur Verwandtschaft der Spinnentiere zählende Tiergruppen

einfach weg. Also: Insekten haben sechs Beine, Spinnen acht.

Insekten bestehen aus drei Körperabschnitten, dem Kopf, der

Brust (an der die Beine sitzen) und dem Hinterleib, Spinnen nur

aus zweien. Insekten haben fast immer Flügel, Spinnen nie -

wenn sie mal fliegen, überlassen sie dem Wind die Arbeit. Im

Altweibersommer sind Millionen von Jungspinnen an langen

Spinnfäden unterwegs. Das namengebende Spinnen allerdings

ist keine exklusive Fähigkeit der Spinnen. Denken Sie zum

Beispiel an die Seide, das Produkt einer Schmetterlingsraupe,

eines Insekts also.

Alle Spinnen bauen Netze.

Langsam bewegt sich die Zebra-Springspinne über den rauen

Putz der Hauswand. Mit ihren riesigen Augen hat sie eine kleine

Fliege im Blick, die sich ahnungslos in der Morgensonne wärmt.

Die letzten Zentimeter überwindet die Spinne im Sprung - ein

echtes Raubtier. Die Giftklauen erledigen den Rest. Derweil

sucht im Blumenbeet eine Biene nach Pollen und Nektar. Auf

einer gelben Blüte fliegt sie direkt in die weit geöffneten Arme

einer Krabbenspinne, ebenfalls gelb gefärbt und dadurch nahezu

unsichtbar. Die Speispinne, in Mitteleuropa nur in Gebäuden

unterwegs, aber (weil nachtaktiv) nur selten zu sehen, schleicht

auf der Suche nach kleinen Insekten oder anderen Spinnen mit

langsamen Bewegungen durchs Dunkel. Entdeckt sie Beute,

richtet sie den Vorderkörper leicht auf und fixiert ihr Opfer aus

Zentimeterentfernung mit einem blitzschnell ausgestoßenen,

zickzackartig verlaufenden Klebfaden am Untergrund.

Nur drei von zahlreichen Strategien, die Spinnen verfolgen,

um Beute zu machen. Was landläufig als "typisch Spinne" gilt,

das wunderschöne, im Morgentau schimmernde Radnetz der

Kreuzspinne nämlich, ist also nur eine Möglichkeit des

Beutefangs unter vielen. Auch Spinnennetze können äußerst

verschieden aussehen. Die Zitterspinnen etwa, häufige

Bewohner von Zimmerecken, bauen lediglich ein unordentliches

Fadengewirr, in dem sich Passanten verheddern. An trockenen,

sonnigen Rainen haust die Tapezierspinne in einem

geschlossenen Seidenschlauch. Krabbelt ein unvorsichtiger

Käfer drüber, schlagen sich die langen Giftklauen der Spinne

durch das Gewebe in seinen Körper. Männchen, die zum Weibe

gehen, vermeiden dieses Schicksal, indem sie mit den Beinen

ein zartes Trommelsolo auf dem Fangschlauch geben.

Spinnweben sind zarte Fäden.

Wenn zart dünn bedeutet, dann sind Spinnweben zart. Die

dicksten Fäden, die der tropischen Seidenspinne Nephila, sind

0,012 Millimeter stark und damit immer noch dünner als ein

Menschenhaar (0,05 bis 0,1 Millimeter). Die dünnsten, die bei

einigen Spinnen-Arten aus einer siebartigen Platte gepresst und

später mit einem Beinkamm zu einem wolligen Kräuselfaden

aufgebürstet werden, sind gerade mal 0,000015 Millimeter dick.

Wenn zart allerdings zerbrechlich bedeutet, dann sind

Spinnfäden nicht zart. Die Stabilität eines Fadens lässt sich in

zwei Werten ausdrücken, in seiner Festigkeit einerseits, in seiner

Dehnungsfähigkeit andererseits. Um ein paar Daten zu nennen

(der erste Wert gibt die Dehnungsfähigkeit in Prozent an, der

zweite Wert die Festigkeit): Glas 3/96, Stahl 8/44, Nylon 22/67,

Spinnfaden 31/100, Wolle 43/20. Ein spinnenfadendünner

Glasfaden ist also zwar nahezu so fest wie ein Spinnfaden, aber

lange nicht so elastisch. Wolle wiederum ist zwar elastischer,

aber nicht so fest. Stahl erreicht weder in seiner

Dehnungsfähigkeit noch in seiner Festigkeit die Fäden einer

Spinne - wobei, das sei angemerkt, nicht alle Fäden gleich stabil

sind. Die Kokonfäden, mit denen Spinnen ihre Gelege

einwickeln, sind weniger fest als die hier verglichenen

Wegfäden, ihr Sicherheitssystem, das sie herstellen, wo sie

stehen und gehen. Man könnte ja mal abstürzen... Spinnenfäden

vereinigen also in idealer und bisher von keiner Technik

erreichten Weise Festigkeit und Elastizität.

Spitzmäuse sind Mäuse.

Dass Mäuse und Spitzmäuse wenig miteinander gemein

haben, wissen sogar die Hauskatzen. Die einen werden

genüsslich verspeist, die anderen zwar erlegt, dann aber

angeekelt liegen gelassen. Zu streng sind Geruch und

Geschmack der Spitzmäuse. Die Gemeinsamkeiten der beiden

"Mäuse" sind schnell aufgezählt. Sie erschöpfen sich weit

gehend in der Mäusegestalt mit kurzen Beinchen und einem

dünnen Schwänzchen, einer leicht hektischen Lebensart und

einer flinkwuselnden Fortbewegung. Die Unterschiede wiegen

schwerer. Die Spitzmäuse haben winzige Augen und Ohren. Sie

orientieren sich mit langen Tasthaaren und vor allem mithilfe

ihrer dauernd schnüffelnden Nase, die zu einem kleinen

beweglichen Rüssel ausgezogen ist. Darunter liegt ein Maul mit

zahlreichen nadelspitzen Zähnen, mit denen Spitzmäuse alles

überwältigen, was sie erwischen können (sofern es nicht größer

ist als sie selbst): Regenwürmer, Käfer, Tausendfüßer, Spinnen,

Asseln. Dagegen sind die echten Mäuse harmlos. Zwar fressen

sie auch ganz gerne gelegentlich Insekten, pflanzliche Nahrung

überwiegt aber bei weitem. Die dank großer Augen und

fehlender Rüsselschnauze niedlicher aussehenden Tiere haben

das typische Nagetiergebiss: Vorne stehen ewig wachsende, sich

beim täglichen Verschleiß selbst schärfende Nagezähne, hinter

einer großen Zahnlücke dann die Backenzahnreihe, die für die

Mahlarbeit zuständig ist.

Der Unterschied zwischen Mäusen und Spitzmäusen spiegelt

sich natürlich auch im System der Zoologen wider. Erstere sind

Nagetiere, Verwandte von Hamster, Meerschweinchen und

Eichhörnchen. Letztere gehören mit Igel und Maulwurf zur

Ordnung der Insektenfresser.

Stallhasen sind zahme Hasen.

Einen Feldhasen zu zähmen hat wohl noch keiner geschafft.

Wird's dem Hasen mulmig, "drückt" er sich, verschmilzt

gleichsam mit dem Boden und wird dadurch fast unsichtbar.

Erst im letzten Augenblick legt er einen furiosen Blitzstart hin

und entkommt dadurch dem verblüfften Feind. Dieses

angeborene Verhalten legen Hasen auch in Gefangenschaft nicht

ab - nur endet ihre Flucht hier bald am Gitter. Panisch werfen sie

sich dagegen und verletzen sich oft schwer. Das Kaninchen

dagegen verschwindet in seinem Erdbau, wenn's brenzlig wird.

Dort fühlt es sich sicher. Vom gemütlichen unterirdischen

Kessel bis zum Stall ist es nur ein kleiner Schritt. Schon die

Römer hielten Kaninchen und sorgten auch dafür, dass die von

der Iberischen Halbinsel stammenden Tiere bald an allen

möglichen Stellen des riesigen römischen Reiches hoppelten.

Unter menschlicher Obhut entstanden dann bereits vor über

fünfhundert Jahren verschiedene Rassen, je nachdem, ob das

Kaninchen im Kochtopf landen oder seinen Pelz abgeben sollte.

Zur Wollgewinnung wurde das Angorakaninchen gezüchtet.

Und natürlich sind auch die niedlichen, als Spielkameraden

beliebten Zwerghasen keine Hasen, sondern Kaninchen.

Alle Stechmücken stechen.

Nur vor den Weibchen der Stechmücken muss man sich in

Acht nehmen, die Männchen sind harmlose Blütenbesucher.

Ihnen genügt, falls sie überhaupt Nahrung aufnehmen, ein

bisschen Nektar als Treibstoff für die Flugmuskulatur. Um Eier

aufbauen zu können, muss aber hochwertigeres Futter her. Das

ist der Grund für den Blutdurst der Weibchen. Auch wenn sie

gewaltig tanken können - eine Mahlzeit kann das Doppelte des

Eigengewichts ausmachen - ist weniger der Blutverlust als der

mit der Injektion gerinnungshemmender Stoffe verbundene

Juckreiz unangenehm. Wirklich gefährlich sind die von

tropischen Arten übertragenen Krankheiten wie Malaria oder

Gelbfieber.

Die Männchen der Stechmücken (nach denen zu schlagen sich

also nicht lohnt) erkennt man übrigens leicht an den

büschelartigen Fühlern. Sie dienen einerseits als Fluggeschwindigkeitsmesser

und helfen andererseits beim Hören,

indem sie auf den von fliegenden Weibchen erzeugten Summton

ansprechen.

Stiere mögen kein Rot.

Das Rote Tuch ist schon sprichwörtlich geworden. Wer einen

Stier reizen wolle, brauche es ihm nur zu zeigen und schon

schäume die blinde Wut und der Tanz gehe los. Nur: Stiere sind

farbenblind.

Die gequälte Kreatur in der Stierkampfarena greift in hilfloser

Verzweiflung alles an, was ihm vor den Nüstern flattert. Und

der Bulle auf der Weide duldet es nicht, wenn man sein Revier

betritt, selbst wenn man sich in Tarnfarben kleidet und Rot

vermeidet.

Der Vogelstrauss steckt den Kopf in den Sand.

Strauße sind schnell, ausdauernd und mit ihren muskulösen,

mit zwei harten Klauen bewaffneten Füßen auch recht wehrhaft.

Keine leichte Beute also. Hat der Strauß Eier, steckt er

allerdings in einem Dilemma. Flieht er vor Gefahr, rettet er zwar

sein Leben, die nicht geringe Investition in seine

Nachkommenschaft aber kann er in den Mond schreiben.

Strauße setzen deshalb auf Tarnung und praktizieren

Arbeitsteilung. Der auffällig schwarzweiße Hahn brütet in der

Nacht, die braune Henne am Tag. Nähert sich Gefahr, gibt es

zwei Möglichkeiten. Entweder schleicht sich die Straußenmutter

vom Nest, um in einiger Entfernung die "lahme Ente" zu

markieren und das interessierte Raubtier dadurch wegzulocken.

Oder sie breitet sich ganz flach über ihre Gelege und zieht auch

den verräterisch langen Hals ein. Den Kopf flach auf den Boden

gelegt, verfolgt sie aufmerksam, ob die Gefahr vorübergeht. Das

und nicht das dümmliche Ignorieren von Gefahren durch Kopfin-

den-Sand-Stecken nach dem Motto: "Was ich nicht sehe,

sieht auch mich nicht" ist die wahre Vogel-Strauß-Politik.

Der Biss der Tarantel ruft eine schwere Krankheit hervor.

Fast alle Spinnen sind giftig. Bis auf wenige Ausnahmen

schaffen es aber die mitteleuropäischen Arten nicht, mit ihren

Injektionsspritzen die menschliche Haut zu durchdringen.

Weiter südlich muss man dagegen schon besser aufpassen. Die

in Erdlöchern lebende Tarantel, eine kräftig gebaute Spinne von

der Größe einer kapitalen Hausspinne, kann schon heftig

zubeißen. Der Schmerz entspricht ungefähr dem nach einem

Wespenstich. Zeitlich und lokal begrenzt wurden dem Biss aber

noch weitreichendere Nebenwirkungen unterstellt. Apulien

wurde zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert vom

"Tarentismus" heimgesucht. Dabei fielen die Menschen - wie

man annahm, nach dem Biss einer Tarantel - wie vom Blitz

getroffen zu Boden und klagten über alle möglichen

Beschwerden. Die Therapie: Musik, bei welcher der Kranke

mehr oder weniger ekstatisch zu tanzen begann, bis die

Krankheit besiegt war - die Geburt der Tarantella, eines

schnellen Tanzes. Medizinhistoriker sehen als Auslöser der

Krankheit nicht die Tarantel, die schon ab 1693 durch

Selbstversuche eines Arztes die Absolution bekam, sondern

schlicht und einfach einen Hitzschlag.

Tauben sind besonders zärtlich.

"Sie turteln wie die Tauben" - das eifrige Bemühen des

rucksend und gurrend um seine Angebetete trippelnden Taubers

wird manchem im Lauf der Jahre etwas schwunglos gewordenen

Liebhaber als leuchtendes Vorbild präsentiert. Als Friedenstaube

avancierte der harmlose Vogel, von der Natur weder mit Krallen

noch mit einem kräftigen Schnabel ausgestattet, gar zum

öffentlichen Symbol. Zu viel des Guten. Wer nur lieb und nett

ist, kann sich auf Dauer nicht durchsetzen. Etwas salopp könnte

man sagen:

Tauben sind auch nur Menschen. In der Auseinandersetzung

um Nistplätze, Reviere und Geschlechtspartner wird heftig

gedroht und notfalls mit Flügelschlägen, Bruststößen und

Schnabelhieben gekämpft, manchmal sogar, bis Blut fließt. Im

Freiland führt das meist sehr schnell zur Flucht des

Unterlegenen. Im Käfig, wo das nicht möglich ist, beobachtete

schon der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad

Lorenz entsetzt, wie ein Täubchen das andere in stundenlanger

Kleinarbeit regelrecht zerfleischte.

Taubnessel und Brennnessel sind nahe Verwandte.

Das einzige, was Brenn- und Taubnessel gemeinsam haben,

sind die kantigen Stängel und die großen, vorne zugespitzten

und am Rand gesägten Blätter. Ein ähnliches Erscheinungsbild

jedoch ist noch kein Zeichen naher Verwandtschaft. Die drückt

sich bei Pflanzen meist im Blütenbau aus und hier könnten die

Unterschiede zwischen den beiden größer kaum sein. Die

Taubnesseln gehören zur großen Familie der Lippenblütler. Ihre

auffällig gefärbten, in eine Ober- und eine Unterlippe geteilten

Blüten sind eine Einladung an Hummeln und Bienen, hier zu

landen. Brennnesseln dagegen haben sehr unauffällige grüne

Einzelblüten in dafür umso auffälligeren dichten Blütenständen

und verlassen sich bei der Bestäubung auf den Wind. Die

Brennnessel-Arten bilden eine eigene Familie und sind nahe

verwandt mit Hopfen und Hanf. Wenn allerdings keine Blüten

zu sehen sind, wird's schwieriger. Die hohen Brennnesseln

wachsen dort, wo Nährstoffe in Hülle und Fülle zur Verfügung

stehen, in sehr dichten Beständen. Lange Ausläufer sorgen für

eine geschlossene Besiedlung und rasche Ausbreitung. Ihre

Blätter sind dunkelgrün, eher schmal, mit einer lang

ausgezogenen Spitze. Die Stängel sind längs gerieft und sehr

faserig. Für unsere Altvorderen war die Brennnessel deshalb

nicht nur "Unkraut", das es unter allen Umständen zu

bekämpfen galt, sondern ein wichtiger Rohstoff für Textilien

(siehe Seite 30). Was heutzutage als Nesselstoff verkauft wird,

wird allerdings aus Baumwolle gefertigt. Die Taubnessel

dagegen hat einen vierkantigen Stängel. Ihre Blätter sind

weniger spitz als die der Brennnessel und dicht mit drüsigen

Haaren besetzt. Die Pflanzen bleiben kleiner und bilden keine

alles andere erstickenden Monokulturen. Und falls es mit der

Unterscheidung überhaupt nicht klappen will, bleibt ja immer

noch der Brenntest.

Ein Tausenfüßer hat 1000 Füße.

Auch viele Tausendfüßer fangen bescheiden an. Während

manche schon als Baby die volle Beinzahl haben, schlüpfen

andere nur mit sechs oder ein paar mehr Beinen aus dem Ei. Bei

jeder Häutung kommen dann neue beintragende Körpersegmente

dazu. Die größten einheimischen Tausendfüßer haben

aber auch ausgewachsen kaum mehr als hundert Beinpaare.

Weltweit liegt der Rekord bei etwa 350 Beinpaaren, sprich

siebenhundert Füßen. Ein echter Tausendfüßer wurde also noch

nicht entdeckt. Paradoxerweise schließt die Gruppe der

Tausendfüßer auch die winzigen Wenigfüßer mit ein, die nur

neun Beinpaare haben.

Kein Lebewesen kann Temperaturen von 100°C ertragen.

Für uns Menschen sind die Grenzen des Lebens sehr eng

gesteckt. Schon kleine Abweichungen von einer Körpertemperatur

von 37 Grad Celsius gelten als Krankheit. Oberhalb

von 42 Grad Celsius ist für uns endgültig Schluss. Für andere

noch lange nicht. Die Extremisten des Lebens finden sich unter

den Archaebakterien. Manche von ihnen fühlen sich erst bei

Temperaturen zwischen sechzig und achtzig Grad Celsius wohl.

Sulfolobus addocaldarius (lat. caldarium = Kochtopf) stirbt

unterhalb von 55 Grad Celsius sogar den Kältetod. Natürliche

"Kochtöpfe" finden sie in heißen Quellen. In solchen des

Yellowstone-Nationalparks und auf glosenden Kohlenhalden

lebt ein anderes Archaebakterium mit dem sprechenden Namen

Thermoplasma acidophilum. Sechzig Grad Celsius und ein pHWert

von 1 bis 2 sagen ihm besonders zu, sozusagen ein heißes

Bad in konzentrierter Schwefelsäure. Normalerweise kocht

Wasser bei 100 Grad Celsius. Nicht jedoch in der Tiefsee, wo es

unter hohem Druck steht und deshalb viel heißer werden kann.

In der Nähe von Tiefseeschloten, die solch überhitztes Wasser

speien, wurden Archaebakterien sogar schon bei 105 Grad

Celsius nachgewiesen.

Termiten sind weiße Ameisen.

Riesige Staaten mit Zehntausenden oder gar Millionen

Bürgern, die von einer Königin und Mutter des ganzen Volkes

regiert werden, haben viele Termiten- und Ameisen-Arten

gemeinsam. Wer genauer hinsieht, entdeckt aber zahlreiche

Unterschiede. Einer ist zum Beispiel, dass im Termitenstaat

Männer und Frauen zusammen wohnen, arbeiten, Futter holen

oder anbauen und die Verteidigung (durch Soldaten und/oder

Soldatinnen) besorgen, während im Ameisenstaat das

Matriarchat herrscht. Auch die Königin wohnt nicht einsam in

der geschützt im Zentrum des Nestes liegenden Königskammer,

sondern in Begleitung ihres Ehegatten, des Königs. Das überaus

komplexe Sozialgefüge bei Termiten und Ameisen muss völlig

unabhängig voneinander entstanden sein, denn beide

Insektengruppen sind nicht näher miteinander verwandt. Die

Ameisen sind (wie Bienen und Wespen) Hautflügler und

durchlaufen eine vollständige Verwandlung. Dazu gehört ein

Puppenstadium, aus dem erst das ganz anders als die Larve

aussehende erwachsene Tier hervorgeht. Die Termiten dagegen

bilden eine eigene Insektenordnung und machen eine

unvollständige Verwandlung durch. Ihre Kinder gleichen den

Erwachsenen von Häutung zu Häutung mehr.

Teufelszwirn ist besonders festes Garn.

Ein dichtes Geflecht bleicher Fäden überzieht die

Brennnesseln, erst auf den zweiten Blick selbst als Pflanze

erkennbar. Der Teufelzwirn ist kein besonders festes Garn und

auch kein Utensil aus der Hexen- und Magierszene, sondern

eine parasitische Pflanze aus der Verwandtschaft der

Windengewächse. Wurzeln fehlen ihr, die Blätter sind zu

kleinen Schüppchen zurückgebildet. Blattgrün, mit dessen Hilfe

Pflanzen Fotosynthese betreiben und energiereiche Zuckerverbindungen

aufbauen, ist nur in Spuren vorhanden. Über

Saugorgane, die direkt in den Wirt geschoben werden, besorgt

sich der Teufelszwirn die nötigen Nährstoffe. Unzweifelhaft

wird seine Pflanzennatur, wenn er blüht. Allerdings sind die

Blüten eher unauffällig. Viele Arten der auch Seide genannten

Parasiten sind ziemlich wirtsspezifisch, was sich auch in ihren

Namen niederschlägt: Nesselseide, Leinseide, Quendelseide

oder Kleeseide.

Tintenfìsche sind Fische .

Der weitaus treffendere Name für diese Tiergruppe lautet

Kopffüßer oder Cephalopoda (was genau dasselbe bedeutet). Er

spielt auf die zahlreichen Tentakel an, die am Kopf dieser Tiere

entspringen und die Mundöffnung umstehen. Eigentlich sind sie

in ersten Linie für die Nahrungsbeschaffung zuständig, aber bei

einigen Kopffüßern dienen sie zusätzlich wie Füße der

Fortbewegung. Prototyp dafür sind die Kraken. Die normale

Fortbewegungsart der Kopffüßer allerdings ist der Düsenantrieb.

Durch eine enge und sehr bewegliche Röhre wird Wasser

ausgepresst. Der Rückstoß treibt das Tier voran.

Um systematisch vorzugehen: Kopffüßer gehören zum Stamm

der Weichtiere oder Mollusken, also in die Verwandtschaft von

Schnecken und Muscheln. Mit den Fischen, die bekanntlich

Wirbeltiere sind, haben sie nicht das Geringste zu tun. Innerhalb

der Kopffüßer lassen sich die altertümlichen Vierkiemer,

heutzutage nur noch durch die Perlboote (Nautilus, siehe Seite

14) vertreten, von den modernen Zweikiemern unterscheiden.

Diese sind wesentlich artenreicher. Bekannt sind vor allem die

Kraken, die Kalmare und die Verwandten des Gemeinen

Tintenfisches Sepia vulgaris, die man sowohl von seiner Paella

am spanischen Urlaubsort als auch (allerdings nur partiell) vom

heimischen Vogelbauer kennt, wo die kalkige Rückenschale, der

Schulp, den Piepmätzen zum Schnabelwetzen dient. Manche

Zoologen bezeichnen die zweikiemigen Kopffüßer als

Tintenschnecken, um den unliebsamen, weil nicht zutreffenden

"Fisch" aus dem Namen loszuwerden. Das mit der Tinte stimmt

dagegen. Der Tintenbeutel wird bei Gefahr geleert. Sepia

betätigt sich dabei als Nebelwerfer und verdrückt sich in der

Deckung einer großen diffusen Tintenwolke. Der Krake

Octopus stößt eine kompakte Tintenwolke aus, die Feinde zum

Zubeißen verleiten soll - in die Tinte. Übrigens heißt die Tinte

nicht nur so, sondern wurde früher auch zum Schreiben

gewonnen und benutzt. Der getrocknete Inhalt des Tintenbeutels

wurde gelöst, und dann mit Salzsäure gefällt. Das braun- oder

grauschwarze Pigment, nach seinem Ursprung Sepia genannt,

diente zur Herstellung von Tuschen.

TROPISCHE Regenwälder sind fruchtbar.

Pflanzen brauchen vier Dinge, um zu gedeihen: Wasser,

Wärme, Licht und Nährstoffe. An den beiden ersten herrscht im

tropischen Regenwald kein Mangel. Bei einem Jahresniederschlag

von mindestens zweitausend Liter pro Quadratmeter

(dreimal so viel wie hierzulande) und einer Temperatur um die

27 Grad Celsius ist üppiges Wachstum vorprogrammiert.

Ausgeprägte Jahreszeiten, die den Pflanzen Ruhepausen

aufnötigen könnten, fehlen. Mit dem Licht ist es schon

schwieriger. Zwar befinden wir uns in der Nähe des Äquators,

wo die Sonne das ganze Jahr hoch am Himmels steht und kein

Winter mit kurzen, dämmrigen Tagen zu befürchten ist. Aber

unter dichten Pflanzen herrscht Schatten. Die tropischen

Regenwälder sind geprägt vom Kampf um das Licht. Wer nicht,

wie die Urwaldriesen, auf eigenen Wurzeln stehend einen Platz

an der Sonne ergattern kann, versucht es mit anderen Methoden.

Lianen schlingen sich an Bäumen empor, Aufsitzerpflanze n

(Epiphyten) keimen hoch oben im Geäst ihrer Wirtsbäume. Am

Boden des Urwalds herrscht Dämmerung. Nur wenn ein alter

Baum fällt und eine Schneise schlägt, dringt genügend Licht

nach unten. Dann entsteht dort für kurze Zeit eine grüne Insel.

Bleibt noch der vierte Faktor, die Nährstoffe. Schon früh ließen

sich Geografen und Bevölkerungskundler angesichts der Fruchtbarkeit

tropischer Böden im indonesischen Java zu optimistischen

Hochrechnungen hinreißen. Ihre Prognose: Eine

milliardenstarke Weltbevölkerung ließe sich ohne weiteres

ernähren, wenn man die Urwälder rodete und unter den Pflug

nähme. Ihr Irrtum: Verführt von der strotzenden Üppigkeit der

tropischen Vegetation und vom Beispiel Javas, wo junge

vulkanische (also sehr nährstoffreiche) Böden anstehen, hatten

sie vorschnell vom Einzelbeispiel aufs Ganze geschlossen. In

anderen Gegenden waren die Erfahrungen nämlich ganz anders.

Zwar fuhr man im ersten Jahr nach der Rodung (meist durch

Brand) noch Rekordernten ein, nach zwei, drei Jahren jedoch

sank der Ertrag derart stark, dass sich der Anbau kaum mehr

lohnte. Die meisten Böden im Bereich der tropischen

Regenwälder sind nämlich tiefgründig verwittert und enthalten

kaum Nährstoffe. Sind die Mineralien aus der Asche der

verbrannten Vegetation verbraucht oder weggeschwemmt,

leiden die Pflanzen Mangel, der nicht einmal durch teuren

Kunstdünger zu beheben ist. Den tropischen Böden fehlen

nämlich bestimmte Tonminerale, die Nährstoffe festhalten

können.

Ein Paradoxon scheint die überwältigende Vegetation, die in

unglaublichem Arten- und Strukturreichtum auf diesen armen

Böden wächst. Des Rätsels Lösung: Die Nährstoffe befinden

sich in den Pflanzen, nicht im Boden. Der Wald ernährt sich aus

sich selbst. Ein raffiniertes Zusammenspiel verschiedener

Lebewesen verhindert den Verlust an Nährstoffen durch

Ausschwemmung. Eine besondere Rolle spielen dabei Pilze, die

mit den Bäumen kooperieren. Sie bauen herabgefallene Blätter

und Äste ebenso schnell ab wie Tierkot und Kadaver und führen

die dabei recycelten Nährstoffe direkt den Baumwurzeln zu, mit

denen sie in enger Verbindung stehen. Eine Einbahnstraße ist

diese Mykorrhiza ("Pilzwurzel") genannte Beziehung nicht. Die

Pilze erhalten im Gegenzug vom Baum zuckerreiche

Verbindungen, die aus dessen Fotosynthese-Stoffwechsel

stammen. Wie bei jeder Symbiose profitieren also beide Partner.

Mit der Rodung eines Stücks Regenwald wird dieses fein

aufeinander abgestimmte System des Gebens und Nehmens

vollständig vernichtet. Damit verschwinden nicht nur ein paar

Baumstämme, sondern das gesamte über Jahrhunderttausende

angesammelte Nährstoffkapital auf Nimmerwiedersehen.

TUKANE sind Pfefferfresser.

Tukane ernähren sich überwiegend von Früchten, die sie mit

ihren mächtigen bunten Schnäbeln abpflücken. Weil der

Riesentukan in Gefangenschaft gelegentlich aber auch mal

Paprikafrüchte verspeist, wurde die ganze Familie früher als

Pfefferfresser bezeichnet. Gemeint ist also nicht der echte

Pfeffer, der zwar heute weltweit in den Tropen angebaut wird,

aber wohl aus Südindien stammt, sondern die auch als

Spanischer Pfeffer bezeichnete Gewürzpaprika. Sie ist in

Südamerika heimisch, wo auch die Tukane vorkommen.

Vampire sind Fabelwesen.

Wer die Begegnung mit echten Vampiren nicht scheut, sollte

seine nächste Reise nicht nach Transsylvanien buchen, sondern

nach Südamerika fahren. Dort leben sie, der Gemeine Vampir,

der Weißflügelvampir und der Kammzahnvampir, die drei

einzigen Fledermaus-Arten, die sich von Blut ernähren.

Geschickt auf allen vieren laufend nähert sich der Vampir einem

Säugetier oder Vogel. Oft sind das Haustiere, es kann aber

durchaus auch mal ein Mensch sein. Mit rasiermesserscharfen

Zähnen schneidet er eine winzige Hautfalte ab und lässt das

austretende Blut mit Hilfe der Zunge in seinen Mund fließen -

eine kleine, fast schmerzlose Operation. Jede Nacht nimmt er

bei einer Zehn-Minuten-Mahlzeit ungefähr vierzig Milliliter

Blut auf, mehr als er selbst mit leerem Magen wiegt.

Gefährlicher als der Aderlass selbst ist bei Weidetieren übrigens

die Übertragung von Tollwut-Viren durch Vampire.

Alle Vögel bauen Nester.

Unglaublich vielfältig sind die Bauwerke der Vögel. Vom

schlampigen Spatzennest bis zum kunstvoll geflochtenen Bau

eines Webervogels, vom offenen Napf einer Amsel bis zur

geschlossenen Kugel einer Schwanzmeise reicht die Skala.

Dabei werden die verschiedensten Materialen verarbeitet. Nicht

nur Halme und Äste sorgen dafür, dass Eier und Nachwuchs es

warm haben und weich liegen. Viele Schwalben bauen ihre

Nester aus Lehm, ebenso der Töpfervogel, dessen Junge in der

großen Tonkugel mit dem seitlich um die Ecke führenden

Eingang sowohl vor Hitze als auch vor Nesträubern gut

geschützt sind. Salanganen formen ihre kleinen Nestnäpfe aus

ihrer eigenen Spucke (siehe Seite 161). Spechte meißeln in

tagelanger Kleinarbeit Baumhöhlen. Das merkwürdige Thermometerhuhn

türmt riesige Komposthaufen auf, in denen es seine

Eier durch die Verrottungswärme ausbrüten lässt.

Auf der anderen Seite: Es geht auch ohne Nest. Woher sollten

zum Beispiel die Kaiserpinguine im ewigen Eis der Antarktis

Nistmaterial nehmen? Sie machen aus dem eigenen Körper ein

Nest, indem sie ihr Ei auf den Füßen balancieren und es mit

einer Bauchfalte einmummeln. Viele am Boden brütende

Nestflüchter - dazu gehören zahlreiche Seevögel - investieren

ebenfalls kaum Arbeit in aufwändige Nestkonstruktionen. Eine

in den Sand gedrehte Mulde, ein paar symbolische Halme oder

dekorative Muschelschalen genügen oft. Schließlich dient das

Provisorium nicht als Kinderstube, sondern nur als Brutstätte.

Die Kleinen sind wenige Stunden nach dem Schlüpfen schon

mit ihren Eltern auf und davon. Völlig auf den Nestbau

verzichten die Falken, die entweder Felsnischen nutzen oder

sich umsehen müssen, ob sie nicht einen günstigen Altbau

beziehen können, ein Krähennest vom Vorjahr etwa. Und

natürlich kommt auch der Kuckuck ganz ohne (eigenes) Nest

aus.

Alle Vögel können fliegen.

"Alle Vögel fliegen hoch!" Einen Vogel zu erkennen, ist

wirklich ein Kinderspiel: Er hat einen Schnabel, er hat Federn,

und wenn's brenzlig wird, fliegt er weg. Tatsächlich treffen die

beiden ersten Merkmale ausnahmslos zu. Das Fliegen jedoch

haben manche Vögel aufgegeben. Die Pinguine zum Beispiel,

die ihre Flügel allerdings noch zum "Flug unter Wasser"

benutzen. Die bekanntesten Fußgänger sind der größte aller

Vögel, der Vogel Strauß und seine Pendants aus Südamerika

(Nandu-Arten), Australien (Emu) und Neuguinea (Kasuar).

Auch die Nationalvögel Neuseelands, die merkwürdigen Kiwis,

haben nur noch winzige Flügelreste, versteckt unter einem

pelzähnlichen Federkleid. Die meisten Nicht-Flieger haben sich

wie die Kiwis auf Inseln entwickelt, auf denen ihnen keine

Feinde das Leben schwer machen. Oder machten, denn im

Gefolge des Menschen sind oft Ratten, Katzen, Marder oder

Füchse aufgetaucht. Kein Wunder, dass viele der wehrlosen

Vögel schnell ausstarben oder extrem selten geworden sind. Oft

hat auch der Mensch selbst nachgeholfen. Der pinguinähnliche

Riesenalk des Nordatlantiks landete ebenso im Kochtopf wie die

berühmte Dronte, ein truthahngroßer Vogel von Mauritius, von

dem außer einigen mumifizierten Körperteilen und skurrilen

Bildern nichts übrig blieb.

Nur Vögel haben Federn.

Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, ist das eine

Binsenweisheit. Schließlich weiß jeder, dass alle Vögel Federn

haben und dass ausschließlich die Vögel, und nicht etwa auch

noch andere Tier-Arten, befiedert sind. Kompliziert wird es erst,

wenn wir einen Blick in die Vergangenheit werfen. Der Urvogel

Archaeopteryx, der vor 140 Millionen dort flatterte, wo heute

Bayern liegt (von dem damals noch keiner sprach), ist an den

bei einigen Funden hervorragend erhaltenen Federabdrücken

zwar deutlich als Vogel erkennbar. Manche Urvögel mit sehr

schlecht erhaltenen Federn wurden allerdings erst nachträglich

identifiziert. Ihre Reste schlummerten in Museumsschubladen,

einsortiert bei den Reptilien. Am Skelett des Urvogels gibt es

nämlich kein einziges Merkmal, das nicht auch bei kleinen

Sauriern nachgewiesen ist. Wäre das Evolutions-Experiment

Archaeopteryx & Co nicht so erfolgreich verlaufen und gäbe es

heute keine Vö gel, würden Paläontologen den Urvogel ohne

größere Bauchschmerzen als merkwürdigen kleinen Saurier

klassifizieren. Noch schwieriger wird die scheinbar so einfache

Sache mit den Federn durch weitere Funde gefiederter Echsen

aus der Zeit kurz nach Archaeopteryx, die in den letzten Jahren

in China gelangen. Waren die Vögel also gar nicht das einzige

Federvieh der Erdgeschichte?

Alle Zugvögel fliegen nach Afrika.

Natürlich ziehen die amerikanischen Brutvögel ein Winterquartier

in Mittel- und Südamerika vor. Aber selbst wenn wir

den Blickwinkel auf unsere heimische Vogelwelt verengen,

stimmt das nicht. Denn bei weitem nicht alle Zugvögel gehören

zu den Fernwanderern wie der Storch, der im westlichen und

südlichen Afrika überwintert und im letzteren Fall zweimal im

Jahr über 10 000 Kilometer zurücklegen muss. Zahlreiche Arten

sind Kurzstreckenzieher, die damit lediglich den Härten des

Winters ausweichen. Das geht in Europa (wie wir alle wissen -

Mallorca lässt grüßen) schon an den Gestaden des Mittelmeers.

Viele dieser Vogel-Arten ziehen aber weniger nach Süden als

nach Westen. Denn im vom Meer geprägten Westeuropa mit

seinen milden Wintern lässt es sich schon gut aushalten. Manche

Mönchsgrasmücken, traditionell Überwinterer in Südeuropa,

haben in den letzten Jahren sogar England als Winterquartier

entdeckt und ziehen im Herbst nach Nordwesten statt in den

Süden.

Nicht immer nehmen Zugvögel den kürzesten Weg. Während

viele Kleinvögel das Mittelmeer nonstop überfliegen, machen

Störche und viele Greifvögel den Umweg über Gibraltar oder

den Bosporus. Die spezialisierten Segelflieger bedienen sich

lieber der Thermik über dem Festland, statt im kräfteraubenden

Schlagflug übers Meer zu ziehen. Schwieriger zu erklären ist der

weite Weg des Steinschmätzers. Der in ganz Europa und

Nordasien verbreitete Kleinvogel brütet auch in Nordamerika,

und zwar in Alaska und Ostkanada. Alle Steinschmätzer

überwintern in Afrika, auch die "Amerikaner", obwohl in

Südamerika geeignete Winterquartiere viel näher lägen. Dabei

wandern die Brutvögel aus Alaska nach Südwesten durch ganz

Sibirien, während die Kanadier, ebenso wie die Brutvögel

Grönlands und Islands, nach Südosten fliegend den Atlantik

überqueren. Wahrscheinlich vollziehen die Steinschmätzer mit

ihrer Zugroute jedes Jahr die nacheis zeitliche Eroberung ihrer

heutigen Brutgebiete nach.

Bei Vögeln sind Männchen immer schöner als Weibchen.

Abgesehen davon, dass Schönheitsempfinden subjektiv ist

und manchem vielleicht das vornehm dezente Muster der

Auerhenne besser gefällt als das protzig prangende Gefieder des

Hahns, lässt sich doch feststellen, dass das buntere und

auffälligere Geschlecht bei den Vögeln gewöhnlich das

männliche ist. Das hängt mit der Rollenverteilung bei Balz und

Brut zusammen. Männer übernehmen bei der Werbung meist

den aktiven Part, stellen sich zur Schau und spreizen sich vor

der holden Weiblichkeit, die dann die Wahl trifft - und nachher

oft den Hauptteil des Brutgeschäfts übernimmt.

Besonders exotisch gefärbt sind Männchen von Arten, die

sich in Balzarenen treffen und dort konkurrieren. Kampfläufer

zum Beispiel, bei denen jedes Männchen eine verschieden

gefärbte Halskrause hat, oder Paradiesvögel, das Nonplusultra,

was Gefiederfarbe, Federschmuck und skurrile Verhaltensweisen

anbelangt. Solche Unterschiede gibt es aber nicht

überall. Bei zahlreichen Vogel-Arten sind die Geschlechter

gleich gefärbt und, falls überhaupt, nur an winzigen Details zu

unterscheiden. Reiher, Störche, Gänse, viele Greifvögel,

Möwen, Seeschwalben, zahlreiche Watvögel, Tauben, Eulen,

aber auch Singvögel wie Rotkehlchen, Laubsänger oder Krähen

gehören zu dieser Gruppe. Und schließlich gibt es noch die

wenigen Fälle, in denen die Rollen vertauscht sind. Beim

Odinshühnchen und Thorshühnchen, trotz dieses Namens keine

Hühner-, sondern Watvögel des hohen Nordens, sind die

Weibchen prächtiger als die Männchen. Sie balzen und

übernehmen die Initiative bei der Begattung. Das nicht sehr

aufwändig gestaltete Nest wird überwiegend vom Männchen

gebaut, das auch das ganze Brutgeschäft erledigt - bis auf das

Eierlegen selbst natürlich. Damit ist die Partnerschaft auch

schon am Ende. Das Interesse des Männchens an seinem

Weibchen erlischt schlagartig, es konzentriert sich nun ganz auf

seine neue Aufgabe als Vater. Derweil hat seine Holde das

Brutgebiet meist schon längst verlassen.

WAL ist die Kurzform von Walfisch.

Dass Wale keine Fische sind, sondern Säugetiere, ist heute

(fast) jedem geläufig. Aber wie oft rutscht uns in unbedachten

Momenten der verräterische "Walfisch" heraus! Zu frappierend

ist die äußere Ähnlichkeit der Meeressäuger mit den Fischen,

eine Übereinstimmung allerdings, die nicht auf naher

Verwandtschaft, sondern auf gleich gerichteter Anpassung an

den Lebensraum Meer beruht. Die Evolution belohnt Energiesparer,

und die elegante Spindelform mit Heckantrieb (bei

Fischen mit einer senkrechten Schwanzflosse, bei Walen mit der

typischen waagerechten Fluke) ist für schnelle Hochseeschwimmer

optimal. Strömungsgünstiger können auch Techniker

nicht konstruieren. Unter der extravaganten Verpackung

entpuppt sich der Wal aber als typisches Säugetier mit einer

Lunge und warmem Blut. Statt eines Fells, das bei einem

dauernd im Wasser lebenden Tier nutzlos wäre, besorgt eine

Fettschicht die nötige Isolation. Wale wachsen im Mutterleib

heran und werden in den ersten Lebensmonaten gesäugt mit

einer Milch, die fünfzig Prozent Fett enthält (zum Vergleich:

Sahne hat nur fünfundzwanzig bis dreißig Prozent). In den

Vorderflossen der Wale verbergen sich altbekannte Knochen:

Schulterblatt, Oberarm, Elle und Speiche, Finger. Hinterbeine

sucht man allerdings vergebens. Bei frühen Walen äußerlich

noch sichtbar, sind sie im Lauf der Evolution verschwunden. Bei

den heutigen Walen erinnert nur noch eine äußerlich nicht

sichtbare Knochenspange, der Rest des rückgebildeten Be ckens,

daran, dass Wale vierbeinige Vorfahren hatten. Ganz funktionslos

ist der kleine Knochen aber noch nicht. Zumindest beim

Pottwal sitzt daran ein Teil der Muskulatur, die den Penis

aufrichtet. Schließlich benehmen sich Wale auch in intimen

Stunden ganz so, wie es sich für Säugetiere gehört...

Wale blasen beim Auftauchen Wasser aus.

Aus der Tiefe des Meeres taucht ein gewaltiger Körper auf.

Kaum hat der Wal die Wasseroberfläche erreicht, stößt er eine

hohe Wasserfontäne aus - jedenfalls in Comics und Trickfilmen.

In Wirklichkeit ist alles heiße Luft. Wie jedes andere Säugetier

hat auch der Wal eine Nasenöffnung. Allerdings liegt sie an

einer unkonventionellen Stelle: Im Lauf der Evolution ist sie

von vorne nach oben gewandert. Nach einem langen Tauchga ng

wird die verbrauchte, warme Atemluft mit lautem Zischen unter

hohem Druck ausgestoßen. Was dann passiert, kennt jeder aus

eigener winterlicher Erfahrung: In der kühlen Umgebung

kondensiert der Wasserdampf und es entsteht eine Wolke, bei

Walen "Blas" genannt. An dessen Größe und Form lassen sich

einzelne Wal-Arten sogar unterscheiden. Beim Blauwal schießt

der Blas in Form einer hohen dünnen Säule neun Meter empor.

Der Grauwal erzeugt mithilfe seiner beiden Nasenlöcher eine

doppelte, der Pottwal, der nur ein Blasloch hat, eine einzelne,

schräg nach vorn weisende Wolke.

Wale sind riesig.

Zwar stellen Wale mit dem Blauwal (bis 33 Meter Länge) und

dem Finnwal (bis 25 Meter) die größten Tiere der Erde .

Das heißt aber noch lange nicht, dass Wale

ausnahmslos riesig groß sind. Schauen wir an das andere Ende

der Größenskala der ungefähr neunzig Wal-Arten. Hier sind es

die vier Schwarz-Weiß-Delfin-Arten der Gattung Cephaiorhynchus,

die keine eineinhalb Meter lang werden. Der Jacobita, der

Chile-Delfin, der Heavyside-Delfin und der Hector-Delfin,

überaus aparte, schwarz und weiß gefärbte Erscheinungen,

passen mit diesen Maßen sogar noch in eine Badewanne.

Artgerechte Haltung wäre das allerdings nicht. Die Jacobitas

können mit siebzig Kilometer pro Stunde durch das Wasser

sausen. Wer diese winzigen Wale beobachten will, muss auf die

Südhalbkugel reisen. Aber auch der einzige regelmäßig in

einheimischen Gewässern der Nordsee kreuzende Wal, der

Schweinswal (Phocaena phocaena), ist mit eineinhalb bis knapp

zwei Meter Länge und 54 bis 65 Kilogramm Masse ein

Leichtgewicht unter den Walen.

Wale und Delfine gehören zu verschiedenen Tiergruppen.

Zwischen den elegant durchs Wasser schießenden, verspielten

Delfinen und den ruhig die Ozeane durchpflügenden

Riesenwalen scheinen Welten zu liegen, und doch sind Delfine

nichts anderes als kleine Wale. Leicht erkennbar ist das zum

Beispiel an der waagerechten Schwanzflosse, dem Blasloch und

den zu Flossen umgebildeten Armen. Im streng hierarchischen

System der Biologen bilden die Wale eine Ordnung der

Säugetiere. Die ungefähr neunzig Wal-Arten wiederum lassen

sich in Bartenwale (zehn Arten) und Zahnwale (etwa achtzig

Arten) unterteilen. Zu Ersteren, die ihre überwiegend aus

Plankton-Krebsen (Krill) bestehende Nahrung mit hornigen

Barten aus dem Wasser seihen, gehören die Riesen der Meere,

angeführt vom bis 33 Meter langen Blauwal. Noch der kleinste

Bartenwal, sinnigerweise Zwergglattwal genannt, wird fünf bis

sechs Meter lang. Die meisten Zahnwale sind kleiner als die

Bartenwale (der bis zu zwanzig Meter lange Pottwal ist die

Ausnahme). Ihnen steht der Sinn nach Habhafterem. Sie jagen

Fische und Tintenfische, der Schwertwal auch Robben und

andere Wale. Die Delfine, mit zwanzig Arten die

umfangreichste Familie der Wale, werden zwischen 1,2 und

viereinhalb Meter lang.

Vor strengen Wintern bilden Waldbäume viele Samen.

Ob ein Baum fruchtet oder nicht, hängt eher vom

vergangenen Frühjahr ab als vom kommenden Winter. Gutes

Flugwetter für die Pollen - die meisten heimischen Waldbäume

sind windbestäubt - ist eine Voraussetzung für reichen

Fruchtansatz. Auch die Kondition des Baumes spielt eine Rolle.

Eine Buche oder eine Eiche mit ihren großen, energiereichen

Samen kann sich nicht jedes Jahr voll verausgaben. Bei einer

Lebensdauer, die in die Jahrhunderte geht, ist das auch

überhaupt nicht nötig. Alle paar Jahre eine "Vollmast" genügt

vollauf. Der unregelmäßige Rhythmus der Samenproduktion hat

noch einen weiteren, wichtigen Vorteil: Er vermindert die

Verluste durch Pflanzen fressende Insekten. Viele Insekten sind

nämlich auf die Samen bestimmter Baumarten spezialisiert. Der

Eichelbohrer zum Beispiel, ein kleiner Rüsselkäfer, hat seine

Kinderstube in der Eichel. Gäbe es Jahr für Jahr ein hohes

Angebot an Eicheln, wäre das ein gefundenes Fressen für den

Eichelbohrer. Er könnte einen hohen Bestand aufbauen und

halten. Folgen aber mehrere magere Jahre aufeinander, können

sich jeweils nur wenige Käfer fortpflanzen. Einer plötzlichen

Eichelschwemme in einem Mastjahr stehen dann nur ein paar

Käfer gegenüber, die das riesige Angebot nicht nutzen können -

der Baum hat seinem Schädling ein Schnippchen geschlagen!

Kranke Bäume halten sich allerdings oft nicht an diese Regel.

Sie fruchten nicht selten jährlich, eine Art "Witwe-Bolte-

Effekt". Sie erinnern sich: Jede legt noch schnell ein Ei, und

dann kommt der Tod herbei.

Der Ausdruck "Mast" stammt übrigens aus einer Zeit, in der

die Schweine noch in den Wald getrieben wurden. Ein Mastjahr

mit vielen Bucheckern und Eicheln gab fette Schweine.

Die krautigen Pflanzen des Waldbodens sind Schattenpflanzen.

Alle Pflanzen brauchen Licht zum Leben (von wenigen

Parasiten mal abgesehen). Trotzdem stehen nicht alle gerne in

der prallen Sonne. Dort nämlich kann Wasser knapp werden.

Wenn die Pflanzen nicht gerade im Sumpf stehen, müssen

aufwändige verdunstungshemmende Maßnahmen das Austrocknen

verhindern. Im Schutz der Bäume kann man sich solche

sparen. Hier bleibt der Boden meist feucht. Dafür wird Licht zur

Mangelware. Unter den geschlossenen Baumkronen erreichen

nur wenige Prozent des Lichtes den Untergrund - zu wenig für

viele Pflanzen am Waldboden. Die Lösung des Dilemmas: In

Laubwäldern dehnt sich ein Blütenteppich aus Buschwindröschen,

Schlüsselblumen und Blausternen aus, solange die

Sonnenstrahlen ungehindert auf den Waldboden fallen, bevor

die Bäume ausschlagen also. Wenn die Bäume dann oben dicht

machen, ist unten alles schon gelaufen. Die unterirdischen

Speicherorgane sind für die nächste Saison gefüllt und Samen

gebildet.

Im Schatten dichter "Fichtenäcker" fehlt Unterwuchs dagegen

völlig. Den Lichtblick im Frühjahr gibt es hier nicht. Denn unter

den immergrünen, eng gepflanzten Nadelbäumen reicht das

Licht auch für "Schattenpflanzen" nicht zum Leben.

Wenn der Waldkauz ruft, kündet er den nahen Tod an.

Als die Menschen noch mit den Hühnern zu Bett gingen, war

die Welt nachts dunkel. Keine Straßenlaternen, keine

Leuchtreklame, keine hellen Fenster. Kerzen brannten allenfalls

noch am Bett schwer Kranker, die nächtlicher Pflege bedurften.

Licht aber zieht Nachtfalter magisch an. Warum, wissen wir bis

heute nicht genau. Aber wir können davon ausgehen, dass sich

früher, als Lichter viel knapper und Falter viel häufiger waren,

an einsamen Leuchtquellen ganze Wolken von Schmetterlingen

einfanden. Und natürlich auch ein paar Schmetterlings-

Liebhaber: Fledermäuse, Spitzmäuse, die die Abgestürzten

einsammelten, Steinkäuze und Waldkäuze. Und wenn Letztere

dann noch ihr durchdringend lautes "kjuwitt", also "komm mit",

ertönen lassen und im Verlauf der nächsten Ta ge, gar nicht so

unwahrscheinlich, der Todkranke stirbt - na, da kann man doch

fast verstehen, dass unseren Altvorderen der Ruf des

"Totenvogels" durch Mark und Bein ging!

Walnüsse sind Nüsse.

Als Nuss darf sich von Rechts wegen nur bezeichnen, was

außen eine harte Schale hat. Das ist bei der Walnuss zwar der

Fall, wenn sie auf dem Markt verkauft wird, nicht aber, wenn sie

noch am Baum hängt. Dann ist sie nämlich in eine grüne

fleischigfaserige Hülle verpackt, die erst zur Fruchtreife

aufspringt und die "Nuss" freigibt. Das Ganze nennt sich,

botanisch korrekt, einsamige Steinfrucht. Dass auch Pflaumen,

Pfirsiche und Holunder"beeren" Steinfrüchte sind, verblüfft

zunächst. Aber hier umgibt ebenfalls das Fruchtfleisch einen

harten Kern, der den Samen einschließt. Und die Kokosnuss?

Auch hier Fehlanzeige: Wie die Walnuss (und aus den gleichen

Gründen) wird sie als einsamige Steinfrucht bezeichnet. Nur die

Haselnuss enttäuscht uns nicht. Wenigstens sie findet auch vor

dem strengen Auge des Botanikers Gnade: eine echte Nuss.

Alle Wanzen saugen Blut.

"Flöh' und Wanzen gehören auch zum Ganzen". Ob Goethe

damit resignierend die Realität bedichtet oder schon ganz

moderne Einsichten in ökologische Zusammenhänge? Ihr

Blutsauger-Image verdanken die Wanzen vor allem der

flügellosen Bettwanze, die nächtens aus Matratzenritzen

krabbelnd unschuldige Schläfer ansticht. Verbesserte Hygiene

setzte dem zu Goethes Zeiten noch weit verbreiteten Ungeziefer

schwer zu. In Mitteleuropa eine Bettwanze zu finden, ist

inzwischen ein echtes Kunststück. Vor Menschenblut saugenden

Wanzen muss man bei uns deshalb keine Angst mehr haben.

Südamerikareisende dagegen sollten sich vor Raubwanzen

hüten. Sie können einen gefährlichen parasitischen Einzeller

übertragen, der die Chagas-Krankheit hervorruft.

Zwar haben alle Wanzen einen Stechrüssel. Sehr viele Arten

saugen damit aber nur Pflanzensäfte. Die räuberisch lebenden

Arten erbeuten ganz überwiegend andere Insekten. Manche

spielen deshalb auch bei der biologischen Schädlingsbekämpfung

eine wicht ige Rolle.

Waschbären waschen ihr Futter, bevor sie es fressen.

Eigentlich müsste er nicht Waschbär, sondern "Tastbär"

heißen. Ohne genau hinzusehen tastet er mit den Pfoten im

seichten Wasser kleiner Bäche nach Beute, sucht in Ritzen,

Spalten und unter Steinen nach Krebsen, Würmern, Schnecken

oder Insektenlarven. Was er erbeutet, wird beschnuppert und,

falls essbar, gründlich durchgekaut. Den Waschzwang scheinen

nur gefangene Waschbären zu entwickeln, die sich dieser von

ihnen bevorzugten Art des Beutefangs nicht hingeben können.

Sie beginnen, ersatzweise Futter ins Wasser zu werfen und zu

"waschen", oder führen sogar die entsprechenden Bewegungen

als reine Trockenübung durch, wenn Wasser ganz fehlt.

Ohne Wasser gibt es keine Frösche.

Frösche lieben das Wasser. Das heißt aber nicht, dass sich

jeder Frosch nur wohl fühlt, wenn ihm das Wasser bis zum Hals

steht. Einen richtigen Wüstenfrosch gibt es in der Sonorawüste

Nordamerikas. Der Schaufelfuß überdauert, metertief eingegraben

in Höhlungen, die er mit Schleim auskleidet, elf Monate

Trockenheit. Das Trommeln des Regens auf der Erdoberfläche

erweckt ihn zum Leben. Jetzt geht's in Windeseile um die beiden

wichtigsten Dinge der Erde: Fressen und Sex. Eine einzige

Nacht im Jahr schallt ein vielstimmiges Froschkonzert durch die

Wüste, dann wird gelaicht.

Dort, wo der Gesprenkelte Kurzkopffrosch lebt, geht es sogar

noch extremer zu. In der südafrikanischen Küstenwüste regnet

es so gut wie nie. Feuchtigkeit bringt nur der Nebel. Die Frösche

"trinken" das kondensie rte Wasser durch die Haut. Selbst die

Kinder dürfen nie schwimmen. Ihre Eier, aus denen direkt kleine

Fröschchen schlüpfen, legen die Weibchen in den Sand und

decken sie zum Schutz gegen Austrocknung mit einer Schicht

unbefruchteter Eier ab.

Holz schwimmt immer auf dem Wasser.

Mit Wasser vollgesaugt, sinkt fast jedes Holz. Selbst

Balsaholz, in trockenem Zustand mit einem spezifischen

Gewicht von 0,18 fünfmal leichter als Wasser, geht dann unter.

Ungewöhnlich ist aber Holz, das selbst in trockenem Zustand

nicht schwimmt. Sein sprechender Name: Eisenholz. So werden

die Hölzer einiger Baum-Arten bezeichnet, die alle extrem

schwer und hart sind. Zum Teil lassen sie sich nur maschinell

bearbeiten, mit Äxten steht man ihnen machtlos gegenüber.

Genutzt werden sie heutzutage für Eisenbahnschwellen,

Telegrafenmaste, Turngeräte und - Geigenbögen. Ihre Dichte

kann bis zu 1,4 Gramm pro Kubikzentimeter betragen, womit

sie fast den eineinhalbfachen Wert von Wasser erreichen. Klar,

dass sie untergehen wie ein Stein. Trotzdem bauten die

Polynesier früher Kanus aus solchem Holz, weil es sehr

widerstandsfähig ist. Ihre zweite Verwendung für das eisenharte

Holz: Streitkolben.

Wasserflöhe sind Insekten.

In Größe und Form bestehen zwar gewisse Ähnlichkeiten,

aber ansonsten sind der eigentliche Floh, ein blutsaugendes

Insekt, und der Wasserfloh, ein kleiner Krebs, nur sehr entfernt

miteinander verwandt. Der Gemeine Wasserfloh ist drei bis vier

Millimeter lang und schwimmt hüpfend (eine weitere Parallele

zum Floh) mithilfe seiner langen, gefiederten Antennen in

Teichen und Tümpeln. Die eigentlichen Beine sitzen in der

glasartig durchsichtigen, zweiklappigen Schale, die den ganzen

Körper umhüllt. Mit ihnen filtert der kleine Krebs Plankton-

Algen aus dem Wasser.

Weberknechte sind echte Spinnen.

Die Langbeine mit dem Kugelkörper sind ohne Zweifel

Spinnentiere, wie ein schnelles Abzählen der acht Beine

bestätigt, zwischen denen der kugelförmige und erst auf den

zweiten Blick als zweigeteilt erkennbare Körper aufgehängt ist.

Aber in die Ordnung der Echten Spinnen oder Webspinnen

(Araneae) gehören die Weberknechte oder Kanker nicht. Ihnen

fehlen Spinndrüsen ebenso wie die für die Webspinnen

charakteristischen Giftdrüsen an den Zangen der rechts und

links der Mundöffnung stehenden Cheliceren. Dafür haben

Kanker Stinkdrüsen zur Verteidigung. Apropos acht Beine: Oft

begegnet man auch Weberknechten, die weniger als diese für

Spinnentiere vorgeschriebene Anzahl aufweisen. Das hängt

damit zusammen, dass Weberknechte bei Feindberührung Beine

abwerfen. Ein eigenes Erregungszentrum lässt das geopferte

Beinchen noch eine halbe Stunde zucken. Eine gute Ablenkung

für Spinnenjäger, die es dem verfolgten Weberknecht nicht

selten erlaubt, sich klammheimlich auf den restlichen sieben

(oder sechs, fünf, vier, drei) Beinen zu verdrücken.

Nur Weibchen gebären Junge.

Das weibliche Geschlecht ist durch die Produktion von

Eizellen definiert. Insofern dürfte es von der Regel, dass die

Weibchen die Kinder gebären, keine einzige Ausnahme geben.

Gibt es aber doch: Bei den Seepferdchen winden sich beide

Partner in einem komplizierten Paarungstanz umeinander. Dabei

übergibt das Weibchen seine Eier. Das Männchen besamt sie

und versorgt sie in einer Bruttasche am Bauch, die nur eine

kleine, durch einen Muskel verschließbare Öffnung hat. Erst

wenn die Jungtiere das Larvenstadium hinter sich haben, werden

sie unter wehenartigen Erscheinungen aus der Tasche gepumpt.

Vermutlich wird die Geburt, wie es für "normale" Geburten

durch weibliche Tiere üblich ist, durch ein Hormon ausgelöst.

Noch viel extravaganter geht es beim südamerikanischen

Darwin-Nasenfrosch zu. Hier legt ein Weibchen zwanzig bis

vierzig Eier, die von mehreren Männchen befruchtet und

bewacht werden. Später nimmt jeder der Väter einige Eier ins

Maul und verstaut sie im Kehlsack. Dort schlüpfen die

Kaulquappen, die zunächst von ihren Dottervorräten leben,

später vermutlich aber auch vom Vater eigens hergestellte

Nährflüssigkeit aufnehmen. Erst nach der Umwandlung zu

kleinen Fröschen gehen sie, nachdem sie durch den Mund

"geboren" wurden, ihrer Wege.

Der Weihnachtsstern hat große rote Blütenblätter.

Die großen roten "Blüten" der Weihnachtssterne sind richtige

Hingucker, schon von weitem leuchten sie einem entgegen. Und

genau das ist ihre Aufgabe: Die Anlockung von Insekten, die die

Blüten bestäuben sollen. Nur wer genauer hinsieht, entdeckt den

Trick des Weihnachtssterns (den so oder ähnlich viele Pflanzen

anwenden): Es sind gar nicht die Blüten, die hier Reklame

machen, sondern rot gefärbte Laub- oder Hochblätter, zwischen

denen klein und unauffällig die eigentlichen Blüten dieses

Wolfsmilchgewächses stehen. Sind die Insekten erst mal vor

Ort, finden sie die Nektarquelle natürlich und bestäuben den

Weihnachtsstern.

Der Weissstorch bringt die Kinder.

Meister Adebar heißt er in Niederdeutschland. "Bar" bedeutet

"Träger" - schon mit diesem alten Namen wird auf den Storch

als Kinderbringer angespielt, der die Neugeborenen im Schnabel

trägt. Neben der Schwalbe gilt vor allem der Storch als

klassischer Frühlingsbote. Als Bringer neuen Lebens nach dem

langen Winter war er den Germanen Götterbote, heiliger Vogel

Donars, Sinnbild göttlichen Segens. Hier dürften die Wurzeln

der weit verbreiteten Legende vom Nachwuchs bescherenden

Storch liegen. Wobei sich um die Störche noch viel mehr

verschiedene Geschichten ranken, kein Wunder bei einem so

auffälligen Vogel, der sich dem Menschen enger als alle anderen

angeschlossen hat. Störche auf dem Haus bringen nicht nur

Kindersegen, sondern weiteres Glück und Wohlstand, sie

schützen vor Blitzschlag und Feuer oder ahnen wenigstens,

wenn solches bevorsteht und warnen dann durch Spektakel oder

den Abtransport ihrer Jungen. Umgekehrt meiden sie Häuser, in

denen Unfrieden herrscht. Und beziehen sie im neuen Jahr das

alte Nest nicht wieder, ist das ein schlechtes Omen. Andernorts

spielt der Storch die Rolle des Osterhasen. Und wem das alles

zu viel ist, dem bleibt immer noch der Stoßseufzer: "Erzähl mir

doch keinen vom Storch!"

Weizenkörner aus der Pharaonenzeit sind noch keimfähig.

Viele Pflanzensamen sind gegen Kälte, Hitze und Trockenheit

weit gehend gefeit. Jahre- oder jahrzehntelang schlummern sie

im Boden und warten auf ihre Stunde. Berühmt ist die Wüste,

die über Nacht ergrünt, nachdem einer der seltenen Regengüsse

niedergeprasselt ist. Wie lange ein Samen keimfähig bleibt, ist

von Art zu Art sehr unterschiedlich. Pflanzen des tropischen

Regenwaldes haben es nicht nötig, längere Durststrecken zu

überdauern. Ihre Samen bleiben oft nicht einmal ein Jahr am

Leben. Viele unserer einheimischen Pflanzen dagegen können

im Boden unter weit gehendem Sauerstoffabschluss ein- bis

zweihundert oder sogar noch mehr Jahre überdauern. Das

erklärt, warum manche in einem Gebiet verschollen geglaubte

Pflanze plötzlich wieder auftauchen kann. Der Überlebens-

Rekord? Ein heißer Anwärter ist die Lotosblume, bei der auch

ein tausendjähriger Samen noch austreiben können soll. Der

Weizen gehört allerdings nicht zu den Spitzenreitern. Nach zehn

Jahren ist Schluss. Dass es in dem Topf, in dem versuchshalber

einige der uralten Getreidekörner aus dem Grabe des

ägyptischen Pharaos Tutench-Amun (gestorben 1337 v. Chr.)

ausgesät worden waren, bald grünte, stimmt aber. Nur war es

nicht der antike "Mumienweizen", der da keimte, sondern eine

höchst neuzeitliche schlichte Quecke, die sich in die Probe

eingeschmuggelt hatte.

Nur der Mensch verwendet Werkzeuge.

Als der Mensch widerstrebend von seiner biologischen

Sonderrolle Abschied nehmen und sich als Teil des Tierreichs

begreifen musste, besann er sich um so intensiver auf Merkmale

und Eigenschaften, die seine Ausnahmestellung unter den

Tieren rechtfertigen sollten. Dabei spielten die Werkzeuge eine

entscheidende Rolle. Auf sie gründen sich die ersten fassbaren

Kulturen der (nicht von ungefähr so genannten) Steinzeit. Und

es ist auch nicht ganz zufällig, dass die Grenzlinie zwischen den

frühen Vormenschen Australopithecus und den Frühmenschen

unserer eigenen Gattung Homo genau an dieser Stelle gezogen

wurde. Lange galt Homo habilis, wörtlich übersetzt der

"befähigte Mensch", als erster eigentlicher Mensch und Vorfahr

aller späteren Menschenformen. Zusammen mit seinen Resten

wurden grob behauene Steinwerkzeuge gefunden.

Diese Vorbemerkung ist notwendig, um die Bedeutung der

Werkzeug-Diskussion verstehen zu können. Es hat sich nämlich

herausgestellt, dass Werkzeuggebrauch zwar selten ist, aber

durchaus nicht auf den Menschen beschränkt. Ebenso notwendig

ist aber auch, festzulegen, was denn nun unter Werkzeuggebrauch

genau zu verstehen sei. Im Lehrbuch hört sich das so

an: Werkzeuggebrauch sei die "Anwendung externer Objekte

zur funktionalen Erweiterung des Körpers, um ein unmittelbares

Ziel zu erreichen". Schleudert ein Schmutzgeier ein Straußenei

gegen einen Stein, um es zu knacken, liegt kein Werkzeug-

gebrauch vor, sehr wohl aber, wenn er den Stein gegen das Ei

schleudert. Schubbert sich der Elefant am Baum, benutzt er kein

Werkzeug; kratzt er sich mittels eines Stockes am Rücken, ist

der Stock ein Werkzeug.

Bekannte Werkzeugbenutzer sind die Spechtfinken von

Galapagos. Sie nehmen einen abgebrochenen Kaktusstachel in

den Schnabel und stochern mit ihm in Rindenritzen und

Löchern, um Insekten und deren Larven zu erbeuten. Man ist

sogar geneigt, dem Vogel nicht nur Werkzeuggebrauch, sondern

auch Intelligenz zuzugestehen. Schließlich ist dieses Verhalten

nicht komplett angeboren; es beruht wenigstens zum Teil auf

komplexen Lernprozessen. Ein zweites Beispiel: die Seeotter

der nördlichen Pazifikküste. Sie tauchen im Meer nach Nahrung.

Schnecken, Muscheln und Seeigel stehen auf ihrem Speiseplan,

Tiere die durchaus nicht einfach zu erbeuten und verzehren sind.

Der Seeotter bedient sich zu diesem Zweck eines Werkzeugs.

Die fest am Untergrund sitzenden Meerohren bearbeitet er mit

einem großen Stein, den er geschickt zwischen den

Vorderpfoten hält. Manchmal sind mehrere Tauchgänge nötig,

bis die großen Meeresschnecken besiegt sind. Gegessen wird

dann an der Oberfläche. Um Muscheln zu knacken, schwimmt

der Seeotter auf dem Rücken, legt sich einen Stein auf den

Bauch und hämmert die Beute so lang dagegen, bis die Gehäuse

zerbrechen. Bevor er wieder abtaucht, klemmt er seinen

kostbaren Amboss-Stein unter die Achsel, damit er nicht

verloren geht.

Natürlich dürfen die Affen in diesem Zusammenhang nicht

fehlen. Auf sie konzentrierten sich Beobachtungen und

Versuche über Werkzeuggebrauch und einsichtiges Verhalten,

teils, um die Unterschiede zwischen ihnen und uns zu

manifestieren, teils, um sie zu verwischen. Jahrelange

Forschungsarbeiten in Afrika haben gezeigt, dass Schimpansen

die verschiedensten Werkzeuge verwenden und dabei auch

vorausdenken, wenn zum Beispiel ein Stein zum Nüsseknacken

von weither mitgebracht wird.

Wenn der Mensch als Werkzeugbenutzer schon nicht einzig

dasteht, dann vielleicht wenigstens als Werkzeugmacher? Denn

einen Gegenstand ge zielt zu manipulieren, damit er erst seine

geplante Funktion erfüllen kann, zeugt von noch größerem

Überblick als nur einfach einen zufällig herumliegenden

Gegenstand zu verwenden. Aber auch das machen schon

Schimpansen, wenn sie sich aus zerknüllten und zerkauten

Blättern einen Schwamm formen, mit dem sie Trinkwasser aus

einem Astloch holen. Oder wenn sie Stöcke vorne fein

ausfasern, weil man damit viel besser Termiten aus dem Bau

angeln kann als mit glatten Ästchen.

Die Wespen eines Staates überwintern gemeinsam im

Nest.

Sie tanzen nur einen Sommer: Wer im Winter auf seinem

Dachboden ein großes Wespennest entdeckt, muss nicht um

seine körperliche Unversehrtheit fürchten. Was im Sommer

riskant ist - nämlich allzu große Nähe zu den großen grauen

Papierkugeln, die die gut bewachten Waben enthalten - birgt

jetzt keine Gefahren mehr. Der Wespenstaat ist längst

ausgestorben. Lediglich die befruchteten Königinnen überwintern,

gut geschützt in Ritzen und hohlen Bäumen. Sie

gründen im nächsten Frühjahr neue Staaten an neuen Stellen und

ziehen die erste Generation von Arbeiterinnen auch selbst auf.

Erst wenn diese Nestbau und Futtersuche übernehmen, kann

sich die Königin auf ihre eigentliche Aufgabe, die Fortpflanzung,

konzentrieren und bleibt zu Hause. Wer meint, die

ersten im Frühjahr fliegenden Wespen seien besonders groß, hat

übrigens Recht. Die Wespenköniginnen sind tatsächlich viel

größer als die Arbeiterinnen.

Winterschläfer erwachen erst im Frühjahr.

Heizung kostet Energie. Und Energie ist kostbar. Winterschlaf

ist Energiesparschlaf. Durch eine gezielte und kontrollierte

Absenkung der Körpertemperatur lässt sich lange Zeit

durchhalten, ohne Nahrung aufnehmen zu müssen. Für unsere

heimischen Fledermäuse, allesamt Winterschläfer, liegt der

Vorteil auf der Hand : Als Insektenfresser haben sie im Winter

kaum etwas zu beißen. Sie können aber von ihrem im Herbst

angesammelten Fettdepot (einem vollen Öltank vergleichbar)

zehren, bis wieder Nahrung herumschwirrt. Wenn auch der

Winterschlaf den ganzen Winter über dauert, wird er doch

immer wieder unterbrochen. Zum Beispiel, wenn es zu kalt

wird. Dann droht Einfrieren. Die Alarmglocken läuten, die

Heizung springt an und das Tier sucht sich einen sichereren

Platz. Andere Winterschläfer erwachen routinemäßig. Wozu

hätte der Feldhamster seine Vorräte gehamstert, wenn er sie

nicht brauchte? Alle paar Tage unterbricht er seinen

Winterschlaf, um seiner wohl gefüllten Speisekammer einen

Besuch abzustatten. Ein anderer Nager, der Siebenschläfer,

sammelt keine Vorräte, sondern frisst sich, ähnlich wie die

Fledermäuse, einen "Ranzen" an. 120 Gramm wiegt er im

Herbst. Ein Drittel seines Gewichts hat er bis zum Frühjahr

verloren. Er erwacht wesentlich seltener als der Hamster;

schließlich kostet jedes Aufheizen Energie. Am fettesten mästen

sich die Murmeltiere, die im Herbst so dick sind, dass sie kaum

mehr laufen können. Sie brauchen das auch, denn der Winter ist

in den Hochlagen der Alpen lang und streng. Dann schlafen sie

wie die Murmeltiere, von Oktober bis Mai. Aber auch sie

erwachen zwischendrin etwa alle vierzehn Tage, um sich zu

entleeren, ein wenig Körperpflege zu betreiben und ihr Heubett

wieder aufzuschütteln.

Wölfe greifen Menschen an.

Gruselgeschichten über Wölfe, die Kinder rauben, russische

Schlittenfahrer zu Tode hetzen oder den einsamen Trapper am

Feuer in der Wildnis immer enger umkreisen sind Legion. Fast

unglaublich, dass es trotz umfangreicher Recherchen

anscheinend keinen einzigen gut dokumentierten Fall einer

solchen Menschenjagd gibt. Das Angst erregende nächtliche

Wolfsgeheul, ihr im Schutz der Dunkelheit (wenn wir uns

draußen sowieso nicht mehr richtig wohlfühlen) geringer

werdender Respekt vor Menschen oder die Jagd im Rudel haben

vermutlich ebenso zur Legendenbildung beigetragen wie ihre

manchmal wirklich verheerenden Überfälle auf Weidetiere.

Trotzdem haben die Wolfsgeschichten sicher auch einen wahren

Kern. Vor allem in Kriegs- und Seuchenzeiten im Mittelalter

dürften Wölfe auf Beutesuche "frech" bis in kleine Dörfer

vorgedrungen sein und sich vielleicht gar als Leichenfledderer

betätigt haben.

Zecken lassen sich von Bäumen herunter auf Mensch und

Tiere fallen.

Nicht von oben, von unten droht die Gefahr. Schließlich legen

die Zeckenweibchen ihre ein- bis dreitausend Eier am Erdboden.

Die Zeckenkinder krabbeln nicht gleich auf Bäume, sondern

meist nur auf Grasspitzen. Dort warten sie mit ausgebreiteten

Beinen auf eine Gelegenheit. Geduld ist die große Stärke der

Zecken. Ein Jahr zu hungern macht ihnen wenig aus. Auch

wenn sie einen Wirt gefunden haben, bohren sie nicht gleich

ihren Rüssel in die nächstbeste Stelle. Nicht selten wandern sie

noch stundenlang herum und entscheiden sich dann oft für eine

behaarte Hautpartie. Also: Zur Zeckenbissprävention beginne

man die Nachsuche nach einem Waldspaziergang an den Beinen

und arbeite sich dann langsam nach oben. Nur selten findet man

tatsächlich einmal eine Zecke auf dem Kopf. Die kam dann aber

in den wenigsten Fällen von oben, sondern hat meist schon

einen weiten Weg zurückgelegt.

Zecken muss man aus der Haut herausdrehen.

Linksrum oder rechtsrum? Unterm Mikroskop zeigt der

Zeckenrüssel kein Gewinde. Eher gleicht seine Oberfläche einer

groben Raspel mit vielen nach rückwärts gerichteten Zähnchen.

Diese Widerhaken muss man mit sanfter Gewalt vorsichtig

ziehend aus der Haut lösen. Bricht der Rüssel ab, kann sich die

Stichstelle böse entzünden. Um das zu verhindern, kursieren

allerlei Hausrezepte. Alle sollen sie die Zecke zu freiwilligem

Verzicht bewegen. Oft wird ein Tröpfchen Öl oder Klebstoff

empfohlen. Damit soll der Zecke die Luftzufuhr abgeschnitten

werden. Weil es aber stundenlang dauert, bis der Holzbock in

Atemnot gerät und dann vielleicht loslässt, raten Mediziner

davon ab. Je länger die Zecke saugt (und je mehr Stress man ihr

macht), desto größer die Gefahr einer Infektion mit

Krankheitserregern, die sich in ihrem Speichel tummeln.

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine lebens bedrohende

Hirnhautentzündung, oder die von Bakterien hervorgerufene

Lyme-Borreliose werden durch Zecken übertragen.

Erstere künd igt sich durch heftige Kopfschmerzen an, Letztere

durch eine sich ringförmig ausdehnende Rötung um die

Stichstelle. Diese Wanderröte sollte einen auf jeden Fall zum

Arzt wandern lassen. Wie so oft bei Blutsaugern ist also die

Zecke selbst das kleinste Problem.

Zellen sind winzig klein.

Erst die Erfindung von Mikroskopen erschloss den neugierigen

Naturwissenschaftlern den Mikrokosmos. Eine ihrer wichtigsten

Erkenntnisse war, dass alles Lebendige in Zellen organi-

siert ist: Die Zelle ist die Einheit des Lebens. Schon eine Einzelzelle

kann ein vollständiger Organismus sein. Am unteren Ende

der Größenskala stehen die Mycoplasmen, mit einem

Durchmesser von 0,1 bis ein Mikrometer echte Bakterien-

Zwerge (ein Mikrometer ist 1/1000 Millimeter). Normale

Bakterienzellen sind mit ein bis zehn Mikrometer schon eine

Zehnerpotenz größer. Und noch zehnmal länger, nämlich meist

zehn bis hundert Mikrometer, sind die Zellen von Eukaryoten

(allen Einzellern, Pilzen, Pflanzen und Tieren also), was

bedeutet, dass sie den tausendfachen Inhalt eines Bakteriums

haben. Große Einzeller wie Pantoffeltierchen sind mit bloßem

Auge immerhin schon deutlich sichtbar. Und bei den größten

Einzellern ist das vollends kein Problem mehr. Die im

Mittelmeer lebende Schirmchenalge Acetabularia - sie ähnelt

einem zarten langstängeligen Hutpilz mit einem Hut-

Durchmesser von über einem Zentimeter- besteht zum Beispiel

nur aus einer einzigen Zelle. Noch größer mit bis zu 7

Zentimeter Länge ist die Schlauchalge Caulerpa 

aus dem Mittelmeer. Sie steuert den Stoffwechsel ihrer

Riesenzelle aber mit vielen Kernen. Funktioniell ist sie damit

eher ein Vielzeller, denn jeder Zellkern regiert seine Umgebung,

sodass es nicht zu einem Informationswirrwarr kommen kann.

Auch in Vielzellern gibt es unterschiedlich große Zellen.

Nehmen wir einfach uns selbst als Beispiel. Menschenzellen

sind gewöhnlich fünf bis zwanzig Mikrometer groß, je nach

Gewebeart. Besonders groß ist die Eizelle mit gut 0,1

Millimeter. Das ist allerdings gar nichts gegen die la ngen,

dünnen Fortsätze der Nervenzellen, die fast einen Meter lang

werden können. Das größte Volumen haben aber die Eizellen

von Vögeln und Haien. Selbst beim Vogel Strauß entspricht der

Eidotter einer einzigen Zelle!

 

Alle Zellen haben einen Zellkern.

Dass es auch ganz ohne geht, zeigen die Prokaryoten,

Lebewesen ohne Zellkern. Zu ihnen gehören mit den Bakterien

und den Blau"algen" echte Erfolgsmodelle der Evolution. Alle

anderen Lebewesen, ob Einzeller oder Pflanze, Tier oder Pilz,

werden als Eukaryoten bezeichnet. Bei ihnen ist der

überwiegende Teil der genetischen Information (Informationsträger

ist die Erbsubstanz DNA) von einer Doppelhülle

umgeben. Der dadurch gebildete Zellkern birgt also die zentrale

Steuereinheit der Zelle. Vom Normalfall - einem Zellkern pro

Zelle - gibt es allerdings zahlreiche Abweichungen. Schleimpilze

zum Beispiel kriechen als mehrere Zentimeter große

Plasma-Masse durch die Wälder, in der zahlreiche Kerne ohne

trennende Zellwände eingebettet sind. Auch unter Grünalgen

gibt es ähnliche Fälle mit vielkernigen Riesenzellen. Dazu

gehört etwa die Schlauchalge Caulerpa mit ihrer meterlang

kriechenden Hauptachse, der zehn bis zwanzig Zentimeter hohe

grüne "Blattlappen" entsprießen - das ganze vielkernig ohne

eine einzige Zwischenwand. Einen Spezialfall haben wir bei den

einzelligen Wimpertierchen, deren bekanntestes das

Pantoffeltierchen ist. Es hat zwei verschiedene Sorten von

Zellkernen. Ein großer Kern, der zahlreiche Kopien des Erbguts

enthält, steuert den gesamten Stoffwechsel, ein oder viele kleine

Kerne die sexuelle Fortpflanzung.

Ziegenmelker melken Ziegen.

Dieser Anschauung frönten schon die alten Römer. Plinius,

dessen Biologiebücher (Historia naturalis) von skurrilen

Geschichten nur so strotzen, schildert, wie dieser Vogel

nächtens die Ziegen aufsuche, um ihnen die Milch auszusaugen,

wovon die Haustiere blind würden. Caprimulgus nennt Plinius

den Missetäter, was nichts anderes als Ziegenmelker heißt.

Noch heute hört die Gattung auf diesen wissenschaftlichen

Namen. Sicher fördert das geheime Leben des Ziegenmelkers

die Legendenbildung. Tagsüber bekommt man den hervorragend

getarnten Vogel mit dem rindenfarbenen Gefieder fast nie zu

Gesicht. Nachts ist er unterwegs, um mit seinem riesigen

Keschermaul fliegende Insekten zu erbeut en. Wenn er wie ein

Nachtgeist um draußen weidende Herden flog, schien es wohl

manchem übernächtigten Hirten, er suche hier mehr als vom

Vieh aufgescheuchte Käfer und Falter.

Zitronen enthalten das meiste Vitamin C.

Zitrusfrüchte gelten als Vitaminbomben, täglicher Genuss als

sicherer Schutz vor Erkältung und Arztbesuch. Tatsächlich

enthält das Fruchtfleisch einer Apfelsine fünfzig Milligramm

Vitamin C auf hundert Gramm, eine Grapefruit kommt auf 44

Milligramm, eine Zitrone auf 53 Milligramm, während die

Mandarine mit dreißig Milligramm nicht ganz so gut

abschneidet. Übertroffen werden die sauren Früchte aber von

einer süßen, der man den hohen Gehalt an Ascorbinsäure (=

Vitamin C) gar nicht zutraut: Mit hundert Gramm Erdbeeren hat

man 64 Milligramm Vitamin C und damit fast schon die von

vielen Ernährungswissenschaftlern empfohlene Tagesration von

75 Milligramm zu sich genommen. Mit einigen anderen

Früchten läuft man sogar schon Gefahr einer kräftigen

Überdosierung (wie sie von immer mehr Ärzten inzwischen

sogar verschrieben wird). 177 Milligramm enthalten Schwarze

Johannisbeeren, 300 Milligramm Vitamin C verspeist man mit

einer hundert Gramm wiegenden Kiwifrucht. Spitzenreiter sind

aber zwei einheimische Wildpflanzen: der Sanddorn mit

einhundert bis eintausendzweihundert Milligramm und die

Hagebutten, die (je nach Rosenart, deren Früchte sie sind)

zwischen 250 und sagenhaften 2900 Milligramm enthalten -

kein Wunder, dass sie so sauer schmecken! Nebenbei bemerkt:

Vitamin C ist nicht nur in leckeren Früchten versteckt, sondern

auch in (zumindest von Kindern meist weniger geschätztem)

Gemüse. Spinat zum Beispiel (52 Milligramm pro hundert

Gramm) kann durchaus mit der Orange mithalten. Und die Inuit,

arktische Jäger, kauten die Haut des Narwals durch, um ihren

Bedarf an Vitamin C zu decken.

Zunder ist trockenes Holz zum Feuer machen.

Als Feuer noch nicht per Zündholz oder Feuerzeug auf Abruf

stand, war Feuer machen eine mühevolle Angelegenheit.

Entweder schlug man Funken mittels Feuersteinen und

Pyritknollen oder man erzeugte mit dem Feuerbohrer

Reibungswärme. In beiden Fällen musste der Funke auf etwas

äußerst leicht Brennbares überspringen, bevor dann an einem

kleinen Glutherd zunächst trockenes Gras und später Holzspäne

angezündet werden konnten. Was da "brennt wie Zunder" und

anschließend lange glüht ist kein Holz, sondern ein Pilz. Der

Echte Zunderschwamm ist ein Porling, der in großen Konsolen

an geschwächten Laubbäumen wächst, wobei er Buchen

bevorzugt. Zur Zundergewinnung wird sowohl die unten

liegende Röhrenschicht als auch die harte Huthaut entfernt.

Dann wird die wergartige Substanz des Hutes so lange geklopft,

bis sie weich ist. Zunder führte schon der legendäre

Steinzeitmensch "Ötzi" mit, um aus winzigen Funken Glut

erzeugen zu können - und vielleicht auc h als Erste Hilfe, denn

Zunder diente auch zum Blutstillen.

Zwerghasen sind Hasen.

Mehr über die wahre Natur dieser beliebten Haus- und

Schmusetiere finden Sie unter dem Stichwort Stallhase.

Zwergschimpansen sind zwergwüchsige Schimpansen.

Tatsächlich wurde die heute als Bonobo bekannte dritte

afrikanische Menschenaffen-Art (neben Schimpanse und

Gorilla) im Jahr 1929 zunächst als ebendas beschrieben, als

besonders kleinwüchsige Unterart des Schimpansen nämlich.

Schon vier Jahre später wurde klar, dass die im Regenwald

südlich des Kongoflusses lebenden Bonobos weder Zwerg noch

Schimpanse sind. Die erste Beschreibung der Art basierte

einfach auf sehr kleinen Individuen. Bonobos sind zwar

zierlicher gebaut als Schimpansen, aber im Allgemeinen nicht

wesentlich kleiner. Sie sind etwas schlanker und haben längere

Arme und Beine. Sie verlassen die Bäume seltener, sind aber auf

dem Boden mehr auf zwei Beinen unterwegs. Ihr Kopf ist

rundlicher, die Schnauze steht weniger weit vor; Bonobos

machen dadurch einen etwas kindlicheren Eindruck und wirken

noch menschenähnlicher als die Schimpansen. Besonders stark

unterscheiden sie sich aber im Sozialverhalten. Anders als bei

ihren nahen Verwandten bestehen Bonobo-Trupps fast immer

aus Männchen und Weibchen. Besondere Aufmerksamkeit (bis

hinein in die Regenbogenpresse, die sich um biologische

Themen sonst nicht zu kümmern pflegt) haben die scheinbar

unbekümmerten sexuellen Aktivitäten dieser Menschenaffen

erregt. Dazu gehören häufiger und promisker Geschlechtsverkehr

ebenso wie gleichgeschlechtliche Aktivitäten; beides

scheint dazu beizutragen, soziale Spannungen abzubauen, die

unter anderen Menschenaffen zum Teil beträchtlich sind.

Schimpansen zum Beispiel können regelrechte Bandenkriege

führen und schrecken dabei auch vor Mord nicht zurück.

Zwillinge sind völlig identisch.

Der Fingerabdruck bringt die Wahrheit an den Tag, die

Schuld ist bewiesen - doch plötzlich präsentiert der Täter seinen

Zwilling: Er wär's. Schließlich sind eineiige Zwillinge Klone.

Sie entstanden aus ein und derselben befruchteten Eizelle, die

sich später regelwidrig in zwei Individuen teilte. Beide tragen

die gleichen Gene. Der "genetische Fingerabdruck", der

Vergleich von Teilen des Erbguts, wie er zur Identifizierung von

Personen inzwischen zum Handwerk der Kriminalisten gehört,

ergibt deshalb keinen Unterschied. Aber auch Zwillinge haben

ihre individuellen Merkmale, und dazu gehört ausgerechnet der

Fingerabdruck. Das unverwechselbare Hautleistenmuster entsteht

während der ersten vier Lebensmonate im Mutterleib.

Auch ein Zwilling sollte also Handschuhe anziehen, bevor er

krumme Touren dreht.